Mittwoch, 20. April 1977
Aussenminister Pahr hat mich ersucht, ich soll unbedingt mit seinem
Amtskollegen auf den Vereinigten arabischen Emiraten Ghobash
sprechen, selbst wenn es nur ganz kurz ist. Da dieser heute ab-
reist, vermittelte er eine Aussprache um 8.30 im Imperial. Dies
ist erstens für einen Aussenminister nachtwandlerische Zeit und
zweitens für mich sicherlich ungewöhnlich, dass ich in ein Hotel
zu einer Aussprache komme. Was tut man aber nicht alles, um
fast würde ich sagen, Punkte zu sammeln für Aussenhandelsaktivität.
Der österr. Repräsentant der Emirate Dr. Winter und von meiner
Seite Fälbl nahmen auch an dieser Aussprache teil. Ghobash meinte,
es gäbe noch gigantische Exportmöglichkeiten Österreichs auch
auf dem landwirtschaftlichen Sektor. Bei den Emiraten gibt es reiche
Scheichs aber auch verhältnismässig ärmere, die die Öl haben
und eben die, die keines haben. Potari wird heuer ein Einkommen
von 5 Mia. $ haben. Auf meine Frage, wie weit auf Drittmärkten
wie z.B. Ägypten sie sich an Finanzierungen beteiligen, zeigte
mir, dass Ägypten scheinbar das Konto überzogen hat. Die Schuld
Ägyptens beträgt derzeit 1,5 Mia. $, obwohl von den 5 Mia. heuer
1,75 Mia. ausgegeben werden für andere arabische Staaten wird Ägypten
kaum noch grössere Hilfe für besondere Projekte wie z.B. für unser
Suezkanaltunnel-Projekt bekommen. Was diese Golfstaaten in Wirklich-
keit mit ihrem Geld wollen ist eigene Elektrizitätserzeugung,
eine Produktionen von landwirtschaftlichen Produkten, nach
wassersparenden Methoden wie z.B. Ruthners Glashäuser oder
sogar Mehrwasserentsalzung, was ungeheuer viel Kapital erfordert.
Ich habe den Wirtschaftsminister der Emirate eingeladen, Ghobash da-
gegen meinte, ich sollte unbedingt, wenn möglich, nach den Golfstaaten
fahren und wenn nicht heuer so nächstes Jahr Abu Dhabi besuchen.
ANMERKUNG FÜR MEISL UND HAFFNER: Vielleicht sollten wir langfristig
einmal die notwendigen verschiedenen Reisetouren theoretisch
zusammenstellen.
Bei der Schlussitzung der iranischen Delegation berichteten die
drei Arbeitsausschüsse über ihre Arbeit und was mich am meisten
überraschte über das reichlich detaillierte Protokoll, wo tat-
sächlich, was ich sehr begrüsste, die einzelnen Geschäftsmöglichkeiten
aufgezählt wurden. Da Iran auch mehr oder minder ein halbes Staats-
handelsland ist, spiet es scheinbar für Taslimi eine grössere
Rolle als für mich. Bei der Eröffnung des Trade-Centers und dann
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ganz speziell am Abend bei dem privaten Essen des Leiters des
Trade-Centers für Taslimi und für mich, wobei allerdings auch
wieder ein Dutzend Leute eingeladen waren, gewann ich mehr denn
je die Überzeugung, dass letzten Endes alles der Schah entscheidet.
Der iranische Botschafter erzählte mir streng vertraulich, dass
vom Schah die Entscheidung gefallen ist, nach Wien das Handels-
zentrum zu verlegen, weil Kreisky bei der UNO-Ansprache den Schah
in seiner Ölpolitik positiv zitiert hatte. Ausserdem sind derzeit
die Perser auf die Schweizer sehr böse, weil diese einen Geheim-
dienstmann ausgewiesen hatten, was sicherlich eine Rolle spielte,
dass man eben den Schweizern zeigen wollte, dann geht man eben
nach Österreich. Dies hat zwar der Botschafter mir nicht gesagt, aber
es ist gar keine Frage, dass solche Überlegungen öffentliches Lob,
Kritik an der Verhaltensweise gegen die Schah-Politik, eben solche
Reaktionen auslösen kann. Wie dem auch sei, Taslimi erklärte in
der Pressekonferenz dezidiert, in Hinkunft wird man von West-
europa über dieses Trade-Center die Geschäfte nach Iran abwickeln
müssen. die an und sich für neue Kollegin Dr. Leupold hat sofort über-
zogen, dass dies für uns von grosser Bedeutung ist und sich mit
dem Leiter des Trade-Centers sehr eingehend beschäftigt. Dessen
Frau hat jetzt erst vor drei Wochen einen Sohn bekommen, sucht
dingend ein Kindermädchen, Leupold wird sich auch dieses Falles
annehmen. Ich versicherte Taslimi, dass wir das Trade-Center in
jeder Beziehung unterstützen werden, damit es ein voller Erfolg
wird im Interesse der iranisch-österreichischen Wirtschafts-
beziehungen und Ausweitung unseres Aussenhandels. Der Leiter
untersteht direkt Taslimi.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Lass Dir von Dr. Leupold ständig über die
von ihr betreuten Gebiete insbesondere Afrika, Naher Osten berichten.
Beim Besuch des tunesischen Verkehrsministers ersuchte ich diesen
als Bürgermeister von Gabès um Unterstützung des VÖEST-Projektes
Errichtung einer Düngemittelfabrik in Gabès. Nach wie vor ist
das Problem mit Tunesien, dass sie alle unsere Anlagen und
Maschinen dringendst brauchen, als Gegenlieferung aber nur
Phosphate anbieten können. Chemie Linz erklärt aber, einen
Bedarf dafür zu haben. Die Tunesier möchten andererseits, wenn sie
schon Güter kaufen, dass diese in Kooperation oder besser noch
in Joint venture ihre eigene Industie aufbauen. Minister Sassi
stimmt mir zu, dass diese Politik aber Schritt für Schritt erfolgen
soll.
Bei meinem letzten Besuch in Tunis habe ich den dortigen Ministern
vorgeschlagen, man soll z.B. mit der Fa. Steyr-Daimler-Puch
nur Assembling zur eigenen Kraftfahrzeugproduktion kommen. Andere
Staaten versprechen vielleicht schlüsselfertige gleich grosse
KFZ-Industrie, die aber sicherlich ganz grosse und fast unlösbare
Schwierigkeiten bei dem Anlauf ergeben wird. Sassi meinte, er
teilt nicht nur diese Meinung, sondern in Tunesien weiss man sehr wohl
zu unterscheiden zwischen seriösen Projekten und paradiesischen
Versprechungen. Lanc kam dann seinen Gast persönlich abholen
um ihn mit den Steyr-Werken weiterhin zu betreuen. Der Vorteil,
den Lanc hat, ist, dass er doch nur einen Bruchteil von Ministern
gegenüber mir empfangen muss, weshalb er sich wirklich auch um
jeden einzelnen kümmert, dies während der Woche abwickeln kann und
fast würde ich sagen so wie alles was er macht zelebriert.
Der jordanische FS-Generaldirektor Dr. Kamal erklärte mir, König
Hussein möchte das neutrale Österreich bei der Errichtung zweier
Fernsehstudio heranziehen. Mit dem Fernsehen wird in Jordanien
nicht nur Politik gemacht sondern wie er sich ausdrückte ausgesprochen
Aufbauleistungspolitik durch Schulungen, Vorträge aber auch eine
friedensmässige Berichterstattung selbst von Israels Ereignissen wird
wesentlich dazu beitragen, in diesem Gebiet einen objektiven Rundfunk
fast würde ich sagen à la BBC aufzuziehen. Das Projekt kostet 300 Mill.
100 Mill. davon ist ausländischer Lieferanteil. Die AEG wird mit dem
Generalkonsul Jordaniens Lintl gemeinsam, wie mir die Vertreter ver-
sicherten, eine Studie jetzt fertigmachen, die vom BKA-Entwicklungs-
hilfefonds mit finanziert wird. Ich kenne die FS-Sendungen Jordaniens
nicht, kann mir aber sehr gut vorstellen, dass sie ein wenig objektiver
sind als die Ägyptens oder gar von Syrien, weshalb der Generaldirektor
wirklich glaubt, er macht einen unabhängigen Rundfunk und Fernsehen.
Die Sektionsleiter-Sitzung war eine ausgesprochene Routine-Sitzung,
wobei ich aber zu meiner grössten Verwunderung selbst erfuhr, dass
in Hinkunft die ausländischen Dienstreisen nur mehr nach dem Budget-
mittel eingeschränkt werden müssen und nicht mehr nach der Anzahl.
Angeblich haben wir im Ministerrat einen diesbezüglichen Beschluss
gefasst. Mir ist dies vollkommen entgangen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte lass Dir den Ministerratsbeschluss
kommen.
Ebenfalls eine routinemässige Sitzung war die Paritätische
Kommission. Lohnverhandlungen für die Metallarbeiter und für die
Bauarbeiter wurden jetzt erst freigegeben, obwohl sie durch Wochen
hindurch bereits als abgeschlossen gelten, die preislichen Aus-
wirkungen jetzt durch die Lohntangenten-Regelungen, wie wir dies
seit Jahrzehnten handhaben, endgültig genehmigt. Neben dieser ge-
samtwirtschaftlich so ungeheuer wichtigen Frage die Tatsache, dass
wir auch die Preise für Haarschneiden um 1.50 S und fürs Waschen
und Legen um 3.- S erhöhten ist direkt lächerlich. Dazu kommt noch,
dass diese Preiserhöhungen in Wirklichkeit für die kleinsten Ge-
schäfte gelten. Die grösseren verrechnen heute schon so gigantische
Preise auch für die Nebenleistungen, dass der 1.50 S überhaupt
keine Rolle spielen kann. Eine Kopfbearbeitung selbst für einen Mann
kann zwischen 30.- – soviel zahle immer ich – und 300.- S, soviel
zahlen oft meine Söhne, liegen, fast könnte man humorvoll als
Begründung sagen, die haben eben mehr Haare.
Bei der Lohnregelung der Metallarbeiter und in deren Gefolge die
Tangentenregelungen für die Preiserhöhung in der gesamten Metall-
branche haben die Landwirte ins Protokoll gehen lassen, dass sie
die Auswirkung bei ihren Produkten anmerken und die Präsidenten er-
klärten, dies wird bei den nächsten Agrarpreiserhöhungen zu be-
rücksichtigen sein. Für mich war diese Anmerkung ein Indiz,, dass
die Landwirte jetzt noch nicht konkret sagen wollen, was sie
tatsächlich für Preiserhöhungen bei ihren Agrarprodukten anstreben.
Anschliessend besprach ich mit Tumpel und Mahr das von der Land-
wirtschaftskammer vorgelegte Getreide-Exportmodell. Präs. Lehner
hat mir vorher schon erklärt, er möchte auch über dieses Modell
und ganz besonders über die Errichtung einer Ölmühle-Projekt mit
mir sprechen. Aus all diesen Indizien nehme ich an, dass es möglich
sein wird, heuer keine Getreidepreiserhöhung zugestehen zu müssen.
Natürlich wird Präs. Bierbaum von der NÖ LWK einen diesbezüglichen
Preisantrag stellen, doch glaube ich, können wir ihn diesmal
dilatorisch behandeln. Die neue Getreidepreispolitik der Bauern
ist darauf ausgerichtet, garantierten Absatz teils im Inland, teils
aber auch Export zu bekommen. Damit sollen gewisse Anbauflächen
insbesondere von Qualitätsweizen garantiert sein, der Absatz dann
durch entsprechende Exportsubvention gegebenenfalls gesichert werden
müsste. Für uns intern wird es höchste Zeit, dass wir uns eine ge-
meinsame Vorgangsweise – AK, ÖGB, HM, wenn möglich natürlich auch LWM,
FM absprechen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte für nächstes Jour fixe AK - ÖGB
in Tagesordnung aufnehmen.
Bei der Vorbesprechung zum aussenpolitischen Rat beschwerte
sich Kreisky bei mir, dass Frank nach wie vor ablehnt, dass wir
jetzt in den internationalen Gremien aber auch in zukünftigen
Gipfelgesprächen die Idee z.B. die Energie als ein solches Thema
zu stellen, ablehnt. Kreisky meinte, es müsse sich aufhören,
dass Beamte die Politik machen wollen. Frank hat an Aussenminister
Pahr einen Brief gerichtet, wo er auf die Schwierigkeiten eingeht,
und angeblich nur bilaterale Gespräche vorschlägt. Ich blockte
diese Vorwurf sofort ab, indem ich erklärte, dies sei für uns
insbesondere eine Frage der Personalbesetzung. Kreisky, der ja wusste,
dass Frank wegen der Personalschwierigkeiten sogar in Pension
gehen wollte und deshalb bei mir intervenierte, man dürfe Frank
auf gar keinen Fall weggehen lassen, ist scheinbar aber über
dessen Energiepolitik sehr ungehalten. Ich einigte mich sofort dann
mit Pahr, dass es zweckmässig ist, unseren ursprünglichen Plan, einen
Vertreter für Energiefragen in Paris in der Mission zu installieren
was nicht nur seine Zustimmung findet, sondern er diese Idee unter
allen Umständen jetzt durchziehen möchte. Pahr schlug mir vor, ich soll-
te ihm sofort einen Vertreter nominieren.
ANMERKUNG FÜR FRANK UND WAIS: Bitte entsprechenden Vorschlag vorlegen.
Im Aussenpolitischen Rat, wo ich wegen der EFTA-Gipfelkonferenz
Tagesordnungspunkt 1) zugezogen wurde, diskutierte Taus aber
auch Koren das Problem, wie es überhaupt in der EFTA weitergehen
soll. Taus ist davon überzeugt, dass es sich hier nur im ein
Restgebilde handelt, das äusserst schwierig sich in Zukunft durch-
setzen wird. Koren fragte mich dann dezidiert, wie es mit den
Mittelmeerländern weitergehen soll. Kreisky hat vorher seine Kon-
zeption zum EFTA-Gipfel, also keine Blockbildung sondern eine Ver-
dichtung der Integration den Oppositionsparteien, auch Peter war an-
wesend, erklärt. Koren vermutete, dass innerhalb der EFTA grosser
Widerstand oder jetzt zumindestens ein gewisser Widerstand gegen
eine Lösung mit Spanien – näheres Heranführen an die EFTA - vorhanden
ist. Dies konnte ich mit ruhigem Gewissen verneinen, weil seit der
Demokratisierungswelle in Spanien selbst die Gewerkschaften Schwedens
und Norwegens für eine Annäherung Spaniens an die EFTA sind. Ich
bin allerdings fest davon überzeugt, dass es gar nicht so weit kommen
wird, weil zwischenzeitig doch die Bemühungen Spaniens sowie
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Griechenlands und teilweise auch der Türkei zu einem
Beitritt in die EWG abgegeben wird. Der zweite Tages-
ordnungspunkt war die Belgrader Tagung, die mich aber
überhaupt nicht interessierte, weshalb ich zu dem Essen von
Taslimi ging. Kreisky ist auf den aussenpolitischen Rat,
den er kreiert hat und letzten Endes auch durchgesetzt,
wodurch die Opposition eine weitere Informationsquelle
bekommen hat, wie er in der Vorbesprechung ausführte,
sehr stolz. Seine grossen Einführungen und Reformen, wie
er sich ausdrückte, ist der aussenpolitische Rat und die
Ombudsmänner. Sicherlich geben sie der Opposition die
Möglichkeit, ausserhalb des Parlamentes einiges zu erfahren,
was sie allerdings genauso auch im Parlament erfragen könnten.
Dort hätte es vielleicht sogar für sie eine grössere wahl-
politische Entscheidung als in dieser Gesprächsrunde. Unerklärlich
ist mir auch, dass mit dieser Methode Kreisky die Opposition
scheinbar näher befriedigt in ihrem Informationsbedürfnis
ihnen aber gleichzeitig die Möglichkeit nimmt, härter zu
attackieren, wenn er sie zu Auslandsreisen mitnimmt, wenn er
sie in diesen Gremien oft nichtssagend Neues streng vertraulich
informiert, wenn er als Regierungschef, also eine Koopera-
tionsbereitschaft zeigt und auch durchführt, nimmt er meiner
Meinung nach der Opposition nur die Möglichkeit in diesen Fragen
weiter anzugreifen. Ich würde eine solche Politik nicht
akzeptieren, wenn ich Oppositionsführer wäre. in all diesen
Fällen vergleiche ich immer unser Verhalten zwischen 1966 und 1970
und dem Wirken und lendenlahmen Verhalten der ÖVP seit 1970.
Wenn wir selbst nicht grosse Schnitzer machen, dann hat sie
wirklich kaum eine Möglichkeit, sich zu profilieren.
Gehart hat mir bei meinem Weggehen dann gedankt, dass er in
der Donau neuerdings als Aufsichtsrat gewählt werden konnte.
In mir unerklärlicher Weise hat er nämlich vormittags Plesch
abgerufen und gefragt, ob er jetzt wieder vorgeschlagen wird,
weil er sonst gar nicht zu dieser Sitzung geht. Dies ist
mir deshalb vollkommen unerklärlich, weil ich ihm gestern
ausdrücklich noch sagte, dass wir dieses Jahr ihn als
Aufsichtsrat vorsehen und das nächste Jahr dann mit ihm
gemeinsam zwischen Frank, Wais und mir eine Lösung besprochen
werden soll. Gehart teilte mir auch mit, das Schaumayer, die
von der ÖVP nicht mehr vorgeschlagen wurde, sofort zum Telefon
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lief und Bürgermeister Gratz um Intervention zu bitten.
Das Ergebnis war, dass selbstverständlich Gratz die schwarze
Schaumayer, die von der ÖVP nicht mehr als Landesvertreterin
vorgeschlagen wurde, dahingehend unterstützte, dass die
Ländervertreter der Regelung nicht zustimmten. Dies ist aller-
dings meine kleinste Sorge und für mich ist es nur entscheidend,
dass jetzt endlich die Besetzung auf 6 Sozialisten, 5 ÖVP-ler
endgültig festgelegt wird.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Veranlasse, dass uns der Vorgang genau
geschildert wird.
Tagesprogramm, 20.4.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)