Dienstag, der 27. Juli 1976

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Dienstag, 27. Juli 1976

Nachdem ich es mir wochenlange vorgenommen habe, habe ich nun
endlich Pittermann im Spital besucht. Er war gerade beim Früh-
stück, aß Butterbrot mit Tomaten und war guter Laune. Überhaupt
war ich sehr erstaunt, wie gut es ihm ging. Der alte Pittermann
wie wir ihn von früher kannten. Humorvoll ein wenig zynisch und vor
allem bei vollkommen klarem Verstand. Die drei Schlaganfälle
dürften also nur einen Teil seines Gehirnes, insbesondere den
Sehnerv total zerstört haben. Seine Tochter Lisl, die im Hanuschspital
arbeitet, kam ihm dann besuchen und war auch sehr froh, dass endlich
wieder einmal jemand kommt und mit ihm über die aktuellen Fragen
sich unterhält. Ich habe mir fest vorgenommen einmal in der Woche eine
halbe Stunde oder 3/4 Stunde bei ihm vorüberzufahren. Es ist näm-
lich eine bodenlose Schweinerei, wie wenig man sich um Leute kümmert,
um die man sich früher nicht genug hat tummeln können. Dies kann
ich mit ruhigem Gewissen sagen trifft nicht für mich zu. Im Gegenteil,
solange jemand in höchster Funktion ist, bin ich meistens äusserst
reserviert ihm gegenüber. Ich versuche Distanz zu halten. Um so mehr
betrübt es mich, wenn dann durch Schicksalsschläge Betreffende völlig
vereinsamt und sich dann niemand mehr um ihm kümmert. Seine Tochter
sagte mir dann unter vier Augen, dass er sie immer wieder frägt, was
gibt es da neues, was dort neues und sie weiss natürlich als Ärztin
fast nichts. Ich entschloss mich spontan und ersuchte sie zu son-
dieren, ob es ihm recht ist, meine Aufzeichnungen, bevor sie ge-
löscht werden, ihm zur Verfügung zu stellen. Sie war sofort davon
begeistert und meinte er wird ein Gerät nicht bedienen können, aber
sie wird es dann für ihn machen. Bis September fährt er in die
Ferien.

In der Ministerratsvorbesprechung brachte Häuser die Situation mit
den Bauern zur Sprache Weihs fehlte und Haiden berichtete über die
Vorsprache des Allg. Bauernverbandes, dieser hat eine Resolution ihm
übergeben wo auch ich angegriffen werde, daß ich das Preisgesetz ver-
letze, weil ich den Antrag des Allg. Bauernverbandes nicht behandelt
habe. Überhaupt behaupten sie und dies gar nicht so unrecht, daß der
Milchpreis festgesetzt wurde ohne das behördliche Verfahren abzuwickeln.



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Meine Argumentation ist, dass der Milchpreis noch gar nicht festge-
setzt ist, sondern dass das Preisverfahren erst abzuwickeln ist und
dann ganz offiziell die Preiskommission den Milchpreis beschliessen
wird. Selbstverständlich wird zeitgerecht ein formelles Preisver-
fahren abgeführt, wie dies auch beim Getreidepreis und der Getreide-
handelsspanne geschehen ist. Die Ernte wird nach Auskunft Haidens,
insbesondere bei Weizen gut, bis Vorjahresergebnisse bringen. Schlecht
stehen nur die Kartoffeln. Androsch meinte mit Recht, wir haben dies-
mal ein ungeheures Glück gehabt. Wenn wir um einige Tage später ab-
schliessen oder gar nicht abschliessen, wenn die Hitze noch ein wenig
anhält, dann wäre es wahrscheinlich zu einem richtigen Bauernaufstand
gekommen. Er meint nur, wie würden wir in Hinkunft eine solche Ent-
wicklung verhindern können. Darüber müsste man diskutieren. Meine
Stellungnahme war klar. Die amtliche Preisregelung müsste gelockert
werden, ich sagte aufgehoben. Dies ist nach Meinung Haidens, aber
auch Androsch nicht die Lösung. Androsch meinte ich hätte zu viel
von Friderichs aus Deutschland kopiert. Ich erörterte ganz kurz, dass
ich schrittweise jetzt vor allem Butter und die restlichen Käsesorten
versuchen werde aus der amtlichen Preisregelung herauszunehmen und der
Paritätischen Kommission zu übertragen. In der Paritätischen Kommission
ist nämlich die Landwirtschaftskammer verpflichtet einen Konsens zu
erreichen, weil ansonsten die Preise nicht erhöht werden können. In
der amtlichen Preiskommission ist es gerade umgekehrt. Dort muss ich
den Konsens suchen oder eben ganz einfach diktieren. Androsch dürfte aber
auf derselben Linie wie Kreisky liegen, der darin erstens keine Lösung
sieht, zweitens nur eine Stärkung der Interessenvertretungen. Beide
dürften befürchten, dass wir dann weniger regieren. Momentan geht ja
diese Politik auf, denn scheinbar hat Kreisky wieder einmal recht
wenn er alle Probleme die irgendwo auftauchen oder auftauchen könnten
in Angriff nimmt und sie womöglich zu sich zieht. Dadurch entsteht
der Eindruck es wird regiert und wenn er ein Problem nicht lösen kann
und wieder fallen lässt, so vergisst die Opposition ihm deswegen
taktisch geschickt anzugreifen, sondern mault höchsten ein bisschen.
Trotzdem glaube ich müsste, um allein eine Verwaltungsreform wirksam
durchführen zu können, weniger regiert und nicht mehr regiert werden.
Unter regieren in diesem Sinne verstehe ich, dass man immer wieder
Kompetenzen, die man schon längst hätte aufgeben können, beibehält,
die Durchführung viele Beamte erfordert und der Erfolg minimal, manch-
mal sogar wirklich konträr ist. Das typischste Beispiel ist die Preis-
regelung. 1945, als fast alles preisgeregelt war, waren sicherlich nicht


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mehr Beamten beschäftigt als wie jetzt in den davon betroffenen
Ministerien. in den Landesregierungen. Jetzt gibt es nur mehr ganz
wenige preisgeregelte Produkte, die Beamten sind fast dieselben,
ein formell arbeitender Apparat wird aufrechterhalten. Die Sinnlosig-
keit des Vorprüfungsverfahrens in den meisten Produkten, wie letzten
Endes dann der Preis festgesetzt wird, kommt mir immer wieder
zum Bewusstsein. Trotzdem können wir, da das Gesetz es verlangt, gar
nicht anders vorgehen.

Gehart hat mir nach der Sitzung mitgeteilt, dass Kreisky von Koppe
eingeladen wurde am 8.10. von 10 – 12 Uhr eine Diskussion mit Konsu-
mentenfunktionären zu führen. Anlass dafür ist 20 Jahre Verein für
Konsumenteninformation. Kreisky hat abhängig gemacht, dass auch ich
daran teilnehme.

ANMERKUNG FÜR TIEBER: Bitte mit Gehart und Koppe Details vereinbaren
und Termin fixieren.

Gehart muss nun den Brief der Zuckerindustrie bearbeiten, wo Kreisky
angegriffen wird, weil er behauptet hat, in der Schweiz ist der Zucker
billiger als bei uns. Ich erklärte Gehart, dass eben der Schweizer
Verbraucherpreis S 6.- betragen hat, dann kam die Zuckerknappheit
er stieg über 20.- Schilling und ist in der Zwischenzeit auf 12 - 13
Schilling gefallen. Er liegt also noch immer höher, als der öster-
reichische vereinbarte Zuckerpreis von 9.50 Schilling. Ich empfahl
Gehart, er soll die Antwort so abfassen, dass die Zuckerindustrie
auf mich verweist, damit wir dieses Problem besprechen und lösen.

Gesandter Vavrik vom Aussenamt rief an und erkundigte sich, ob tat-
sächlich mein Besuch in Jugoslawien aufrecht bleibt. Das Aussenamt
ist sehr besorgt, weil Innenminister Rösch, der ebenfalls eine Ein-
ladung gehabt hat, jetzt wieder ausgeladen wurde. Snuderl hat mich
gestern telefonisch noch verständigt, dass er sich schon sehr freut, wen
wir uns treffen. Allerdings hat er mir nicht mitgeteilt, wo dieses
Treffen stattfinden wird. Auf meine telefonische Frage hat er gemeint,
er schreibt mir dies alles zeitgerecht. Scheinbar weiss er auch noch
nicht, wo wir uns treffen sollen. Botschafter Otto, der von Belgrad
diesbezüglich angerufen hat, habe ich mitgeteilt, dass wir uns auf
alle Fälle treffen werden und er dazukommen soll. Das Aussenamt ist
sehr sehr froh, dass unsere Vereinbarung noch steht. Ich habe entspre-
chende Unterlagen über die ganze Minderheitenfrage verlangt, obwohl


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ich dieses Problem natürlich von mir aus nicht anschneiden
möchte. Dr. Bauer vom Aussenamt hat mir gegenüber, als ich
ihm dann die ganze Situation erklärte, er wird mir alle De-
tailinformationen zukommen lassen.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Das Quartier und die Unterlagen müsste ich
bis nächste Woche Donnerstag spätestens wissen.

Effenberger vom ARBÖ besprach mit mir die Vorgangsweise für die
nächste Benzinpreiserhöhung. Stemberger von Shell hat sich bei ihm
angemeldet. Die Internationalen werden also Goodwill-Tour, die
Mieling und auch Bauer bei mir angekündigt haben, jetzt in Angriff
nehmen. Effenberger meint, sie hätten auf dem Benzinsektor noch
eine gewisse Bewegungsfreiheit, wo sie ohne die Regierung in Stich zu
lassen, für ihre Mitglieder agieren können. Effenberger möchte in
seiner Zeitung "Freie Fahrt" alle Diskonttankstellen namentlich
und adressenmässig aufzählen. Dazu benötigt er das Material und vor
allem aber auch eine bezahlte Annonce dieser Tankstellen. Er muss
formell auf eine Bezahlung bestehen, weil er sonst von den anderen
Internationalen Gesellschaften, aber wahrscheinlich auch von der ÖMV
hart attackiert wird. Er wäre aber bereit einen entsprechenden be-
deutenden Nachlass zu gewähren. Wir könnten ihm dabei glaube ich
helfen. Die Preisbehörde könnte eine Zusammenstellung versuchen.
Vorerst müsste sich ein geschickter Mann an Repräsentanten dieser
Gruppe wenden. Wenn wir eine Liste dann aller Diskonttankstellen
haben, müsste es möglich sein den Plan von Effenberger zu verwirklichen.

ANMERKUNG FÜR TIEBER: Bitte nimm dies sofort in Angriff.

Der ARBÖ beabsichtigt nun für MOPED den Führerschein ab 16 Jahre
einzuführen. Die Mopeds selbst sind nämlich in 2 Kategorien zu
teilen. Offiziell dürften sie nur bis zu 40 km fahren und Mopeds
die tatsächlich diese Geschwindigkeit haben, sollen auch in Hin-
kunft führerscheinfrei sein. Für andere aber, die bis zu 80 und 90 km
fahren können, soll ein Führerschein ab 16 Jahre vorgeschrieben werden.
Wenn der Betreffende dann 18 Jahre wird, bekommt er, da er ja die
Prüfungen schon abgelegt hat, automatisch den Motorrad Führerschein A.
Mit dieser Regelung wird glaube ich der seinerzeitige Wunsch von
Puch und von der KTM, d.h. die beiden österreichischen Moped-Erzeuger
endgültig erfüllt. Diese haben sich bei der Zweiradausstellung und


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schon früher bei mir bitter beschwert, dass die Importmopeds nicht dem
Gesetz entsprechend, den jungen Leuten wesentlich höhere Geschwindig-
keiten erlauben. Sie mussten sich dagegen an die gesetzliche Bestim-
mung halten. Der ARBÖ wird eine Enquete im August veranstalten.
Das Handelsministerium soll daran teilnehmen.

ANMERKUNG FÜR WAIS UND PLESCH: Bitte mit Effenberger sich dies-
bezüglich in Verbindung setzen.

Die Iraker waren mit der Aussprache bei Gen.Dir. Haschek sehr zufrieden.
Konkret wurde zwar kein einzelnes Geschäft endgültig dort verhandelt
oder abgeschlossen, wohl aber die Finanzierungsmöglichkeit im einzelnen
durchbesprochen. Ich habe wirklich den Eindruck, dass insbesondere
die beiden Spitzenleute des Ölministeriums Sayab, der mit der ÖMV
immer Kontakt hat und jetzt neu der Follow-up-Komitee-Vorsitzende Dr.
Ansari mit den Aufenthalt und der Betreuung auch sehr zufrieden sind,
nicht nur der Minister Karim. Karim selbst selbst hat sich hier
immer wieder bedankt und zum Schluss mich sogar auf arabisch verab-
schiedet. Ich halte zwar gar nichts von diesem Wange an Wange, doch
meinte Wais, dass dies eine hohe Auszeichnung für mich sei. Mit der
Zeit wirkt sich halt doch die gute Betreuung von Gästen, die weit über
das protokollarische hinausgeht, in jeder Beziehung aus.

Der Niederländische Botschafter verlässt Österreich und hat einen
Abschiedsempfang gegeben. Da ich nicht wusste ob überhaupt ein anderes
Regierungsmitglied hingeht, habe ich mich dazu entschlossen. Zu meiner
grössten Verwunderung ist dann auch Broda erschienen, der genau dieselbe
Überlegung hatte wie ich. Bei diesem Empfang wollte mich Redakteur
Lendvai wegen der Berufung von Pahr, wie man so schön sagt, aus-
keilen. Meine stereotype Antwort war, ich habe mit Kirchschläger gut
zusammengearbeitet, ich habe mit Bielka gut zusammengearbeitet und
dies wird sicherlich bei Pahr der Fall sein. Lendvai wollte unbedingt
dann mir einreden, die waren aber nicht beim ÖAAB. Auf diese Frage
ging ich erst gar nicht ein.

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Tagesprogramm, 27.7.1976

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Tagesordnung 37. Ministerratssitzung, 27.7.1976

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hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)

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Vortrag BK an MR betr. Kernenergie, 13.7.1976

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Tätigkeit: irak. Ölminister


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    GND ID: 1017902909


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      Tätigkeit: GD ÖMV


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        Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


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          Tätigkeit: GD Kontrollbank
          GND ID: 170084094


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            Tätigkeit: BRD-Wirtschaftsminister
            GND ID: 118535498


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
              GND ID: 118723189


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                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: GD Shell


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                    Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
                    GND ID: 130620351


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                      GND ID: 118761595


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                        Tätigkeit: Dir. Shell


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                          Tätigkeit: Kabinett Staribacher


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                            Tätigkeit: Sekr. JS, Tiroler SPÖ-Politiker


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                              Tätigkeit: Innenminister bis 1977, danach Verteidigungsminister


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                                Tätigkeit: ARBÖ-Bundessekretär


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                                  Tätigkeit: öst. Botsch. DDR, Leiter pol. Sekt. BMfAA


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                                    Tätigkeit: Bundeskanzler
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                                        Tätigkeit: Dir. Bundesforste, später Sts., dann LWM


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                                          Tätigkeit: Vizekanzler, Sozialminister


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                                            GND ID: 130327808


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                                              Tätigkeit: Finanzminister
                                              GND ID: 118503049


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                                                Tätigkeit: Justizminister


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