Montag, der 26. April 1976

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Montag, 26. April 1976

Beim Jour fixe verspricht mir Sallinger, dass die Aufhebung des
Art. XXXV gegen Japan Mittwoch im Präsidium der Handelskammer er-
ledigt wird. Die Verhandlungen über den Hotelbau in der SU durch
österreichische Firmen werden fortgesetzt. Sallinger sieht aller-
dings keine Möglichkeit, von den 52.000 Rubel pro Bett, die die
österreichischen Firmen verlangt haben, um nicht den Auftrag zu be-
kommen, auch nur annähernd sich auf die 30.000 Rubel, die die
sowjetische Seite geboten hat, Preisnachlass sich doch zu einigen.
Angeblich wäre die sowjetische Seite zu 40.000 Rubel Bezahlung
bereit. Auch dieser Betrag reicht nicht aus, um die Risken der
österr. Firmen abdecken zu können. Sallinger hat bei seinem Besuch
in Ungarn bei Minister Biro festgestellt, dass diese unbedingt eine
Regelung der Zolldiskriminierung durch EWG-Zollsenkungen in Öster-
reich erreichen wollen. Mussil schlägt vor, dass wenn Lösungen
gefunden werden, diese nur weltweit gelten können. Genau dieselbe
Meinung vertrete übrigens auch ich, wenn der § 6 des Zollgesetzes
zur Anwendung gelangen sollte.

Mussil glaubt für die Marktordnungsgesetzverhandlungen eine Lösung
für den Viehverkehrsfonds gefunden zu haben. Es sollte eine Ent-
blockungsvorschrift aufgenommen werden. Derzeit sind solche Delegatio-
nen der Einfuhr an das Landwirtschaftsministerium nur in Notstands-
fällen vorgesehen. In Hinkunft sollte nach Vorschlag Mussils nach
einer gewissen Zeit automatisch, wenn die Ziele des Gesetzes gefährde
sind der Landwirtschaftsminister entscheiden können. Darüber hinaus
sollten die Exporte mit den Importen aufgerechnet werden, d.h. auch
im Viehverkehrsfonds beschlossen werden. Ich erkläre Mussil sofort,
dass diese Vorschläge unzulänglich sind, der Viehverkehrsfonds
ist nach meinem Dafür-halten für die Landwirtschaft nicht zu retten.
Mussil ist überzeugt, dass es dann zu keiner sozialpartnerschaftlichen
Regelung kommen kann. In diesem Fall erkläre ich, würde die Land-
wirtschaft schlecht beraten sein, denn es würden die einfachgesetzli-
chen Regelungen kommen und die Landwirtschaft würde auch den Milch-
und Getreidefonds verlieren, für den sie immerhin einige Jahre lange
Regelungen jetzt herausreissen kann.

Zur Frage der Ölbevorratung meint Mussil, wenn die Landwirtschafts-
gesetzverhandlungen gut verlaufen, würde die ÖVP dem Gesetz im


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morgigen Ausschuss zustimmen. Er verlangt nur, dass eine Bestimmung.
wonach die Grundstücke aus der Steuerneutralisierung ausgeschlossen
werden, die jetzt im Bewertungsgesetz drinnen sind, herauskommen,
zu diesem Zweck ruft er Dr. Ecker der die Steuerabteilung in der
Handelskammer führt. Von ihm verlange ich schriftlich die ent-
sprechende Forderung. Sekt.Chef Twaroch, mit dem ich anschliessend
über dieses Problem spreche, meint, er ist dazu sofort bereit, weil
dies eine Besserstellung des Fiskus bedeutet. Die Finanzverwaltung
hat die Herausnahme der Grundstücke ausdrücklich auf Wunsch der
Firmen in das Gesetz aufgenommen, weil dadurch auch die Schulden
kompensiert werden können. Wenn die Grundstücke drinnen bleiben,
müssen die Schulden wieder entsprechend angerechnet werden, was eine
Benachteiligung der meisten Firmen ergeben wird. Spät abends ruft
mich Mussil an und teilt mit, dass die Verhandlungen nicht das
gewünschte Ergebnis gebracht haben, weshalb die ÖVP im Klub vor-
schlagen wird, dass im Ausschuss der Unterausschuss-Gesetzentwurf mit
2/3-Mehrheit im Hohen Haus dann notwendig zu beschliessen, passieren
soll und anstelle vom 6. Mai am 19. Mai wenn die Terminlösung der
Marktordnungsgesetze kommen muss, dann auch das Ölbevorratungs-
gesetz mit ÖVP-Zustimmung beschlossen werden kann, wenn eine be-
friedigende Lösung der Marktordnung gefunden wird. Ich protestiere
sofort gegen diese Vorgangsweise, weil wenn es zu keiner einvernehmli-
chen Regelung der Marktordnung kommt, dann auch die ÖVP der 2/3-Lösung
im Ölbevorratungsgesetz nicht zustimmt. Eine einfachgesetzliche Re-
gelung müsste dann ganz kompliziert und optisch schlecht in der
zweiten und dritten Lesung am 19. Mai präsentiert werden. Mussil
sieht dies ein. Mit Klubobmann Fischer bespreche ich diesen Fall.
Er hat unabhängig von meiner Stellungnahme bereits Klubobmann
Koren vorgeschlagen, dass wir auf alle Fälle morgen die einfachge-
setzliche Regelung beschliessen. Am 19. Mai wird dann ent-
weder die verfassungsgesetzliche Regelung 2/3-Mehrheit als Abände-
rung gemeinsam in der zweiten und dritten Lesung beschlossen, oder
zumindestens ist unsere einfachgesetzliche Regelung damit mit unserer
Mehrheit gesichert. Es freut mich wirklich, dass Fischer, der
sich in meinen Augen immer mehr als der grosse Taktiker, aber auch
gute Fachmann in allen Fragen präsentiert, auf dieselbe Lösung
verfallen ist, die auch ich Mussil vorgeschlagen habe.



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Betreffen die Gewerbeordnungs-Novelle möchte ein gewisser Gumpelmayer,
dass für die Kontaktlinsen – Einsetzen der Optiker – ein eigener
Befähigungsnachweis und eine Konzessionierung eingeführt werden soll.
Gumpelmayer hat angeblich mit Mühlbacher über diese Fragen eingehend
verhandelt. Ich bin über den letzten Stand, muss ich zu meiner Schande
mir selbst gestehen, nicht informiert.

Mussil und Sallinger ersuchen mich, ich sollte unbedingt im Anschluss
an Nairobi nach Nigeria fahren, dort hat man die Stickereien jetzt
mit einer Einfuhrsperre belegt. Die Frist sei der 8. April 1976.
Jetzt sollte ich dort versuchen, dass Bestellungen, die vor dieser
Frist gemacht wurden, noch hineingelassen werden, weil man die jetzt
schon in Produktion befindlichen Dessins kaum wo anders hin verkaufen
kann. Ich erkläre Sallinger und Mussil, dass ich, wenn ich nach
Nigeria fahre, meine politische Karriere opfere, da am Samstag
Landesparteitag ist und ich dann nicht anwesend sein kann. Natür-
lich nimmt mir dies niemand verständlicherweise ab. Es war auch
tatsächlich nur als ein Gag gedacht, sollte aber der Handelskammer
zeigen, dass ich bereit bin, wirklich auch auf politische Veran-
staltungen zu verzichten, um ihnen, das heisst vor allem aber
gewissen Firmen vielleicht doch aus der Patsche zu helfen.

Im Weggehen erkläre ich Sallinger und Mussil noch die neue Strategie
von König bezüglich der Elektrizitätswirtschaft. Ich versichere
beiden, die nicht glauben, dass ich mit König fertig werde, dass ich
sehr wohl durch entsprechende harte Massnahmen gegen alles, was König
vorschlägt, zeigen werde, dass ich mich nicht so behandeln lasse.
Wenn König die Bestellung der Donau-Vorstände insbesondere Trans-
ferierung von Baumgartner in die Donau als Politikum darstellt,
dann wird sich in kürzester Zeit herausstellen, wenn Baumgartner in
Pension geht, dass dies nicht der Fall gewesen ist. Zwischenzeitig
aber werde ich auf jeden Angriff Königs durch entsprechende Härte
bei Verhandlungen in der Elektrizitätswirtschaft reagieren.

Beim Journalistenfrühstück berichtet Dr. Keller vom Justizministerium
über den Fortschritt des Konsumentenschutzgesetzes. Für dieses
Problem interessieren sich auch mehrere Journalisten, weshalb es eine
ganz interessante Diskussion gibt. Keller gibt auch zu überlegen,
ob es nicht zweckmässig ist, das Ratengesetz als zweites Konsumenten-


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schutzgesetz, das derzeit schon besteht, neben dem Mietengesetz
als erstes in den Konsumentenschutzgesetz-Entwurf aufzunehmen.
Für mich ist weniger interessant, welchen Inhalt dieses neue Ge-
setz haben wird, als dass wir einen ganz neuen Weg beschritten haben.
Broda ist damit einverstanden, wie Keller ausdrücklich auch dort
erklärt, dass soweit es sich um Materien handelt, wo das Handels-
ministerium besonders tangiert ist, auf den Weg der Sozialpartnerschaft
im Konsumentenbeirat Vorbesprechungen geführt werden. Die endgültige
Formulierung erfolgt dann selbstverständlich im Justizministerium.
Broda erhofft sich dadurch eine Verkürzung des Begutachtungsweges
und vor allem auch dann eine Beschleunigung in der Verabschiedung
im Justizausschuss.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte versuche auch den gleichen Weg bei
der Frage der Kreditvermittlungen.

Über Fremdenverkehr berichtet Würzl, dass im März die Nächtigungen im
29 % zurückgegangen sind. Im Vorjahr haben die 43 % plus gegenüber
1974 ausgemacht, weil eben die Osterferien voriges Jahr in den März
gefallen sind, heuer aber in den April. Zuerst hatte ich bei einer
Vorbesprechung Bedenken, dass man diese Ziffer, die ja wirklich
schockierend wirkt, wenn eine Zeitung aus böser Absicht sie in eine
Headline verwandelt, die ganze gute Stimmung im Fremdenverkehr zer-
stören könnte. Ich habe mich dann allerdings von Tieber und Puffler
davon überzeugen lassen, dass wir ja doch, wenn jemand mit böser
Absicht handelt, es nicht verhindern können, ob wir es im Presse-
frühstück besprechen oder nicht. Einleitend sagte ich deshalb sofort,
dass wir dieses negative Ergebnis jetzt auch der Presse mitteilen,
damit nicht behauptet wird, dass wir sie manipulieren oder
wie ich mich ausdrückte, wir wollen sowenig wie möglich manipulieren.
Die Nicht-Mitteilung oder überhaupt die Auswahl von gewissen Sachen,
die man referiert und gewissen Informationen, die man nicht sagt,
ist eine Manipulation, darüber kann es ja gar keine Zweifel geben.

Als drittes hat Pschorn über einen weiteren Monatsbericht der Stati-
stik, d.h. insbesondere über Zusammenstellungen der Exporte in ge-
wissen Gruppen oder der Währungsparitäten, der Lebenshaltungs-
kosten und Grosshandelspreisindizes referiert. Leider wird aus
diesen Ziffern überhaupt keine Analyse zusammengestellt und der
Presse vorgelegt. Ich bin überzeugt, dass kaum jemand in den Redaktio-
nen

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jetzt gewisse Schlüsse daraus zieht. Durch entsprechende Präsen-
tation von Ergebnissen aus diesen Ziffern könnte man sicherlich
die Öffentlichkeit stark beeinflussen. In diesem Fall wäre es
aber wirklich Manipulation. Ich könnte gar nicht manipulieren,
weil niemand da ist, der diese Ziffern tatsächlich analysiert.

ANMERKUNG FÜR WANKE: Hier könnte Reim entsprechende Vorarbeiten
leisten.

Broda ruft mich an und ersucht mich, dass ich für Kaltenböck,
den berühmten, berüchtigten Ausgleichsverwalter für Bauer, Arma-
turenwerke bei der Grazer Messe einen Besprechungstermin gebe. Dem
komme ich selbstverständlich nach. Unerklärlich ist mir nur, wie
Broda immer wieder darauf hinweist, dass Kaltenböck ein expeditiver
und auch vom wirtschaftlichen Standpunkt äusserst guter Ausgleichs-
verwalter ist. Die Firmen und vor allem die Beschäftigten, die
davon betroffen sind, sind anderer Meinung. Alle Ausgleichs- und Kon-
kursverfahren ziehen sich derart lange hin und kommt es in den
seltensten Fällen zu einer wirtschaftlich interessanten und brauch-
baren Lösung, sondern es geschieht eben Monate lange gar nichts.
Das primär wichtigste Ziel ist, die Eigentumssicherung soweit wie
möglich zu retten, auch wenn alle Arbeitsplätze dadurch verloren
gehen und letzten Endes die Fabrik nur mehr ein Schrotthaufen wird.

In der ganztägigen Sitzung des Wiener Vorstandes kann ich leider nur
zeitweise teilnehmen. Dies trifft aber Gott sei Dank zum Bericht
und Diskussion über den Bauring zu. Suttner erklärt seine Äusserung
in der letzten Zeit und Gratz seine Aussprache mit Suttner. Die
Diskussion zeigt eindeutig, dass die ÖVP als einzigen Angriff den
Bauring derzeit hat. Die Massenmedien fühlen, dass hier zwischen
den Funktionären Uneinigkeit herrscht. In der Diskussion wird
übereinstimmend festgestellt, dass die Verwaltung aber auch die
Partei, Suttner als Klubobmann vollstes Vertrauen schenkt. Suttner
war es, der die ganze Angelegenheit erst ins Rollen brachte. Aus
diesem Grund sind ihm die ehemaligen Geschäftsführer sehr böse gesinnt
und versuchen ihm und letzten Endes auch Walter Hofstetter alles
in die Schuhe zu schieben. Übereinstimmend wird festgehalten, dass
nur eine schnelle Lösung des Bauring-Problems eine Beruhigung herbei-
führen wird. Die Gemeinde hat schon einmal 550 Mill. hineingeschossen
und wird, damit der Betrieb nicht liquidiert wird, sondern doch noch
entweder teils verkauft oder im gemeindeeigener Regie weiterbetrieben


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wird, nochmals 500 Mill. zuschiessen müssen, damit das Stammkapital
von 189 Mill. S erhalten bleibt. Das Hauptproblem ist aber, dass
der sanierte Bauring mit dem Montagewerk eine zu grosse Kapazität
haben wird. Ich schlage deshalb vor, ähnlich wie man es bei der
städtischen Brauerei seinerzeit gemacht hat, den Betrieb doch
letzten Endes abzustossen. Was nützt in meinen Augen die Sanierung,
wenn dann letzten Endes doch durch die Grösse des Betriebes ständig
weiter Verluste gebaut werden. Die Montagebau müsste 4.000 Wohnungen
pro Jahr auf einem Acker bauen können. Dem steht die Stadterneuerungs-
politik der Gemeinde entgegen, die nicht mehr so grosse neue Sied-
lungen bauen kann, weil sie dazu gar nicht die notwendigen Grund-
stücke haben wird. Die Äusserung Suttners war für mich erklärlich,
denn er sagte, der Bauring wird zahlungsunfähig. Jetzt hat er einen
Zessionskredit von der Holding der Gemeinde, hat aber keine Rech-
nungen zu zedieren, weil keine Aufträge vorliegen. Nittel stellt
neuerdings fest, dass die SPÖ vom Bauring keine wie immer geartete
Unterstützung bekommen hat. Die Erklärung Slaviks in der Presse,
dass er nicht verstehen kann, dass sich die Partei nicht stärker
dagegen wehrt, wird mit grösster Verwunderung, um nicht zu sagen
Empörung von den einzelnen Genossen, die den Artikel erst jetzt
teilweise lesen, zur Kenntnis genommen. Tieber sagt mit Recht,
was kann man mehr als immer wieder erklären, wir haben nichts be-
kommen. Die Sanierung oder Lösung der Bauring-Firma muss noch vor
Prozessbeginn erledigt sein. Denn dann werden die entsprechenden
Polemiken erst beginnen und den Bauring, wenn er noch nicht
saniert ist, weiteren grossen Schaden zufügen.

Das Arbeitsgespräch mit Staatspräsidenten Jablonski ist eine
tour d'horizon. Für mich ist nur interessant, dass sie der
EWG-Diskriminierungspolitik durch RWG-Vorschläge entgegentreten
möchten. Die diesbezüglichen Verhandlungen werden aber noch nicht
in Brüssel geführt. Der neue 5-Jahres-Plan sieht ein Bruttonational-
produktwachstum von 40 %, letzter 62 %, eine Industrieproduktion
von 50 %, letzter 73 %, eine Reallohnsteigerung von 18 % und
1,5 Mill. Wohnungen, die neu gebaut werden sollen. vor. Darüber
gibt es keine Diskussion. Kirchschläger möchte aber, dass die
Minister, die morgen nicht dabei sind, berichten Firnberg über
die wissenschaftliche Zusammenarbeit und Androsch dann über seine
Verhandlungen, die er in Warschau geführt hat. Er hat mit dem
polnischen Finanzminister ein Finanzübereinkommen unterzeichnet.



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Es ist vorgesehen, dass gewissen Vorziehungen von Lieferungen, die
für den neuen 5-Jahresplan möglich sind, finanzmässig gedeckt
werden. Sie haben mit Haschek ein Cashflow-Modell ausgearbeitet
und Ausnützungsspitzen auszugleichen. Die Bezeichnung Cashflow
ist meiner Meinung nach ganz falsch, da dieser Begriff für die
unwahre Betriebskennziffern der einzelnen Betriebe geschaffen wurde.
Auf die Bezeichnung kommt es allerdings nicht an. Androsch be-
richtet dann auch noch über die Absicht, neben den schweren LKW-
Lieferungen von Steyr einen gemeinsamen mittleren LKW-Typ zu ent-
wickeln. Ebenso sollen die Radialreifen geliefert werden und eine
gemeinsame Produktion mit Semperit aufgenommen werden. Für Land-
maschinen und Nahrungsmitteleinrichtungen sollen jetzt ebenfalls
wie bei Polmot Steyr eine solche Lösung finanziell abgesichert
werden. Wegen der Kooperationen auf Drittmärkten hat er mit dem
Aussenhandelsminister gesprochen. Darüber hinaus sagt er, ist
er bei einen Mittelprojekt, er meint die Ankerdatenkassen, im
Ministerwort gegenüber der Firma, dass dieses Geschäft zustande
kommt. Bis jetzt haben aber die Polen eine Bestätigung abgelehnt.
Kirchschläger aber auch ein Botschafter vom Aussenministerium
fragen mich resp. Fälbl, wieso Androsch über diese Fragen überall
referiert, resp. verhandelt. Ich mache Androsch unter vier Augen
darauf aufmerksam, aber ganz besonders, dass ich grösste Bedenken
habe, wenn jetzt auch noch Landmaschinen und Nahrungsmittelein-
richtungen und ich weiss nicht was noch alles auf der Kreditbasis
abgewickelt werden soll. Das jetzige Kreditvolumen von 14 Mia. S
ist kaum mehr von den Polen zu verkraften. Androsch meint, sie
müssten eben sofort mit entsprechenden Stromlieferungen und anderen
Rohstoffen beginnen. Hier sehe ich keine Liefermöglichkeit in
diesem grossen Umfang. Ich erkläre Androsch ausdrücklich gegenüber,
dass ich für die Finanzierung mich nicht zuständig fühle und
dafür auch keine Verantwortung übernehmen kann.

In der Ministerratsvorbesprechung, wo Firnberg, Androsch und ich
zu spät kommen, wurde bereits das Wehrgesetz einvernehmlich gere-
gelt. Lütgendorf verzichtet auf die Zwangseinziehung für Leute,
die bereits 9 bzw. nach dem neuen Gesetz 8 Monate durchgedient haben
und ihre Waffenübungen damit erledigt haben. Im Hinkunft wird er
12 %, maximal 40.000 aber, wenn keine Chargen zur Verfügung stehen,
zwangsverpflichten können. Eine lange Diskussion entwickelt sich
als Androsch fragt, wie es mit den Diagnosestrassen geht. Diese
kosten 210 Mill. S Investitionen und 35 Mill. S laufende Ausgaben.



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Kreisky meint, Leodolter, die Sofia aber leider ist, hätte
ihm gesagt, 5 Mill. S. Es stellt sich sofort heraus, dass es sich
hier nur um die medizinisch-technischen Einrichtungen handelt.
Die Diagnosestrasse in St. Pölten ist fertig, in Klagenfurt und Graz
sind welche in Bau. Androsch fürchtet, dass immer wieder Gesetze be-
schlossen werden und er dann letzten Endes die Mittel dafür aufbringe
muss. Beispiel: Kasernenbauten und Abfangjäger. Lausecker wieder
fragt, wie diese Diagnosestrassen auch für die Zivilisten genützt
werden könnten. Leodolter möchte insbesondere die Mädchen dort
untersuchen. Jede einzelne Strasse kostet 35 Mill. S. Lütgendorf
hat hier glaube ich wirklich die Finanzverwaltung präjudiziert.
Kreisky meint, wir haben das versprochen und setzt sich sehr
dafür ein. Androsch muss letzten Endes zugestehen. Scheinbar
präjudizieren ihn alle anderen Minister oder zumindestens sehr
viele mit entsprechenden Gesetzesvorschlägen, die irgendwann im
Regierungsprogramm angedeutet wurden wie z.B. für Wissenschaft
und Forschung, Bauten, Militär usw., in Summe kann er dann nur
äusserst schwer ein Budget erstellen. Ich selbst wehre mich immer
mit Händen und Füssen und werde diese Politik auch fortsetzen,
entsprechende Vorschläge von meinem Haus mit finanziellen Belastun-
gen zu erheben.

Kreisky glaubt z.B. auch die Aufklärungskampagne wegen der Atom-
energie sei eine Angelegenheit des Handelsministerium und sei von
uns abzuwickeln, wofür 1,2 Mill. zur Verfügung gestellt werden
müssen. Ich erkläre sofort und Kunz stimmt mir zu, dass dies
im BKA abgewickelt wird und wir nur die Voraussetzungen und
Unterlagen zu liefern gehabt haben.

Androsch berichtet und hat mir vorher den Brief gezeigt, dass der
ÖGB aus grundsätzlichen Erwägungen die Illwerke-Aktienabtretung
ablehnt. Kreisky meint, auch wir waren immer dagegen und ist
sehr verwundert, dass wir jetzt zu einer einvernehmlichen Lösung ge-
kommen sind. Ich erinnere ihn daran, dass ich ihn schon einmal über
diesen Komplex informiert habe und dass ich keinen anderen Ausweg
sehe und bereit bin, mit dem ÖGB über dieses Problem zu sprechen.
Beim Staatsempfang erkläre ich Benya auch die Situation und verweise
ganz besonders darauf, dass ich Schmidt und Lachs über dieses
Problem einige Male informiert habe. Ich erwarte nicht, dass der
ÖGB seine prinzipiellen Bedenken zurückstellt, werde aber Schmidt


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wie ich Benya sage, in den Details noch einmal informieren und
sprechen. Aus einer Äusserung von Benya bemerke ich, dass er an-
genommen hat, dass Androsch den Verkauf dieser Aktien im Zuge
der allgemeinen Politik der Entstaatlichung womöglich durchführt.
Androsch wieder hat im Ministerrat-Vorbesprechung erklärt, er stehe
diesem Verkauf ablehnend gegenüber. Über diese Äusserung war ich
deshalb überrascht, weil doch gerade die Finanzprokuratur und überhaupt
das Finanzministerium eine solche Meinung niemals geäussert hat.
Entweder haben sie ohne Auftrag des Finanzministers gehandelt
oder Androsch hat seine Meinung jetzt geändert. Wir einigten uns,
dass eine Woche die ganze Angelegenheit zurückgestellt wird
damit ich mit dem ÖGB verhandeln kann und ich vor allem am nächsten
Dienstag im Ministerrat anwesend bin.

Androsch hatte als, wie er sich ausdrückte dritten angenehmen
Fall die Schweine-Exportsubvention, die Weihs verlangt. Androsch
hat im Vorjahr für 600 Mill. S Rinderexport-Subvention geleistet.
Jetzt möchte Weihs für 20.000 Schweine, die nach Ungarn exportiert
werden sollen, 3,5 Mill. S Nicht auf den Betrag kommt es Androsch
an sondern um die prinzipielle Folgewirkung. Haiden sagt sofort, wenn
man 20.000 exportiert, wird man dann auch weitere Schweine expor-
tieren, die ebenfalls subventioniert werden müssen. Die Landwirt-
schaft wird das immer wieder verlangen auch dann, wenn Weihs er-
klärt, es handelt sich um einen einmaligen Ausnahmefall. Nach Be-
rechnung des Landwirtschaftsministeriums sind 165.000 Schweine gegenüber
dem Vorjahr zu viel. Trotzdem eine 2 %-ige Konsumsteigerung schon
angenommen wurde. Derzeit sind 45.000 Stück gelagert und 2.500
kommen pro Woche immer dazu. Die Lagerkosten betragen 1.70 pro Monat
und weitere 70 Groschen für jedes weitere Monat. Bei einer Export-
stützung von 2.14 S würde also jede Lagerung die über 2 Monate
dauert bereits billiger als der Export zu kommen. Ich selbst versuche
Weihs – nicht so laut, dass es die anderen hören – flüsternd zu
sagen, dass die Arbeiterkammer gegen einen gestützten Export wahr-
scheinlich grösste Bedenken haben wird. Er soll eher versuchen,
Mauthner, nachdem es nach Ungarn geht und Mauthner dort fast ein
Monopol hat resp. immer wieder Lösungen findet, zu verpflichten, dass
er ganz einfache diese Schweine unterbringen muss, ohne dass es
zu einer Stützung kommen kann. Ich bin überzeugt, Mauthner wird
irgendein Gegengeschäft, und sei es die Braugerste, finden. Weihs
gibt zu, dass wir in den letzten Jahren unsere Agrarproduktion so


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verstärkt haben, dass wir fast nichts mehr importieren. Aus diesem
Grund werden Kompensations- oder Koppelungsgeschäfte immer schwie-
riger. Andererseits glaube ich gelingt es mir doch, Weihs davon zu
überzeugen, dass er von einer Stützung des Schweineexportes Abstand
nehmen wird. Kreisky hatte bevor sich Haiden in die Diskussion ein-
schaltete bereits mehr oder minder Androsch zu verstehen geben,
er soll so wie bei der Diagnosestrasse auch hier nachgeben. Die
3,5 Mill. S sollte man als einmaligen Aufwand bezeichnen. Ich stimme
mit Haiden aber vollkommen, dass wenn erst einmal Schweineexporte
subventioniert werden, wir dann von dieser Praxis kaum mehr abkommen
werden. Bei Rindern hat sich dies jetzt so eingebürgert, dass wir
jetzt auch heuer wahrscheinlich wieder werden grosse Geldmengen dafür
aufwenden müssen. Derzeit ist allerdings keine Gefahr, denn wir müssen
5,5 Mill. kg importieren und 8,5 Mill. kg, die wir auf Lager haben
derzeit entsprechend Lagerspesen usw. bezahlen.

Eine lange Diskussion ergab, wie wir den Staatsakt 1.000 Jahre
Österreich feiern sollen. Kreisky meinte zu Recht, und Firnberg
und Sinowatz als gelernte Historiker schlossen sich dem an, dass
eigentlich die 1.000 Jahre willkürlich gewählt sind. Ich selbst
machte nur aufmerksam, dass wir 1947, 950 Jahre Österreich, allerdings
zu einem anderen Anlass gefeiert hatten. Sinowatz hat die Schulen
angewiesen, gegenwartsbezogene Themen wie der ÖGB zu behandeln.
Firnberg möchte am Nationalfeiertag die Humanisierung des Arbeits-
platzes als Hauptthema. Kreisky meint, man wird den Jugendlichen
wieder zum Nationalfeiertag 1 Mill. S geben. Für einen Staatsakt
1.000 Jahre kommt er auf gar keinen Fall in Frage. Wir einigten
uns dann darauf, auf Vorschlag Kreisky, dass die NÖ., die ja mit
1.000 Jahre Babenberger in Lilienfeld eine grosse Ausstellung
eröffnen, auch die entsprechende Festveranstaltung durchführen sollen
und die Bundesregierung wird daran teilnehmen.

Nach der Ministerratsvorbesprechung hat Sinowatz mich gefragt, ob
ich tatsächlich das Unterrichtsministerium als der Filmförderung
ganz ausschliessen möchte. Tieber hatte bereits vorher mit
Sekretär Hermann und dem zuständigen Ministerialrat im Unterrichts-
ministerium eine Aussprache. Er fragte mich, ob tatsächlich der neue
Entwurf, den die Abteilung jetzt ausgearbeitet hat und wo das Unterrichts-
ministerium ganz ausgeschaltet ist, von mir verlangt wurde. Ich
erklärte sowohl Sinowatz als auch Tieber, dass dies auf keinen Fall


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zutrifft, Ich hätte nur immer wieder erklärt, wir könnten nur eine
kommerzielle Filmförderung durchführen, während das Unterrichts-
ministerium die kulturelle Filmförderung durchzuführen hat. Diesen
Standpunkt setzte ich auch Sinowatz neuerdings auseinander. Mir ist
es, wie ich sagte, ganz egal, ob die Mutzenbacher verfilmt ist oder
ein Kulturell wertvoll Film produziert wird, für mich kann nur der
kommerzielle Erfolg und das kommerzielle Risiko von Bedeutung sein.
Ich gedenke keinesfalls eine Zensur durchzuführen oder Filme zu
klassifizieren ob und welche förderungswürdig sind. Sinowatz meinte,
Kreisky wird diesen Standpunkt nicht teilen. Ich erklärte Sinowatz
aber eindeutig, dass für die kulturelle Seite einer Filmförderung
ausschliesslich das Unterrichtsministerium zuständig sei. Auf die
Frage von Sinowatz, welche Mittel bereitgestellt werden sollte, erklärte
ich, dass ich nicht nur daran denke erst zuletzt den Finanzminister
anzuschnorren, sondern primär daran denke, dass auch das Fernsehen,
der Verleih und die Lichtspieltheater einen gewissen Zuschuss zu der
Filmförderung leisten müssten.

ANMERKUNG FÜR TIEBER: Bitte die diesbezüglichen Besprechungen mit
Wanke und Unterrichtsminister führen.

Vizebürgermeister a.D. Bock als Vorsitzender des Aufsichtsrates der
Tauernkraftwerke wurde von mir über die Verhandlungen wegen der
Reduzierung des Aufsichtsrates informiert. Bock wird versuchen, mit
seinen ÖVP-Vis-a-vis einen entsprechenden Vorschlag der Reduzierung
vorzunehmen. Wenn er zu keiner einvernehmlichen Regelung kommt,
wird er mir berichten. Bock beabsichtigt, eventuell sogar die
Hauptversammlung zu verschieben, wenn ich damit einverstanden in
Ich habe ihm sofort erklärt, er hat alle Möglichkeiten als Verhand-
lungsführer offen, die ihm zweckmässig erscheinen, das Ziele einer
Reduzierung des Aufsichtsrates zu erreichen.

30_0540_01

Tagesprogramm, 26.4.1976

30_0540_02

hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


GND ID: 1017902909


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: SPÖ-Politiker, Wien


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: GD Kontrollbank
      GND ID: 170084094


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Gesundheitsministerin


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Lebensmittelhändler
          GND ID: 118579304


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Beamter HM


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Unterrichtsminister


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Ennskraftwerke


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg., Personalchef Unilever


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Wr. Bgm. bis 1973
                    GND ID: 107489872


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Vizepräs. BHK, Präs. FWV


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Unterrichtsminister, Bgm. Wien


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
                          GND ID: 118723189


                          Einträge mit Erwähnung:


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: Reg.R HM


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                                  Tätigkeit: Wr. SPÖ-GR-Abg., Obmann Wr. Naturfreunde


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    GND ID: 124729509


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: Leiter vw. Abt. ÖGB, SPÖ-NR-Abg.


                                      Einträge mit Erwähnung:


                                        Einträge mit Erwähnung:
                                          Tätigkeit: Verkehrsminister


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
                                            GND ID: 130620351


                                            Einträge mit Erwähnung:
                                              Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                Tätigkeit: SChef HM
                                                GND ID: 12195126X


                                                Einträge mit Erwähnung:
                                                  Tätigkeit: MR, Leiter Gruppe FV u. Gewerbeförd. HM


                                                  Einträge mit Erwähnung:
                                                    Tätigkeit: Wiener Stadtrat und Vizebgm., SPÖ


                                                    Einträge mit Erwähnung:
                                                      Tätigkeit: Sekr. JS, Tiroler SPÖ-Politiker


                                                      Einträge mit Erwähnung:
                                                        Tätigkeit: Beamter HM


                                                        Einträge mit Erwähnung:
                                                          Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
                                                          GND ID: 119083906


                                                          Einträge mit Erwähnung:
                                                            Tätigkeit: -obmann


                                                            Einträge mit Erwähnung:
                                                              Tätigkeit: Finanzminister, ÖVP-NR-Abg., OeNB-Präs.


                                                              Einträge mit Erwähnung:


                                                                Einträge mit Erwähnung:
                                                                  Tätigkeit: MR HM


                                                                  Einträge mit Erwähnung:
                                                                    Tätigkeit: Bundeskanzler
                                                                    GND ID: 118566512


                                                                    Einträge mit Erwähnung:
                                                                      Tätigkeit: Dir. Bundesforste, später Sts., dann LWM


                                                                      Einträge mit Erwähnung:
                                                                        Tätigkeit: Finanzminister
                                                                        GND ID: 118503049


                                                                        Einträge mit Erwähnung:
                                                                          Tätigkeit: ung. Außenhandelsmin.


                                                                          Einträge mit Erwähnung:
                                                                            Tätigkeit: Justizminister


                                                                            Einträge mit Erwähnung:
                                                                              Tätigkeit: Wissenschaftsministerin
                                                                              GND ID: 11869104X


                                                                              Einträge mit Erwähnung: