Freitag, 7. Mai 1976
Lord Balogh mit Kienzl und Rieger Österreichische Nationalbank erzählt
mir, dass British Petrol zur Sicherung seiner Rohölbezüge aus Bahrain
die englische Regierung veranlasste, 1954 eine neue Art der
Grenzziehung von meadienline veranlasste. 1964 entdeckte man
dann vor den Shetland-Inseln Öl. Mit Norwegen musste auf dieser
neuen Basis ebenfalls geteilt werden, wodurch der Schelf, der zu
den Shetland-Inseln gehört, ebenfalls geteilt wurde. Dadurch
verliert England 180 Mia. Pfund Ölvorräte an Norwegen. Hier kann man
sehen, wie falsche Aussenpolitik für verheerende Folgen haben kann.
Die Gestehungskosten im Nordseeöl liegen bei 2.50 $ bis 8.- $ das
Barrel incl. Betriebskosten von 1.50 $.
Bürgermeister Waibel, Wolfurt und Komm.Rat Doppelmayr interve-
nieren, weil sie ihre Produktionsstätte nicht ausbauen könne. Der
Verwaltungsgerichtshof hat einem Anrainer Rünzler recht gegeben.
Wir können den Akt noch nicht erledigen weil Dr. Daimer, Gesund-
heitsministerium das Gutachten noch nicht geliefert hat. Daimer
ist jetzt auf einer internationalen Tagung. In anderen Ministerien ist
es üblich und möglich, dass er Beamten erklärt, er sei so überlastet
mit konkreter Arbeit, dafür aber an Tagungen teilnimmt. Beim
Hinausgehen treffen die Vorarlberger auf Landesstatthalter Mandl,
LR Rümmele und Exlandesstatthalter Müller. Sie müssen den Eindruck
haben, ich hätte ganz Vorarlberg immer zu bearbeiten. Der Zufall
hilft hier wirklich manchmal einen übertriebenen Eindruck zu hinter-
lassen.
Einleitend beschwere ich mich gleich, dass Vorarlberger Zeitungen mich,
obwohl ich mich so um Vorarlberg bemühe, attackieren. Mandl erklärt
sofort, das ist ihm unerklärlich, er selbst hätte immer darauf
hingewiesen, wie sehr ich mich um ein gutes Einvernehmen bemühe und
Vorarlberg in jeder Beziehung unterstütze. Im Vorarlberger Landtag
wurde sogar eine diesbezüglich Dankadresse beschlossen.
ANMERKUNG FÜR TIEBER: Bitte besorgen für die Messeeröffnung in Dornbirn.
Sekt.Chef Frank erklärt seine Verwunderung, dass Landeshauptmann
Kessler die österreichische Forderung an Deutschland wegen Abgeltung
der Illwerke-Kosten nicht entsprechend unterstützt, sondern mit
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den Deutschen Verbrüderung feiert. Mandl erklärt dezidiert
sie würden selbstverständlich die Forderungen der Illwerke an das
RWE in jeder Beziehung unterstützen.
Die Vorspreche betrifft aber die Vertragsverlängerung mit der
Vorarlberger Ferngasgesellschaft VEFG. Wir einigen uns sofort, dass
der Vertrag dann auf weiter jeweils 2 x 1 Jahr verlängert wird, wenn
Vorarlberg entsprechende Aktivitäten anführt. Preussag die 49 %
Anteil an der Fündigkeit haben wird, trägt jetzt fast die ganzen
Investitionskosten. Wenn Österreich aber das Öl braucht, dann
besteht selbstverständlich die Option darauf. Der Flächenzins
bleibt, wie wir ihn auch für die ÖMV und RAG festgesetzt haben.
Die Vorarlberger sind sehr verwundert, dann in den letzten 20
Jahren haben sie 2,8 Mio. Schilling bezahlt, jetzt müssen sie 1976
für 1 Jahr 1,6 Mio. Schilling bezahlen. Willkürliche Festsetzung
von Bock seinerzeit kann und will ich nicht wiederholen.
Bei der Lagerhaltung möchten sie ein Lager von 120.000 Tonnen.
Aus der Ölleitung durch Vorarlberg können sie 300.000 Tonnen jähr-
liche Bezugsrechte in Anspruch nehmen. Sie möchten mit der ÖMV
zu jeweils 1/3, wenn notwendig eine Destillation errichten. Ich glaube
kaum, dass es ihnen gelingen wird, einen Standort dafür zu finden und
dies rentabel zu gestalten. Sie glauben 120 Mio Schilling dafür in-
vestieren zu müssen, die ÖMV hat bereits 200 Mio konkret veranschlagt.
Die ÖMV dürfte hier vielleicht überhöht vorgeschlagen haben, um die
Vorarlberger abzuschrecken. Bei Gasimporten verlangt die ÖMV auf
Grund der Kostensituation 2.10 Schilling pro cbm. Da Vorarlberg
an das deutsche Netz angeschlossen, muss sie sich mit der ÖMV
arrangieren, da diese mit ihren Gesellschaften in Deutschland
und anderen Ländern heute schon weitestgehend ein Monopol hat.
Die Austria-Ferngas konnte sich nicht durchsetzen. Zum Glück habe
ich dieser niemals Schwierigkeiten gemacht, sodass man mir in
der Gaspolitik keine Vorwürfe machen kann. Ich erkläre nur immer
wieder, dass ich mich für alle Länder, daher auch für Vorarlberg
einsetzen werde, dass dort die Gasversorgung in Hinkunft bei ent-
sprechenden Pipelines gesichert ist. Über die kommerzielle Seite
müssen sie sich mit der ÖMV einigen. Die Vorarlberger sind mit
dieser Aussprache sehr zufrieden, obwohl ich ihnen in keinem
einzigen Punkt nachgegeben habe. In Vorarlberg wird scheinbar auch der
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Grundsatz anerkannt, den ich stets handhabe, niemand zu bevorzugen,
niemand zu benachteiligen, oder wie ich es immer ausdrücke alle
Leute gleich gut oder gleicht schlecht zu behandeln.
Präsident Leberl kommt mit dem Profil-Artikel und meint, ich
als Minister müsste ihn als Beamten schützen. Profil hat ihm
attackiert, weil er eine egoistische Politik im Patentamt durch-
führt. Leberl ist der Meinung, Politiker könnte man jederzeit an-
greifen, dies sei ihr Geschäft, Beamte aber könnten sich nicht wehren
und deshalb müsse der Minister für sie eintreten. Ich bin zwar
natürlich bereit, alles zu unternehmen um ungerechtfertigte Angriffe
von Beamten abzuwehren. Weder Leberl noch ich weiss allerdings
einen Weg, wie man in diesem konkreten Fall vorgehen soll.
ANMERKUNG FÜR WAIS : Wenn Leberl noch einmal kommt, bitte besprich
mit ihm was ich unternehmen kann.
Der Jour fixe mit der Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund ist sehr
schlecht besucht. Es ist sicherlich darauf zurückzuführen, dass jetzt
die Verhandlungen über die Preisgesetze und vor allem die Markt-
ordnungen unsere Kollegen sehr stark belasten. Solange aber nicht
alle anwesend sind, ist es furchtbar schwer, eine einvernehmliche
Auffassung in den Punkten festzustellen, die von grosser Bedeutung
sind, wie z.B. jetzt eben die Gesetzesänderungen. Trotzdem werde ich
an dem System festhalten, denn niemand soll mir vorwerfen, ich hätte
nicht alle informiert. Wer nicht kommt ist selbst schuld.
Bei der Eröffnung der Antiquitätenmesse, die von einer grossen
Anzahl von Zuhörern sich auszeichnet, habe ich einen besonders guten
Tag. Während Handelskammerpräsident Dittrich seine Erklärung runter-
liest, ein berühmter Redner wird er auf diese Art und Weise sicher-
lich auch nicht, kamen meine Gags und vor allem meine Erklärungen
sehr gut an. Viele Zuseher zur Eröffnung dürfen gratis hinein,
weshalb eine grosse Masse den Saal füllt. Die Erlöse von den Eintritts-
karten aber fliessen den Kunsthistorischen Institut zu. Dieser Hin-
weis löste entsprechenden Beifall aus. Die Kommen bezahlen zwar nichts
aber sind begeistert dass die anderen, die dann bezahlen werden, ein
wissenschaftliches Institut unterstützen. Vorsteher Otto und vor
allem ein Kunsthändler Hofstätter, der die Messe organisiert, bedanken
sich nachher bei mir wirklich herzlichst.
In Zürich treffe ich die Vertreter der Vorarlberger Stickerei-
industrie Komm.Rat Fend, ein Stellvertreter von der Handelskammer aus
Wien ist sogar angeflogen und den Sekretär des Stickereiverbandes
Lerchenmüller. Sie erwarten von mir, dass es mir gelingt, den
nigerianischen neuen Handelsminister einen General, dazu zu bewegen,
die Importsperre für 6 Monate aufzuheben, oder ihnen zumindestens
ein Kontingent zu geben. Derzeit haben sie für 150 Mio. durch die
Österreichische Kontrollbank gedeckt noch eine Produktion laufen,
die sie jetzt nicht verkaufen können. Weitere 150 Mio sind überhaupt
storniert. 1971 exportierten sie 73 Mio. nach Nigerien, 1975 672 Mio.
oder 42 % ihres Gesamtexportes. 100 Mio. weiters über Transit Grossbritan-
nien, so dass insgesamt 870 Mio. Schilling exportiert wurden. Die Sperre
ist für sie jetzt wirklich eine Katastrophe. Ich unterhalte mich
2 Stunden über alle Details, um entsprechend informiert zu sein, wenn
ich mit Shuwa eine Aussprache habe.
Diese Aussprache kommt dann tatsächlich unter den widrigsten
Umständen zustande. Shuwa ist nur ganz kurz in Nairobi, bereitet sich
auf seine Ansprache vor, ist nach einigen Interventionen endlich
bereit mit mir anschliessend das Problem zu besprechen. Ich kenne ihn
durch die Informationen, die er mir verschafft hat sehr genau. Er kennt
mich sicherlich überhaupt nicht und betrachtet mich als einen Inter-
venienten, der eben unseriöse Geschäfte verteidigt. Bei diesem General
ist alles was nicht direkt zum Aufbau der Armee und damit seines Landes
dient, anrüchig. Die Sechsmonatsperre wird eingehalten, mein Vorschlag
ein Kontingent zu geben, wird er prüfen. Er empfiehlt unserem Bot-
schafter in Lagos die Sache weiter zu verfolgen. Seine Beamten weist
er an, entsprechende Untersuchungen anzustellen, und mit dem Bot-
schafter dann darüber zu reden. Die Aussprache wird den Vorarlbergern
zeigen, dass ich mich für sie sehr eingesetzt habe. In Wirklichkeit
aber war sie einigermassen beschämend für mich. Ob sie etwas genützt
hat, wird sich erst zeigen. Wenn ich bei dieser Aussprache nicht mit
den Assembling-Verfahren und dem Joint venture, der ja zwischen Steyr-Daimler-
Puch und einer nigerianischen Firma für 8.000 LKWs und 2.000 Traktoren
getroffen werden soll begonnen, daran dürfte auch das Militär interessiert
sein, hätte Shuwa mich vielleicht nicht einmal angehört. Selbstver-
ständlich wies ich auch darauf hin, dass die Stickerei jetzt der
Joint venture mit nigerianischen Firmen durchführen. Ausserdem verwies
ich darauf, dass die Importeure Nigerianer sind und nicht Europäer
oder Inder. Mit einem Wort, ich habe alles getan und habe mir im stillen
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gedacht, wie hätte Bock oder Mitterer hier gehandelt. Wie weit
Shuwa die Unterfakturierung, die zweifelsohne gegen die nigerianischen
Gesetze verstosst bekannt ist, weiss ich nicht. Dass es seine Beamten
wissen, davon bin ich überzeugt.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Stickereiverband Fend, Steyr-Daimler-Puch,
Malzacher resp. Trotnig von meiner Intervention verständigen.
Die UNCTAD-Tagung verlief, wie ich erwartet. Minister geben dort
Erklärungen ab, die kaum jemand anhört. Selbst bei dem sowjetischen
Vertreter Patolitschew, der ausdrücklich am Nachmittag als erster
Redner sich eintragen liess, war der Saal fast leer. Ich selbst habe
es so gehandhabt, dass ich versuchte, bei jeden mir persönlich be-
kannten Minister anwesend zu sein und dadurch mein besonderes Interesse
zu zeigen. Bei Patolitschew ist dies ganz besonders gut angekommen.
Die vorbereiteten Statements werden verlesen, keiner bezieht sich auf
die Vorrede eines anderen, oder höchstens selten. Die Chinesen haben
die Russen nur attackiert, dass sie jetzt Neokolonialismus betreiben
und sich eben der Dritten Welt zur verantworten haben. Patolitschew
klopfte sich bei dieser Passage auf den Kopf, was bedeuten sollte,
ihr seid ja wahnsinnig oder blöd. Sofort kamen die Team-Leute und
nahmen die Szene auf. In seiner Antwortrede ging er zwar auf das Problem
ein, ohne China zu nennen. Österreich sass genau zwischen der sowjeti-
schen - vor ihr - und der chinesischen - hinter ihr - Delegation. Einen
schlechteren Platz hätten wir nicht bekommen können. Auf der einen
Seite versuchte ich natürlich auch die Chinesen, in der Delegation
war der ehemalige Botschafter in Wien, freundlich zu begrüssen, auf
der anderen Seite beobachteten sie natürlich ganz genau wie ich mich
gegenüber Patolitschew verhielt. Für beide Systeme habe ich nichts
über. Wenn ich aber als Handelsminister Bilanz ziehe, so ist Patolitschew
natürlich für uns ungeheuer wichtiger als der Vizeminister aus China,
den ich übrigens gar nicht kannte. Am meisten stört mich diese blöde
internationale Gewohnheit, jemanden zu gratulieren, wenn er seine
Rede heruntergelesen hat. Manschulo ist als einziger bei mir er-
schienen, es kamen auch noch ein oder der andere, die ich nicht
kannte. Selbst verständlich musste ich dann auch bei den Minister,
die ich persönlich kannte, insbesondere aber bei Patolitschew, ihm
die Hand schütteln.
Patolitschew und ich hatten dann eine Aussprache über unsere Ge-
mischte Kommission im Juli in Moskau. Natürlich kam er wieder auf
seine Idee, wir sollten uns Finnland als Beispiel nehmen, zu sprechen.
Wer ihn nicht kannte und mein Begleiter war das erste Mal dabei, war
sehr erschüttert, wie er dies begründete. Er meinte ihm sei der
kalte Schauer über den Rücken gelaufen. Auch der Handelsdelegierte
Engel war sehr erschüttert, als er die Patolitschew-Taktik erfuhr.
Österreich wäre heute noch geteilt, hätte die Sowjetunion nicht
zum Staatsvertrag zugestimmt. Für mich etwas ganz selbstverständliches,
für die anderen, die es das erste Mal hörten, eine unverblümte Drohung,
wie sie mir erzählten. Bei solchen Vergleichen komme ich immer mehr
darauf, wie gut die Politik ist, die ich doch mit den Sowjets und
anderen Oststaaten begonnen habe. Dort betrachtet man mich wirklich
als Freund, der bestrebt ist den Warenverkehr zu verbessern, aber
politisch keine wie immer geartete Konzessionen macht, dazu bin ich
weder berechtigt noch gewillt. Andererseits hat Patolitschew auch wieder
in Nairobi vorgehalten, als ich ihn ersuchte mehr österreichische
Waren zu kaufen, dass die Presse seinerzeit geschrieben hat, Patolitschew
mit den leeren Taschen. Man sieht wie empfindlich ausländische Minister
sind und wie man sie in Wirklichkeit vorsichtig behandeln muss.
Wie präpotent aber manche Minister sind, erfuhr ich an einem anderen
Beispiel. Der Vize-Aussenminister von der Sowjetunion, der Englisch
sprach und vor mir sass, hatte das Manuskript von der Patolitschew-
Rede. Ich fragte ihn, ob er mir ein Exemplar geben kann, damit ich
es in Englisch gleich mitlesen könnte. Er meinte, sie sei nur
in Russisch geschrieben und ich hätte eben meine Zeit nützen sollen,
um Russisch zu lernen. Ich bin überzeugt, er wusste nicht dass ich
ein Minister war. Die Bemerkung zeigt allerdings die Überheblichkeit
auch einzelner Russen.
Mit dem Vizeministerpräsidenten Dr. Smole besprach ich die Beziehungen
Jugoslawiens zur EFTA. Wir einigten uns darauf, dass ich dem EFTA-
Rat mitteilen sollte, Jugoslawien sei an einem Besuch des neuen
Generalsekretär Müller sehr interessiert.
Der ungarische Aussenhandelsminister Biro hat mich zu einem Lunch
in ihre Botschaft geladen. Dort besprachen wir seinen Besuch in Öster-
reich. Biro teilte mir mit, dass der Ministerpräsident Lazar über
die Diskriminierung Ungarns durch die Zollsenkungen im Rahmen des
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EG-Vertrages sich beschweren wird. Das Zollproblem ist wirklich
eine ungeheure Belastung für unsere Beziehungen zu den Oststaaten.
ANMERKUNG FÜR WAIS UND WANKE: Wir müssen eine Lösung finden, auch
dann wenn das Finanzministerium jetzt neuerdings Schwierigkeiten macht.
Die österreichische Delegation mit 13, wovon 6 von den Interessen-
vertretungen kommen, ist mittelmässig. Die Japaner haben 81, die
Amerikaner 34, die Schweiz allerdings nur 12. Die wenigsten haben
Griechenland mit 7 Delegierten. In den Arbeitsgruppen konnte anfangs
überhaupt nicht gearbeitet werden, weil man tagelange über den Vor-
sitzenden, den Stellvertretern und den Rapporteuren herumstritt, wer
ihn bekommen soll. Die Industriestaaten haben daran besonderes
Interesse in gewissen Gruppen und natürlich insbesondere die 77 Ent-
wicklungsländer resp. der Ostblock. Dieses Tauziehen ist zeitaufwändig
und führt zu gar nichts. Ich besuchte auch solche Arbeitsgruppen, wo
ich feststellen konnte, dass wenn ein Vorsitzender irgendwie energisch
zu einer Lösung kommen will, dann es Delegierte selbst auch aus den
Weststaaten oder aus Übersee, nur ungern hinnehmen und manchmal sogar
hart kritisieren. Wenn aber eine solche Gruppe nicht von einem ener-
gischen Vorsitzenden geleitet wird, dann zerflattert dies vollkommen.
Bei einem Österreich-Empfang hatte ich Gelegenheit mit den Entwicklungs-
helfern die dort tätig sind, zu reden. Ich besichtigte auch das Kinder-
dorf und ein Spital am Fusse des Kilimandscharo. Dort arbeiten wirklich
Idealisten. Über was sie sich aber mit Recht beschweren, ist dass bei uns
vom Staat aus nicht nur zu wenig geschieht, sondern wir auch unzweck-
mässig die Entwicklungshilfe betreuen. Unter anderem wurde einer Firma
Wings for Progress ein Flugzeug für 150.000 Schilling gekauft. Der Pilot
ist ein ungeheurer Idealist und hat mich sehr beeindruckt. Die anderen
Entwicklungshelfer sagen allerdings, es ist rausgeschmissenes Geld.
Die Journalistenschule wieder, die wir ebenfalls subventionierten und
wo ich sogar einen Vortrag hielt, liefert Material, dass die Ebert-
Stiftung mit 5 Mio. DM auch schon der Voice of Kenia gegeben hat. Wir
sind an einer Wochenschau-Entwicklungshilfe auch beteiligt. Früher ist
in dieser Wochenschau die Queen, weil die Engländer sie finanzierten,
erschienen. Jetzt konnte ich einige Exemplare sehen, wo Kirchschläger
und sonstige österreichische Propaganda eingeflochten war. Angeblich
kommt sie aber viel besser an, als die englische. Was glaube ich
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überall die Leute die draussen in den Spitälern, Kinderdörfern
und sonstigen Entwicklungsprojekten helfen am meisten erschüttert ist,
dass viele Besuchen kommen, viele kontrollieren kommen und wenige nur
arbeiten. Kreisky hat einmal, als Veselsky wieder zur Sahel-Zone
reisen musste, mit Recht gebrummt, wenn wir das Geld, was hier in
Kontrollen, Vorbereitungen und Konferenzen usw. direkt den Leuten geben,
hätten wir viel mehr geleistet als die ganze umständliche Organisation.
Wie recht er hatte, konnte ich mich jetzt selbst überzeugen.
Kenia ist zweifelsohne gegenüber anderen afrikanischen Staaten ein
einigermassen fortgeschrittenes Land. Kenyatta und seine Familie, d.h.
sein Stamm aber dürfte jetzt aber schön langsam sehr unbeliebt werden.
Angeblich bereichern sich alle seine Familienangehörigen ungeheuer.
Immer wieder erfährt man, mit den oder jenen muss man sich zusammentun
um Geschäfte machen zu können. Dass dabei selbstverständlich ungeheure
hohe Provisionen bezahlt werden müssen, ist selbst mir klar geworden.
Die Frage ist nur, wie bei allen anderen, ob man auf den Richtigen
setzt und tippt. Gott sei dank muss ich hier keine Einzelentscheidung
treffen.
Tagesprogramm, 7.5.1976
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)