Dienstag, 22. Feber 1977
Der Viehexporteur Schnetz ruft an, um sich zu beschweren
dass der österreichische Viehverband, so wie er in Libyen
jetzt 1.700 Stück Exportkontingent von Rindern bekommen hat.
Er hat dieses Geschäft seinerzeit – wie er behauptet – auf-
gerissen, der österreichische Viehverband hat nur 1.000 bis
1.200 Stück bekommen, jetzt wird er gleichgezogen. Den neuen
Preis den er vereinbaren konnte, ist von 1.171.- Schilling auf
1.204.80 Schillinge gestiegen minus 12 % Einlage. Haiden hat
mir aber mitgeteilt, dass er noch immer für die Stützung 850.-
Schilling die Tonnen bezahlen muss und diese jetzt senken möchte,
da ein höherer Viehpreis erzielt werden kann. Da ich mich über
die Aufteilung der Kontingente niemals einmische, verweise ich
Schnetz an das Landwirtschaftsministerium. Haiden hat mir nachher
gesagt, er möchte, wenn es zur 100 %-igen Kompensation für die
Agusta-Flugzeuglieferungen aus Italien kommt, dafür nicht Holz
sondern Vieh exportieren. Da die Brüsseler aber Vieh niemals
zulassen, will jetzt der italienische Abnehmer dieses Vieh
deklarieren, dass es nach Libyen weiterverkauft wird und dafür
angeblich von Brüssel angeblich die Einfuhrgenehmigung bekommen.
Haiden sieht ein, dass bei der Kompensation nicht Holz von
Österreich akzeptiert werden soll, weil dort jetzt momentan
sowieso ein normaler Export möglich ist.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER UND WANKE UND PLESCH: Bitte mit Schnetz
Verbindung aufrechterhalten, er kann einige Informationen ständig
liefern.
In vielen Geschäften wird jetzt am Faschings-Dienstag nicht nur Krap-
fen und Heringe usw. verkauft, sondern die Käufer kostümieren sich
auch. Unsere Lieferantin von der Feinkosthandlung gegenüber, auf
Deutsch wie ich so schön sage "vis a vis", hat Frau Wiesinger
angerufen, wen sie mit Krapfen heraufschicken darf. Sie war sehr
erfreut und erstaunt, wie ich mit ein paar Blumen erschienen bin,
um ihr zu gratulieren und mich mit der ganzen Verkäuferschaft
fotografieren zu lassen. Ich war sehr erstaunt, dass sie doch
fünf Verkäuferinnen und 1 Lehrmädchen beschäftigt. Frau Maier, die
Besitzerin war wirklich sehr erstaunt, dass ein Minister in ihr Ge-
schäft kommt um diesen Spass mitzumachen. Als Dankbarkeit hat
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sie uns gleich 2 volle Teller Krapfen geschickt.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Wir sollten sie gelegentlich auch mit
irgendetwas einmal beglücken.
Im Ministerrat hat Androsch neben den mündlichen und schriftlichen
Bericht über das Prüfungsergebnis des Internationalen Währungs-
fonds über Österreich darauf hingewiesen, dass jetzt ein Kabel vor-
liegt, wonach die Währungs-, Einkommens- und Fiskalpolitik-Zusammen-
arbeit als einmalig und mustergültig bezeichnet wird. Zuerst
dachte ich schon dies sei eine offizielle Version des Prüfungs-
ausschusses des Internationalen Währungsfonds. Als ich dann das
Kabel sah stellte ich fest, dass es von Schneider, dem Österreich-
Vertreter, so glaube ich – stammt. Trotzdem kann es natürlich pro-
pagandistisch gut genützt werden. Kreisky schlug deshalb vor, es
müssen jetzt in Hinkunft alle diese positiven Prüfungsberichte
viel stärker in den Medien unterkommen, wenn nicht anders, da ja
nicht einen Einfluss darauf haben und die AZ nicht seitenlang
drucken kann, wird die Wiener Zeitung in Hinkunft diese Aufgabe
übernehmen müssen. Ich habe immer gewusst, dass die Wiener Zeitung
kaum eine Chance hat, als wirklich aktuelles gutes Nachrichten-
blatt von einer Masse gekauft zu werden, weil es eben als Amts-
blatt im wahrsten Sinne des Wortes fungiert. Dies bezieht sich
nicht nur auf den amtlichen Teil, wo wirklich jeder Käse abgedruckt
werden muss, sondern leider auch auf die Berichterstattung.
Androsch hat beim letzten Finanzausgleich der noch immer läuft
und heuer geändert wird, mit den Ländern und Gemeinden vereinbart,
es soll ein Gutachten über die Zweckmässigkeit und Aufteilung der
Finanzen erstellt werden. Jetzt liegt dies in den Grundzügen be-
reits fest und zeigt deutlich, dass die Länder besser abschneiden,
als der Bund und die Gemeinden. Dies erscheint mir nicht eine
besonders neue Erkenntnis, wohl aber wird jetzt durch ein Gut-
achten das eindeutig bestätigt. Androsch hofft damit sich bei
den laufenden Finanzausgleichsverhandlungen, die jetzt in den
nächsten Monaten beginnen werden, einen besseren Verhandlungsstart
zu haben.
Der Fachverband der Elektroindustrie hat Sallinger, Benya und
vor allem auch die zuständigen Ministerien und Generalpostdirektor
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mit seinen Leuten, aber vor allem auch die Industrievertreter
einberufen, um in einer Enquete die Situation zu besprechen. Die
Elektroindustrie macht einen ungeheuren Wandel durch. Dr. Rose
z.B. berichtete in einem Referat über die Änderung von der Mechanik
in der Telefonindustrie zur Elektronik, Ing. Pirkner von Änderung
der Wertschöpfung die immer kleiner wird in der Elektroenergie-
branche. Neben mir sass Präsident Igler und als der grosse Turbo-
generator für Zwentendorf gezeigt wurde, meinte ich zu ihm, ich bin
neugierig ob Elin hier eine bessere Werkmannsarbeit und Inge-
nieurarbeit geleistet hat als bei Altenwörth. Ich fürchte nämlich,
dass dieser einmalig grosse und von Elin erstmalig erzeugte grosse
Generator wahrscheinlich viele Kinderkrankheiten haben wird. Igler
als Vorsitzender des Aufsichtsrates der Elin meinte, über das Bild
müsste stehen "Gott mit uns". Der Leiter des Fachverbandes Dr. Mayer,
jetzt schon Pension, seinerzeit Generaldirektor von ITT, versuchte
dazulegen, dass die 68.000 Beschäftigten allein 30.000 davon bei
der Telefonindustrie arbeiten. Die Post gibt jährlich Aufträge
von 1,8 Mia. Schillingen, die aber jetzt durch die Umstellung auf
Elektronik trotzdem dazu führen, dass immer mehr Beschäftigte von
der Mechanik, das sind also Dreher, Schlosser, Feinmechaniker durch
Elektronikfachleute oder insbesondere aber Frauen ersetzt werden.
Ein immer grösserer Teil der Produkte muss auch importiert werden,
weil man in Österreich bis jetzt diese Teile nicht fertigt. In der
Diskussion stellte ich sofort die Frage, wieso ITT, Kapsch und
Schrack auf der einen Seite für die Telefonlieferungen an die Post
eine Arbeitsgruppe gebildet haben und Siemens auf der anderen.
Umständlich versuchte Mayer zu erklären, dass das von der ITT ent-
wickelte 11 E Metocont zum Unterschied von Siemens EFK aus dem
Bestreben der beiden Gruppen zurückzuführen ist, ihre Technik
hier zu entwickeln, anzubieten und sich dadurch zu konkurrenzieren.
In Wirklichkeit beschäftigt die Post aber alle und hat deshalb 2
Systeme. Ob dies gut ist, kann ich nicht feststellen. Die Postver-
treter haben zumindestens solange die Spitzen anwesend waren nicht
erledigt. Der Unterschied liegt angeblich nur in Basisbauteilen.
Gen.Dir. Wolfsberger von Siemens hat wie der darauf hingewiesen,
dass hier Importe getätigt werden müssen, wodurch etliche Arbeits-
stunden verloren gehen, weil die Planung und Entwicklung und ins-
besondere die Forschung nur in den Mutterhäusern durchgeführt
werden kann. Benya hat nämlich natürlich als Metallarbeiter-Ob-
mann, wenn auch nur bis zum nächsten Verbandstag, gefragt, wie es
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jetzt mit der Beschäftigung in Zukunft in dieser Branche aus-
sehen wird, wenn alles jetzt, oder fast alles importiert wird.
Ich habe sofort Wolfsberger erwidert, dass ich eine neue Politik,
wie wir sie bei Waffenlieferung mit 100 %-iger Kompensation jetzt auch
bei den anderen öffentlichen Aufträgen verlangen werden. Ich werde
wegen der Ausschreibungspolitik einen Ministerratsvortrag machen,
wo auf die Notwendigkeit österreichische Firmen zwar im Rahmen
der internationalen Vereinbarungen, aber doch deutlicher als in
der Vergangenheit bevorzugen muss damit nicht eine nur ausgesprochen
Importpolitik von den jetzigen Produzenten betrieben wird. Wolfs-
berger hat mir nachher unter vier Augen versichert, er ist über
diese Erklärung sehr glücklich, denn er verfolgt persönlich auch
gegenüber seinem Mutterhaus, insbesondere Peter von Siemens dieselbe
Absicht, ist aber bis jetzt noch nicht durchgekommen. Ein dies-
bezüglicher Ministervortrag, resp. konkrete Aufforderung des Handels-
ministers könnte ihm sehr helfen. Dies gilt sicherlich auch für
die anderen internationalen Konzerne.
ANMERKUNG FÜR PLESCH UND WANKE: Bitte jetzt endlich den Ministerrat
mit Arbeiterkammer und ÖGB fertigmachen, damit ich ihn einbringen
kann.
Sallinger hat durch Zufall einmal die Österreichische Fremdenver-
kehrswerbezentrale in der Hohenstaufengasse besucht und ist erschüttert
über die schlechte Situation und den Zustand des Gebäudes. Während
er selbst freimütig zugibt, als ich Zedek zum Geschäftsführenden
Obmann gemacht habe und dieser einen Brief an das Präsidium
schickte, damit er jetzt ein Haus kaufen oder mieten könnte, meinte
Sallinger, er sollte mit diesen Zugeständnis von mir Obmannstell-
vertreter von der Handelskammer erpresst werden um eben einen Haus-
kauf oder Miete zuzustimmen. Er hat deshalb damals kategorisch abge-
lehnt. Jetzt aber hat er seine Meinung geändert, hat sogar Präs.
Benya gewonnen, dass er auch mitgeht und es sich ansieht, und
möchte jetzt, dass wir unbedingt entweder uns wo in der Stadt
oder innerhalb des Gürtels zumindestens zweckmässig anmieten,
oder noch besser, ein eigenes Verkaufslokal und Roh- und Lager-
räume in einem Haus erwerben. Da ich nicht sicher bin, ob er tat-
sächlich dann die notwendigen Millionen aufbringt, habe ich zwar
dort ganz offiziell erklärt, wenn die Handelskammer und die
Länder entsprechende Mittel zusätzlich aufbringen, könnte ich mir
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vorstellen, dass wir sehr wohl wegen einer solchen neuen Loka-
lität uns umschauen, dass aber auf alle Fälle die jetzigen Ver-
handlungen fortgeführt werden im Otto Wagner-Bankgebäude und
unter Denkmalschutz stehenden Zentrale, die notwendigen Arbeits-
räume tatsächlich zu bekommen und vor allem die Bundesgebäudever-
waltung zu verhalten, weiter die Renovierung in Angriff zu nehmen.
Die ÖFVW zeichnet immer wieder Journalisten mit der Fremdenver-
kehrsmedaille in Gold aus, die natürlich niemals Gold ist, aber
dafür umso grösser und interessanterweise reissen sich doch
einige darum. Selbstverständlich bin ich stets bereit, diese Aus-
zeichnung zu übergeben. Dadurch wird das verhältnismässig schöne
Dekret angeblich noch wertvoller. Zwei deutsche Journalisten
konnte ich diesmal beglücken.
Die AEZ-Passagendiskussion war diesmal für mich verhältnismässig
einfach. Nach einigen Fragen über die Preispolitik und über den
Benzinpreis kamen wir - von mir eigentlich unbeabsichtigt - auf die
Frage der Atomenergie zu sprechen. Da einige jüngere Atomgegner
anwesend waren, entwickelte sich dann nur mehr eine Atomversorgungs-
diskussion. Z.B. war dort ein junger Physiker, der sich sehr gut
auskannte, und mit dem ich ein – wie ich aber doch hoffe - auch für
die anderen ganz interessantes Fachstreitgespräch führte. Immer
wieder kann ich feststellen, dass ich zwar verhältnismässig genug
weiss, um dort in der Diskussion bestehen zu können, doch muss ich
mir eingestehen, dass mein Wissen noch immer nicht genügend fundiert
ist.
ANMERKUNG FÜR WAIS: So wie in der Wirtschaftspolitik würde ich jetzt
auch auf diesem Gebiet nur stichwortartig und ziffernmässige Unterlagen
benötigen. Bitte von Frank besorgen.
Im Klub der Mandatare auf der Landstrasse habe ich zwar einen unge-
schminkten politischen Bericht gegeben. Insbesondere verwies ich
darauf, dass selbstverständlich ich nicht nur immer über gute
Zeiten referieren darf, sondern auch dann, wenn die ÖVP jetzt nicht
nur in Wien, aber ganz besonders in Wien einen neuen Auftrieb er-
halten hat. Die Argumentation einiger Spitzenfunktionäre, dass
man Busek links liegenlassen soll, halte ich ganz falsch. Über-
einstimmend wurde in der Diskussion bestätigt, dass Busek mit
seiner Methode sehr gut bei den Leuten ankommt. Dies habe ich
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schon vorher gewusst, weil sie im Grunde genommen, auch
meinem Naturell und vor allem auch meiner Methode in den ver-
gangenen Jahrzehnten entsprochen hat. Mit den Leuten diskutieren,
alle Gags mitmachen, den Schmäh führen, das zieht immer. Überein-
stimmend aber stellten wir fest, dass es neben der grossen Politik
den Leuten viel wichtiger ist und damit auch unseren Funktionären au
auf der Landstrasse, die kleinen Probleme der Bevölkerung eingehender
zu besprechen. Die Bezirksräte und alle Spitzenfunktionäre auf der
Landstrasse sind deshalb übereingekommen, dass wir in Hinkunft viel
mehr über diese Probleme diskutieren müssen. Ich stimme dieser
Auffassung 100 %-ig zu und erklärte auch, dass ich froh bin, wenn
ich nicht immer jede Woche nur ein politische Referat geben muss,
sondern wir wirklich mehr über die Bezirksprobleme diskutieren.
Dies gilt ganz besonders für den Klub der Mandatare.
Tagesprogramm, 22.2.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 63. Ministerratssitzung, 22.2.1977
35_0213_03hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)