Montag, 6. September 1976
In der Regierungsklausur auf der Schallaburg hat Kreisky noch
in Anwesenheit der Presse und aller Mitarbeiter dem Landes-
hauptmann Maurer gedankt, dass er uns in diese Burg eingeladen
hat. Maurer sagte bei seiner Begrüssung, er freue sich, dass die
Regierung hierher gekommen ist und er hoffe, dass auch für NÖ
bei dieser Tagung etwas abfällt. Mit dieser taktischen Eröffnung
hat Kreisky der Argumentation der Zeitung "Die Presse", dass wir
in Feudalismus, Snobismus und vor allem an den teuersten Stellen
unsere Tagungen abhalten, während alle anderen sparen sollen,
geschickt eins ausgewischt. Leider werden es wahrscheinlich die
Massenmedien nicht bringen und in der Bevölkerung, soweit sie die
Presse lesen oder davon hören, wird der Eindruck bleiben, dass
andere sparen sollen und die Regierung nichts dergleichen tut.
Kreisky hat nachher in seinem Bericht dieses Verhalten
der Zeitung "Die Presse" auf den Chefredakteur-Wechsel zurückge-
führt. Schulmeister war noch ein grosszügiger, der grossen Tradition
dieser Zeitung verhafteter Mann, Chorherr dagegen ist reaktionär
und kleinlich.
Nachdem Kreisky Maurer hinausbegleitet hat, hielt er noch in An-
wesenheit von den Mitarbeitern ein kurzes Einleitungsreferat: Die ÖVP
wird ihren Angriff im Herbst starten und nur durch grosse Aktivi-
täten unserer Partei und der Regierung wird man diesen Angriff
abwehren können. Die Härte kommt von Taus, Busek, der jetzt nach
Wien überwechselt, war konzilianter. Dies hätte man im Nationalrat
feststellen können. Dann schickte Kreisky die Mitarbeiter alle weg
und meinte, nach einer Stunde seines Statements könnten sie dann
bei den Detailbesprechungen beginnen, an der Tagung wieder einzunehmen.
Sie sollten sich einstweilen die Burg ansehen. Anwesend blieben dann
die Regierungsmitglieder und zwar die alte Regierung, die Neuen
hatte er doch nicht eingeladen, obwohl die Arbeiter-Zeitung noch
gestern schrieb, dass diese ebenfalls daran teilnehmen werden.
Die Landeshauptleute und die Stellvertreter, soweit sie der SPÖ
angehören, Wagner – Kärnten, und Tirol und Vorarlberg fehlten
allerdings. Blecha und Marsch, Heinz Fischer und Benya und Hofstetter
vom ÖGB sowie Brantl.
Taus hat also nach Kreiskys Meinung und konkreter Erklärung
die harte Politik eingeleitet. Er vermutet, dass auch die massvollen
Politiker vom ihm sukzessive entfernt werden. Manche dieser mass-
vollen Politiker sind verbal laut aber doch kooperationsbereiter.
Der nochmals wiederholte typische Fall Busek. Die Zeitungen haben
Taus 1975 gemacht. Jetzt kritisieren sie ihn zwar, aber wenn Taus
dann sich nur ein bisschen gegen die Sozialisten stark macht und
damit durchdringt, wird er als der grosse Obmann der ÖVP hingestellt
werden. Die Zeitungen müsse ja ihr Verhalten der letzten Jahre
und vor allem, dass sie ja mit dazu beigetragen haben, dass Taus
wurde, dann als Erfolg hinstellen. Ihre Objektivität werden sie
damit unter Beweis stellen, dass sie erklären, jetzt nach langer Kritik
die sie ja auch an Taus durchgeführt haben, ist eben er jetzt der
richtige Obmann geworden. Die österreichischen Zeitungen haben
nämlich die Politik, dass wenn eine Zeitung etwas bringt, die anderen
nicht dann sagen, das ist uninteressant, da gehe ich nicht mehr
darauf ein, sondern ganz im Gegenteil, sie berichten dann auch darüber
und vor allem der ORF kommt dann auch noch, wodurch ein richtiger
Verstärkereffekt entsteht. Das Verhältnis der Zeitungen ist 10 : 1
gegen uns, der gesamten Medien 5 : 2. In der Herbstaktion muss es
uns gelingen, die Mitglieder zu mobilisieren und die Bevölkerung zu
beeinflussen. Jetzt geht es in Schweden auch besser, Palme hat
zwei Punkte dazugewonnen, weil er jetzt ebenfalls im Wahlkampf die
Mitglieder und letzten Endes die Bevölkerung mobilisiert hat.
Durch die lange Regierungsdauer und es wird jetzt von Jahr zu Jahr ja
länger, wird die Gefahr des Interventionismus und damit der Korrup-
tion immer grösser. Dies trifft weniger für die erste Reihe als
für die zweite Reihe zu, wo die persönlichen Interessen besonders
jetzt herauskommen. Politische Mandatare dürften mit politischen
Institutionen keine Geschäfte abschliessen. Soweit es sich um offiziell
und der Partei gehörende oder von Partei geführten oder mit Zustimmung
der Partei gemachten Gesellschafter handelt, ist dies etwas anderes.
Kreisky kritisierte nur die inoffiziellen Geschäfte, von denen nie-
mand weiss. Wenn dies in der Öffentlichkeit bekannt wird, dann kommt
die grosse Reaktion. Die Einkommen der Partei müssten jederzeit öffent-
lich vertreten werden können. In Italien hat die sozialdemokratische
Partei aber auch die sozialistische Partei diesen Grundsatz missachtet
und daher jetzt ihren ganzen Einfluss verloren. Man sagte, dass Leone,
Andreotti usw. alle bestochen sind. Die einzigen, die reine Weste
hätten, seien die Kommunisten. Es dürfte also niemand neben offiziellen
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Funktionen noch private Geschäfte machen. Kreisky kritisierte
dann Hartl, wie ich aus einer Nebenbemerkung besonders heraus-
hörte, weil er erklärt hat, dass Kreisky mit seiner Kritik in Falle
der Länder profilieren auf Kosten Wiens scheinbar übermüdet war.
Dies hat Kreisky glaube ich sehr hart getroffen und er hat es ihm
jetzt sofort spüren lassen und entsprechend gesagt. Allerdings mein-
te er dann sofort, darüber bräuchte man hier nicht zu diskutieren,
das würde man im Parteivorstand dann erledigen. Warum er dies nicht
dann gleich in den Parteivorstand gebracht hat sondern in einer
Regierungssitzung ist mir zwar klar, ist aber nicht fair.
In der Aussenpolitik ist er überzeugt, dass Carter gewinnen wird,
weil er alle grossen Organisationen und die Katholiken hinter sich
hat. Dieser neue Präsident wird gut für uns sein, weil in seiner
Umgebung Leute sind, wie z.B. Mondale, der schon bei Truman und
Kennedy war. Die Sowjetunion wird versuchen, ihre Positionen in
Syrien, Ägypten zurückzugewinnen. Im Libanon bauen sowjetische
Firmen zwei Militärflugplätze, die – so vermutet Kreisky – sie
dann natürlich auch werden benützen wollen. Interessanterweise
machte er jetzt wegen Deutschland und Schweden jetzt keine Prognose
mehr sondern meinte nur, wir werden in einigen Wochen wissen, wie
es ausgegangen ist. Palme ist davon überzeugt, auch wenn er ver-
liert, trotzdem weiter regieren zu können, weil keine andere
Mehrheit zustande kommen wird.
Die Ideologie-Debatte, die jetzt die ÖVP und insbesondere Taus
führen möchte, ist nichts anderes als eine feinere Abart der
roten Katze-Politik. In Alpbach hat sie Taus nicht geführt, weil
er fürchtete, vor Dahrendorf und vor anderen grösseren europäischen
Politikern nicht zu bestehen. Nur in der Arbeitslosigkeit, erklärte
Taus dort, stimme er mit Kreisky überein. Kreisky bezweifelt aber, dass
Taus dies ehrlich meint, denn die ÖVP ist nach wie vor für eine ge-
ringere Arbeitslosigkeit, um die Mobilität der Arbeitskräfte zu
besitzen. Hier bin ich überzeugt, unterstellt er Taus etwas, was
dieser auf Grund seiner christlichen Gewerkschaftsvergangenheit
sicherlich nicht will. Wais erzählte mir auf der Heimfahrt, er hätte
währenddem wir tagten und sie draussen mit den Journalisten Ge-
spräche führten, erlebt, wie Mahr von der Kronen-Zeitung, der in
Alpbach war, und ohne dass er wusste, dass Wais ein Regierungsmit-
arbeiter ist sondern annahm, er sei auch ein Redakteur, im klein-
sten Kreis begeistert berichtete, wie Kreisky in Alpbach triumphierte.
Sein Vortrag war wesentlich weniger interessant als wie dann die
Debatte. Wenn Mahr dies in der Kronen-Zeitung geschrieben hätte,
hiesse es sofort, da sieht man, wie diese Zeitung Kreisky anhimmelt.
Das Referat, was Kreisky in Alpbach hielt, war in der Arbeiter-
zeitung abgedruckt und ich muss sagen, dass es mich auch sehr
beeindruckt hat. Ich frage mich immer wieder, wo Kreisky die Zeit
hernimmt, um letzten Endes sich diese Referate, wenn auch vielleicht
mit Mithilfe anderer, selbst aber zusammenzustellen und zu halten.
An die Wirtschaftslage übergehend meinte er, es gibt noch keine
gesicherte Hochkonjunktur. In der jetzigen Aufschwungphase wird
es ausschliesslich darauf ankommen, die Inflationsrate nicht zu
stark erhöhen zu lassen und er dankt daher Benya, dass dieser auch
die Politik der Sparsamkeit und Zurückhaltung herausgestrichen hat.
Er verwies neuerdings darauf, dass er mit Benya ständig den Montag-Jour-
fixe hat, wo er immer wieder feststellen kann, wie sehr sie überein-
stimmen. Kreisky versteht es wirklich einmalig, wo es Differenzen
geben könnte, diese in aller Öffentlichkeit oder zumindestens in
Kreisen, wo dies notwendig ist, gute Zusammenarbeit herauszustreichen.
Neuerdings kam er auf die Zeitungen zu sprechen und meinte, 1973 hätte
man, als er die Broschüre über die sogenannten unabhängigen Zei-
tungen verteilen liess, von einigen SPÖ-Ländervertretern Kritik ge-
hört. Sie hätten sich auch davon distanziert. Der Kurier hätte aber
doch dadurch 100.000 Leser verloren und heute wissen alle Zeitungen,
dass sich die Partei durch das aktuelle Argument, welches über Nacht
den Arbeitern am Arbeitsplatz gegeben werden kann, gegen eine unfaire
Politik der Zeitungen sich wehren kann. Die Salzburger Nachrichten
seien jetzt objektiver, die Presse wird durch die Chefredaktion
Chorherr reaktionärer werden und dümmer geschrieben, bei den Tiroler
Nachrichten wird jetzt der Chefredakteur Thür, der uns sehr feind-
lich gesinnt war, in Pension gehen und in der Steiermark wird allerdings
soweit die Kronen-Zeitung freundlich über uns schreibt, das der
neuen Zeit, unserer Zeitung, wehtun. Vor allem ersucht Kreisky,
dass beim ORF jetzt nicht jeder seine eigene Politik macht, sondern
dass Blecha dafür zuständig ist und dass es diesem gelungen ist, jetzt
eine einheitliche ORF-Politik schön langsam dort zu installieren.
Die Budgetsituation sei ernst. Da der konjunkturelle Aufschwung sich
erst in zwei Jahren im Budget niederschlagen wird. Die Gewinnsituation
der Unternehmer habe sich sehr verschlechtert, was er auch bei
der verstaatlichten Industrie feststellen kann. Eine Lohnsteuersenkung
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sei daher in der nächsten Zeit nicht möglich. Jetzt müsse man die
Regierungspolitik für das nächste halbe Jahr besprechen, eventuell
bis Sommer, dass sich ja nur im Rahmen des Regierungsprogramm be-
wegen kann. Seiner Meinung nach genügt es vollkommen, wenn die
einzelnen Ressorts die Gesetze in die Begutachtung schicken. Die
Verhandlung im Parlament und letzten Endes die Durchführung der
Gesetze wird dann natürlich noch einige Zeit dauern. Was trotz
der schlechten Budgetsituation nicht aufgegeben werden darf, ist
der Kampf gegen die Armut. Trotz Sparsamkeit müssen wir hier mehr tun
Die Armen können nicht warten. Die Ausgleichsrentner werden daher nicht
nur wie alle anderen, die 7 % Rentenerhöhung bekommen, sondern so wie
die kleinsten Einkommen der Staatsangestellten, die ebenfalls
10,5 % ab 1. Juli erhalten haben. Dies soll dadurch geschehen,
dass um 50.- S die Mindestrenten erhöht werden. Das ergibt zusammen
ungefähr nicht ganz 10 %. Auch für die Kleinstrentenbezieher
der Landwirtschaft soll was geschehen, wenn die Länder die Hälfte
dazu tragen. Zur Finanzierung wird teilweise die Vermögensteuer heran-
gezogen. Hier hat Kreisky dasselbe gesagt, was auch ich schon bei
der Dornbirner Messe gegen Igler ausgespielt habe, wenn Mock erklärt,
dass die Reichen reicher und die Armen ärmer werden, dann muss
man von den Reichen entsprechende Steuern einheben. Mussil wollte
ja, wie Fischer treffend bemerkte, eine Korrektur durch einen Zwi-
schenruf im Parlament erreichen, indem er meinte, alle werden
ärmer in Österreich.
Die Studenten-Stipendien sollen, so hoffte er, zwischen Firnberg
und Androsch schon koordiniert, was nicht ganz stimmt, insoferne
geändert werden, als für postgraduated Studium erleichterte Kredite
nur gegeben werden können. Derzeit hätten von 70.000 Studenten
10.000 ein Stipendium und mehr sei nicht möglich.
Die Einsparung von 1 % muss herauskommen. Es darf kein ??
Die vorgesehenen Arbeitsgruppen zwischen Minister und Gewerkschaft
müssten jetzt endlich einberufen werden, um die Sparvorschläge
mit einzelnen zu beginnen und zu besprechen. Auch das Energiesparen
in den Ministerien müsste jetzt endlich wieder sowie 1974 der grosse
Erfolg in Angriff genommen werden. Bei Dienstreisen müsste ge-
spart werden und zwar durch Reduktion, wobei maximal 3 Auslands-
reisen man pro Jahr machen soll. Auch bei der Einladung ausländischer
Minister müsse man vorsichtig vorgehen und höchstens 4 pro Jahr.
Kreisky selbst wird mit 5 als Bundeskanzler das Auslangen finden.
Ich sagte zu Bielka, für mich kann dies beim besten Willen nicht
gelten, weil ich Dutzende von ausländischen Ministern, nicht zu-
letzt im Interesse der Firmen und auf Kosten der Handelskammer
einladen muss. Bielka meinte, in meinem Titel sei ja auch das Wort
Aussen (er meinte in dem Fall Aussenhandelsminister) vertreten.
Bei den Überstunden müsste rigoros jetzt gespart werden, Lausecker
soll dies jetzt endlich konkret in Angriff nehmen. Benya meinte
allerdings mit einem Zwischenruf und dann in seinem Diskussionsbeitrag,
hier müsste das Gesetz geändert werden, das pauschaliter abgelten
war in Wirklichkeit ein Wahnsinn und teuer, denn die Arbeit wird,
wie Kreisky auch sagte, in Wirklichkeit in der normalen Arbeitszeit
erfüllt oder könnte zumindestens dort leicht erfüllt werden.
In der Innenpolitik müsse eine konsequente Strukturverbesserung durchge-
führt werden. Er wird mit Niederl wegen Fohnsdorf unter vier Augen
reden und hofft, dass die ÖVP in der Steiermark sich dann neutral
verhalten wird. Sebastian hat dann im Diskussionsbeitrag darauf
hingewiesen, dass die Genossen bei einer grossen Konferenz von ihm
forderten, die Stellung der steirischen Partei zu hören. Das Hauptproblem
ist, dass die Verdienste der Bergarbeiter dann geringer werden, wenn
sie in anderen Betrieben arbeiten können und nach Sebastians Meinung gib
es keine Möglichkeit weder in Judenburg noch in Knittelfeld oder
sonstwo in der Obersteiermark. Dort sei die Arbeitslosigkeit noch
immer sehr hoch und die Schulung in den Betrieben hätte dort sogar
noch im Juli durchgeführt werden müssen. Was man von ihm wissen will,
ist, was wird die SPÖ Steiermark tun, wenn der Bergbau gesperrt wird.
Die Bundesregierung fördert in nicht traditionellen Städten wie z.B.
Feldbach die Eumig und die historischen Industriegebiete kriegen zu
wenig. Kreisky antwortet sofort, dass es gar nicht stimmt und hat die
Fusion VÖEST-Alpine, Oberndorfer Kohlen-Exploration, Papierlösung Leykam
und insbesondere Aichfeld-Murboden verwiesen. Dieselben Verdienste
in den neuen Betrieben könnte niemand garantieren und die steirische
Partei soll sich weniger an der ÖVP orientieren sondern eben
an den Notwendigkeiten. Für Kreisky steht die Schliessung endgültig fest.
Da wir die 140 Mill. S jährliches Defizit, die sich sehr bald auf
200 Mill. vergrössern würden und bis zur Auskohlung über 4 Mia. kosten
würden, nicht bezahlen können.
Hüttenberg wird ebenfalls stillgelegt und die 30 – 40 Arbeiter, die
nicht untergebracht werden können, müsste man in Kauf nehmen, die anderen
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werden sowieso von dem neuen Werk der Treibacher aufgenommen.
Gorton hat jetzt als Abgeordneter im NR Kreisky gefragt und vor-
geschlagen, es gebe dort gute Geschäftsmöglichkeiten, Kreisky wird
ihm daher anbieten, er kann ganz billig Hüttenberg für eine
Kapitalgruppe erwerben. Jedermann weiss natürlich, dass es sich
hier nur um Defizitbetriebe handelt, der auch durch Neuerschliessung
nicht wesentlich besser abschneiden würde. In Salzburg muss Mitterberg
Kupferbergbau ebenfalls stillgelegt werden. Grünwald von der ÖIAG,
Veselsky, aber auch ein Vertreter des Handelsministeriums sollen jetzt
mit den Salzburgern die konkreten Lösung besprechen.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Bitte sich sofort mit Grünwald
ins Einvernehmen setzen.
Ranshofen ist einige Arrangements eingegangen, wie z.B. in Steyr
das 100 Mill. S Verlust gebracht hat. Auch die Hamburger Sache
ist sehr problematisch. Trotz der 500 Mill. S Verluste verspricht der
Generaldirektor Prämien, die andere Betriebe wie z.B. VÖEST-Alpine,
die noch keinesfalls so schlecht abgeschnitten haben, bis jetzt
mit Recht verweigern. Holzinger, der Vorsitzende des Aufsichts-
rates von Ranshofen ist gleichzeitig auch der Rechtsvertreter,
was nach Meinung Kreiskys ganz unmöglich ist. Deshalb übernehmen
die Vorstände oft Haftungen ohne dass der Aufsichtsrat etwas weiss,
weil scheinbar der Aufsichtsratsvorsitzende dies auch deckt. Die
Schwachstellen für Textil, Papier, Glas, Chemie, Schwachstrom und
Waggonbau wurden kurz angedeutet und in der Industriekommission
soll dies jetzt vernünftig verhandelt werden, denn die andere
Seite ist dazu jetzt bereit. Notwendig wird es sein, jetzt zu unter-
suchen, wie weit die Industrie vom Strompreis abhängig ist und wie
weit man hier eine bessere Lösung finden kann. Kreisky stellt
sich vor, dass eine Begrenzung der Gebiete, wo verbilligter Strom
abgegeben wird, möglich wäre.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte eine konkretere Unterlage über die strom-
intensiven Betriebe zusammenstellen lassen.
Die Gewerbeförderung ist ganz gut, doch sollte man jetzt jungen
Unternehmern grössere Chancen geben. Androsch hat ihm dies-
bezügliche Ideen und Vorschläge mitgeteilt. Androsch ist dann tat-
sächlich in der Pause zu mir gekommen, und hat mir vorgeschlagen,
wir sollten eine entsprechende Aktion zur Gewerbegründung starten.
Er würde selbstverständlich dafür im Budget zusätzliche Mittel
mir geben.
Ich war über diese Mitteilung sehr überrascht. Selbstverständlich
habe ich akzeptiert. Bei der Ausarbeitung des Systems, das jetzt
sehr schnell erfolgen muss, muss ich nur darauf achten, dass ich
nicht eine zu grosse zukünftige Belastung zustande bringe, die
für die nächsten Budgetjahre präjudiziert dann aus den jetzigen
Budget bezahlt werden müsste.
ANMERKUNG FÜR JAGODA UND WAIS: Bitte die diesbezüglichen Vor-
schläge in dieser Richtung prüfen und absichern.
Ganz besonders fürchtet Kreisky auch die Jugendarbeitslosigkeit, wie
sie jetzt in Amerika aber auch in Deutschland festgestellt werden
kann. Durch mehr Gewerbebetriebe könnte man auch mehr Lehrlinge
unterbringen. Im Fremdenverkehr kommt es darauf an, die Saison
zu verlängern. Ein wichtiger Punkt wird aber nach wie vor die
Gesundheitspolitik sein. Hie sagt man immer, wir hätten keine
Kompetenzen, sollten aber alles bezahlen. Gegebenenfalls müsste
man, wenn es Kompetenzschwierigkeiten tatsächlich gibt, einen
Staatsvertrag zwischen Bund und Ländern abschliessen. Wallnöfer
ist derzeit der Vorsitzender der Länderkonferenz und mit ihm
könnte man am besten reden und verhandeln. Deshalb sei der jetzige
Zeitpunkt so dringend notwendig, die Gesundheitspolitik neuerdings
in Angriff zu nehmen. Leodolter machte dann in der Diskussion
entsprechende Vorschläge, wie z.B. die Frage der Spitalsärzte gelöst
werden könnte, wobei Kreisky allerdings dann sofort sehr ungnädig
und hart kritisierte, dass viel zu wenig geschehen ist, um wirklich
Gesundheitsprobleme im konkreten zu lösen. Sein Vorschlag lief dann
allerdings auf genau dieselbe Lösung hinaus, die Leodolter vorgeschla-
gen hatte. Das Problem ist, dass jetzt 200 Ärzte fertig werden
im Spital keine Ausbildungsmöglichkeiten zu praktischen Ärzten haben
und wir 600 praktische Ärzte in den Ländern draussen dringendst
brauchen. Da aber keine Dienstposten geschaffen werden sollen, auch
Wien wünscht keine Dienstpostenvermehrung, weil sie die Ärzte auch
gar nicht brauchen, so kann es nur eine Lösung über einen Fonds
oder über entsprechende Bezahlung ohne Dienstposten geben. Wie weit
natürlich Lausecker im Stande ist, eine solchen Vorschlag zu realisieren,
kann ich nicht beurteilen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass
im BKA Personalsektion dann grosse Schwierigkeiten gemacht werden,
Hier gibt es so wie bei der ganzen Spitalfinanzierungslösung nur
einen Machtspruch vom Bundeskanzler aber gleichzeitig auch als
Parteiobmann der Sozialisten selbst. Die Ländervertreter, ob schwarz
oder rot sind nicht darauf eingestellt, hier wirklich dem Bund Kom-
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petenzen zu geben, sondern sie wollen von ihm wirklich nur,
dass er entsprechende Mittel den Ländern zur Verfügung stellt.
Sein Referat fasste Kreisky dann zusammen und auch nach Ab-
schluss der Diskussion, an der schon alle Mitarbeiter dann
teilnehmen konnten, neuerdings nach folgenden Punkten.
In den nächsten drei Jahren ist es notwendig, die inflations-
hemmende Ausgabepolitik zu betreiben, d.h. auch Sparmassnahmen
durchzusetzen, diese können und sollen sogar spektakulär sein.
zweitens die Modernisierung der österrr. Wirtschaft ist jetzt
durchzuführen, um sie für schwere Jahre, für die nächste
Rezession besser vorzubereiten. drittens der Kampf gegen die
Armut muss trotz Sparmassnahmen fortgesetzt werden, Viertens
es muss eine konzentrierte Gesundheitspolitik jetzt betrieben
werden. Es sei erschütternd, dass Österreich nah immer wie das
Gesundheitsinstitut feststellte, mit Krankheiten in Europa
an der Spitze liegt, das Sterben vor der Zeit hat also noch
nicht aufgehört.
Nach einer Pause referieren dann die Minister, wobei er allerdings
jeden aufrief, der Bemerkungen oder Referate halten sollte.
Als erster Redner hatte sich allerdings Benya gemeldet, dann
Sebastian und Gratz und Steinocher. Anschliessend hat dann
Kreisky schon den Ministern das Wort gebeten mit Androsch, Lanc
die über die trostlose finanzielle Situation insbesondere über
die Bundesbetriebe referierten. Lanc will deshalb die Tarife
in drei Etappen anheben, am 1.4.1977 15 % Güter- und Personen-
tarif in Summe soll der Gütertarif um 45 % steigen und der
Personentarif um 36 %. Dadurch erhofft er sich 4 Mia. S
Einnahmen. Wie weit das Defizit, das seit 1970 von 6,4 Mia.
auf 16,5 Mia. 1976 gestiegen ist, abgebaut werden kann, möchte
ich ja nicht beantworten, denn für mich ist klar, dass die
Lohnkosten in der Zwischenzeit auch wesentlich steigen werden
und man die 1,5 bis 2 Mia. S Investitionen auch noch rechnen
muss. Da die ÖBB und die Post kassenmässig abrechnen, gehen
die Investitionen-Ausgaben sofort in das Defizit. Lanc möchte
deshalb eine eigene Investitionsgesellschaft gründen, die den
Verschubbahnhof in Kledering und Fürnitz und den Waggonbau
finanzieren soll. Um der Konkurrenz der Strasse einigermassen
Herr zu werden, möchte er jetzt eine Strassengüterverkehrsabgabe,
25 gr pro Tonne und km Nutzlast einführen. Das soll 1 Mia. S
bringen, 1/3 davon von dem Transitverkehr. Die Post wird mit
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1. Jänner 1977 eine Gebührenstufe erhöhen und zwar beim
Telefon von 20 auf 25 S und vom Vollanschluss von 120 auf
130 und Teilanschluss von 70 auf 80 S. Damit hofft er das
Defizit, welches von 687 Mill. S 1970 auf 2,86o Mia. ge-
stiegen ist auf unter 2 Mia. zu drücken. Die Investitionen der
Post werden 5,5 Mia. S betragen. Häuser wurde dann aufgefordert,
Broda, Firnberg, Leodolter, Moser, Sinowatz und sogar auch ich,
einen Bericht zu geben. Die Details wird auf alle Fälle Wais
schreiben, der dies übernommen hat. Wais war das erste Mal bei einer
Regierungsklausur und war davon glaube ich einigermassen beein-
druckt, obwohl er das Referat gar nicht gehört hat. Vielleicht
durch Zeitmangel für mich aber sicherlich Taktik hat Kreisky Lütgen-
dorf nicht ersucht, einige Ausführungen zu machen. Kreisky wollte
einer Diskussion, ob wir die Abfangjäger kaufen sollen auswei-
chen. Dies ist überhaupt glaube ich taktisch seine Methode,
die sich übrigens auch sehr bewährt. Schwierigkeiten be-
spricht er höchstens bilateral oder schiebt sie überhaupt
weiter oder weg, soweit es sich um nicht lösbare konkrete Aufgaben
handelt. Dadurch entsteht ein einheitliches unanfechtbares
Regierungsteam.
Regierungsklausur Schallaburg, 6.9.1976
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