Montag, 21. März 1977
Beim Jour fixe hat Mussil gemeint, ich hätte gegen das
Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz – Entwurf des Sozial-
ministers – zu stimmen, da es sich um eine weitere Belastung
der Wirtschaft handelt. Ich erklärte ihm sofort, dass ich
gar nicht daran denke. Abends bei der Ministerratsvorbe-
sprechung gab es dann noch über dieses Gesetz tatsächlich
eine Diskussion, weil Androsch – und dies glaube ich zu recht –
die Vertragsbediensteten der Gebietskörperschaften heraus-
reklamierte. Interessant dabei war, wie vorsichtig sich Androsch
bewegte, um Weissenberg nicht zu verärgern. Begründet war sein
Verlangen, denn Gebietskörperschaften können nicht in Konkurs
gehen. Der Ausgleich kann also meiner Meinung nach wirklich
nicht diese Gruppe inkludieren. Da Weissenberg den Einbringungs-
termin einhalten musste, um am 1. Juli bereits die Beiträge
einheben zu können, werden die Beamten des Finanzministeriums und
des Sozialministeriums die Formulierung für den Ministerrat
endgültig festlegen. Ich bin sehr gespannt, wie sich die ÖVP
insbesondere der ÖAAB im Parlament verhalten wird.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte über den weiteren Vorgang sich stän-
dig berichten lassen.
Ich brachte Mussil in Erinnerung, dass das Berufsausbildungs-
gesetz viel schneller behandelt werden muss, weil der Wider-
stand gegen die jetzige, von der Handelskammer zugestandene
Novelle immer stärker wird. Nicht nur eine neuerliche Aussprache
mit der Gewerkschaftsjugend der Lebensmittelarbeiter am Samstag
sondern auch die katholische Arbeiterjugend haben in einer
Fernsehsendung ohne Maulkorb usw. zeigt deutlich, dass alle
von mir erwarten, dass die Forderung der Gewerkschaftsjugend
in meinen Gesetzentwurf aufgenommen wird. Mussil hat zugesagt,
er wird mit seinem Vertreter reden, dass jetzt schnell wie möglich
die Novelle erledigt wird. Bei meinem täglichen Gewerkschafts-
besuch bei der Lebensmittelgewerkschaft hatte ich mit den
Jugendsekretären, dem derzeitigen und dem ehemaligen unserer
Gewerkschaft über dieses Problem neuerdings gesprochen. Überall
zwar viel Verständnis für die Situation aber grosse Enttäuschung.
Sekt.Chef Jagoda versicherte mir, dass er alles daran setzt,
um eine optimale Lösung so schnell wie möglich zu erzielen.
Mussil wird mit der Zuckerindustrie bei mir vorsprechen,
um einen Preisantrag für den Herbst vorzubereiten, der
nicht mehr auf das Exportmodell verpflichtet aufgebaut ist.
Die Zuckerindustrie würde in so einem Fall nämlich eine
freie Exportrücklage verlangen. Sie weiss aber ganz genau,
wie ich sofort erwiderte, dass der Finanzminister dem
niemals zustimmen würde. Mussil kündigt an, dass dadurch
der Anbau wieder um 30.000 ha zurückgenommen wird.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte nächste Jour fixe AK-ÖGB setzen
und Unterlagen von der Zuckerindustrie schon jetzt verlangen.
Mussil beschwerte sich, dass der Zentralausschuss Personalvertre-
tung des Handelsministeriums Bestätigungen für Firmen ausstellt,
damit Angehörige direkt dort beziehen können. Er gab mir
auch eine Kopie an die Fa. Yashica von Frau Tosch. Dies
bedeutet eine Ausschaltung des Kleinhandels, ich erklärte
sofort, dass ich darauf keinen Einfluss habe und auch keinen
nehmen will. Der Zentralausschuss ist eine selbständige
Organisation. Wenn die Handelskammer etwas will, soll sie
sich direkt mit ihm ins Einvernehmen setzen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte äusserst vertraulich recherchieren,
ohne dass der Zentralausschuss deswegen verärgert ist, was hier
wirklich geschieht.
Die Handelskammer will jetzt bei mir eine automatische Lizen-
zierung für die Fasern des Multifaser-Abkommens, auch wenn
sie vom Westen kommen, verlangen. Begründung soll sein, dass
jetzt die Weststaaten die Importeure falsche Ursprungszertifi-
kate vorlegen. Das Verlangen der Industrie, ein provisorisches
Antidumpingzoll einführen zu können, wird vom Handel auch
jetzt noch abgelehnt. Bei der Gesetzwerdung des Antidumping-
gesetzes war ein solcher Vorschlag von uns ebenfalls von
der Handelskammer abgelehnt worden. Mit der automatischen
Lizenzierung hofft nun Mussil, diese Forderung der Industrie
und damit die Industrie selbst befriedigen zu können. Ich
äusserte meine grossen Bedenken, weil der Westen sich dies
nicht gefallen lassen wird und verlangte vor allem einmal,
die Handelskammer sollte mir das Ganze schriftlich geben.
ANMERKUNG FÜR MEISL UND HAFFNER: Bitte prüfen lassen, wie wir
international damit durchkommen könnten.
Die Strumpfhoseneinfuhr, teilte mir Mussil mit, hat jetzt die Fa.
Piering so geregelt, dass sie Rohfaser aus Deutschland importiert
diese dann wesentlich verteuert den Rumänen weiterverkauft und
die Rumänen die daraus erzeugten Strumpfhosen zu den Mindestpreisen
nach Österreich exportieren. Die Handelskammer kann sich gegen diese
Praxis nicht wenden, denn Piering muss ja den Erlös für die Sanierung
von Vöslau zur Verfügung stellen. Für mich war das wieder einmal
mehr ein Beweis wie nachdem die Handelskammer das Veredlungsgeschäft
abgelehnt hat die Firmen doch immer wieder Auswege finden.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Lass Dich bitte informieren, ob das Haus
überhaupt etwas weiss und recherchiere, wie dies im Detail abge-
wickelt wird.
Zwei Themen im Journalistenfrühstück – Meisl berichtet über Finn-
land-Reise und Marsch über den neuen Grosshandelspreisindex –
waren, wie ich glaubte, so magere Themen, dass wir kaum damit eine
Stunde ausfüllen könnten. Durch meinen Hinweis aber auf die Atom-
kraftwerke in Finnland und vor allem aber dann durch die Anwesen-
heit von Redakteur Peters von der Tiroler Tageszeitung gab
es über die verschiedensten Probleme dann eine Diskussion. Peters
als alter und erfahrener Redakteur hat immer Fragen über Ladenschluss
Reisebüro, Energie und regt damit auch andere an. Hampel von
den Oberösterreichischen Nachrichten fragte über die Kompensations-
politik des Handelsministeriums in den Waffenkäufen. Er meinte, ob
die Entscheidung bei Waffenimporten nach den handelspolitischen
Notwendigkeiten getroffen wird. Was ich natürlich sofort verneinte.
Puffler hatte mir gegenüber vorher angekündigt, es kommen jetzt
so wenig Vorschläge von Seiten der Sektionen für das Pressefrühstück.
dass er gar keine Themen in Reserve hat.
ANMERKUNG AN PLESCH: Bitte auf die nächste Tagesordnung für frak-
tionelle Sektionsleiterbesprechung setzen.
Gen.Dir. Seefranz von der Unilever, den ich wegen der Margarinepreise
zu mir bat, sieht ein, dass die Arbeitnehmerseite jetzt einer
Margarinepreiserhöhung nicht zustimmen kann. Da Unilever, wie er
sich ausdrückt, ein multinationales Unternehmen mit der Notwendig-
keit des guten Einvernehmens mit allen nur existieren kann, wird
er, wenn das Handelsministerium Dir. Büttner, der für die Fette
zuständig und verantwortlich ist, volle Deckung geben, wenn die
Unilever im nationalen Interesse Massnahmen setzen muss, die nicht
den Betriebsergebnissen entsprechen. Büttner wollte nämlich un-
35-0325
bedingt die Rohstoffpreiserhöhung jetzt mit April in zwei Etappen
jeweils 6 % auf die Konsumenten überwälzen. Betriebswirtschaftlich
mag dies notwendig sein, wie wir aber dann mit Jagoda vereinbarten,
volkswirtschaftlich aber derzeit nicht zu vertreten. Seefranz
sagte, er hätte eine Aussprache mit Gewerkschaftsbund gehabt
und dieser hat ihm dezidiert erklärt, im ersten Halbjahr komme nicht
in Frage, da die Stückkosten gesenkt erden müssten, und daher die
Lebenshaltungskosten nicht eine Verteuerung bringen dürften. Da
Unilever bei Margarine einen 18 %-igen Zollsatz hat und diesen unter
gar keinen Umständen verlieren möchte, meinte Seefranz müssten sie
auf alle Fälle nachgeben. Bei einem Umsatz von 4,7 Mia. im Vorjahr
haben sie einen Gewinn von ca. 200 Mill. gemacht. Auch bei den
1,4 Mia. darin enthaltenen Umsatz für Margarine und Fette, d.h. Kunerol,
ist auch dort ein entsprechender Gewinn entstanden. Jagoda wird Büttner
jetzt zu sich bitten und ihm dringlichst und mit allem Nachdruck
auseinandersetzen, dass jetzt eine Preiserhöhung nicht in Frage
kommt. Für mich war bei dieser Aussprache nur verwunderlich, wie
Seefranz alles daransetzt, um hier das Einvernehmen mit den Konsumenten-
vertretern, Arbeiterkammer – Gewerkschaftsbund, nicht zu stören. Dabei
setzte er sich ganz wissentlich und einige Mal entschuldigend über
die Meinung seines Direktors Büttner hinweg. Langfristig hat er
sicherlich recht, momentan macht es aber für mich gesehen einen
äusserst komischen Eindruck über die inneren Verhältnisse der Unilever.
Selbstverständlich verlangte Seefranz vollste Diskretion.
Der Abschiedsbesuch von Prof. Holzer, früher einmal Chefgeologe
kurze Zeit im Handelsministerium und jetzt Professor an der Hoch-
schule in Leoben, mit Sterk gab mir Gelegenheit über die weitere
Zusammenarbeit zu sprechen. Holzer ist bereit, gegen Fahrtkosten-
ersatz mit Sterk in der Energiesektion weiter zusammenzuarbeiten.
Die geologische Bundesanstalt, die nur ein Budget von 21 Mio. hat und
ebenfalls mit Leoben bestens kooperiert, soll jetzt durch Aufträge
vom Handelsministerium auch budgetär unterstützt werden. Ich habe
Sterk nicht im Unklaren gelassen, dass wir dafür kaum zusätzliche
Mittel vom Finanzministerium bekommen können. Wir könnten deshalb
nur Aufträge an Untersuchungen, die wir bis jetzt anderen Stellen
gegeben haben, an die Bundesanstalt umlenken. In Leoben überlegt
man, ob man nicht ein Rohstoff-Forschungsinstitut gründen soll.
Dieses kooperative Institut könnte eventuell von der Akademie
oder dem Wissenschaftsministerium zusätzliche Mittel bekommen.
Vom Handelsministerium, erklärte ich sofort, haben wir nur sehr
beschränkte Möglichkeiten und die würden wahrscheinlich alle der
Bundesanstalt zufliessen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Lege für die nächste Fraktionssitzung der
Sektionsleiter entsprechende Budgetvorschläge, die umgeschichtet
werden können, vor.
Im Wiener Vorstand berichtete zuerst der Kassier Nekula über
den Rechnungsabschluss 1976 und den Voranschlag für 1977. Die
Einnahmen und damit die Ausgaben steigen von 61 Mill. 1976
auf 70 Mill. 1977. Die Mitgliedsbeiträge mit der grössten Einnahme-
post von 32 Mill. auf 38 Mill. Der Mitgliederverlust bringt uns
einen Einnahmenentfall von 4,8 Mill. Die Parteisteuer 6,2 Mill.
Die von sogenannten Wirtschaftern an die Zentrale gezahlte von
240.000 S bleibt ständig gleich. Hier müsste nach Meinung Nekulas
eine Änderung erfolgen. Seinerzeit hat man, um den Leuten, die
von der Partei in Funktionen geschickt wurden, resp. Posten durch
sie erreichten, vorgesehen, dass diese auch in der Zentrale ihre
Parteisteuer bezahlen können. Dies nicht zuletzt, um eine steuer-
liche Absetzung zu ermöglichen. Da das Ganze über eine Art
Freier-Wirtschaftsverband-Konto also Interessensvertretung abgewickelt
wird.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mich bei der nächsten Nationalrats-
sitzung auf Gespräch mit Mühlbacher aufmerksam machen.
Ausser Sekretariatsberichten gab es dann eine längere Diskussion
übe die Besetzung der Aufsichtsräte für die Holding-Töchter. Die
ÖVP, die in allen diesen Betrieben mit einem Vertreter vorgesehen
ist, möchte wesentlich mehr haben. Stadtrat Mayr hat mit ihnen
verhandelt und meint, man sollte diese Forderung der ÖVP erfüllen,
um dadurch eine gewisse Ruhestellung auf diesem Gebiet zu er-
reichen. Von vielen wurde dies bezweifelt, allgemeine Meinung war,
dass die ÖVP jetzt nur mehr Posten für ihre Funktionäre wünscht,
politische Mandatare dürfen es ja nicht mehr sein, ohne deshalb ihre
Politik zu ändern. Hofmann deutete auch an, dass man in späterer
Zeit, wenn Wahlergebnisse vorliegen und man das ÖVP gewisse Zuge-
ständnisse machen muss, dann auch auf diesem Gebiet entgegenkommen
sollte. Jetzt könnte man sich dafür überhaupt nichts eintauschen.
Letzten Endes verblieben wir so, dass zuerst jetzt für alle Gesell-
schaften ein Vorschlag ausgearbeitet wird, der wie ich vorschlug
überhaupt zeigen muss, dass die Aufsichtsräte reduziert werden. In
der Öffentlichkeit kann nämlich nur die Begründung der neuen Organisa-
tion sein, dass man weniger Aufsichtsräte aus Kostenersparung in
die einzelnen Gesellschaften schickt.
Gratz schlug eine Arbeitsgemeinschaft für Pensionistenfragen vor,
die Hofmann leiten wird und als Ergänzung der Stadtschulratstätigkeit
eine schulpolitische Kommission. Über die 5-Tage-Woche in den
Schulen entwickelte sich dann eine lebhafte Diskussion, weil Hanke
von den Kinderfreunden mitteilte, bei einem fraktionellen Eltern-
vertreter-Treffen sich herausstellte, dass in den Schulen bereits Ab-
stimmungen über die Einführung der 5-Tage-Woche durchgeführt werden.
Gratz glaubt mit der schulpolitischen Kommission und entsprechende
Diskussion und Aufklärung das Problem der 5-Tage-Woche noch in den
Griff zu bekommen. Ich persönlich bin überzeugt, dass der Zug längst
abgefahren ist, die Eltern sich jetzt mehrheitlich für die 5-Tage-Woche
entscheiden und niemand mehr dann mit noch so interessanten Begründungen
dies aufhalten kann.
Gertrude Sandner hat im Auftrag des Bürgermeisters eine bevölkerungs-
politische Arbeitsgemeinschaft oder Besprechung mit den Bereichsleitern
oder ich weiss nicht mit sonst noch wem allem. Da man jetzt festgestellt
hat, dass die Wiener Familie im Durchschnitt nur mehr 1,4 Personen
hat, 26.000 im Vorjahr gestorben und nur 13.000 Geburten, davon 2.500
Gastarbeiterkinder zu verzeichnen sind, gibt es jetzt höchste Alarm-
stufe im Rathaus. Welche Möglichkeiten, solchen Entwicklungen Einhalt
zu gebieten es gibt, weiss ich selbst auch nicht. Meiner Meinung
nach fast keine.
Am meisten verwundert war ich aber, als Stadtrat Mayr mitteilte,
der Rechnungsabschluss 1976 bringt statt eines Defizits von 2 Mia.
nur einen ausgewiesenen Verlust von 300 Mill. Wenn man die Auflösung
der Rücklagen mit 500 Mill. dazu rechnet, so ist immerhin 1,2 Mia.
präliminiertes Defizit erspart worden. Dies ist eine gigantische
Leistung, wobei allerdings 470 Mill. S Ausgaben, die vorgesehen waren
nicht durch die günstige Baukonjunktur aufgewendet werden mussten.
Im Wiener Ausschuss berichtete Windisch von der Mietervereini-
gung über die Verhandlungen für ein neues Mietengesetz. In der
daran anschliessenden Diskussion haben Mayr, ein Co-Referat vom
Standpunkt der Finanzen, Pfoch ein Koreferat vom Standpunkt der
Bauverwaltung und Skritek, der in der Kommission beim Justizminister
am neuen Mietengesetz mitarbeitet, vom Standpunkt, welche Mietpreis-
erhöhungen es geben könnte, gehalten. Interessant war, dass zwischen
Pfoch und Mayr noch kein Einvernehmen wegen der finanziellen
Aufwendungen der Gemeinde für Grundstückkäufe aber auch für
kommunale Wohnbaupolitik besteht. Die seinerzeitigen 3 Mia. S, die
die Gemeinde für kommunalen Wohnbau aufgewendet hat, wurden
als man den U-Bahn-Bau begonnen hat, im Stadtrat beschlossen, im
Hinkunft für die U-Bahn-Aufwendungen zur Verfügung zu stellen.
Die Gemeinde finanziert also nur mehr aus der Wohnbauförderung.
Immerhin wird aus dieser jetzt 1 Mia. für Subjektförderung und
2 Mia. für Wohnbauten zur Verfügung gestellt. Die 7.500 geförderten
Wohnungen sind natürlich wesentlich weniger als die seinerzeit
11.000. In den Altgemeindebauten müssen jetzt § 7-Anträge auch
gestellt werden, was die dortigen Mieter ungeheuer verärgert. Der
S-Mietzins pro m² resp. Friedenskrone sollte jetzt durch den neuen
Gesetzentwurf auf 3 oder 4.– S generell angehoben werden. Dadurch
hätte die Gemeinde Wien keine § 7-Anträge mehr in der grossen Masse
der Gemeindebauten nötig. Trotzdem ist man der Meinung, im jetzigen
Zeitpunkt dürfte es eine solche Mietzinserhöhung nicht geben.
Das ganze Problem wird meiner Meinung nach unlösbar. Ich habe des-
halb nur kurz erwähnt, dass ich seit Jahrzehnten den Vorschlag mache,
die Wohnungen in das Eigentum der Mieter zu überführen. Dann müsste
die Gemeinde aus der politischen Verantwortung entlassen sein,
allerdings mit den Nachteilen, die die Eigentumswohnungsverwaltung
überhaupt mit sich bringt. Natürlich wurde dieser Vorschlag von allen,
so wie es mir schon seit Jahrzehnten geht, entschieden abgelehnt.
Vielleicht ist es wirklich nur eine Schnapsidee.
In der Ministerratsvorbesprechung berichtete Kreisky über seine
Amerika-Reise und dass die dortige Administration insbesondere
Vizepräsident Mondale uns sehr wohl gesinnt ist. Carter selbst
hat durch die Zeitungen das Image eines Wahlshow-Masters, was
überhaupt nicht zutrifft. Er ist ein ernster Mann mit ungeheurer
Sympathie für Sozialdemokraten. Dies glaubt Kreisky in den 17-Minuten-
Gespräch festgestellt zu haben. Mit den Palästinensern haben sie keinen
Kontakt und dies soll sich in Hinkunft ändern. Kreisky wurde selbst-
35-0329
verständlich über seine Arabien-Politik gefragt. Der Nord-Süd-
Dialog kann nur dann zu einem Ergebnis kommen, wenn ein grande
design geschaffen wird und Afrika als selbstbewusste Kraft
entsprechend eingeschätzt. Die Russen interessieren sich sehr
für Afrika, Podgorny ist jetzt überraschend wieder hingefahren
und eine wohlorganisierte Armee könnte mir kleinsten Einheiten
die dortigen Operetten-Armeen ohne weiteres besiegen. Die Menschen-
rechte sind in Amerika von grösster Bedeutung. Carter hat aber
bis jetzt improvisiert. Die West-Ost-Frage kann nur dann von
Amerika stärker beeinflusst und vielleicht teilweise gelöst werden,
wenn es entsprechende Vorschläge macht. Kreisky z.B. hat ja vorge-
schlagen, z.B. die Energiefragen, wo die SU und andere Oststaaten
potentielle Lieferer sein könnten, stärker in den West-Ost-Dialog
einzuführen. Westeuropa hat bis jetzt nur unproduktive Vorschläge,
d.h. eigentlich überhaupt keine gemacht. Dies ist besonders darauf zur
zurückzuführen, dass die Deutschen – Schmidt – innenpolitisch stark
jetzt gebunden sind. Das Verhältnis zwischen Kreisky und Schmidt
muss meinem Eindruck nach sehr schlecht sein, da keine Sitzung
vergeht, wo Kreisky nicht auf die unzulängliche Haltung hinweist.
Die Deutschen hätten sich nach seiner Meinung es sich jetzt mit
der ganzen Welt wieder verscherzt. In Amerika sieht Kreisky noch keine
Silberstreifen am Wirtschaftshorizont. Die Hotels, hat er festgestellt
haben dort ein ausgesprochen schlechtes Service, sie verfallen,
ähnlich wie in den Oststaaten.
Kreisky berichtet auch über den Konflikt der Metallarbeiter, wo
Benya sich an ihn gewendet hat als Vermittler einzuschreiten.
Wäre es zu dem Streik gekommen, hätte Kreisky veranlasst, dass
die 80.000 Metallarbeiter in der verstaatlichten Industrie nach
kürzester Streikdauer sofort ausgeschert wären. Dies hätte seiner
Meinung nach auch Konsequenzen mit der Zugehörigkeit zur Handels-
kammer auslösen können.
Für die Kompetenzerweiterung des Gesundheitsministeriums, wofür
vom Nationalrat eine einstimmige Entschliessung angenommen wurde.
muss der Verfassungsdienst jetzt einen entsprechenden Gesetzentwurf
vorbereiten. Die davon betroffenen Minister sollen jetzt noch
einmal mit dem Bundeskanzler zusammenkommen. Weissenberg hat es
nämlich abgelehnt, dass auf Beamtenebene jetzt eine Vorbereitung
dieser neuen Kompetenzverteilung getroffen wird. Weissenberg
35-0330
fürchte ich, wird davon wesentlich weniger betroffen sein als
das Handelsministerium.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mir sofort die Unterlagen zusammen-
stellen lassen.
Kreisky schlug eine neue Regierungsklausur für 6.6. 10 Uhr beginnend
und 7.6. bis mittags vor.
Eine längere Diskussion ergab sich dann über die Frage der Limitierung
der Länderforderung für Krankenkassenbeiträgen. Weissenberg möchte
unbedingt einen Gesetzentwurf, weil ansonsten die anderen Länder
das Minimum von 60 % so wie NÖ auf 80 % erhöhen werden. Kreisky
selbst hat aber grosse Bedenken, jetzt wo es um die Spitals-
finanzierung geht, durch einen solchen Gesetzentwurf die Länder
zu verärgern, wenn die Krankenkassen nur einen gewissen Teil
übernehmen, muss dann der Bund oder das Land die Differenz
sich für die Spitalserhaltung teilen.
Fischer hat mitgeteilt, dass Leitner jetzt wegen der Repräsentations-
kosten neuerdings die Minister anfragt. Sinowatz und Firnberg haben
bereits geantwortet, obwohl wir vereinbart haben, dass dies in
Hinkunft mit Lausecker abgestimmt wird.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte sofort feststellen, wie diese Anfrage
bei uns behandelt wird und keinesfalls beantworten lassen.
Der Rechnungshof wird jetzt die Repräsentationskosten des Landes-
verteidigungsministeriums und der Tiroler Landesregierung prüfen.
Wallnöfer soll darüber nicht nur nicht begeistert sein sondern auch
diese Überprüfung erschweren, manche glauben sogar verhindern.
Der Rechnungshofpräsident Kandutsch hat, wie Kreisky Firnberg dann
mitteilen liess, bei der Einladung zum offiziellen Essen für
den norwegischen Ministerpräsidenten erklärt. dass diese Regierung
schon zu lange regiert und dass sie sich nicht mehr den Gesetzen
unterwirft. Darüber hat es einen Krach zwischen Firnberg und Kandutsch
vor dem Ministerpräsidenten gegeben. Peter versuchte dann abzulenken.
Kreisky möchte diese Frage dazu benützen, um Kandutsch auf sein
unmögliches Verhalten aufmerksam zu machen.
In der Bezirkskonferenz in der Brigittenau gab es nach meinem
Referat nur eine kurze Diskussion. Dies ist glaube ich aber
auch darauf zurückzuführen, weil dann noch immer die Wahlen
zur Debatte standen und dort sogar geheim abgestimmt wird
mit entsprechender Änderung in der zweiten und dritten Garnitur
des Bezirkes.
Ich besuchtes deshalb dann auch noch die Fremdenverkehrsveran-
staltung in der Splendid-Bar von den Griechen. Der Besitzer ist
ein Grieche und hat deshalb seine Bar dem griechischen Fremden-
verkehrsverband billigst – wie man mir sagte – zur Verfügung
gestellt. Das erste Mal besuchte ich in Wien eine Bar oder ein
Nachtlokal und habe zu meiner grössten Verwunderung dort auch
tatsächlich ein Glas Milch bekommen, allerdings hat man diese
Milch, die ich gar nicht verlangte, sondern nur weil ich gar
nichts getrunken habe, extra geholt. Nachdem der griechische
Botschafter dann verspätet erschienen ist, auf den ich letzten Endes
nur wartete, bin ich dann endgültig verschwunden. Während der
Wartezeit hatte ich Gelegenheit, mit Komm.Rat Schachner über
das neue Reisebürogesetz zu sprechen. Auch der Vertreter von
Touropa war dabei. Beide sind der Meinung, dass für die Veran-
stalter es zweckmässig ist, ein Reisebürogesetz zu schaffen.
Ausgenommen davon müssten unbedingt die Vermittler, d.h. die
grosse Masse der Reisebüro bleiben.
Tagesprogramm, 21.3.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)