Freitag, 17. Dezember 1976
Bei der Besichtigung des Atomkraftwerkes fiel mir wieder der
chinesische Spruch ein" besser einmal sehen, als zehnmal darüber
lesen". Bei meinem letzten Besuch ist mir aufgefallen – und ich habe die
auch den Leuten, die uns führten gesagt – dass noch gebaut wurde und
gleichzeitig die Elektroanlage installiert wurde. Damals erklärte
man mir, sie seien im Zeitplan, d.h. das Werk könnte wie vorgesehen
Mitte 1976 in Betrieb gehen. Ich konnte mir dies beim besten Willen
nicht vorstellen, wo doch mir immer die Techniker erklären, Elektro-
installation sei so etwas heikles, dass man keinesfalls Baustaub dabei
brauchen kann. Diesmal fiel mir wieder auf -und ich habe dies Gen.Dir.
Wolfsberger von der Siemens als KWU-Vertreter – und allen anderen
deutlich gesagt, dass in schon fertigen Räumen der heissen Zone Zetteln
angeklebt sind, dass man nur mit Überschuhen diese betreten darf,
Diese Bestimmung wurde nur innerhalb des Containments eingehalten,
wobei für mich auch fraglich ist, ob die dort gehandhabte Praxis ge-
nügt. Die zusätzlichen Sicherheitsbestimmungen, die ich mir im Einzelnen
genau erklären liess, erscheinen mir als Laie zielführend und zweck-
mässig. Das sich daraus Terminfestsetzungsschwierigkeiten ergeben kön-
nen leuchtet mir auch ein. Keinesfalls aber, dass dies 2 Jahre aus-
machen könnte. Die wirkliche Ursache scheint mir plausibel zu sein,
wie mein Unterläufer im Gespräch erwähnte, die Unterlieferanten der
KWU und diese selbst sind nicht imstande die notwendigen Dokumente,
das sind Zeichnungen und sonstige papierene Unterlagen für die Abnahme
zeitgerecht zur Verfügung zu stellen. Früher war es scheinbar weltweit
aber sicherlich bei unserem Kraftwerk auch gang und gäbe, dass der
Fortschritt der Arbeit in der Montage viel weiter war, als die be-
hördlichen Genehmigungen. Jetzt lässt sich die Aufsichtsbehörde
nicht mehr gefallen. Dipl.Ing. Nistler, der Betriebsleiter, teilte mir
mit, dass seine ganze Mannschaft jetzt schon während der Montage an-
wesend ist, gleichzeitig auch ein Teil immer auf Schulung in anderen
Kernkraftwerken, sodass anzunehmen ist, die Bedienungsmannschaft wird
sich einigermassen auskennen. Anschliessend diskutierten wir, Erbacher
die beiden Direktoren der GKT, Staudinger und Nentwich, sowie den
dazugekommen Projektleiter Lederer und ganz besonders den Brennstoff-
verantwortlichen Dierkes über die Lagerung. Der Bürgermeister hatte
mir vorher unter vier Augen gesagt, dass er grosse Schwierigkeiten
innerhalb der Gemeinde hat. Er könne sich nicht vorstellen, dass eine
Endlagerung von ausgebrannten Brennstäben oder gar von Atommüllabfall in
Zwentendorf erfolgen dürfe. Es beruhigte ihm, dass dies auf keinen
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Fall beabsichtigt ist. Die sogenannte Kompaktlagerung will gar
nichts anderes als in das jetzt schon vorgesehene Zwischenlager
statt 130 % der Brennstäbe 300 % durch ein neues Gestell, d.h. engere
Anordnung der abgebrannten Brennstäbe mit gleichzeitiger weiteren
Kühlung und Luftabsaugung vorzunehmen. Dadurch muss geprüft werden,
ob statisch das jetzige Wasserbad diese Mehrbelastung aushalten wird.
Bei der offiziellen Aussprache habe ich auch dann den Bürgermeister
eingeladen, damit er unmittelbar die Probleme hört, die wir bespre-
chen. Ich setzte der GKT neuerdings auseinander, dass sie so schnell
als möglich ein Entsorgungsprojekt bis in die letzten Details ein-
bringen müsste. Vorher ist das Gesundheitsministerium nicht in der
Lage-und ich decke diese Meinung- eine Betriebsgenehmigung zu geben.
Dies ist nicht nur wegen der Atomgegner notwendig, sondern weil auch
innerhalb der Regierung immer mehr und immer grössere Widerstände
gegen das Kernkraftwerk sich ausbreiten. Erbacher meinte, er hätte
erst jetzt die Genehmigung bekommen, geologische Untersuchungen am
Truppenübungsplatz in Allentsteig vorzunehmen. Das Projekt kann daher
unmöglich zu dem Zeitpunkt vorliegen, wo bereits die Null-Leistung
Betriebsgenehmigung zum durchprüfen der ganzen Anlage notwendig ist.
Nentwich bezeichnete den frühesten und letzten Termin für diese
Null-Leistung Betriebsgenehmigung März oder Mai 1977. Nach allem was
ich dort gesehen habe und was wir dort gesprochen haben, zweifle ich
dass wir anfangs des Jahres 1978 in Betrieb gehen werden.
Gen.Dir. Wolfsberger bedankte sich bei mir persönlich, weil es end-
lich jetzt gelungen ist in Tunesien jetzt den Exportauftrag für
Siemens und SGP Kraftwerksbau zweimal 150 MW zu bekommen. Ich versicherte
ihm einmal mehr, dies sein Service für die Wirtschaft die ich gerne
mache.
Ich besuchte überraschend wieder Altenwörth und musste erfahren, dass
auch die Reparaturarbeiten an die kaputten Generatoren von Elin
bereits wieder eine Zeitverzögerung haben. Das für die Reparatur not-
wendige Werkzeug wurde in Weiz gefertigt und konnte dann in den
Turbinenschächten sehr unzulänglich eingesetzt werden. Auch bei 30 MW
Leistung haben die jetzt zum Schluss eingebauten Generatoren kleine
Risse bekommen. Wöchentlich über Sonntag müssen dann die Maschinen
abgestellt werden, kontrolliert werden und nach mehr Wasser rinnt
über die Wehr, als ich dies mit Augenschein selbst feststellen konnte.
Ing. Langer, der Verantwortliche, war sehr erstaunt, aber auch glaube
ich angenehm überrascht dass ich ihm immer so überfallsartig besuche.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Wenn Du hörst, dass in Zwentendorf oder Altenwörth
irgendetwas nicht so klappt wie beabsichtigt, dann sollten wir sofort
wieder einen Besuch machen.
Problemlos war der Besuch in der Tullner Zuckerfabrik. Hier handelt
es sich um alteingefahrene Produktion und Technologie, die nur ständig
verbessert wird. Die Tullner haben als erste und einzige Fabrik
angeblich gibt es nur eine zweite Anlage in der Welt, ähnlich wie
man bei Menschen das Blut analysiert und untersucht jetzt für den Boden
der Rübenbauern jetzt ein solches Labor mit 13 Mio. Schilling errichtet.
Die jährlichen Betriebskosten sind 6 Mio. Durch die dort entwickelte
Methode können sie den Bauern genau sagen, welche Bodenbearbeitung und
Düngung er machen muss, um einen optimalen Erfolg zu erzielen. Dabei
nehmen sie auch entsprechend Rücksicht auf die Fruckfolge . Ich konnte
mir nicht verkneifen, hoffentlich machen sie es anders als die Dünger-
beratungsgesellschaft. Vogler, der Generaldirektor, der sich natürlich
genau auskennt, meinte, er wüsste nicht was bei der Düngerberatungs-
stelle wirklich geschehen ist. Dort hat man den Bauern angeblich
eingeredet, er soll mehr düngen, was jetzt zu einer Überdüngung des
Bodens geführt hat. Hier glaube ich eigentlich schon, dass die
Zuckerfabrik eine solche Politik nicht verfolgen wird. Bei den Be-
such diskutierte ich selbstverständlich die weitere Entwicklung un-
serer Zuckerproduktion und insbesondere die Chance, dass offene System
mehr Produktion dafür Export aufrechterhalten zu können. Die Zucker-
industrie wünscht noch immer eine entsprechende Bundeshaftung für die
Eventuell-Verluste bei Experten. Dies ist meiner Meinung nach kaum zu
erreichen. Ich schlug ihnen deshalb vor, man sollte mit der Arbeiter-
kammer und Gewerkschaftsbund Verhandlungen beginnen, damit das ver-
einbarte System auch ohne dieser Stützung oder Bundeshaftung funk-
tioniert. Ich könnte mir vorstellen, dass man ähnlich wie seinerzeit
Schacht mit den Mefo-Wechseln auch ein Deckungssystem der Zuckerindu-
strie unter sich in Verbindung mit den Exporteur usw. findet.
Beim Jour fixe habe ich dann mit der Arbeiterkammer und Gewerkschafts-
bund dieses Problem zur Sprache gebracht. Beide wollen momentan über-
haupt nichts anderes wissen, als dass im nächsten Jahr Febr. die Preis-
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erhöhung auf ein geringstmögliches Ausmass festgelegt wird. Zu diesem
Zweck werden jetzt bereits Vorprüfungen der Interessensvertretungen
vorgenommen. Der Wirtschaftsprüfer Jonasch, der von der Zuckerindustrie
seit dem Regierungsumsturz 1970 immer beschäftigt wird, hat festge-
stellt, dass 5.000 Tagestonnen Überkapazität bei der Zuckerindustrie
sind. Die Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund möchte nun diese
Überkapazität sozusagen für den Inlandspreis ausschalten und erklären,
dies sei Angelegenheit der Exportmengen. Eine solche Politik halte ich
für falsch. Die Überkapazitäten entstehen nur theoretisch, weil jede
Zuckerfabrik interessiert ist, so schnell als möglich die Kampagne
zu beenden. Erstens hat sie dadurch weniger Kampagnelöhne zu bezahlen
und zweitens wir der Zuckerabbau der Rübe grösser, je länger sie lagert.
Am meisten erschüttert bei dieser Diskussion hat mich, dass Lachs,
der es aussprach, aber wahrscheinlich andere, die es denken, mich ver-
dächtigt, ich mache diese Zuckerpolitik nur, um die Interessen der
Lebensmittelarbeiter, in dem Fall der Zuckerarbeiter durchzusetzen. Dies
Idee ist mir überhaupt nie gekommen, denn wenn wir Zuckerlager haben,
so behindert dies nur eventuelle Kampfmassnahmen. Der Hauptgrund warum
ich für das jetzige Zuckersystem bin ist, dass wir uns dadurch Lager-
kosten für sogenannte Krisenlager ersparen, denn wenn die Rübe ein-
mal angebaut ist, dann brauche ich nur mehr die Anschlussmenge an
die neue Ernte, der Zucker kommt dann auf alle Fälle selbst.
Bezüglich der zukünftigen Strompreispolitik wurde beschlossen, eine
Arbeitsgruppe jetzt schon zu installieren, um die nächste Preisfest-
setzung so zu gestalten, dass der Mehrverbrauch wenn möglich, auf alle
Fälle aber nur der Verbrauch, d.h. nicht mehr die Grundgebühr erhöht wird.
Bezüglich der Ölpreise kamen wir überein, auf alle Fälle zuzuwarten
bis die ÖMV die der Arbeiterkammer versprochen hat sie wird mit ihren
Preisforderungen sehr zurückhaltend sein, diesbezügliche neue Gespräche
wünscht. Ideal wäre, wenn man die zweite Etappe Juli 1977 abwarten
könnte. Für mich war interessant, dass im Laufe des Tages nicht nur
das Fernsehen, sondern auch viele Zeitungen angerufen haben, um meine
Stellungnahme zu der OPEC Preiserhöhung zu verlangen. Ich hatte Gott
sei Dank schon immer erklärt, ich rechne mit einer 10-%igen Preiserhöhung
Gen.Dir. Bauer war ja fest davon überzeugt, dass wenn überhaupt erst
in wesentlich späteren Zeitraum eine 8-%ige Erhöhung maximal kommen
würde. Überrascht wurde ich durch die zweite Etappe der 5 %. Selbst-
verständlich werden und müssen wir jetzt abwarten, welche Ölpreise
tatsächlich bezahlt werden müssen und wie die öffentlichen Meinungs-
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macher sich auf solche Probleme stürzen, weil sie mit Recht annehmen,
dass dies die Bevölkerung interessiert. In diesem Fall ist aller-
dings die Bevölkerung die Auto.......... gemeint. Niemand von den
Journalisten käme auf die Idee, dass man bevor man eine Erklärung
abgibt erst seriösere Untersuchungen bräuchte. Wenn ich eine solche
Auskunft geben würde, hiesse es dass ich nichts weiss, weshalb ich mir
angewöhnt habe, auf so leichtfertige Fragen auch eigentlich leicht-
fertige Antworten zu geben. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass in
einem Ministerium, wenn ein Minister berufen wird, der die Materie
im Detail nicht kennt und dann mit solchen Fragen überrascht wird,
die unmöglichsten, in dem Fall die unrichtigsten Antworten geben kann.
Dann ist sein Image in kürzester Zeit ruiniert.
Bezüglich Ladenschluss wurde vereinbart, dass man jetzt doch seriösere
Untersuchengen auch wenn sie mehr kosten, durchführen wird. Die IFES
wird jetzt ausser der Erhebung mit 600.000 Schilling mit FESSEL gemein-
sam noch eigenständige Untersuchungen durchführen. Der Erhebungsapparate
von Kienzl, Sozialwissenschaftliche Studien SWS, hat eine Umfrage ge-
startet, die er, wenn Benya sie freigibt, zur Verfügung stellt. Bei die-
ser Umfrage hat sich herausgestellt, dass nur 1/3 überhaupt Interesse
an einer Änderung haben. 2 Tage sollte 2 Stunden länger verkauft werden
können. Die grösste Gruppe davon sind die Pensionisten und Haus-
frauen. Diese haben es am wenigsten notwendig zu klagen, mit der jetzige
Einkaufszeit nicht auszukommen. 20 % ist es egal und 45 % stehen auf dem
Standpunkt es solle so bleiben.
Die Umfrage ergab aber neuerdings, dass trotz der Belastungswelle die
sozialistische Partei noch immer weit an der Spitze liegt. Welche
Partei sagt ihnen am meisten zu, wird noch immer mit 42 %, d.h. unver-
ändert im Laufe dieses Jahres angegeben. Die ÖVP hat 28 % und auch
gleichbleibend. Verloren hat nur die FPÖ von 7.5 % auf 5.5 %, 2 % gehen
zu den Unentschiedenen. Überragend ist aber noch immer das Image von
Kreisky mit 54 % ist er einsame Spitze. Auf die Frage hält die SPÖ
Wort, haben nur 20 % positiv geantwortet. Die Frage aber, hält Kreisky
Wort, sofort mit 32 %. Das Phänomen Kreisky bleibt nach wie vor bestehen.
Im Gewerbeverein habe ich jetzt schon zum dritten Mal anstelle von
Kreisky die Exner-Medaille an Wissenschaftler überreicht. Gleichzeitig
werden auch immer mit Diplome Unternehmer und Arbeitnehmer ausgezeich-
net. Bei den Arbeitnehmer handelt es sich aber grösstenteils dann
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immer um Prokuristen, Direktoren und leitende Angestellte.Trotzdem
nütze ich die Gelegenheit um immer darauf hinzuweisen, dass ohne die
Arbeiter und Angestellten die Leistungen, die Österreich in der
zweiten Republik erbracht hatte niemals möglich wären. Der Gewerbe-
verein hat mit dieser Methode Arbeiter, Angestellte, Unternehmer und
Wissenschaftler auszuzeichnen, Vorarbeit für die Sozialpartnerschaft
geleistet.
Die Wiener Sekretäre der SPÖ kommen sehr gerne zur Weihnachtsfeier auf
die Landstrasse. Unsere Sekretärin Tischler macht sich eine ungeheure
Arbeit. Sie kocht und backt Tage, ja man muss sogar sagen nächtelang.
Ich unterhielt mich mit Gratz über den Wandel der jungen Sekretäre
und auch Funktionäre. Als er noch Zentralsekretär der Partei war,
kannte er alle Landessekretäre und teils auch die Bezirkssekretäre.
Jetzt wird ein so grosser Generationswechsel vorgenommen, dass man
die jungen Leute gar nicht mehr kennt. Ohne in eine Nostalgie zu
verfallen, muss ich halt doch feststellen, man wird alt.
Tagesprogramm, 17.12.1976
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)