Sonntag, der 1. Mai 1977

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Sonntag, 1. Mai 1977

Die Beteiligung am Mai-Aufmarsch auf der Landstrasse war schlechter
als in den Vorjahren. Dies ist sicherlich auf die Tatsache
zurückzuführen, dass wir immer ältere Mitglieder haben, die
kaum daran mehr teilnehmen können. Auch dann, wenn wir sie mit
Autobussen oder Fiaker zum Rathausplatz hinführen. Besonders
gefreut hat mich, dass unsere Genossen den auf der Tribüne
stehen Genossen Pittermann erkannten und ihm entsprechend Glück-
wünsche zuriefen. Die Schlussveranstaltung konnte ich nicht
mehr abwarten, weil ich mit den Chinesen nach Baden fahren musste.
Ich setzte ihm neuerdings auseinander, dass die Vereinigten Edel-
stahlwerke nicht imstande sind, noch eine zweite Tranche von 100
Mill. S Edelstahl zu so schlechten Preisen abzuschliessen, wie
dies die erste Tranche in Bonn jetzt vereinbart wurde. Die
katastrophal schlechten Preise, die nicht wie sie annehmen
die Selbstkosten decken sondern grösstenteils nur die variablen
als Lohn und Material werden wir bei der zweiten Tranche nicht
mehr akzeptieren können. Die Erklärung, dass in Bonn bei den
Verhandlungen jetzt die erste Tranche abgeschlossen wurde,
ist ausschliesslich darauf zurückzuführen, wie mir die Vertreter
der Edelstahlindustrie in Graz resp. beim Empfang in der chinesi-
schen Botschaft dezidiert erklärten, weil sie dadurch die Be-
schäftigung im September sicherstellen konnte. Minister Yao
versprach mir, dieses Problem in Peking noch einmal zu beraten.
Ich bin wirklich sehr gespannt, ob dieser Besuch und ins-
besondere diese Invention einen Erfolg in der Ausdehnung unseres
Aussenhandels bringt.

Abends hat Minister Broda die Teilnehmer seiner Delegation nach
China und die gesamte chinesische Delegation am Kahlenberg empfan-
gen. Ich hatte angenommen, weil solche offiziellen Essen bei mir
verhältnismässig kurz sind, dass wir auch dort nicht allzu lange
bleiben würden. Zu meiner grössten Verwunderung hat sich dann
dieser Abschlussabend dreieinhalb Stunden ausgedehnt. Heinz
Fischer
hat den chinesischen Minister über die Entwicklung der
Viererbande eingehend gefragt. Abgesehen davon, dass ich überzeugt
bin, kaum die wirklichen Gründe erforschen zu können, ist mein
Prinzip. mich gerade bei politischen ausländischen Staaten nur
auf die Wirtschaftsfragen zu beschränken, die ich letzten Endes
auch lösen soll. Vielleicht war es bei Fischer aber auch nur
ein verzweifelter Versuch, die Zeit zu überbrücken. Justizminister


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Broda zelebriert nämlich solche Veranstaltungen. Abg. Steyrer,
der ebenfalls in China mit war und auch Fischer versicherten
mir, dass diese Art der Festreden, Begrüssungsansprachen,
Dankadressen ständiges Herumgehen mit dem Glas und mit allen
anzustossen, zwar wie ich weiss in China üblich ist, deswegen
aber noch lange nicht von uns so gehandhabt werden muss. Ich
persönlich mache es auf gar keinen Fall, da dies nur Zeit
kostet und meiner Meinung nach auch gar nicht notwendig ist.
Meine kurze Erklärung dafür: ich habe mein eigenes Protokoll.

Prof. Egon Matzner, den ich bei dieser Veranstaltung ebenfalls
traf, versuchte mir zu erklären was er mit dem Presseartikel
unser Energieplan sei nicht zeitgemäss, darunter versteht.
Er meint, man müsste viel mehr Alternativen aufzeigen und ganz
besonders der zukünftigen Technologie unser Augenmerk zuwenden.
Ich erwiderte ihm sofort, die Schwierigkeit liegt darin, dass
ich keine konkreten Ansätze erkennen kann. Natürlich könnte
ich jetzt die drei Kernkraftwerke, die im Energieplan, für die
Achtziger- und Neunzigerjahre beabsichtigt sind, und wo die
Elektrizitätswirtschaft uns sagt, dies sei die einzige Alternative
herausstreichen und dafür einsetzten: Sonnenenergie. Niemand wird
aber, ausser ein paar Zukunftsvisionäre, Umweltschützer und weiss
sonst nicht noch welche, diese Entscheidung begrüssen. In unmittel-
barer Zukunft im nächsten Jahr würde uns da auch gar nichts
passieren. Ob wir nur in den Achtzigerjahren tatsächlich die
Sonnenenergie verfügbar hätten, bezweifle ich ganz entschieden.
Programmatisch kann so etwas leicht erklären, politisch kann
man sich sogar dadurch kurzfristig aus der Verantwortung und
Entscheidung herausreden, die Folgen dann in ein paar Jahren
sind meiner Meinung nach aber katastrophal, wenn wir dann
nicht die notwendige Energie tatsächlich zur Verfügung stellen
können. Natürlich kann sich durch eine Rezession die ganze
Energieprognose bezüglich des Verbrauches ändern. Aber erst
zu diesem Zeitpunkt kann ich von weiterem Ausbau der Kern-
energie Abstand nehmen. Andere Alternativ-Vorschläge habe
ich ja ständig seit 1. Jänner 1974 übernommen. Voitsberg III
Wasserkraftwerksausbau usw. Hier handelt es sich aber um sehr
konkrete Möglichkeiten. Ich fürchte, dass ich mit unseren
Programmatikern aber auch mit den Zukunftsforschern, Umwelt-
schützern hier kaum eine gemeinsame Sprache spreche. Nicht, dass


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ich ihnen den guten Willen streitig machen würde. Was uns
wirklich drängt, ist, dass sie Visionen, Chancen sehen, die
ich beim besten Willen nicht als Grundlage einer Energie-
planung machen kann.

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Tagesprogramm, 1.5.1977


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