Montag, 6. Juni 1977
Zu der eingeladenen Autobusfahrt nach Hernstein kam weder Kreisky
noch Androsch oder Firnberg, sondern, wie Benya richtig sagte, nur
die Disziplinierten. Sinowatz z.B. ist vom Burgenland nach Wien
hinaufgefahren, obwohl er von Neudörfl nach Hernstein wesentlich
näher gehabt hätte. Die Landesparteiobmänner sind ebenfalls ausser
Steinocher von Salzburg gleich direkt nach Hernstein gefahren. Trotzdem
glaube ich war die Idee, dort die Tagung zu machen, die beste seit
längerer Zeit, wie mir auch dann alle bestätigten.
Einleitend hob Kreisky hervor, dass der Artikel in der Kronen-Zeitung
von Graupe über die Atompolitik der Bundesregierung ungeheuer falsch
und gehässig ist. In Wartenstein hatten damals Atomgegner, Prof. Broda,
Nobelpreisträger Lorenz, Dr. Lötsch, Gelegenheit, die Regierung zu
informieren. Er war es, der eine gesundheitspolitische Untersuchung
gegen die Atomkraftwerke anregte und auch finanzierte. Nun hat man
vier Männer, deren Redlichkeit bekannt ist, und zu der wir Ver-
trauen haben, gebeten, die Regierung zu informieren. Die letzte
Entscheidung aber wird im Parteivorstand getroffen. Eklund, Gen.
Direktor der IAEA, hatte einleitend drei Punkte herausgearbeitet.
1. Betriebssicherheit, die der Rasmussen-Bericht schildert und
wo wir bereits bis jetzt 1.000 Betriebsjahre Erfahrung haben,
2. Die Entsorgung. Im Kernkraftwerk Tullnerfeld entfallen 30 t pro
Jahr, die man entweder wieder aufarbeiten kann, weil darin noch
1/3 Energie steckt oder wie jetzt die Amerikaner immer mehr dazu
neigen, ohne chemische Behandlung sofort endgültig aufzubewahren.
Dies geschieht jetzt auch bereits in Kanada seit 15 Jahren. In
Europa sind Modelle entwickelt worden, die funktionieren können.
Die konventionellen Kraftwerke bergen viel grössere Gefahren, weil
sie die Atmosphäre ständig verschmutzen und auch aufheizen.
3. Nuklearenergie und Verbindung mit Atomwaffen. Zur letzteren
herzustellen, gibt es einfachere Methoden als über ein Kernkraft-
werk.
Häfele von der IIASA hatte einige Ziffern gebracht, die interessanter-
weise sehr veraltet sind. Z.B. für Österreich 1973 18 Mill. t Ölein-
heiten Energieverbrauch, davon Öl 10,4, Kohle 3,7, Erdgas 2,8.
1977 liegt der Weltölverbrauch bei 45 MBT (Millionen Barrel pro Tag)
1980 werden es 60 Mill. sein, die man dann nicht mehr wird zur
Verfügung stellen können. Die OECD-Länder haben derzeit 25 Mill.
und würden dann 30 Mill. brauchen. Für die grosse Masse der
Entwicklungsländer bliebe dann überhaupt fast nichts mehr übrig.
Wenn man wenigstens 5 % des Energieverbrauches einsparen könnte,
dann wäre die Steigerungsrate pro Jahr nicht so hoch. -Als
Alternative gibt es daher nur entweder Kernkraftwerke, Kohle- oder
Sonnenenergie, die derzeit aber noch viel zu teuer ist und in
Zukunft maximal 5–10 % ausmachen kann. Kohle verschmutzt die
Atmosphäre, sodass in Wirklichkeit nur Kernkraftwerke bleiben.
Durch die Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes Tullnerfeld würde
1 Mill. t Öl pro Jahr erspart bleiben, die man sonst importieren
muss. Die Lagerung kurz- oder mittelfristig stellt kein Problem
dar.
Weisskopf, ehemaliger Gen.Direktor von CERN, meinte auch, die
Sicherheit im Betrieb sei gegeben, da der Bericht von Rasmussen
stimmt, er stimmt nur nicht mit den quantitativen Resultaten,
sie dort gesagt werden, überein. Seiner Meinung nach hat ein Reaktor
ein geringeres Risiko als ein Damm. Das Problem liegt nur daran,
dass wenn ein grösstanzunehmender Unfall eintritt, dann
alle nächsten Sterbefälle der kommenden 20 Jahre zurückgeführt
würden. Das geringe Risiko kann noch dadurch verringert werden,
dass die Belegschaft hohe persönliche Verantwortung tragen, sich
dessen bewusst ist und eine spezielle soziale Stellung erreichen
sollte. Das trifft in Amerika nur teilweise zu. Das Kernkraftwerk
Tullnerfeld ist äusserst gut und als sicherstes zu bezeichnen.
Die prov. Lagerung der Brennelemente sei überhaupt kein
Problem, der österr. Vorschlag interessant und gut, den in
Bleibehältern begehbar zwischenzulagern. Das Problem entsteht
nur bei der Wiederverarbeitung und der Plutoniumwirtschaft.
Ein Transport vom GKT ins Waldviertel sei überhaupt kein Problem.
Die Inbetriebnahme deshalb seiner Meinung nach absolut gerecht-
fertigt. Die Frage ist ja nur, ob Österreich dann weitere 2–4
Kernkraftwerke noch bauen sollte. Die Leichtwasserreaktoren
sind nicht das beste Modell. Entwickelt wurden sie durch die
Bedürfnisse der US-Marine in U-Booten, wo keine Kesseln unter-
gebracht werden mussten. Die Zukunft liegt beim kanadischen
Reaktor resp. beim gasgekühlten Hochtemperaturreaktor. Weil
dort Thorium besser ausgenützt werden kann. Sein Prinzip ist
Nuklearisierung so lange als möglich . Bessere Energieverwertung
insbesondere für die Industrie sei fast wichtiger als Energie-
erzeugen. Der Carter-Plan geht viel zu wenig weit.
Prof. Weizsäcker, Deutschland, meinte, dass er in seinem eigenen
Land die Kernkraftwerke ebenfalls befürwortet. Persönlich wäre er
allerdings zufriedener, wenn keine Kernkraftwerke entstünden.
Die Gegner überschätzten die Gefahr und alles wird dramatisiert.
Die Befürwortet überschätzen den Bedarf. Er ist ein Kernspezialist
und kein Reaktor-Spezialist. Trotzdem versteht er die spezialisierte
Reaktorsprache und kann mit den Reaktorleuten reden. Bei Normal-
betrieb ist die Gefahr praktisch Null. Bei einem technischen Miss-
geschick und daraus entwickelte Unfälle gibt der Rasmussen-Bericht
und der Erwartungswert der Todesfälle liegt unter den Autos und
kalorischen Kraftwerken und ganz besonders auch Speicherdämme für
Elektro-Erzeugung. die Frage sei, was bei menschlichen Gewalt-
taten geschieht. Im Falle eines Krieges wäre ein Absicherung mög-
lich und vertretbar, da kaum anzunehmen ist, dass ein krieg-
führende Macht, die selbst auch Atombomben besitzt, diese nicht
einsetzt, dafür aber Atomkraftwerke angreift. Terroristen müssten
mit der Polizei entsprechend bekämpft werden und dürften vor
allem einmal nicht in die Mannschaft, d.h. in das Kraftwerk ein-
dringen können. Eine Frage sei, was geschieht, wenn die Mann-
schaft wegläuft. Was er immer wieder Rasmussen fragt und dieser
erklärt ihm, das darf eben nicht sein. Hier habe ich persönlich
de geringsten Bedenken, denn es hat sich immer wieder gezeigt,
dass mutige Ingenieure und Arbeiter bei den jetzigen Reaktorunfällen
stets unter Ausserachtlassung ihrer Gesundheit alle notwendigen
Massnahmen sofort ergriffen haben. Die wichtige Frage der Ver-
breitung der Kernwaffen, die Proliferation, erwähnt er auch,
doch meinte, man könnte mit anderen Methoden, wenn man hier
wirklich durchstechen will, bessere Ergebnisse erzielen. Das
Kernkraftwerk Tullnerfeld sei unbedenklich und sollte den Betrieb
aufnehmen. Die Frage, ob die Entsorgung gelöst ist, ist falsch ge-
stellt, technisch ist dies nämlich längst der Fall, die Frage ist
nur, ob politisch die Entsorgungsfrage gelöst werden kann und soll.
Ein Fehler besteht auch dann und das ist eine falsche Fragestellung,
ob wie in Deutschland der Aufbau und Ausbau der Kernkraftwerke
mit der Arbeitslosigkeit gekoppelt werden soll. Wirtschaftliches
Wachstum löst nicht die Arbeitslosigkeit und damit auch nicht zusätz-
liche Energie, die durch die Kernkraftwerke gewonnen werden soll.
Das Arbeitslosenproblem ist ein Problem der Umverteilung, es muss
die Nachfrage nach Arbeit gesteigert werden und dies ist nur
durch Arbeitszeitverkürzung möglich. Diese Aussage war natürlich
für uns Gewerkschafter die beste, die man erwarten konnte, nur lei-
der falsch.
Leodolter sagte mir, er hätte ein so ähnlichen Vortrag schon
einmal vor irgendeinem wissenschaftlichen Kreis gehalten,
wo er auch total danebengelegen ist.
In der Diskussion, meldete sich als erstes Gratz und meinte,
ein Nein dürfe nie endgültig zur Atomkraft gesagt werden. Der
Rasmussen-Bericht geht allerdings von der Schadenshäufigkeit
mal dem Schadensumfang aus und meint, 100 Einwohner pro km²
die Rasmussen annimmt, sei für Wien unzutreffend, denn hier
seien es, wie ich mir dann schnell ausrechnete, fast 4.000
Einwohner pro km². Er plädiert für mehr Wasserkraft und Spar-
massnahmen. Zum Kienspan müsse man nicht zurückkehren, denn
0,5 % sei für Beleuchtung von dem Primärenergieaufwand, 16 %
für mechanische Arbeiten und 75 % für Wärme. Der nächste Dis-
kussionsredner Mayer, Bgm. von Bregenz, hat mich sehr verwundert.
Er kommt aus der Energiewirtschaft, meint Wasser- und kalori-
sche Kraftwerke werden in Hinkunft auch die bedeutende Rolle
spielen und Kernkraftwerke hätten einen geringen Anteil. Beim
Essen, wo ich ihn dann diesbezüglich fragte, meinte er, er könne
gar keine andere Stellung jetzt einnehmen, nachdem Vorarlberg
geschlossen gegen das Schweizer Kraftwerk Rüthi ist und er
als Bregenzer Bürgermeister und Parteiobmann von Vorarlberg
gar nicht anders handeln könnte. Wenn er mir wenigstens gesagt
hätte, er kommt aus der Wasserkraft, von den Illwerken, und
ist nach wie der Meinung, als Bauingenieur, dass unsere Wasser-
kraft noch schneller und noch besser ausgebaut werden sollte.
Die Argumentation aber, weil Vorarlberg, dort insbesondere Vorarl-
berger Nachrichten, eine Art Fussach-Kamapgne entfalten, diese
Stellungnahme hat mich schwer enttäuscht. Benya verwies auf
die Stromabschaltungen nach dem Zweiten Weltkrieg und meinte sogar,
auch 1974 hätten wir uns wegen der geringen Wasserführung ein-
schränken müssen, dies stimmt absolut nicht. Der ÖGB hätte 1968
bei der Regierung vorgesprochen, damit man die Fluss- und Speicher-
kraftwerke weiter ausbauen sollte. Klaus hätte damals abgelehnt,
weil die Kernkraftwerke wesentlich billiger kommen. Die Öl-
importe seien auch in Zukunft stärker gefährdet als man annimmt,
und für die Haushaltsversorgung in Zukunft müsse man bedenken,
dass jetzt neue Schichten zu elektrischen Geräten kommen, die
es sich früher und auch derzeit noch nicht leisten können und
konnten. Klubobmann Fischer wollte unbedingt Information über
die Gefährlichkeit und Häufigkeit und Grösse der Schäden.
Welche Auswirkunge es hätte, wenn man für die Tullner Kraft-
werkseröffnung noch zuwartet. Kery meinte, man müsse ent-
scheiden und wenn er gefragt wird, sage er immer, ja oder
nein und nicht "jein", er hätte aber niemals im Fernseh-
Interview gesagt, dass man im Burgenland Atommüll lagern kann.
Dies wurde nur vom Kommentator dann hineininterpretiert. Er
persönlich ist davon überzeugt, dass die Atommüllagerung voll-
kommen ungefährlich ist. Androsch meinte, das Phänomen Angst sei
hier, er wehrt sich nur dagegen, dass die Korrelation zwischen
Bruttonationalprodukt und Elektrizitätszuwachs in Zukunft
gelten wird. Hartl, OÖ, wollte wissen, wo der Müll gelagert
werden soll und was beim GAU (grösstmöglicher Atom-Unfall)
geschieht. Broda wollte wieder die Sonnenenergie-Nutzung
stärker betont wissen und welche Aufwendungen international
jetzt gemacht werden, um diese Sonnenenergie schneller einer
wirtschaftlichen Nutzung zuzuführen. Czettel, NÖ, meinte, es
hätte im GKT gar keinen Streitfall innerhalb der Ortschaft
gegeben, solange nicht das Problem der Endlagerung oder
Zwischenlagerung wieder aufgetaucht ist. Die Frage, was ist
gefährlicher, abgebrannte Uranstäbe sofort zu lagern oder
aufbereiten zu lassen. Lanc wollte die Kalkulation für Atom-
strom wissen, nachdem ja jetzt die Lagerkosten erst dazukommen.
Steinocher verwies auf den Salzburger Gegenkongress, bevor
die internationalen Wissenschaftler dort den Atomenergie-Kongress
abhielten. Die Frage ist die jahrtausendelange Müllagerung.
Firnberg verwies darauf, ob es Lagermethoden gibt und welche
Länder jetzt neue Ideen haben und ob internationale Gespräche
darüber stattfinden. Gibt es Länder, wo Kernkraftwerke heute
nicht betrieben werden können resp. zusätzliche verboten wurden.
Leodolter sagte mir zurecht, die meisten dieser Fragen waren
nur Fragen, weil man halt fragt. Kreisky hatte nämlich gemeint,
es geht jetzt darum, die Inbetriebnahme von Tullnerfeld und
die Frage der weiteren Kernkraftwerke. Er meinte, es müsste
jetzt die politische Entscheidung über die Entsorgung
getroffen werden, insbesondere, wo sie stattfinden sollte. Die
Aufklärung sei notwendig gewesen und weiterhin notwendig, sonst
bekommen wir eine bürgerkriegsähnliche Situation. Er fragte
dann, ob man die Null-Leistung gleich einer Inbetriebsetzung des
Reaktors bezeichnen müsse. Als Marxist möchte er dann noch wissen
ob die Reaktorindustrie insbesondere die Sicherheit mit ganzem
kapitalistischem Einsatz in Angriff nehmen wird, weil
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jetzt die Sicherheitsbestimmungen ständig verstärkt werden.
Nach der Mittagspause mussten dann die Professoren antworten und
Kreisky ersuchte gleich, dass sie dann noch immer genug Zeit
haben sollten, dem Fernsehen Auskunft zu geben, denn das Informa-
tionsdefizit der Bevölkerung sei ungeheuerlich. Ich hatte, weil
mich Swietly dazu in der Mittagspause ersuchte, bereits mit Prof.
Häfele gesprochen und der meinte, wenn ich es wünsche, ist er
gerne bereit, ein Fernseh-Interview zu geben. Nach der Erklärung
Kreiskys war klar, dass er eigentlich von allen vieren dies
erwartete. Interessanterweise hat dann Eklund, Häfele und Weisskopf
ein solches Interview gegeben, nicht aber Weizsäcker, der dafür
keine Zeit hatte. Bei der Beantwortung meinte Weizsäcker, die
Entsorgung sei eine rein politische Entscheidung, die in Österreich
halt noch nicht getroffen sei, in Deutschland haben sie ein Ver-
fahren entwickelt, das absolut gut ist, zuerst zwischenlagern
und dann in Salzstöcken, nicht mehr zugänglich versenken. Die
Idee Weinbergers , 1.000 Jahre zu bewachen, ist fallengelassen.
Die Endlagerung könnte man nach längerer Zwischenlagerung
von 15 bis 25 Jahren durchführen. Dasselbe gilt auch für das
Kernkraftwerk in Zwentendorf resp. gegebenenfalls dann im Wald-
viertel. Weisskopf meinte, man sollte nur zwischenlagern. Häfele
verwies auf die Differenz beim Salzburger Kongress, wo die Amerikaner
eine andere Politik verfolgen als die Europäer. Die Kosten der
Zwischen- und Endlagerung sind weniger als 20 %, wahrscheinlich
5–10 % der Kosten des Atomstroms. Im Kernkraftwerk Tullnerfeld
könnte durch Kompaktlager 5 Jahre leicht überbrückt werden, sodass
ein Zwischenlager erst in 7–8 Jahren notwendig ist. Eklund
meinte, in Salzburg sei man übereingekommen, dass ein Drittel der
Energiereserve noch in dem Müll vorhanden ist, weshalb man höchstens
zwischenlagern soll. Es gibt darüber jetzt eine internationale
Zusammenarbeit und Untersuchungen zeigen eindeutig, dass man
in stabilen geologischen Verhältnissen durchführen sollte, sprich
in Österreich das Waldviertel. Die Zwischenlagerung ermöglicht
etliche Jahrzehnte Gewinn, weil ich persönlich auch sehr überzeugt
bin, dass man früher oder später dieses wertvolle Material
dringend benötigen wird und deshalb nicht unwiederbringlich
endlagern soll. Weizsäcker sprach sich dagegen aus, dass Gratz
meint, man soll die Entscheidung verzögern. Das Reaktorteam
läuft sonst auseinander und die grösste Gefahr ist, man wird dann
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Anfang der Achtzigerjahre unter dem Druck des Energiemangels
entscheiden müssen und dann wahrscheinlich falsche Entscheidungen
treffen.. Man kann rationelle Energieeinsparung machen, dies
geht auch in de Demokratie. Vor 10 Jahren hat man gesagt, der Um-
weltschutz geht auch nicht und jetzt sieht man, dass man ihn sehr
wohl berücksichtigen kann und muss. Jede Alternative f. Energie
ob Kohle oder Öl ist schlechter als Atomenergie. Dies gilt selbst
für Wasserkraft, wie er bei seinem Haus in Osttirol feststellen
kann, wo es darum geht, dass sich die Bauern und er selbst auch
gegen die Projekte dort z.B. das Umbaltal in das Dorfer Speicher-
projekt einzubeziehen. Für mich war interessant, wie doch
persönliche Erlebnisse, wie z.B. das Weizsäcker in Osttirol ein
Haus besitzt, daher dort mit Bauern viel zu tun hat, die sich
um ihre Wasserführung sorgen, nebenbei bemerkt, ganz unbegründet,
die Atomenergie befürwortet als den Ausbau unserer Osttiroler
Wasserkräfte. Weisskopf meinte, eine Verzögerung der Inbetriebnahme
von Tullnerfeld sei unzweckmässig, es gibt keine langsamere
Atomenergie-Inkraftsetzung. Von Sekt.Chef Frank, wie er sagte, stammt
das gute Bonmot: Nur Olmützer Quargel werden besser, wenn sie liegen-
gelassen werden. Quantifizieren des GAU, wie Fischer wollte, sei
das Problem des meltdown, des Zerschmelzen des Atomreaktors. In
der Pause hatte ich mit ihm darüber diskutiert und er sagte mir,
dass man mit 1.000 Toten rechnen kann, die grosse Gefahr aber
darin besteht, dass die nächsten 20 Jahre, wie er ja bereits
ausführte, alle Krebskranken dann sagen, sie seien durch den GAU
krank geworden und dann gestorben. Atomverseuchungen werden auch
in diesem unwahrscheinlichsten Fall nur 1 % einer Atom-
bombenexplosion betragen. In Amerika hatte man 1.000 Atomkraftwerke
bis 1985 vorgesehen, jetzt sind es 400 und wahrscheinlich werden
nur 300 gebaut werden. Je weniger, ist Weisskopf der Meinung,
desto besser. Die grosse Gefahr sieht er darin, dass die Atom-
energiekommission immer mehr Regeln aufstellt, die Industrie sich
dann um diese Regeln kümmert, statt um die Sicherheit. Vorschriften
sind hier fast kontraindikativ. Häfele auf die Anfrage Kreisky:
Nulleistung ist nicht irreversibel. Nur kann man damit nur die
physikalischen Eigenschaften prüfen, die man eigentlich schon
kennt. Die technische Leistungsfähigkeit des Reaktors geht nur, wenn
er bereits in Betrieb ist. Die Sicherheit im Tullnerfeld ist
bezüglich der hardware, Pumpenkühler usw., optimal. Bezüglich der
software, d.h. wie es betrieben wird, hat der TÜV – Technische
Überwachungsverein – und die Industrie aus dem Wechselspiel
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Aufsichts- und Zulassungsbehörde auf der einen Seite und
Industrie mit der Betriebsbelegschaft viel gelernt und arbeitet
bestens zusammen. Für die Betriebsaufnahme von Tullnerfeld ist es ja
jetzt schon fast zu spät. dagegen soll man für weitere Kernkraft-
werke noch zuwarten. Eklund meint auch, dass wir sehr spät dran
sind, denn immerhin jetzt 35 Jahre seit der Kernspaltung sind erst
10 % der Elektrizitätsproduktion Kernkraftwerke. Der Osten baut
auf Teufel komm raus, auf und auch die Entwicklungsländer, Taiwan,
Südkorea, Indien, Pakistan, Brasilien, Argentinien, Philippinen,
werden weitere Atomkraftwerke bauen. 1977 sind wieder 3 inter-
nationale Sicherheitsnormen von der IAEA angenommen worden. Weiss-
kopf immer wieder auf den Rasmussen-Bericht verwies, wenn man
selbst die Häufigkeit mit x-mal multipliziert, noch geringere
Ergebnisse erbringt als die Toten im Strassenverkehr. Häfele: Es
kann nichts die Kernkraft substituieren, selbst wenn man Abkling-
zeiten für den Müll von 1000 Jahren annimmt, weil er dann nur mehr
uranhaltiges Gebirge darstellt, wie wir es jetzt auch schon kennen
ist es ungefährlicher als die Bleimengen, wo jetzt 4,5 Mill. t
pro Jahr in die Atmosphäre gehen und dort unendlich lange lagern,
Arsen und Chlorvergiftungen in die Atmosphäre gehen und diese jetzt
in Hinkunft total zerstören werden, wenn wir nicht die saubere
Atomenergie nehmen. Natürlich hat er dann auch wieder einen
Vergleich gebracht, der nichtssagend ist, denn 10 Gramm Blei
wirkt über die Magen- und Darmtrakte eingenommen, tödlich.
Weizsäcker mit Recht: wer nimmt aber 10 Gramm Blei ein und eine
geringere Menge spielt keine Rolle. Häfele als Gegenargument:
250 Menschen haben aber eine Dosis von Plutonium einmal bekommen,
wo sie schon alle tot sein müssten und sie leben alle noch quietsch-
vergnügt. Leodolter hat dann in der zweiten Runde mit Recht ge-
fragt, warum, wenn das Lager möglich ist und der Betrieb so
normal, sprechen dann alle – auch die vier hier – von Energie-
sparen. Weisskopf: Weil die Kernkraftwerk-Produktion ja doch
noch sehr neu ist und man sie nicht forcieren sollte und weil
die Umweltbelastung nicht endgültig feststeht (Weizsäcker).
Eklund meint, es geht eh alles sehr langsam, 1967 waren 10.000 Megawatt
installiert und jetzt sind es erst 90.000 Megawatt. Ich stellte in
der zweiten Runde eine einzige Frage: Da bis jetzt noch kein meltdown,
d.h. GAU gehabt hat und hoffentlich auch keinen bekommt, man aber
doch wissen sollte, was geschieht, wenn er selbst nach Rasmussen-
Bericht in 1 Mill. Jahren erst Wahrscheinlichkeit hat, wenn dieser
Zufall in 1 Mill. Jahr nächstes Jahr eintritt, bekam ich keine
befriedigende Antwort. In Wirklichkeit müsste man einmal, da jetzt
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die Atomexplosionen unter der Erde stattfinden, wo keine Radio-
aktivität austreten kann oder in der Atmosphäre, wo sogar wesentlich
mehr Radioaktivität frei wird aber dann eben sich in der Atmosphäre
auflöst, einen meltdown auf eine abgelegenen Stelle, wo man früher
die Atomwaffenversuche gemacht hat, echt simulieren, damit man
weiss, was wirklich geschieht. Interessant für mich aber war,
wie sich jetzt durch diese Klausurtagung die Meinungen vieler ge-
ändert haben. Nachdem die Professoren weg waren, hat Kreisky
nämlich gemeint, die Entscheidung wird morgen im Parteivorstand
fallen, was Benya sofort veranlasste zu sagen, wir sind aber
heute zusammengekommen, um eine Sprachregelung wenigstens zu
finden. Kreisky meinte dann, das wir morgen im Parteipräsidium ge-
schehen. Für Energiesparmassnahmen schlägt er nun vor, dass diese
nicht von Staats wegen bearbeitet und exekutiert werden sollen,
sondern dass man dafür ein eigenes Kuratorium schaffen wird.
Dort sollte man auch über die konventionelle Energie und über
die neuen Energieformen wie z.B. Sonnenenergie sprechen und
deshalb Engelbert Broda hineindelegieren. Auch die Importmöglichkeiten
mit Polen statt 400 MW noch eine Möglichkeit, bis auf 1.400 MW
zu steigern, müsste jetzt konkret untersucht werden. Aussen-
minister Pahr muss bei der Belgrader Konferenz eine europäische
Energieinitiative Bezug von Osten, besonders propagieren.
Bei Polen sei auch noch die Vergasung von Krupp möglich. Das
zweite Problem sei die Zahlungsbilanz, hier müsste langfristig
man überlegen, ob man nicht doch eine PKW-Produktion macht,
weil wie Meinungsumfragen jetzt ergeben haben, weit über 60 %
eine solche wünschen. Kienzl hat mir gesagt, dass sie 53 % beträgt.
Die Minderheit, die dagegen ist, sei die höheren Bildungsschichten,
die immer schon skeptisch waren oder Deutschnationale. Da VW den
gleichen Wagentyp erzeugen will wie Austro-Porsche hat sie an
diesem Projekt kein Interesse. PKW-Produktion in Österreich
würde aber 90 % der Zulieferung von Österreichischen Produkten
bringen. In der Handelspolitik müsse man den Osten und den Mittleren
Osten noch stärker bearbeiten. Bei der Lehrlingsunterbringung könnte
es Schwierigkeiten geben, weshalb man in den Beschäftigungszentren
Jugendliche durch Reiseerleichterungen bringen soll. Die Familien-
politik sei jetzt neu zu überlegen und auch für das Spital gibt es eine
Lösung die der Bund nicht finanzieren wird. Wegen des Austro-Porsche
Projektes meldete ich mich sofort als erster zu Wort und erklärte,
dass solange der Vertrieb und die Reparatur nicht durch einen be-
deutenden Konzern gesichert ist, in Form einer Beteiligung, ich
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persönlich eine Verantwortung für einen österr. PKW ablehne.
Broda berichtete über die Mietrechtsreform, wo keine generelle
Mietenerhöhung Platz greifen soll, dafür aber in Hinkunft
nicht wie jetzt beim § 7 die siebenjährige Mietzinsreserve
nicht ausreicht dann der Mieter zu einer höheren Leistung verhalten
werden kann, sondern durch freiwillige Vereinbarungen oder durch
Gerichtsbeschluss der Mietzins bereits im vorhinein erhöht werden
kann, um dann anzusparen, damit die Instandhaltung und Ver-
besserung erfolgen kann. Hier handelt es sich nicht wie jetzt
um eine fiktive Mietzinsreserve sondern um ein zweckgebundenes
Sondervermögen, das sogar die Verzinsung einbezieht. Dazu soll
es flankierende Massnahmen wie steuerliche Erleichterung und
Mietzinsbeihilfe in stärkerem Ausmass geben, weil jetzt nur
5–7.000 Fälle zur Anwendung kommen, weil es sich hier um sehr
strenge Richtlinien handelt. Androsch referierte über die
Budgetsituation. Bildung ist von 10 Mia auf 27 Mia gestiegen.
Soziales von 15,8 auf 37 Mia. Das Defizit der Bahn und Post
steigt ständig. Der Schuldendienst von 7,9 Mia. auf 26 Mia,
alles auf 1970:1977. Das Bruttobudgetdefizit für 1978 54 Mia.
wenn nicht entsprechende Einsparungen erfolgen. Dazu darf dem
öffentlichen Dienst nur 6,9 % Lohnerhöhung gegeben werden, wenn
sie die Erhöhung von 5 auf 6 % akzeptieren, dann 7,9 %. Die
Metallarbeiter haben bei 13 Monaten mit 7,5 % abgeschlossen.
Auch der Pensionsanpassungsfaktor wird nur 6,9 % ausmachen.
Dadurch erspart sich der Finanzminister nach Meinung Weissenbergs
1,3 Mia. weniger Zuschüsse, die man eigentlich schon erwartet
hat. Für die Sparkassen soll die Steuerbegünstigung wegfallen,
nachdem jetzt die Z die Wien-Kredit kauft und damit alle Bank-
geschäfte betreiben kann und die Postsparkasse die Feichtner-Bank.
Für Kombi-Wagen soll die vorzeitige AfA entfallen, was 500 Mill.
erspart und für LKW soll man nur 50 % der vorzeitigen Abschreibung
zulassen. Lanc möchte hier eine Trennung, bis 12 t hat die
Steyr-Daimler-Puch den grösseren Marktanteil. Verlustgesellschaften
soll in Hinkunft der Aufkauf stark eingeschränkt werden und
die Pensionsrückstellungen seien ganz besonders auf das tat-
sächliche Ausmass zu reduzieren. Die Angestellten werden in den
nächsten Jahren 4 Mia. S Rückgang ansammeln können und die Arbeiter
würden 5 Mia. S Bundeszuschuss brauchen. Im Finanzausgleich muss
man mit den Ländern wegen der KFZ-Steuer Bundeszuschlag verhandeln
und eine Lösung für den Wasserwirtschaftsfonds suchen. Moser ver-
wies darauf, dass er den Stellenwert jetzt auf 16 S/m³ anheben wird
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die Kärntner aber, wenn sie nicht zahlen, wenigstens triftige
Gründe angeben müssen. Wagner selbst war überhaupt sehr kritisch
bei seinen Bemerkungen und meinte, er spricht sich ganz entschieden
auch gegen das Zellstoffprojekt Donau aus, weil dadurch Villach
in Borregaard, Frantschach und Rechberg schliessen müssen.
Das Budgetdefizit muss unter 50 Mia. S bleiben, weshalb auch
die Förderung und Investitionen um 10 % gegenüber 1977 gekürzt
werden müssten. Dagegen hat natürlich Weissenberg und ganz be-
sonders auch Haiden polemisiert. Da der Finanzminister aus sich
heraus für 600 Mill. S ERP-Ersatzaktion anbietet, wollte Haiden
ach von dieser Fremdenverkehrserhöhung einen Teil für die Bauern,
was ich ganz entschieden ablehnte. Für 1977 wird ein BÜG notwendig,
da 4 Mia. ungefähr laufende Ausgaben ungedeckt sind. Die Landes-
lehrer brauchen 400 Mill., Unterricht und Kunst 300, Wissenschaft
200, die Bauern 350 Mill., Preisstützung 700 Mill. und die
PV Arb. 1,5 Mia. Androsch hat zwar einen ziemlich umfangreichen
Bericht vorgelegt, dieser ging aber nicht nur wegen Zeitmangel
sondern vor allem einmal wegen der alles überschattenden Atom-
diskussion unter- Bei der Budgetsituation kann man allerdings
nur sagen, vielleicht Gott sei Dank. Für mich war die
Tagung nichts Neues und ich habe den Ablauf auch so erwartet,
wie ich bereits Samstag Abend Leodolter mitteilte. Diese hatte
irrsinnige Bedenken, ja teilweise sogar Angst, was dabei alles
herauskommen würde. Mir persönlich war nur wichtig, nachdem ich
wahrscheinlich in der Industriekommission kaum so dezidiert
gegen das Austro-Porsche-Projekt werde aussprechen können, in
der Regierungsklausur klar und deutlich meine Meinung dazu zu
deponieren. Kreisky ist bei seinem Schlusswort, ich glaube allerdings
auch mangels an Zeit darauf überhaupt nicht eingegangen.
Tagesprogramm, 6.6.1977