Montag, 28. März 1977
Das Flugzeug mit dem neuen bulg. Aussenhandelsminister Christow
kam 25 Minuten früher an als vorgesehen. Dadurch konnte ich
ihn gerade im Flughafengebäude begrüssen. Mit ihm kam auch der
bulg. Unterrichtsminister, der allerdings nur von Beamten des
Unterrichtsministeriums abgeholt wurde. Dort klappte allerdings
das Protokoll besser, denn für ihn waren wenigsten Juice und
Kaffee, ja sogar Brötchen vorbereitet. Unser Protokoll hatte
wieder total versagt, was noch viel blamabler ist, weil man na-
türlich jetzt mit der Unterrichtsverwaltung vergleichen konnte.
MR Ottahal behauptete dann, angeblich hätten die österr.-bulg.
Vertreter, bevor die Ankunft des Ministers erfolgte, schon alles
konsumiert. In Wirklichkeit ist dies eine glatte Ausrede, denn
als ich ihn darauf aufmerksam machte, dass sie jetzt so schnell
als möglich Juice und Kaffee organisieren sollte, meinte er am
Freitag hätte er sowieso alles am Flughafen bestellt. Fälbl
getraute sich nicht einzumischen, obwohl ich ihm dezidiert er-
klärt habe, in Zukunft muss er sich auch um diese Sachen kümmern.
ANMERKUNG AN HAFFNER: Unabhängig von der Kompetenz muss jeder kon-
trollieren, ob es einigermassen stimmt.
Beim Journalistenfrühstück hat Marsch über den Verbraucherpreis-
index referiert. Zum Glück ist zur selben Zeit von der Zentralspar-
kasse die Monatspublikation Summa erschienen, die sich ebenfalls
mit den Indexfragen beschäftigt. Dadurch entsteht der Eindruck, dass
wir für unsere Journalistenrunde ein richtiges Service in jeder Be-
ziehung geben. Marsch ist tatsächlich vielseitig verwendbar und
ich kann mir sehr gut vorstellen, wie er unter MR Singer im Innen-
ministerium gelitten hat, bevor er endlich seine richtige Verwendung
bei uns im Handelsministerium fand. Bei der Bezirkskonferenz in Meid-
ling kam ein Genosse zu mir, der jetzt 3 Wochen bei ihm arbeitet
und hat sich ebenfalls sehr lobend über die Tätigkeit in seiner Ab-
teilung geäussert.
Würzl berichtete über die Fremdenverkehrsergebnisse die im Feber
wieder eine 8-%ige Übernachtungssteigerung gebracht haben. 3 %
Inland, 10 % Ausländer plus. Die Prognose für die Monate November
bis Feber lautete 2.4 % mehr und hat jetzt 3.3 % Übernachtungen
tatsächlich gebracht. Ebenso berichtete er über die zweite
Gemischte Fremdenverkehrskommission mit Jugoslawien. In Hinkunft
soll mit dem Verkehrsministerium gemeinsam gesprochen werden,
dass über Fernsehen, ganz besonders aber über Rundfunk, die Ver-
kehrslage in Jugoslawien und Österreich gemeinsam durchgegeben
werden soll. Dies müsste man auf einer Regionalkonferenz be-
schliessen, resp. verhandeln. Ein für die Reisebüros interessantes
Projekt soll eine Kombination zwischen Meer und Gebirge, sei es
in Jugoslawien oder in Österreich gestartet werden. Als Zusatz
Attraktivität sollte man auch von den jugoslawischen Ferienorten
Charterflüge nach Wien zur Besichtigung anbieten. Von diesen beiden
Projekten halte ich eigentlich nicht sehr viel, weil ich kaum annehme,
dass tatsächlich eine grössere Anzahl von Gästen sich für das doch
verhältnismässig teure Unternehmen interessieren werden. Jugoslawien
ersuchte auch um Unterstützung für den Schweizer Plan im Rahmen
der EFTA, einer jugoslawischen Region im Aufbau ihrer Fremdenver-
kehrseinrichtungen zu helfen. Die Schweiz hat dies seinerzeit beim
Besuch von Sommaruga in Jugoslawien den Zentralstellen als
Schweizer Idee vorgeschlagen. Würzl bezeichnete die Verhandlungen
als äusserst freundschaftlich. Auch ich konnte nur bestätigen, dass
soweit ich Kontakt mit der Delegation hatte und soweit mir insbe-
sondere der Geschäftsträger mitgeteilt hat, die jugoslawischen
Zentralstellen, ganz besonders aber der Wirtschaftsminister Ludviger
solche Beziehungen in Zukunft wünschen. Die Ortstafel Affäre und
Slowenenproblem dürfte jetzt nicht mehr die grosse Rolle spielen,
wie im vergangenen Jahr. Grumbeck berichtete über die Beklei-
dungsindustriesituation im Zusammenhang mit der Damenmodewoche-
Eröffnung und ich dann selbstverständlich über das Gespräch mit
Brugger und Friderichs. Insbesondere wollten die Redakteure konkretere
Angaben über die Liefermöglichkeit Österreichs zur Autoindustrie
nach Deutschland resp. Frankreich. Ich war in meiner Aussage
äusserst vorsichtig, weil wir je tatsächlich noch gar nicht wissen,
was tatsächlich bei den Besuchen der Einkaufsdelegation herauskommen
wird. Ich glaube nämlich, dass in Hinkunft Ankündigung, wie wir dies
den ersten Jahren unserer Regierungstätigkeit ohne weiters machen
konnten, nicht mehr genügen. Damals war es üblich, dass man irgendeine
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Idee angekündigt hat und die Zeitungen haben sie sofort ent-
sprechend gross herausgestrichen und gebracht. Jetzt sind die
bürgerlichen Zeitungen kritischer geworden und verlangen wahr-
scheinlich auf Einfluss von Bergmann genauere Tatsachen, die sie
dann entsprechend kontrollieren und kommentieren Bergmann hat
insbesondere den Kurier jetzt auf die Linie gebracht, kritisch die
Vorschläge zu prüfen und sehr konkrete Aussagen zu verlangen. Da-
durch kommt man allzu leicht in Kollision mit einzelnen Stellen
und hat es dann gar nicht leicht, die doch zu überprüfenden Mass-
nahmen nicht nur zu erklären, sondern auch dann durchzuführen.
Die Zeiten sind vorüber, wo Kreisky oder ein Minister die Idee
in die Welt setzte und kritiklos über diese berichtet wurde.
Zum Glück war ich in der Vergangenheit mit Ankündigungen schon
sehr vorsichtig und bin ausser mit den 1000 Schilling Autokaution
für die Wrackbeseitigung eigentlich noch niemals durch eine Ankündi-
gung in eine Grube gestolpert. In Hinkunft werde ich aber noch vor-
sichtiger sein, ohne natürlich die Publicity-Sucht der Zeitungen
und der Neuigkeiten zu vernachlässigen. Da ja in meinem Presse-
frühstücksystem der zuständige Referent zu Worte kommt und nicht ich
alles berichte und ankündige, ist dies auch eine wesentlich bessere
Ausgangsposition als bei anderen Pressegesprächen resp. Pressekonfe-
renzen. Andere Ministerien schaffen sich durch die Tatsache, dass
sie viel Geld zur Verfügung haben und damit Projekte und Subjekte
fördern können, eine entsprechende Publicity, die sie wie man all-
gemein behauptet, viel zu wenig den Zeitungen und Massenmedien ver-
kaufen können. Da ich diese Möglichkeit nicht habe, musste über die
Pressefrühstücks, wie wir sie abwickeln, eine Art ständiger Rechen-
schaftsbericht geliefert werden. Es erscheint aber dringend not-
wendig, dass alle Sektionen kontinuierlich das Pressefrühstück mit
Informationen und Berichten versorgen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte auf die nächste fraktionelle Sektions-
leitersitzung dieses Thema setzen.
Der philippinische Industrieminister Paterno wurde von der VÖEST
über mich eingeladen, weil die VÖEST hofft auf den Philippinen einige
Grossprojekte zu bekommen. Insbesondere gilt dies für den Stahlwerks-
bauausbau. Bei einem Mittagessen habe ich dann Vorstandsmitglied
Matthes von VÖEST darauf aufmerksam gemacht, dass Friderichs grosse
Energieprojekte, insbesondere aber auch sicherlich auf anderen Ge-
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bieten eine enge Zusammenarbeit zwischen deutschen und
österreichischen Firmen wünscht. Ich informierte ihm insbe-
sondere über die Idee eines gemeinsamen Kernkraftwerkes in
Portugal und das Kohlenkraftwerk in Jugoslawien in der autonomen
Region Kosonow .
Nachmittags traf ich zufällig Verbundvorstands-Direktor Bandhauer
den ich ebenfalls informierte, der aber bereits wie er sagte, den
alten Hut Kohlenkraftwerk Kosonow genau kannte. Wieso ich dann
erst über Friderichs von dieser Idee erfuhr, ist mir nicht ganz
erklärlich und sehr unangenehm. Wenn tatsächlich ein solches Kraft-
werksprojekt schon lange existiert und man Österreich dazu braucht,
weil der Strom letzten Endes über Österreich geleitet werden muss,
dann hätte man mich längst schon informieren sollen. Ich wäre im
Rahmen der Politik, die übrigens auch Friderichs betreibt, nämlich
die Jugoslawen in jeder Beziehung zu unterstützen, schon früher
auf dieses Projekt zurückgekommen. Die Jugoslawen möchten sich von
der Energieabhängigkeit von der Sowjetunion durch Eigenproduktion
teilweise lösen, haben dafür aber sicherlich nicht das notwendige
Kapital und vielleicht auch nicht das Knowhow. Die westlichen
Staaten, insbesondere aber Österreich müssen deshalb ein Interesse
haben Jugoslawien in dieser Beziehung zu unterstützen. Dies predige
ich im Rahmen der EFTA bereits seit 7 Jahren.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte sorge vor, dass in Hinkunft solche Projekte
auch uns zeitgerecht mitgeteilt werden.
Die bulg.-österr. Gemischte Kommission, die ich dann mit Christow ge-
meinsam führte, brachte keinerlei neue Erkenntnisse. Um das Handels-
bilanzdefizit der Bulgaren zu verbessern, haben sie ihre Exporte
im Vorjahr um 13 % steigern können, d.h. wir haben wesentlich mehr
importiert 1976 als 1975. Gleichzeitig wurden unsere Exporte nach
Bulgarien um 18 % eingeschränkt. Während die Bulgaren jederzeit ihre
Waren verkaufen können und dies auch, wie die Ziffern ergaben tun,
wird der österreichische Export, resp. wurde er im vergangenen Jahr
systematisch verkürzt. Noch immer macht aber das Handelsbilanzdefizit
fast so viel aus, als wir von Bulgarien importieren. Mit Ausnahme
von Elektromotoren, wo wir im Jahre 1975 bei der Vidierung fest-
stellten, dass sie hier starken Dumping betrieben haben und deshalb
sehr restriktiv vorgegangen sind, im Jahre 1976 wurden bereits wieder
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für 5 Mio. Schilling Ansuchen vidiert, allerdings für 3 Mio.
Billigstimporte abgelehnt, können die Bulgarien alles andere
ausser landwirtschaftliche Produkte, jederzeit frei nach Österreich
exportieren. Sogar über die Gurken-Exporte konnten wir uns letzten
Endes einigen. Dies war wahrscheinlich der Grund, dass Christow
dies überhaupt nicht zur Sprache brachte. Was nur neuerdings von
ihm verlangt wurde, war, die Behandlung ihrer Forderungen über Zoll-
senkungen. Hier konnte ich doch darauf hinweisen, dass wir 27 Mio
Schilling Warenwert § 6, dort allerdings nur für 3 Mio. Schilling,
dann präferenzzollermässigte Waren für den Rest hereingeführt werden
konnten. Die Zollersparnis lag, ohne dass ich diese Ziffern sagte,
allerdings nur bei 2 Mio. Schilling. Das Finanzministerium hat für
diese Frage 2 Herren in die Kommission delegiert ohne dass sich diese
allerdings zu Wort meldeten. Das Aussenministerium hatte mir eine
Note geschickt, wo sie ersuchten, wegen des inhaftierten Monteurs
der Firma Plasser & Theurer zu intervenieren. Dieser hat durch
Transistorschmuggel und -verkauf und ein Devisenvergehen den Bulgaren
die Möglichkeit gegeben ihn zu verhaften. Angeblich will man ihn
jetzt auch entsprechende Vorwürfe von Bestechungen von bulgarischen
Beamten machen. Da es mir nicht zweckmässig erschien dieses Problem
bei der Gemischten Kommission zur Sprache zu bringen, habe ich
Christow schon bei der Fahrt vom Flughafen um Intervention gebeten,
damit man diesen Monteur gegen Kaution, die die Firma erstellen
würde, aus der Haft entlässt. Christow meinte seit der Lockheed-
Affäre seien alle Staaten überall sehr vorsichtig und es werden daher
solche Vergehen genau geprüft. Er selbst kenne den Fall nicht, doch
werde er sich, sofort wenn er zurückkommt, entsprechend informieren.
Ich habe ihm deshalb einen handgeschriebenen Vermerk übergeben.
Ebenso erwähnten wir in der Gemischten Kommission nicht die Details,
wo die Bulgaren in Zahlungsverzug sind. Ich habe sie nur allgemein
angedeutet und dann ersucht, die Referenten, auf unserer
Seite Fälbl, die das Protokoll ausarbeiten, sollten über die Details
sprechen. Dies war ein Wunsch der bulgarischen Seite die scheinbar
die erste Gemischte Kommission, die der neue Handelsminister Christow
mitmachte, nicht mit Sünden der Vergangenheit belasten wollten. Der
bulgarische Botschafter Ganowski hat dann auch bei einer Erklärung,
die er zum Schluss abgab und den neuen Vorsitzenden der bulgarischen
Seite Glück wünschte, zum ersten Mal den bisherigen Aussenhandels-
minister Nedew erwähnt. Er meinte aber auch nur so nebenbei, man sollte
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so wie die Vorgänger von Christow, Nedew und auch andere die Politik
der freundschaftlichen Zusammenarbeit fortsetzen. Wichtig für uns
war nur, dass ich in der Kommission bestätigen liess, die Kontakt-
personen, die wir bei der letzten Kommission beschlossen haben,
von unserer Seite MR Pschorn in Wien, in Sofia der Handelsdelegierte
Schmidt, wieder erwähnt und im Protokoll verankert wurden. Schmidt
hat sich nämlich bei mir beschwert, dass er keine Möglichkeit hat
mit den bulgarischen Stellen in Kontakt zu kommen. Die Behörden
sagen ihm, sie seien nur für den Aussenhandel zuständig und Einzel-
geschäftsinterventionen nehmen sie nicht zur Kenntnis. Dies liegt
aber sicherlich nicht nur allein an der bulgarischen Seite, denn
der Vorgänger von Schmidt, war durch seine jahrelange Tätigkeit
und insbesondere seine guten bulgarischen Sprachkenntnisse sehr wohl
in der Lage auch für Einzelgeschäfte auch erfolgreich zu intervenieren
Die Auswechslung unseres Handelsdelegierten in Sofia war meiner
Meinung nach nicht zuletzt ein politischer Wunsch, weil Syrovatka
zwar sicherlich kein Sozialist war, aber doch für den Maurer ?
weitschichtig verwandten Schmidt Platz machen musste.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Vielleicht kannst Du inoffiziell erfahren,
wie die Firmen die Tätigkeit Schmidt im Vergleich zu Syrovatka be-
urteilen. Ich will ihm nämlich nicht unrecht tun.
Schmidt ersuchte auch um Intervention, damit eine jetzt 57-jährige
bulgarische Arbeitskraft in der Aussenhandelsstelle weiterhin be-
schäftigt werden kann. Die Bulgaren wollen sie pensionieren und durch
eine andere Kraft ersetzen. Selbstverständlich habe ich diesen Wunsch
vorgetragen, obwohl ich nicht sehr überzeugt bin, dass er von grossem
Erfolg sein wird.
In der Ministerratsvorbesprechung kam Kreisky auf die Kennzeichnung de
Dienstwagen zurück und verlangte, dass die Minister darauf achten,
dass diese Kennzeichnung erfolgt. Er hat allerdings ebenfalls mitge-
teilt, dass er weiss, dass die Chauffeure sich gegen diese Kenn-
zeichnung wehren, weil sie dadurch doch mehr oder minder angestänkert
werden können, wenn ihr Fahrzeug so deutlich als Dienstfahrzeug ge-
kennzeichnet ist. Kreisky wird die Kennzeichnung auch von den Landes-
hauptleuten für den zweiten Wagen, den sie ja vom Bund bekommen, ver-
langen. Überhaupt möchte er, dass die Landeshauptleute auf diesen
Wagen verzichten, weil kein Minister einen zweiten Wagen hat. Wenn
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dies nicht freiwillig erfolgt, was nicht anzunehmen ist, möchte
er sogar eine Novelle des Bezügegesetzes, wo dieser zweite Wagen
den Landeshauptleuten zugesichert wird, im Parlament einbringen.
Aus der CSSR kommen jetzt Ansuchen über österreichische Aufenthalts-
genehmigungen z.B. von Mlynar, den Dissidenten. ...ottinger soll
jetzt einen Stipendienfonds auftreiben, damit Österreich nicht die
finanzielle Last der Auswanderer allein zu tragen hat. Interessant
war, dass auch Anfragen bei Kreisky eingetroffen sind, wie die
tschechischen Emigranten dann in Österreich untergebracht werden,
resp. mit Arbeit rechnen können. Hier meinte Kreisky mit Recht
werden wir keine Auskunft geben um nicht falsche Hoffnungen zu
erwecken. Wer unter dem Zwang steht, auswandern zu müssen, der kann
nicht vorher sozusagen sich informieren, welche Möglichkeiten ihn
erwarten.
Im Zusammenhang mit einem angekündigten Demonstrationszug wegen
des Lehrerstopps entspannte sich auch eine Dienstpostendiskussion.
Bei den Pflichtschullehrern, die 3/4 aller Lehrer ausmachen und die
Landesbeamte sind, die nur vom Bund bezahlt werden, gibt es keinerlei
Besetzungsschwierigkeiten. Nur bei den Bundeslehrern, also für die
höherbildenden weiteren Schulen, kann es in den nächsten 2 Jahren
kritisch werden. Dann nehmen die Hörer der pädagogischen Lehr-
anstalten resp. Universitäten schön langsam wieder ab. Bei der
Dienstpostendiskussion war dann sofort die Frage wer aller zusätz-
liche Dienstposten trotz der allgemeinen Kürzung verlangen sollte
und dürfte. Kreisky meint, niemand verliert die Fristen resp. sein
Recht auf Einzelanträge, wenn er nicht jetzt gleichzeitig mit der
Polizei und glaube ich der Post, die dringend gemacht werden müssen,
nicht auch seine Dienstpostenforderungen stellt. Da ich keine nach-
geordneten Dienststellen habe, ausser die Bergbehörden – und die
brauchen keine Leute zusätzlich – habe ich dieses Dienstposten-
dilemma, resp. den Streit um zusätzliche Dienstposten Gott sei Dank
nicht.
Das Komitee zur Rettung des Ronachers, wo mein Freund Fritz Muliar
auch drinnen ist, wird kaum erfolgreich sein können. Die Investitionen
machen 70–100 Mio. Schilling aus. Hier würde Wien eventuell noch
1/3 draufzahlen, wenn der Bund 2/3 übernimmt. Das Hauptproblem ist
aber, dass das Variete dann nur mit Defizit betrieben werden kann
und niemand diese Subventionen übernehmen will. Im Keller soll das
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Spielkasino errichtet werden, doch würde das nur 1 Mio.
Schilling Einnahmen bringen.
Dem Besuch Hassans legt Kreisky grössten Wert bei, denn er meinte,
das seinerzeitige Geldzentrum bei Beirut verlagere sich nun
schön langsam nach Libanon, Amman. Diese Meinung teile ich zwar
nicht, denn wenn einmal eine längere Friedenspause in Beirut
möglich sein wird, dann wird dort sehr wohl sehr bald wieder
das wirtschaftliche Geschehen blühen, es sei denn, die Regierung
macht irgendwelche Wirtschaftsexperimente und vernichtet auch den
guten Ruf dieser Stadt vor dem Bürgerkrieg, den es auf Wirtschafts-
gebiet hatte. Jordanien wird aber immer ein armes Land bleiben,
auch dann wenn Ölstaaten es ein wenig finanzieren, um gegen Israel
überhaupt diesen Staat lebensfähig zu erhalten. Für mich kann es
aber nur recht sein, wenn Kreisky Hassan besser betreut als sicher-
lich ich dies getan hätte, wenn er mein Gast gewesen wäre.
Betriebsräte und Unternehmervertreter der Hirtenberger Patronen-
fabrik waren bei Kreisky und beschwerten sich, dass die Firma
Assmann vom Bundesheer viel stärker zu Lieferungen herangezogen
wurde. Lütgendorf erklärte, dass sie 1976 noch 7 Mio. Schuss hätten
produzieren können, dann aber durch einen Exportauftrag ersuchten,
diese für 1977 liefern zu können. Mit den im 5-Jahresvertrag vorge-
sehenen 10 Mio Schuss würden in Summe also 17 Mio an das Bundesheer
verkauft werden können, welchen einen Zweischichtenbetrieb im
ersten Halbjahr garantieren. Was dann allerdings im zweiten Halbjahr
geschieht, konnte Lütgendorf auch nicht erklären. Von 809 Be-
schäftigten sind 174 Gastarbeiter. Hauptsächlich Frauen. Hirtenberg
hat jetzt mit Platzpatronen begonnen, die in Messingausführung
besser sind, als Assmann, der seinerzeit und jetzt nur Plastikpatronen
erzeugt. Aus diesem Grund hat Assmann jetzt auch mit der Produktion
von Scharfschussmunition begonnen. Richtig ist, und Lütgendorf
erwähnte dies, dass ich mich seinerzeit bemüht habe, eine Abgren-
zung zwischen den beiden Fabriken und eine Absprache über ihr
Produktionsprogramm vergeblich zu erreichen. Kreisky fragte, wie
es da mit den Exportaufträgen steht und Rösch und Pahr berichteten,
dass sie nur Direktlieferungen nach Chile, Südamerika, Abu Dhabi und
Ägypten abgelehnt haben. Die Schweiz und Schweden liefern zwar auch
in diese Länder, allerdings über Drittländer. Jetzt hat man für
eine Lieferung nach Südafrika endlich einen italienischen Abnehmer
gefunden, der eine Endfertigungsklausel beibringen kann. Damit wird
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Österreich in Hinkunft dasselbe machen, das die Schweiz und
Schweden jahrzehntelang schon im Interesse ihrer Produktions-
betriebe praktizieren.
Kreisky berichtet auch von seinem Fohnsdorf-Besuch, wo er
von Aichfeld-Murboden begeistert ist und eine grossartige
Leistung nennt. Seine Aussprache mit einem vollgefüllten Saal
in Fohnsdorf mit Bergarbeitern war insofern erfolgreich, als
er ihnen klarmachen konnte, dass diese Region in Hinkunft eine
Lebenschance hat, während der Bergbetrieb doch früher oder später
auf alle Fälle zu Ende gegangen wäre. Ein Kommunist hat in der
Versammlung nur grossen Beifall gefunden, als er meinte, die guten
Investitionen, wie z.B. die Autofabrik die jetzt kommen soll, wird
nach Wien genommen, die schlechteren Investitionen bleiben den
Ländern. Dies stimmt für Aichfeld-Murboden sicherlich nicht, denn
Bauknecht, 500 geplant, jetzt 1.500 Beschäftigte, davon 700 Frauen
Siemens, das Umschulungszentrum und jetzt auch Eumig sind wahrlich
keine schlechten Investitionsbetriebe. Kreisky möchte Aichfeld-
Murboden als das Planungsmodell der sozialdemokratischen Regierung
propagandistisch gross herausstreichen und wird deshalb einen Film
darüber machen müssen. Er hofft dass das Skript, Reimann von der
Kronenzeitung schreiben wird.
Blecha berichtete über die Wirtschaftskonferenz in Linz, an dem 500
Teilnehmer, 1/3 Nichtparteimitglieder sich beteiligt haben. 420
davon haben sich für Arbeitskreisarbeiten zur Verfügung gestellt.
Dies ist eine ungewöhnlich hohe Zahl und ein erfreuliches Echo.
Meine Sorge ist nur, dass man ähnlich wie bei der ökonomischen
Konferenz einen grossen Auftakt gesetzt hat und dann, wie das schöne
neue deutsche Wort follow-up heisst, dann nach einiger Zeit wieder
gar nichts geschehen wird. Von den ökonomischen Konferenzen, insbe-
sondere der letzten auf dem Kahlenberg, haben tatsächlich nur 3
Arbeitsgruppen in unserem Ministerium, Preise, Energie und Frem-
denverkehr positiv weitergearbeitet. Alle anderen sind meistens
überhaupt nicht einmal zusammengetreten. Kreisky meinte, dass jetzt
nach der Bauernkonferenz diese Wirtschaftskonferenz sehr erfolgreich
war und dass jetzt daher die ÖVP kaum Chancen hat mit ihren Propaganda-
massnahmen anzukommen.
Lausecker berichtete über die Diskussion mit den Beamten über
das Beamtenrecht. Kreisky hat den Beamten zugesichert, dass ihr
Berufsbeamtentum unbestritten ist. Bei der Vorbesprechung meinte er,
heute nach den Pensionisten fehlt es jetzt gerade noch, dass wir es mit
den Beamten auch zu tun bekommen. Diese Äusserung dürfte sich auf
die Aussage von Sekanina bezogen haben. Für mich war das wieder einmal
mehr ein Beweis, wie vorsichtig man in Äusserungen als Politiker
sein muss. Auf der einen Seite allerdings erwartet man, dass immer
wieder neue Ideen kommen, auf der anderen Seite wird dann – und das
ist eben das siebente verflixte Jahr, würde ich fast sagen – jede
Äusserung sofort entsprechend kritisch von den Betroffenen aufgenommen
Das, was Kreisky in der Vergangenheit so virtuos spielte, kann schein-
bar nicht nur er allein, sondern wird auch für ihn in Zukunft
schwieriger werden.
Bei der Bezirkskonferenz in Meidling traf ich überraschend auch
Benya, der sich als Meidlinger Mandatar versteht und scheinbar dort
immer Bezirkskonferenzen auch besucht. Nach meinem Referat gab es
eine lange Diskussion, natürlich auch von den jungen Leuten über
die Atomkraftwerkproblematik, die ich ja in meinen Referaten stets
immer erkläre. In diesen Veranstaltungen bekommen die Atomgegner
die Bedenken äussern, für die ich volles Verständnis habe, verhält-
nismässig sehr wenig Applaus. Hier in diesen Parteiorganisationen
zeigt sich, dass die autoritätsbewussten Funktionäre sozusagen,
dass was von oben kommt, im Grunde genommen noch immer akzeptieren.
Wirklich kritisch werden sie nur – und dies konnte ich auch in der
Diskussion feststellen, wenn es um Äusserungen, wie z.B. Pensionsrecht
geht.
Durch die lange Diskussion kam ich wesentlich verspätet zu dem
inoffiziellen Abendessen in der Alten Schmiede. Die Bulgaren waren
von dem Lokal begeistert, ich selbst auch -und kann nur feststellen,
dass das Essen dort wesentlich besser ist, als in einem Nobelhotel.
Tagesprogramm, 28.3.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)