Donnerstag, 2. Dezember 1976
Bei den neu aufzunehmenden Strompreisverhandlungen hatte
ich der Unternehmerseite versprochen, die Einleitung unter
Vorsitz von Min.Rat Burian zu übernehmen. Ich kritisierte
noch einmal die EVUs, weil sie die Verhandlungen unterbrachen
und den Saal verliessen, dadurch war ein Zeitverlust entstanden,
der jetzt schwer aufzuholen ist, wenn am 1. Jänner der neue
Strompreis in Kraft treten soll, muss jetzt in kürzester Zeit
zu einer einvernehmlichen Lösung kommen. Meine Tarifkonzeption
sei durch Nur-Anhebung der Kilowattstunde und nicht der
Grundgebühr den Verbrauch von Energie zu belasten und dadurch
vielleicht gewisse Spareffekte zu erzielen. Dir. Horwath von
der BEWAG erzählte mir dann abends im Parlament, dass die
EVUs 8 Groschen neue Arbeitskostenerhöhung wünschten. Dies
würde auf die kWh incl. Grundgebühr umgerechnet von derzeit
1.05 S 8 % sein. Burian hat sich vorgestellt, dass 5 % das
Maximum wären. Die Sozialpartner sind derzeit mit mit 4 %
maximal einverstanden. Horwath meinte, die EVUs hätten
nach öfterem Unterbrechen maximal eine Reduzierung ihrer
Forderung auf 6 % zugestimmt. Die Verhandlungen werden nächste
Woche Freitag fortgesetzt und ich muss jetzt fraktionell ein
Kompromiss zwischen Arbeiterkammer und soz. Direktoren ver-
suchen zu erzielen.
Rief hat mir, bei den Verhandlungen für Strompreis war er anwesend,
Sekt.Chef Frank der Sitzung unter sechs Augen
zugestanden, dass er über das Verhalten von Gen.Sekr. Mussil
nicht sehr glücklich ist. Die 1.000 S für das Auto zur Wrack-
beseitigung wünscht unbedingt der Schrotthandel und Rief
hält diese Idee für absolut gut und die Durchführung für
notwendig. Ich liess ihn nicht im unklaren, dass ich nicht
mehr bereit bin, mich dafür zu exponieren, ganz im Gegenteil.
Rief ersuchte mich ausserdem, dass im Parlament mit einem
Initiativantrag das vereinbarte Haftungsgesetz für die Öl-
lagergesellschaft beschlossen werden müsste. Sollte nämlich
der Entwurf des Finanzministeriums erst in die Begutachtung
gehen, dann würde dieses Gesetz nicht vor 1. März in Kraft
treten können. Mit diesem Zeitpunkt aber müssten bereits
die Tarife für die Fremdlagerungsmöglichkeit vom Handelsmini-
sterium verlautbart sein. Abg. König hat mit Heindl im
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Parlament über diese Sache gesprochen und mich ersucht, ich sollte
mich beim Finanzminister dafür einsetzen, dass der Initiativ-
antrag jetzt so schnell wie möglich von allen Parteien im Haus
eingebracht wird. Ich liess Rief nicht im unklaren, dass die
ÖMV bereit ist, ohne diese Haftungsgarantie die Öllager allein
aufzubauen. Ich selbst stehe allerdings auf dem Standpunkt,
dass das Versprechen der Regierung, ein solches Haftungsgesetz
zu machen, eingelöst werden muss.
Wegen der Erklärung von Gen.Sekr. Mussil im Plenum des
Nationalrates bei der Budgetdebatte, dass er als Waldviertler
angeordneten sich an die Spitze der Protestbewegung gegen die
Lagerung vom Atommüll im Waldviertel stellen wird, habe ich
Rief genauso konfrontiert wie mit der Ablehnung der Handels-
kammer vom Verbot der Plastikflaschen. Die Plastikflaschen-
Verbote werden von der Handelskammer dafür zuständigen Beamten
auch als notwendig bezeichnet. Rief kann sich nicht erklären,
wieso diese Stellungnahme der Handelskammer herausgekommen ist.
Ohne dass er oder andere Beamte die sich dafür aussprechen, und
die Notwendigkeit einsehen, damit befasst wurden. Bezüglich
der Lagerung von Atommüll im Waldviertel meinte Rief, er hätte
sich immer bemüht, Mussil davon zu überzeugen, dass dies die
einzige Möglichkeit ist. Frank hat diese Erklärung von Rief mit
Befriedigung zur Kenntnis genommen, ich persönlich bin deshalb
sehr skeptisch, weil die Handelskammer – so fürchte ich – auch in
Hinkunft und sicherlich nicht Mussil als politischer Abgeordneter
der ÖVP diesen Sachstandpunkt beziehen wird, die Gefahr und die
Entwicklung wird immer deutlicher, dass die ÖVP hier ein Politikum
daraus machen will.
Mit Gesundheitsminister Leodolter und ihren hiefür zuständigen
Beamten vom Sekt.Chef Pindur bis zu ihrem persönlichen Berater
Dr. Umek, ersuchte mich um eine Aussprache wegen der Sprachrege-
lung bei der Atomkraftwerkgenehmigung. Ich präzisierte neuer-
dings meinen persönlichen Standpunkt. Die EVUs müssen ein fertiges
Projekt für die Endlagerung vor Betriebsgenehmigung eingereicht
haben und bereits die Verwirklichung in Angriff genommen haben.
In diesem Endlagerungsprojekt muss Vorsorge getroffen sein, dass
die Brennstäbe wenn sie nicht mehr zur Wiederaufbereitung bis
zu diesem Zeitpunkt wo sie anfallen mit einem Vertrag ins Aus-
land geschickt werden können, in der Endlagerstätte langzeitig,
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d.h. auch für hunderte Jahre aufbewahrt werden können. Die
Zwischenlagerung sollte im Kraftwerk Tullnerfeld durch eine
Kompaktlagermöglichkeit vorgesehen sein. Jetzt hat die Abkühl-
wanne 130 % Kapazität der Brennstäbe. Diese wird auf 300 % er-
höht. Die dafür zuständigen Ministerialräte erklärten mir, dass
aber noch neue Genehmigungsverfahren für das Kraftwerk Tullner-
feld notwendig sind. Die statische Belastung des neuen Kühlbeckens
muss erst noch geprüft werden. Dies bedeutet, dass eine Verzögerung
der Betriebsgenehmigung mit Null-Leistung eintreten wird. Die
bisherige Bauverzögerung bis März 1978 geht ausschliesslich auf
Verschulden der KWU, d.h. der Baugesellschaft zurück. Ich ersuchte
die drei Ministerialräte, sie sollten die Genehmigung dringlichst
behandeln, damit wegen der Verzögerung nicht doch noch dann
die Genehmigungsbehörde als schuldig festgestellt wird. Die Ursache
dieser Verzögerung würde aber auf alle Fälle bei den EVUs resp.
der KWU liegen, weil sie eben nicht vorgesorgt hat, dass die
abgebrannten Brennstäbe zur Wiederaufarbeitung ins Ausland mit
Vertrag gebracht werden können. Leodolter fragte mich ständig,
wie ich die Erklärung von Bundeskanzler verstehe, der im Klub
der SPÖ aber auch bei sonstiger Gelegenheit darauf hinweist, er
hätte grösste Bedenken gegen die Atomkraftwerke. Ich gab freimütigst
die gegenteilige Auffassung zwischen Kreisky und mir zu, weil ich
trotz aller Bedenken keine andere Möglichkeit der Energieversorgung
sehe als das Kernkraftwerk Tullnerfeld in Betrieb zu nehmen.
Sobald die Sicherheitsauflage erfüllt sind. Bezüglich des
weiteren Ausbaues vom zweiten und dritten Atomkraftwerk, welches
in unserem Energieplan vorgesehen ist, haben wir noch einen ge-
wissen Zeitraum, den wir mit Diskussion und Erfahrungen der aus-
ländischen, jetzt gebauten 1.300 MW-Einheiten abwarten können.
Leodolter meinte, wenn im Energieplan die Regierung diese
Passage zur Kenntnis genommen hat, dann wäre das doch für mich eine
Stütze. Ich erklärte sofort, dass kaum jemand diesen Energieplan
gelesen hat und sich daher auch in der Regierung kaum jemand
danach gebunden fühlen muss. Aus Sachzwängen heraus habe ich keine
andere Möglichkeit der Energieversorgung und werde mich daher we-
niger auf den Energieplan als auf die nackten Tatsachen der Ent-
wicklung und des Verbrauches an Energie halten. Leodolter ist
damit einverstanden, dass ich wie beabsichtigt an Kreisky einen
Brief richte, wo ich ihm den Entwurf eines mündlichen Minister-
ratsvortrages über die ganze Inbetriebnahme und Endlagerung
sowie den bisherigen Verhandlungsverlauf schildere.
Leodolter fragte mich, ob es zweckmässig sei, dass sie auch
eine Zusammenstellung aller Phasen des Genehmigungsverfahrens
vorbereiten soll. Ich erklärte ihr, ich hätte eigentlich schon
längst erwartet, dass sie eine Art Weissbuch auf Grund der Akten-
lage führen lässt, damit dieses jederzeit greifbar und wahrschein-
lich bei der hitzigen Debatte, die dann noch kommen wird, zeitge-
recht veröffentlicht werden kann.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte mit Umek dieses Weissbuch am letzten
Stand halten und für mich eine Durchschrift verlangen.
Im Vorstand des Bildungsvereines der Lebensmittelarbeiter, der
Fraktion der soz. Lebensmittelarbeiter berichtete Pawlis, BRO von
Ottakringer Tabakfabrik über die Schwierigkeiten wegen der Be-
setzung oder Ablösung des soz. Vorstandsdirektors Kloimstein. In
den Zeitungen haben unsere Genossen aber auch Kloimstein selbst
gelesen, dass er vom Sekretär des Finanzministers Mauhart abge-
löst werden soll. Darüber ist dieser aber auch unsere Genossen
sehr verbittert. Niemand hat mit ihnen gesprochen, Androsch
hat zwar den Präsidenten des Aufsichtsrates, unseren Zentral-
sekretär Blümel strengst vertraulich davon vor längerer Zeit
informiert, Blümel hat sich an die Vertraulichkeit gehalten und
dann feststellen müssen, dass Androsch doch auch den anderen,
insbesondere der schwarzen Seite diese Information gegeben
hat. Jetzt steht es sogar in den Zeitungen. Die Konzeption von
Blümel wäre gewesen, die Direktoren von 4 auf 2 zu reduzieren,
d.h. Posten einsparen und damit indirekt sogar die Fraktion und
Partei stärken. Jetzt wird wieder ein Austausch vorgenommen
und der auch bei uns nicht sehr angesehene Kloimstein ersetzt. Die
Aufsichtsratsreduktion von 10 auf 8 Mitglieder hätte nach Auf-
fassung von Blümel die Fraktion gestärkt. Derzeit werden durch
die Drittelbestimmung 5 Arbeitnehmer delegiert, noch steht es
drei Sozialisten zu zwei. Da dieses dritte Mandat aber sehr unsicher
ist, kann es bei einem knappen Wahlausgang zugunsten der Sozialisten
ohne weiteres möglich zugunsten der ÖVP zu einem 3 ÖVP-Arbeit-
nehmervertreter zu 2 kommen. Wäre der Aufsichtsrat von 10 auf 8
reduziert worden, dann wäre es zwei zu zwei und keinerlei Gefahr.
Ich bin eigentlich sehr verwundert, dass Androsch nicht die Ge-
legenheit benützt, in der Tabakwerken den Aufsichtsrat zu redu-
zieren, wo dies im Interesse der Fraktion wäre. In der E-Wirtschaft
habe ich mit gegenläufigen Tendenzen zu kämpfen.
In der Vorstandssitzung der Lebensmittelarbeiter kam es zu
einer heftigen Debatte wegen des Rahmenkollektivvertrages.
Nach dem Gipfelgespräch Harmer, Riegler, Blümel und mir
hat Riegler tatsächlich die versprochenen Formulierungen der
offenen Fragen geschickt. Diese Formulierungen haben aber
keinen Fortschritt gebracht sondern ganz im Gegenteil aus-
gesprochene Schlechterstellungen des bisherigen Verhandlungs-
ergebnisses. Riegler glaubt allen Ernstes, wir akzeptieren
Formulierungen, die jetzt schon im Gesetz geregelt sind, nur
eine Abschreibung dieser Gesetzesbestimmung darstellen, die
schlechter sind als die bis jetzt verhandelten Ideen. Die Mit-
glieder des Verhandlungskomitees erklären sich für gefoppt und
verlangten entsprechende Massnahmen. Wir einigten uns, dass
in den Industriebetrieben nächste Woche Versammlungen während
der Dienstzeit abgehalten werden, damit die Unternehmer sehen,
so lassen wir unser Verhandlungskomitee nicht behandeln. Nach
zwei Jahren geduldigsten und langwierigsten Verhandlungen ist ein
solches Ergebnis wirklich untragbar.
von Getreide. Der neue Obmann des Getreidewirtschaftsfonds,
Fachleutner, und der neue Geschäftsführer Gludovatz stehen beide
auf dem Standpunkt, dass ohne entsprechende Erhöhung der Stützung
ein Export nicht möglich ist. Die Exporteure verlangen einen
Schilling und in der Ausschreibung wegen dieses Exportes wurde
unglückseligerweise dieser Schilling ebenfalls festgelegt.
Haiden ist auf Vorschlag von Kreisky und Androsch nur bereit,
60 Groschen zu geben, weil die Differenz von den Lagerhäusern,
die das Getreide besitzen, bezahlt werden sollte. Diese sind
natürlich nicht bereit, ein solches Opfer zu bringen. Fach-
leutner meinte mir gegenüber, dies könnten sie auch gar
nicht, denn man könnte ihnen höchstens zumuten, auf ihre Handels-
spannen von nicht ganz 9 Groschen zu verzichten. Haiden ist davon
überzeugt, dass der Export dadurch nicht zustandekommt. Ich per-
sönlich glaube, es wäre zweckmässiger, wenn Androsch und
vor allem Kreisky Haiden hier mehr Spielraum geben würden. Bei
dem Schweineschmalzexport haben auch die Exporteure zuerst fast
4.– S Stützung verlangt, Haiden hatte plein pouvoir und hat
sie auf 2.– S Stützung hinunterdrücken können. Damit ist der
Polen-Export zustandegekommen. Die Tagger-Mühle und Futtermittel-
werk glaubt mit entsprechender geringerer Stützung für die
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österreichischen Bergbauern ein Mischfutter aus Auswuchs-
getreide herstellen zu können. Auch hier verlangt Kreisky aber, da
dass die landwirtschaftlichen Genossenschaften die Hälfte davon
übernehmen. Derzeit kann Futtergetreide nur in Kombination
Gerste, die von den Bauern dringend verlangt wird und Auswuchs-
weizen durchgeführt werden. Dadurch verringern sich die 160.000 t
um einige Tonnen. Da die Zeit dahinläuft und die Lagerkosten
auf alle Fälle vom Landwirtschaftsminister getragen werden
müssen. wird früher oder später dann doppelt bezahlt. Zuerst
jetzt die anfallenden Lagerkosten und wenn es dann doch zu dem
Export kommen wird, die notwendigen Stützungen. Hier müsste
Haiden ein viel grösseres Pouvoir haben um zwar hart verhandeln
zu können, dann aber letzten Endes doch auch abschliessen zu
können. Im jetzigen System zahlen wir auf alle Fälle doppelt.
Es sei denn, es gelingt tatsächlich, den Export ohne eine Stützungs-
erhöhung vorzunehmen.
Haiden verhandelt derzeit mit den Banken über seinen 2 Mia. agra-
rischen Investitionskredit, der derzeit mit 9,75 % plus 0,25 %
Spesen limitiert ist. Haiden ist bereits auf 8,75 % herunten und
möchte 8,5 % erreichen. Dies war für mich der Grund, wuahc mit
Jagoda über dieses Problem zu sprechen. Auch wir müssen für un-
sere neue Existenzgründungsaktion aber auch für die alten Bürges-
Aktionen unser Kreditlimit ändern. Jagoda wird dies unverzüglich
in Angriff nehmen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH UND WAIS: Bitte bei Haiden weiter verfol-
gen, welches Ergebnis er erringen kann.
Jagoda berichtete mir über Schwierigkeiten, die er mit seinem
Personalproblemen hat. Mit Recht beschwerte er sich, dass der
ihm von Plesch zugesicherte Ersatz von Schreibkräften nicht
eingehalten wurde. Plesch teilte mir dann aus einem Vieraugen-
Gespräch mit Jagoda mit, dass er alle Missverständnisse be-
seitigt und jetzt, wie er glaubt, wieder ein gutes Einvernehmen
mit Jagoda hat. Ich habe Plesch dringlichst auf die Notwendig-
keit einer guten menschlichen Beziehung zwischen Büro und Haus
aufmerksam gemacht. Zur Verbesserung der Beziehungen werde ich jetzt
in Hinkunft einmal im Monat eine Zusammenkunft mit dem Minister-
büro und den sozialistischen Sektionschefs durchführen. Dort
sollen und müssen wir alle offenen Probleme freimütig und
freundschaftlich besprechen. Eine Klima-Verbesserung ist meine
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wichtigste Aufgabe.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte nach einen Dezember-Termin
vereinbaren.
Tagesprogramm, 2.12.1976
Aktenvermerk (Pleschiutschnig?) betr. HM-Personalfragen