Donnerstag, der 4. November 1976

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Donnerstag, 4. November 1976

Bei der Eröffnung des neuen Handelskammergebäudes und 125-Jahr-Feier
der steirischen Handelskammer wurde nach dem steirischen Protokoll der
Handelskammer vorgegangen und Sallinger der offiziell das Gebäude
eröffnete sprach nach mir. Vorher hat Götz und Niederl gesprochen.
Letzterer extemporierte begrüsste mich sehr herzlich, als Bundesminister
wie er ausdrücklich hervorhob - meinte ich sei sehr willkommen als
Bundesminister und sollte nur bei den politischen Veranstaltungen
mich zurückhalten und sie ihnen überlassen. Sallinger hatte mich vorher
schon aufmerksam gemacht, ich sollte auf das Problem Marktwirtschaft
eingehen, denn an die Wand hatte die Handelskammer gemalt irgendeinen
Slogan über die Marktwirtschaft. Selbstverständlich kam ich dieser
Aufforderung nach, um so mehr als ich ja dieses Mal das Handikap hatte,
dass Sallinger als Letzter sprach. Eine alte Erklärung, 97 % der Be-
völkerung bestätigen bei den Wahlen, dass sie mit dem jetzigen System
einverstanden sind, nicht die zentral gelenkte Staatswirtschaft wünschen,
wohl aber eine Verbesserung der sogenannten Marktwirtschaft, die
es ja rein gar nirgends gegeben hat und nur im Lehrbuch existiert. Der
Präsident der Handelskammer Steiermarks Mayer-Rieckh hat eine philoso-
phische sehr gute Rede gehalten und gefragt, warum braucht diese Markt-
wirtschaft immer wieder Advokaten, die sie verteidigen. Auch darauf
ging ich ein und meinte, weil ständig Arbeitgeber, Arbeitnehmer, alle
Interessenvertretungen intervenieren, damit nicht eine freie Markt-
wirtschaft zustande kommt. Irgend jemand hat mir in Wien gesagt –
ich glaube es war Toni WaisSallinger wird so wie immer seine vorberei-
tete Rede herunterlesen. Sallinger hat auch ganz kurz extemporiert,
dann aber, wie sein Sekretär Oder mir nachher richtig sagte, die Ge-
legenheit genützt, als letzter Redner, sehr hart auf die Regierung los-
zugehen. Oder meinte, diese Gelegenheit müsse man nützen. Sallinger
meinte zwar dann, weil ich ihm dies nachher sprechend vorwarf – und
selbst Niederl mir Recht gab, dass er sehr kritisch war, der Handels-
minister sei selbstverständlich ausgenommen. Hier erwiderte ich ganz
scharf, dass auch ich ein Mitglied dieser Regierung bin und dass es
niemand gelingen wird, diese Regierung in dieser Hinsicht zu spalten.
Zwischen 1966 und 1970 bei der ÖVP Regierung haben wir ja erlebt,
was es bedeutet, wenn ein jeder sich von jedem distanziert.

Das Gebäude ist phantastisch und beherbergt auch das WIFI. Sallinger
und Mussil ärgern sich furchtbar, wenn nicht immer klar und deutlich


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zum Ausdruck kommt, dass das WIFI nur eine Abteilung der Handelskammer
ist. Die Tendenz, diese grosse Organisation sich zu Verselbständigen,
ist für sie eine Gefahr, wie ich aus den Bemerkungen und Diskussion
entnehmen konnte.

Ein weiterer Diskussionspunkt nach der Besichtigung war, dass LR
Peltzmann, gleichzeitig Wirtschaftsbund-Obmann von der Steiermark
einen Exportring gegründet hat. Das Land Steiermark subventioniert
ihn mit 1 Mio. Schilling. In diesem Exportring werden kleine Unter-
nehmer beraten und insbesondere gewisse Serviceleistungen, wie Rech-
nungen und Exportfakturen, Schriftverkehr ihnen erklärt und teil-
weise sogar durchgeführt. Eine Zeitlang hatte dieser Exportring in
Toronto sogar eine eigene Ausstellung. Diese wurde in der Zwischenzeit
bereits wieder geschlossen. Sallinger und Mussil haben bis jetzt
alle Ansuchen, diese Exportorganisation auch zu subventionieren, mit
dem Hinweis abgelehnt, das Handelsministerium als Aufsichtsbehörde ist
dagegen. Peltzmann hat deshalb die Gelegenheit benützt, um mit Sallinger,
Mussil und mir jetzt zu sprechen. Vorher hat der sozialistische Finanz-
landesrat Klauser mit mir gesprochen und meinte, er sei bereit evt. eine
weitere Subvention zu bezahlen, wenn der Bund auch etwas dazu beiträgt.
Ich erklärte dann sofort, das Handelsministerium hat dafür kein Geld,
aber man soll einen Weg suchen, dass die Handelskammer unpräjudiziell
diese – wie ich glaube zweckmässige Einrichtung ebenfalls z.B. mit
einer lebenden Subvention, d.h. sie übernimmt einen Gehalt einer Steno-
typisten oder sonst irgend etwas subventioniert. Natürlich hat Mussil
recht, dass diese Subvention eigentlich die Handelskammer erfüllen
müsste. Scheinbar aber macht sie dies nicht, oder Steirer haben sich
eben darauf geeinigt, diese eigene Exportring-Organisation dafür
einzurichten. Auf alle Fälle habe ich den Steirern klar und deutlich ge-
zeigt, dass nicht ich es hin, der im Prinzip den Steirern nicht helfen
will, sondern eben die Bundeskammer.

Der Besuch bei Anker-Daten-System ADS, war für mich sehr interessant,
weil es sich hier wirklich um ein neues grosszügig angelegtes Werk
handelt. Insgesamt wurden 130 Mio. Schillinge investiert. Von fast 1000,
in der letzten Zeit 700 Beschäftigte, wurden jetzt auf 320 reduziert,
inkl. 35 Lehrlinge. 109 Angestellten stehen nur mehr 170 Arbeiter
gegenüber. Allerdings gibt es angeblich nur 20 in der reinen Verwaltung,
die anderen sind Werkmeister, Einsteller, d.h. eigentlich höher quali-
fizierte Arbeiter, die man ins Angestelltenverhältnis übernommen hat.



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Ich fragte nach dem Einstellerlohn, der sonst 45.- S pro Stunde
nur beträgt, weil der Betrieb eben in den roten Zahlen ist. Bei
Anker hat man also Arbeiter zu Angestellten gemacht, um sich
Sozialversicherungsbeträge zu ersparen und wichtige Arbeiter an
den Betrieb zu binden. Der Kassenobmann Sametz, der gleichzeitig
auch Metallarbeitersekretär ist, teilte mir nachher mit, dass sie
dem Betrieb 1,6 Mill. S Beiträge stunden. Die BAWAG selbst,
Dr. Elsner, der sich sehr um den Betrieb annimmt, meinte, sie
hätten jetzt noch hypothekarisch abgesicherte 90 Mill. S Kredite
ausstehen. Insgesamt haben sie aber in der kurzen Zeit seit
Anfang 1970 100 Mill. S brutto von dem Betrieb kassiert. Die höchste
Kreditsumme waren Wechselkredite von über 200 Mill. S, die in der
Zwischenzeit eben auf 90 Mill. reduziert werden konnten. Derzeit
sind sie leider mit Bielefeld noch immer wenn sie Kassen erzeugen
wollen so wie mit der CSSR und Ungarn durch verschiedene Teile,
die dort gefertigt werden, verbunden. In Bielefeld hat ihnen der
Masseverwalter mitgeteilt, dass bis März 1977 weiter produziert wird.
Dkfm. Schitter, der jetzt dort die kommerzielle Leitung hat, meinte,
mit 1 bis 2 Mill. DM könnten sie Werkzeuge und Maschinen zur Erzeu-
gung der F-8-Kasse preiswertest kaufen. Sie selbst versuchen sich
jetzt zu diversifizieren, erzeugen Rolling Boots, d.s. Schlitt-
schuhe mit Rädern, für den Sommer auf Beton zu fahren, ein Tele-
fonregistriersystem, Telemat, welches sie der Post verkaufen wollen.
Bis jetzt hat die Grazer Postverwaltung ein Stück abgenommen, ist
so begeistert, dass sie jetzt sofort 5 Stück bestellt hat. Insgesamt
möchten sie 300 Postämter damit beliefern, ein Stück für 9-Zellen-
Abrechnung kostet 90.000 S, für 6 Zellen 82.000 S und für 3 Zellen
74.000.- S. Ich habe sie seinerzeit an Lanc verwiesen, der allerdings
ihnen bis jetzt keinen Termin gegeben hat.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte sprich mit Sekretär von Lanc, vielleicht kann
er doch einmal diese Leute empfangen oder entscheiden, dass die Post im
nächsten Jahr mehr bei ihnen bestellt.

ADS braucht einen Mindestumsatz von 10 Mill. S im Monat. Derzeit hat sie
mit ihrem Basisprogramm ungefähr 80 Mill. Aufträge insbesondere durch
das polnische Kassengeschäft. 610 Stück mit 23 Mill. S allerdings Teil-
kompensation Tabakeinfuhr dafür aus Polen wurde schon vereinbart und
für 91 sind sie jetzt neuerdings in Verhandlungen. Ihr grosser Kon-
kurrent NCR hat bereits die mechanische Kasse aufgegeben. Anker
glaubt aber, dass diese weiterhin verlangt wird, weil es viele


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Staaten im Osten aber ganz besonders auch in der afrikanischen
und asiatischen Welt gibt, wo man mit elektronischer Kasse noch
nichts anfangen kann, weil die Infrastruktur dort fehlt. Die
F 8 kostet 1.800 DM im Durchschnitt ist aber durch verschiedene
Ausführungen 1.300 bis 1.700 DM ab Werk zu haben. Dr. Elsner
hat mit nachher in einem Sechs-Augengespräch bei ihm zu Hause
mit Sametz auseinandergesetzt, dass die BAWAG imstande wäre,
dem jetzigen Interessenten Vorlop, der das Werk braucht, aus
der deutschen Masse aber die ganzen ausländischen Werke gekauft
hat, angeblich bereits 20 Mill. DM dafür bezahlt hat, nur Inter-
esse an den Vertriebsorganisationen und Service-Stellen hat.
Die BAWAG wäre daher leicht imstande Vorlop zu veranlassen,
die Fabrik ganz billig abzugeben. Was sie brauchen, ist nur
einen Bewerber oder Beteiliger mit einer Produktion. Ich habe
an Siemens, Wolfsberger, gedacht und versprach mit diesem zu
reden.

ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mit GD Wolfsberger verbinden.

Bei der Eröffnung von dem Stammgeschäft Stiefelkönig in Graz
wurde ich von meinem Gewerkschaftskollegen Dragosits aufmerksam
gemacht, dass dort eine sehr schlechte Gewerkschaftsorganisation
ist. Der Senior-Chef, also die zweite Generation, ist zwar, wie
ich feststellen konnte, mit allen unseren Grazer Genossen per Du
ist auch ein sehr guter Kunde der BAWAG, diese hat mich ja haupt-
sächlich ersucht, die Eröffnung vorzunehmen, doch ist gar
nicht sehr gewerkschaftsfreundlich. Er selbst ging dann auf die
Ladenschlussregelung ein, da LH-Stv. Wegart anwesend war, forderte
er ihn auf, er solle dafür sorgen, dass sie mittags offen haben
können. wie das in Wien selbstverständlich der Fall ist. Angeb-
lich ist das Mittagsgeschäft für den Schuheinzelhandel von
grösster Bedeutung. Wegart selbst hat sich herausgewunden,
indem er sagte, er würde das prüfen, ich erwähnte dann, dass
mit dem jetzigen Ladenschlussgesetz die LH viele Möglichkeiten
haben, Erleichterungen zu schaffen und die sollen sie endlich
jetzt einmal gewähren. Bei einer Änderung des Gesetzes darf man
nicht auf die Handelsarbeiter und Handelsangestellten insbesondere
vergessen, die sich als organisierte Bewegung eine für sie
sozialere Regelung erkämpft haben und dies wollen die und hier
flocht ich ein "organisierten Stiefelkönig-Angestellten" nicht
verlieren. Dies war der gewünschte Wink mit dem Zaunpfahl, ob er
etwas nützt, weiss ich nicht.



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Beim Nachhauseflug – unser Auto war durch einen Unfall
sehr beschädigt – weshalb ich sehr spät abends fliegen musste,
hatte ich dann Gelegenheit, mit einem Besitzer dritte Generation
über ihre Geschäftspraxis zu reden. Insbesondere interessierte
mich sein Besuch in Portugal, wo er 25 Schuhfabriken auf Ein-
ladung der portugiesischen Handelskammer besuchte. Er meint,
die Portugiesen produzieren in jeder Fabrik viel zu viele Mo-
delle und gleichzeitig Herrenschuhe, Kinderschuhe und Damen-
schuhe aller Art und können daher nicht preisgerecht und vor allem
einmal nicht europäischer Mode deutscher Prägung produzieren.
Sie sind ausschliesslich auf nordische - wie er sich ausdrückt
bequeme Latschen eingestellt. Er hat diesbezügliche Aufzeichnun-
gen für seine Firma gemacht und ich ersuchte ihn sofort, sie
mir noch Anfang der Woche zur Verfügung zu stellen. Er teilte
mir auch mit, dass die Handelskammer solche Auslandsreisen
organisiert hat. Die portug. Handelskammer zahlt darauf
50 % Subvention.

ANMERKUNG FÜR Plesch: Bitte vielleicht können wir noch zusätzliches
Material und Informationen von Firmen, die Portugal diesbezüglich
besuchten bekommen. Dkfm. Tauchhammer ist in der port. Handelskammer
in Wien erreichbar.

Tätigkeit: Sekr. Sallinger


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      Tätigkeit: BAWAG


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        Tätigkeit: Büro des Bundesministers (Sekretärin)


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          Tätigkeit: steir. LH, ÖVP


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            Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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              Tätigkeit: Grazer Bürgermeister, FPÖ


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                Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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                  Tätigkeit: steir. LH-Stv., ÖVP


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