Montag, 20. September 1976
Gen.Dir. Freibauer von der Universale ist überzeugt, dass das
SCS, an dem die Universale mit 40 % beteiligt ist, ein grosser
Erfolg wird. Die Eröffnung wird 2 Tage dauern. Dienstag ein Riesen-
empfang und Mittwoch dann die offizielle Eröffnung. Für mich wird
es sehr schwer sein mit jeden neuen Verbrauchermarkt und sonstigen
Grossmarktdiskonter, Shopping-Center usw. kleineren und mittleren
Betrieben hart konkurrenziert werden und von mir früher oder später
einen wirksamen Schutz verlangen werden. Im Raume Vösendorf werden
sich allerdings jetzt die Grossmärkte selbst schärfste Konkurrenz
liefern. Ob diese Konzentration wirklich wirtschaftlich optimal ist,
bezweifle ich. Dies glaube ich sind die Auswüchse durch nichts gehemmte
Freie Wirtschaft.
ANMERKUNG FÜR TIEBER: Hier sollte der VKI entsprechende Untersuchungen
anstellen.
Das Kontaktkomitee zwischen Interessensvertretungen Amt für Schiffahrt,
auf Wunsch von Lanc, bei uns im Handelsministerium errichtet, funktioniert
vorzüglich. Ich war bei der zweiten Sitzung, wo ich anwesend war, sehr
beeindruckt, dass MR Gröger schon die Konzeption sehr richtig angelegt
hat. Nicht wir bestimmen, welches Schiff jetzt durchfährt, sondern
selbstverständlich sowieso das Amt für Schiffahrt. Wir haben nur gene-
relle Richtlinien festgelegt. Die hätte Lanc sich selbst auch fest-
legen können und nicht sozusagen eine wichtige Funktion an uns abge-
treten. Die Donaukanaldurchfahrt funktioniert gut und ich hoffe dass
dies bei der Notrinne in der Donau auch der Fall sein wird, obwohl
sich dort schwierige Strömungsprobleme ergeben werden. Da bis jetzt
über die Reichsbrücke nur negatives berichtet wurde, schlage ich vor,
beim nächsten Pressefrühstück einen Bericht vom Vertreter des Amts
für Schiffahrt und Gröger.
ANMERKUNG FÜR TIEBER: Bitte entsprechend vorbereiten.
Gen.Dir. Wurmböck, DDSG, berichtet von einer Sitzung in Dubrovnik der
Schiffahrtslinien, dass man über die lange Freimachung geklagt hat.
Die Schiffahrtslinien möchten ausserdem, dass ein Verschulden festge-
stellt wird, damit eventuell die Versicherungen etwas bezahlen. Bei
force majeure gibt es keinen Versicherungsfall. Befriedigt ist man, dass
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die Mehrkosten für die Durchfahrt von Österreich getragen werden.
Derzeit betragen sie bei 100.000 Schilling pro Tag. Das Amt für
Schiffahrt hat bis jetzt 17 Mio. Schilling gefordert, die für 14 Tage
Stau Abbau reichen würden. Die Mittel werden erst in einem Budgetüber-
schreitungsgesetz zur Verfügung gestellt und reichen bestimmt nicht
annähernd für die Aufwendungen, die noch kommen werden, aus.
Das Journalistenfrühstück war phantastisch besucht. Wanke gab für
die Sektion Industrie einen Überblick, der glaube ich sehr gut ange-
kommen ist. Redakteur Barazon hat aus dem Bericht herausgelesen, dass
es in der Industriepolitik noch andere Möglichkeiten der Rationali-
sierung gibt, ausser Fusion und wollte sofort durch die Frage, aber die
Verstaatlichten Betriebe haben doch durch Kreiskys Fusionsidee sonst
nichts anderes getan, einen gewissen Gegensatz herauskristallisiert.
Ich habe sofort dagegen eingewendet, dass es bei der verstaatlichten
VÖEST-Alpine und Edelstahl-Fusion gar keine andere Lösung gegeben
hätte.
Mit dem WIFI, Dipl.Ing. Mayer wird die Aktion zur Rationalisierung
der Mittel- und Kleinbetriebe fortgesetzt. 1974/1975 haben wir
23.5 Mio. Schilling und 1976/1977 werden jetzt 32 Mio. Schilling, Hälfte
WIFI, Hälfte Handelsministerium, aufwenden. Dadurch soll auch den
Kleinbetrieben die Möglichkeit gegeben werden, Informationen zu be-
kommen und für allem Untersuchungen über die angestellt. Durch Branchen
und Querschnittsproblemuntersuchungen helfen wir den Klein- und Mittel-
betrieben, ohne dass wir dies entsprechend in der Öffentlichkeit ver-
kaufen.
ANMERKUNG FÜR TIEBER: Hier müssten wir vielleicht mit der Handels-
kammer gemeinsam einen entsprechenden Tätigkeitsbericht verfassen.
Über die Fremdenverkehrssituation, bisher 4 Monate Sommersaison, minus
2.4 Inlands-, minus 2.8 Ausländerübernächtigungsrückgang , war eigentlich
nur Schlechtes zu berichten. Wenn man dagegen das Jahresergebnis bis
August nimmt, dann sind es 0.4 %. Am Anfang habe ich mich immer ge-
ärgert, dass ununterbrochen die verschiedensten Ergebnisse vorliegen
wenn man Wintersaison extra nimmt, Sommersaison extra nimmt, Jahres-
ergebnis usw. In Wirklichkeit ergibt sich dadurch eine ganz schöne
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Möglichkeit verschiedene unangenehme Entwicklungen zu kaschieren.
Sicher ist, dass ich auf dem Fremdenverkehrstag in Eisenstadt eine
eingehende Analyse geben muss. Der Slogan und die Einleitung wird
aber sein, dass wir im August 74 in einem besonders kritischen
Zeitpunkt die Enquete in Innsbruck gestartet haben und jetzt durch
reinen Zufall auch in Eisenstadt in einer schlechten Periode über
die Fremdenverkehrsentwicklung beraten. 1974 haben wir dann bessere
Lösungen und schöne Erfolge erzielt. Ich hoffe dass dies auch 1976
der Fall ist.
ANMERKUNG FÜR TIEBER UND WAIS: Bitte die Vergleiche und Ziffern,
Situation 1974, Situation 1976 und Erfolge zusammenstellen lassen.
Jagoda und Würzl haben vorgeschlagen, für die Betriebsgründungskredit-
richtlinien, dass wir bis 250.000 Schilling Investitionen keine Prämien
geben sollen, denn die werden teilweise jetzt schon durch die Länder
sei es durch Zinsenzuschüsse, Bürgschaften usw. gewährt. Gegen diese
Formulierung sprach ich mich ganz entschieden aus, denn damit würde
man mir sofort wieder vorwerfen, ich hätte für die Kleinen und
Kleinsten überhaupt nichts über. Schon allein aus optischen Gründen
muss deshalb auch für jedermann diese Betriebsgründungsaktion geben.
Ich setzte Würzl auseinander, dass wir für den Fremdenverkehrstag
den Empfang von 50.000 Schilling nicht bezahlen können, weil unsere
Repräsentationskosten mit 500.000.– Schilling nicht ausreichen. Diesen
Empfang wird die Österreichische Fremdenverkehrswerbung bezahlen.
Marhold und Ottahal erklärte ich neuerdings und dezidiert, dass es
heuer keine Überschreitung der 500.000 Schilling Repräsentations-
kosten auch nur um 1 Schilling geben kann und darf, Voriges Jahr
haben sie, wenn auch nicht bedeutend, doch trotz meiner ausdrücklichen
Weisung eine Überschreitung vorgenommen. Ottahal erklärte wieder,
die Hauptschwierigkeit ist, dass sehr viele Ausgaben von der Bundes-
kammer nicht bezahlt werden. Angeblich will die Bundeskammer nur dann
die Aufwendungen für ausländische Minister übernehmen, bis der Brief,
den sie mir schrieben, von mir bestätigt wird. Jetzt gibt es z.B. schon
Schwierigkeiten, ob sie auch vom Generalsekretär der EFTA usw. die
Kosten bezahlen. Ich stehe selbstverständlich auf dem Standpunkt,
dass sie zu zahlen haben. Ottahal möchte sich mit niemand in der Bundes-
kammer herumstreiten und möchte deshalb eine watscheneinfache Lösung,
wo genau festgehalten wird, was die Bundeskammer zahlt und was nicht
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drinsteht muss eben dann von uns bezahlt werden, solange ein Geld
vorhanden ist. Mir persönlich wäre es viel lieber, es gelänge die Be-
zahlung flexibler zu gestalten. – je nach unseren Bedürfnissen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Vielleicht kannst Du mit Marhold und Ottahal
mit der Bundeskammer eine diesbezügliche Lösung erreichen. Ottahal
allein bringt dies nie zustande.
LR Grünzweig, Bezirkshauptmann Wiesinger, Bürgermeister Rabl
von Zwentendorf, seine Vize Probst und Kellner, d.h. die beiden Parteien-
vertreter kamen mit Staudinger, Dir. der Kernkraftwerkgesellschaft
Tullnerfeld, um sich bei mir zu beschweren, dass die öffentliche
Hand viel zu wenig unternimmt, um sie zu unterstützen. Die Atomkraft-
gegner greifen jetzt alle an, haben die Medien für sich und die Bürger-
meister, Bezirkshauptleute usw. bleiben jetzt allein im Kampf gegen
diese Angriffe. Ich versicherte ihnen, dass die Aufklärungskampagne,
die jetzt gestartet werden soll, eine gewisse Unterstützung darstellt.
Der wichtigste Punkt der Vorsprache war aber, dass die Gemeinde sich
eine Zwischenlagerung auf alle Fälle querlegen wird. Staudinger meinte,
es sei noch nicht sicher, ob eine Zwischenstufe errichtet wird. Für
Frank und für mich gab es gar keinen Zweifel, dass eine solche sicher-
lich notwendig sein wird, die Brennstäbe bis zum Beginn des Kraftwerkes
1977 oder 1978 noch nicht durch einen Reprocessing-Vertrag sei es mit
Deutschland wie beabsichtigt, oder mit einem anderen Land vertraglich
übernommen werden. Der Bürgermeister und seine Vize erklärten allerdings
dezidiert, sie würden niemals eine neue Baugenehmigung für ein solches
Zwischenlager geben. Trifft dies zu, dann könnten wir wahrscheinlich
nicht einmal in Produktion gehen, weil das jetzt vorgesehene Zwischen-
lager nicht zur Aufnahme der Brennstäbe bis zur Übernahme durch eine
Reprocessing-Firma geeignet ist. Die endgültige Mülldeponie kann sowieso
nicht Zwentendorf errichtet werden, da die geologischen Voraussetzungen
dafür ungünstig sind. Bezirkshauptmann Wiesinger meinte, die Zwischen-
lagerung könnte in anderen Bundesländern erfolgen, nachdem NÖ schon
mit der Errichtung des Atomkraftwerkes seinen Teil zur Stromversorgung
beigetragen hat. Die Kernkraftwerkgesellschaft hat immer ausdrück-
lich erklärt, dass die Brennstäbe exportiert werden. Ich verwies darauf,
dass man mir vor Jahren, als ich das erste Mal Zwentendorf besucht habe,
ersuchte, ich sollte den deutschen Wirtschaftsminister Friderichs
schreiben, damit vielleicht doch die Möglichkeit besteht, dass
Deutschland die Brennstäbe und auch dann den Atommüll übernimmt. Ich
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habe mich dazu schon damals bereit erklärt und entsprechende Unterlagen,
Briefentwürfe usw. verlangt. Bis jetzt habe ich noch nichts bekommen.
Staudinger erklärte dann auch warum, da sie bis jetzt noch nicht den
zivilrechtlichen Vertrag mit den deutschen Firmen abgeschlossen haben
und deshalb auch ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen Handels-
ministerium und deutschem Wirtschaftsministerium noch gar nicht ver-
langt werden kann. Vor den deutschen Wahlen ist nicht damit zu rechnen,
dass über dieses Problem eine Einigung erzielt werden könnte. Nach den
deutschen Wahlen wird es genauso schwierig werden, über dieses Problem
eine Lösung zu finden. Die Ergebnisse der schwedischen Wahlen, nicht
zuletzt wegen der Atomkraftdiskussion zeigten welchen verheerenden Ein-
fluss dieses Problem auf die Wähler ausüben kann. Ich war über das Er-
gebnis der schwedischen Wahlen nicht überrascht, im Gegenteil ich hatte
es erwartet. und meinen Kollegen prophezeit,. Ähnliches erwarte
ich auch von den deutschen Wahlen.
Der poln. Aussenhandelsminister Olszewski sollte bereits am Samstag
oder Sonntag kommen, war aber dann noch bis Montag mittags bei einer
Besprechung im Staatsrat. Er hat zwar nicht erklärt im Detail was es
sich handelt, doch ist er zweifelsohne von Jaroszewicz über den Besuch
Kreisky informiert worden. Ich hatte von Kreisky noch keine Infor-
mation, wollte auch nicht extra anrufen und habe deshalb bei der Fahrt
von Schwechat zum Imperial nur belanglose Sachen besprochen. Im Hotel
Imperial traf ich dann den Generaldirektor Hirnigel von der BP, der
mich ersuchte gleich dort das Gespräch mit seinem Präsidenten Steel
von der Londoner Zentrale zu führen. Die Aussprache war nicht sehr
ergiebig. Steel erklärte mir die Aktivitäten der BP insbesondere auch
jetzt bei Kohle einzusteigen. Ausserdem beschwerte er sich, und das teil-
weise sogar zu Recht, über die schlechten Erträge über manchen euro-
päischen Staaten, auch in Österreich. Ich setzte ihm auseinander, wie sehr
wir im Handelsministerium nicht nur die nationale Gesellschaft ÖMV
beschützen und fördern, sondern ebenfalls die Internationalen. Bei uns
ist der Kampf gegen die Multis unbedeutend und Hirnigel musste zugeben,
dass sie von mir, sei es in der Frage der Lagergesellschaften, sei es
in der Frage Auseinandersetzung mit der ÖMV, stets objektiv, gleich-
berechtigt, dazwischen nationaler Gesellschaft, internationalen Ge-
sellschaften und freien Händlern behandelt werden.
Die Zuckerarbeiter berichteten mir und wollten von mir die Zustimmung,
dass sie jetzt endgültig abschliessen können. Sie haben in den bishe-
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rigen Besprechungen einen weiteren Schritt zur Angleichung der
Arbeiterrechte an die der Angestellten durchgesetzt. Bei den Löhnen
hoffen sie bei Laufzeit eines Jahres eine Einigung zu erzielen. Da wir
mit den Brauereiarbeitern derzeit Schwierigkeiten haben wollten sie sich
absichern, dass wenn sie jetzt abschliessen, die Brauer dann sich nicht
als präjudiziert betrachten. Ich erklärte sofort, dass sie nicht in
einem Tag einen Abschluss zustande bringen werden, wenn sie noch ein
zweimal verhandeln, dann hoffe ich, dass auch die Brauer schon ab-
geschlossen haben. Die beiden Sprecher der Zuckerarbeiter, Büchner
und Krcal sind auch überzeugt, dass man mit dem neuen Obmann des
Zuckerindustrieverbandes Skene sachlicher zusammenarbeiten kann als
mit der alten Garnitur, die jetzt vollkommen weg ist.
In der Ministerratsvorbesprechung habe ich den Brief wegen Freistel-
lung von Herold Lütgendorf gegeben. Er meinte für eine weitere Rück-
stellung sehe er keinen Grund – wird dies aber nach gründlicher Über-
prüfung mir noch schriftlich mitteilen. Moser legte einen mündlichen
Bericht vor, wonach am 27.9. die Schiffahrtsrinne frei sein soll. Ich
machte ihm unter vier Augen darauf aufmerksam, dass nach meiner Infor-
mation – gut, dass ich beim Kontaktkomitee heute gewesen bin, frühestens
der 1.10. in Frage kommt.
Kreisky berichtet dass er ein längeres Gespräch am Nachmittag mit Palme
geführt hat. Seiner Meinung nach, hat die Kernkraftwerkdiskussion ihm
2 % der Stimmen gekostet. In dieser Frage hat Palme zwar den Partei-
vorstand dafür gewonnen, dass er zustimmte, dass diese Kernkraftwerke
in Schweden errichtet werden sollen, nicht aber die Bevölkerung über-
zeugen können. Die neue Regierung wird es schwer haben jetzt ihre Ver-
sprechungen einzuhalten. Die Asea ist eine mächtige Industrie und wird
einen entsprechenden Druck auf die Konservativen ausüben. Überhaupt
werden nach Meinung Kreisky am Anfang die Beamten regieren. Die Minister
waren ja 44 Jahre nur von den Sozialdemokraten gestellt. Die Opposition
hatte deshalb keine wie immer geartete Regierungserfahrung und wird
sich daher auf die Beamten stützen müssen. Da der grösste Teil der Be-
amten aber ihrem Lager entstammt, wird es für die Bürgerlichen keine
Schwierigkeiten geben. Wie allerdings der neue Ministerpräsident
Fälldin sein Wahlversprechen mit der Reduzierung der Kernkraftwerke
durchführen wird, ist jetzt noch rätselhaft. Kreisky erwartet, dass
er dieses Wahlversprechen nicht halten kann, sowie viele andere.
Dadurch rechnet Kreisky fest, dass spätestens 1979 wieder eine garan-
tierte sozialdemokratische Regierung gewählt wird. Ein Grossteil der
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Niederlage geht auf die Poststimmenwahl zurück. 1 Mio. Wähler haben
drei Wochen vor dem Wahltermin bereits ihre Stimme abgegeben. Die
Mobilisierung der Wähler, die in den letzten Wochen Palme und der
sozialdemokratischen Partei geglückt ist, war für die Poststimmen-
wähler schon zu spät. Durch die Mobilisierung des Klassenkampfes
in den letzten Wochen ganz besonders ist nach Meinung Kreiskys es
möglich gewesen 3–4 % der Arbeiter wieder zur Stimmabgabe für die
Sozialdemokraten zu bewegen. Ob dies wirklich der Fall war, bezweifle
ich. Die Gewerkschaften haben sich im Wahlkampf sehr eingeschaltet,
aber wahrscheinlich falsche Argumente gebracht. Ich kann mir nicht
vorstellen, dass tatsächlich die schwedischen Arbeiter sehr be-
geistert sind über den Plan des Gewerkschaftsbundes – der Wirtschafts-
sekretär Meidner hat einen solchen entwickelt – die Masse der Mit-
glieder damit einverstanden ist. Die Arbeiter und Angestellten wollen
mehr Geld direkt bekommen. Dass ein Teil des Profites als Mehrwert-
leistung der Arbeiter wieder für Vermögensbildung abgezweigt wird,
und in einem Fonds einbezahlt wird, mag gesamtwirtschaftlich richtig
sein, der einzelne Arbeiter wird sich dafür kaum begeistern. Die bür-
gerliche Seite wurde ausserdem dadurch nur verschreckt, genauso wie mit
der radikal-verbalen Aussenpolitik, sei es Vietnam, Angola, die Angrif-
fe auf die USA, die Palme immer wieder startete usw. Natürlich ist
dies alles sehr schwer zu quantifizieren, denn letzten Endes haben
die Sozialdemokraten 0.6 % der Stimmen verloren, in Wirklichkeit also
gar nichts. Da die grössten Verluste aber die Kommunisten haben,
dürften die Sozialdemokraten einen Grossteil dieser Stimmen bekommen
haben, sicherlich nicht zuletzt durch die Mobilisierung des Klassen-
kampfes und die radikal-verbale Aussenpolitik. Die Frage für mich
aber ist, wie viel durch diese Maßnahmen die Sozialdemokraten an das
bürgerliche Lager Stimmen verloren haben. Die Anwendung für Österreich
ist, dass Kreisky meint, unsere Informationskampagne für die Atom-
kraftwerke wird anders ablaufen, als sich Frank dies vorstellt. Die
Wissenschaftler und Professoren werden gar nicht zu einer ruhigen
Diskussion kommen, weil die Radikalen die Versammlungen für sich in
Anspruch nehmen werden und sie vielleicht sogar terrorisieren. Aus
diesem Grund muss Vorsorge getroffen werden, dass sie ungestört ver-
laufen können. Solange das Müll-Lagerproblem nicht geklärt ist und vor
allem meine wirklich befriedigende Lösung die nur in der Rücknahme
der Brennstäbe und des Atommülls bestehen würde gefunden werden kann,
wird es in diesem Punkt in Österreich immer heftige Diskussionen und
Angriffe der Atomgegner geben- Immer und überall müsste man auf die
Sicherheit verweisen, die unter allen Umständen Priorität I hat.
All das ist für mich weder neu, noch gegen meine bisherige Politik.
Ich habe mich im Gegenteil immer schon gewundert, dass Frühbauer,
der dafür verantwortlich war, seinerzeit das Atomkraftwerk genehmigte,
ohne dass er die Endlagerung auch nur einigermassen oder wenigstens
andeutungsweise gelöst hätte. Die Internationalen Konservativen werden
jetzt durch das Wahlergebnis in Schweden einen entsprechenden Auftrieb
bekommen. Auch die deutschen Wahlen werden davon beeinflusst. In
Österreich wird die ÖVP ebenfalls einen Auftrieb dadurch bekommen.
Ihre Personalpolitik zeigt aber, dass sie nach Meinung Kreisky durch
den ständigen Wechsel, z.B. ihres Generalsekretär gar nicht imstande
ist, eine stabile Regierung zu stellen. So solle man es zumindestens –
und so wird es sicherlich Kreisky machen – in der Öffentlichkeit
darstellen. Lanner, den Kreisky sehr schlecht klassifiziert – ist nur
von sich eingenommen und wird das Generalsekretariat schlechter führen,
als es Busek gemacht hat, der laut Kreisky ein konzilianter und ver-
nünftiger Politiker ist, den man jetzt nach Wien abschob. Auch Koren,
der ein gescheiter Mann ist, soll jetzt in die Nationalbank weggelobt
werden. Der Vorschlag geht nicht von den Sozialisten aus, sondern wird
von der ÖVP lanciert. Taus macht mit seinen Ellenbogen, ähnlich wie
in der Girozentrale, auch in der ÖVP-Spitze entsprechende Personal-
politik. Nach meiner Meinung nach ist Lanner sicherlich ein Mann,
der ehrgeizig ist und entsprechend zur Spitze verstossen will und
wollte.Bis jetzt hat er sich auch verhältnismässig sehr gut verkauft
und nicht nur die ÖVP, sondern auch die öffentliche Meinung dafür
gewonnen. Wenn Lanner, Busek und Mock, die sich in Tirol ewige Treue
geschworen haben, wirklich zusammenhalten, dann geht die Idee Kreisky,
dass es sehr bald wieder zu einem Streit und entsprechenden Differenzen
innerhalb der ÖVP kommen wird, nicht auf. Ich gebe also zu, dass diese,
meine Überlegungen falsch sind, sobald was wahrscheinlich ist, es zwi-
schen den Dreien doch zu entsprechenden Differenzen kommen wird.
Von Polen berichtet Kreisky, dass dieses Land 3x Mißernten gehabt hat.
Die Agrarpreise wurden jahrelang unverändert gelassen, weshalb man jetzt
dann die Fleischpreise z.B. um 100 % erhöhen wollte und sofort ent-
sprechenden Widerstand auslöste. Bei den Parteisekretariaten wurden
z.B. alle Autos durch Demonstranten zerstört. Die Agrarpolitik der
Kommunisten geht jetzt dahin, den Bauern einen 20-ha-Betrieb zu geben.
Wenn ein Bauer aufgibt, wird sein Hof sofort wenn möglich zuerst dem
Staat angeboten, dieser soll ihn aber womöglich gar nicht kaufen, auch
nicht die Kolchose, sondern eben ein freier Bauer, damit er zu den
20 ha sobald als möglich kommt. Kreisky hat, nachdem jetzt in Helsinki
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die Parteiführer für ihre Staaten unterzeichnet haben, erklärt
jetzt gibt es ein neues Protokoll, ähnlich wie seinerzeit beim
Wiener Kongress. Diese Parteiführer sind jetzt de facto auch die
Staatsmänner und deshalb müsste man jetzt auch mit ihnen verhandeln.
Er hat deshalb Kadar von Ungarn und Gierek von Polen nach Österreich
eingeladen u.zw. nicht als Parteiobmänner, sondern eben als die
Staatsverantwortlichen. Bei den Besprechungen ist er auch niemals
in die Parteizentrale gegangen. Wohl aber hat er zum Unterschied
von früher, jetzt mit den Parteileuten verhandelt. Die Entspannung
kann nur fortgesetzt werden, wenn ein gewisser Erfolg bei den Ab-
rüstungsgesprächen in Wien erreicht werden kann. Dies setzte er ihnen
auseinander und glaubt auch, dass man sich letzten Endes dazu entschlies-
sen wird. Der Streit geht momentan nur, ob in absoluten Zahlen, oder
ob perzentuelle Abrüstungen der bestehenden Armeen vorgenommen werden
sollen. Kreisky hat auch in Deutschland mit Schmidt und Leber über diese
Probleme gesprochen. Ich habe den Eindruck, dass er sich jetzt auf
diesem Gebiet als Vermittler betätigt, was wenn es ihm glückt, einen
Teilerfolg zu erringen für Österreich eine grosse Sache wäre. Bezüglich
der Kandidatur von Waldheim wird der Osten eintreten und ebenso für
die UNO-City in Wien. Auch für das Slowenen Problem wird Jugoslawien
nicht imstande sein, die COMECON-Staaten einzuspannen. Was die Wirt-
schaftspolitik betrifft, so hat Kreisky gesagt, man hat Polen einen
ungeheuren Vertrauensvorschuss gegeben und Gierek erwiderte, sie werden
an den positiven Massnahmen sehen, dass wir dies zu schätzen wissen. Der
Stromexport wird durchgeführt werden. Zu den bereits 800 abgenommenen
Lastkraftwagen von Steyr-Daimler-Puch können auch weitere 800 noch
geliefert werden, wenn die Zahlung auf den 30.3.1977 hinausgeschoben
werden kann. Die Steyr-Werke werden eingeladen werden, in
Starachowice, wo ein Mittelwagen-Autowerk existiert, die Modernisierung
mit der polnischen Seite durchzuführen. Ursprünglich war geplant,
Henschel dafür heranzuziehen. Allerdings habe ich dann von Handels-
delegierten Leitl erfahren, dass dafür in Kompensation schwere LKW
aus Polen von den Steyr-Werken übernommen werden sollen. Land-
wirtschaftliche Maschinen und Traktoren will man ebenfalls kaufen.
Auch landwirtschaftliche Produkte, insbesondere Fleisch und Weizen
werden gewünscht. Gespli-ßter Kupfer soll geliefert werden. Kreisky
verwies darauf dass in der Liste für Kooperationen und Lieferprojekte
nicht nur grosse Betriebe, sondern auch die kleineren und mittleren
Unternehmen mehr von den Polen berücksichtigt werden sollen. Kreisky
war insbesondere sehr erfreut zu erfahren, dass ÖSPAG schon für 10 Mio.
Schilling Waren dorthin exportierte und neuerdings aus Wilhelmsburg
also in seinem Wahlkreis entsprechende Lieferungen vorgesehen sind.
Auch eine gemeinsame Prospektion und Aufschliessung soll mit Österreich
durchgeführt werden. Auf Drittländern wäre eine wesentlich stärkere
Kooperation nötig und möglich. Die Lizenzwünsche der Austria Tabakwerke
wurden nur am Rande erwähnt. Kreisky hat sich scheinbar dafür nicht
allzu sehr exponiert. Der Vizeministerpräsident Keim, der während
meines Bulgarienbesuchs in Österreich war, soll Interesse für
Motorräder gezeigt haben und bei der VÖEST erklärt haben, das Papier-
projekt mit 2–2.5 Mia. Schilling könnte ebenfalls Österreich bekommen.
Beim inoffiziellen kleinen Abendessen habe ich diese Politik gegenüber
Olszewski besonders erwähnt und versichert, dass Kreisky mit Gierek und
Jaroszewicz besprochen hat, dass wir jetzt im Rahmen der Gemischten
Kommission und in deren Gefolge diese Projekte alle so schnell als
möglich verwirklichen sollen. Insbesondere kam ich auf die Notwendig-
keit zu sprechen, endlich den Stromliefervertrag zu fixieren. In diesen
Vertragsentwurf sind alle Punkte geklärt, nur die Frage der Leitung
über die CSSR ist noch offen. Ich hörte, wie der Handelsrat und ganz
besonders der Botschafter Karski zar in polnisch auf den Minister ein-
sprachen, damit jetzt endgültig dieses Problem gelöst werden soll.
Die Polen dürften aber noch immer mit den Tschechen entsprechende
Schwierigkeiten haben. Meiner Meinung nach wird es auch im September
nicht möglich sein, einen endgültigen Vertragsabschluss zu erzielen.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte stelle fest, wann wirklich der allerletzte
Zeitpunkt für diesen Vertragsabschluss lt. Meinung der Techniker ist.
Kreisky hat bei der Ministerratsvorbesprechung dann noch die Industrie-
kommission erwähnt und fragte was dafür vorbereitet ist. Ich erklärte
sofort, die wichtigste Frage wird der Papierzwischenbericht sein.
Wenn wir den Sulfatprojekt nähertreten sollen, müssen wir eine end-
gültigen Klärung der Rohholzaufkommen haben. Zu diesem Zweck schlug
ich vor, dass sich Haiden dann schon als neuer Landwirtschaftsminister
dieser Sache besonders annimmt. Die bis jetzt vorliegenden Gutachten
sind meiner Meinung nach nicht ausreichend. Androsch erklärte z.B.
dezidiert er ist der Meinung, dass die Holzvorräte Österreichs nicht
ausreichen ein neues Werk zu errichten. Ich erwiderte dass man dies
nicht so ohne weiteres sagen könnte. Wenn die Papierfabriken imstande
sind, wesentlich höhere Schleifholzpreise zu bezahlen, kann man sicherlich
auch noch aus entlegensten Gebieten und Wäldern entsprechende Schleif-
holzmengen aufbringen. Mit dieser Methode könnte man auch den Berg-
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bauern zusätzliche Einnahmequellen sichern. In der Schweiz sagte
ich, wird jetzt den Bergbauern vom Staat aus grössere Subventionen gewährt,
nur damit sie diese Gegend einigermassen kultivieren. Unsere Mög-
lichkeit bestünde darin, dass man in entlegensten Gebieten durch
entsprechende Walddurchforstung Bergbauern entsprechende Einnahme-
quellen sichert. Natürlich ist es notwendig, dass hier genau durch-
gerechnet wird, welche Holzmengen dafür in Frage kommen und wie sich
die Preise dann eventuell entwickeln können. Dies wäre Aufgabe des
neuen Landwirtschaftsministers, der übrigens von der Forstwirtschaft
kommt und daher am meisten prädestiniert ist, ein entsprechendes Urteil
abzugeben. Kreisky wollte nur wissen, ob aus dem Waldviertel allein
die Fabrik an der Donau mit Rohstoff versorgt werden kann. Haiden
meinte dies könne in ein paar Jahren der 11 sein. Bis zu diesem Zeit-
punkt bin ich überzeugt, könnte man ohne weiteres aus Importen den
Holzbedarf decken. Der Osten wird nur, wenn wir unsere Papiermaschinen
und Zelluloseanlagen dorthin geliefert haben, dann natürlich die Holz-
rohstoffmengen selbst brauchen.
Androsch wird bei der Industriekommission noch nicht über die
Fondskoordinierung, die er übernommen hat, endgültig berichten können.
Vielleicht gibt er einen Zwischenbericht. Über den Wunsch der Handels-
kammer wegen der Eigenkapitalbildung wird man allgemein verhandeln
und sprechen. Wahrscheinlich wird Androsch dann in seinem Ministerium
ein diesbezügliches Verhandlungskomitee einsetzen. Kreisky wollte
dann noch wissen, wie es mit der Glasindustrie weitergehen soll.
Ich erklärte ihm, dass wenn es zu einer Fusion von Stölzle und Ober-
glas kommt, die grosse Firma dann sicherlich eine neue Glasfabrik er-
richten wird. Allerdings nicht im steirischen Raum. Da Kreisky Angst
hat, jetzt einen weiteren Betrieb in Köflach zu verlieren, schlägt er
vor, man solle nicht forciert diese Glasfusion betreiben. Dies ist
bei uns im Handelsministerium umso leichter, als wir ja unmittelbar
damit nicht beschäftigt sind. Ich erklärte, wenn bei mir ein Branchen-
referent oder sonst wer entsprechende Vorschläge macht, ich ganz einfach
verlangen werde, man soll eine genauere Prüfung dieser Projekte vor-
nehmen. In der letzten Zeit wird also auf dem Glassektor nach Wunsch
der Regierung nichts geschehen.
ANMERKUNG FÜR WANKE u. PLESCH: Bitte entsprechende Rückhaltung auferlegen.
Ich berichtete Kreisky auch von der Aussprache mit Handelsminister
Biro. Bezüglich einer Ansiedlung von Csepel in Köflach, Fahrraderzeugung
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in den Junior-Werken ist Kreisky nicht begeistert. Er kann sich
nicht vorstellen, wie die Ungarn am amerikanischen Markt mit den
in Österreich produzierten Fahrrädern reüssieren können, wenn
Junior-Werke, Ing. Weiss, daran zugrunde gegangen sind. Meine Erklärung
dafür war, dass eben die 50 % Zulieferung aus Ungarn mit entsprechenden
Preisen einen möglichen Export nach Amerika sicherstellen könnten.
Kreisky würde sogar wie er sagte, wenn die Ungarn die Anlagen nach
Budapest exportieren und die Hallen für einen neuen Betrieb zur Ver-
fügung stehen würden. Diese Variante ist nicht ganz ausgeschlossen
weil mir ja Biro erklärte, im 5-Jahresplan ist vorgesehen, in Ungarn
eine Fahrradfabrik zu errichten, die 800.000 Stk. im Jahr erzeugen soll
Dafür soll in Ungarn die Motorradproduktion eingestellt werden.
Tagesprogramm, 20.9.1976
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)