Mittwoch, 6. Juli 1977
Ein neuer Schlichtungsversuch zwischen den beiden Autofahrer-
klubs ÖAMTC und ARBÖ, repräsentiert durch Gen.Sekr. Veith und
Effenberger, brachte mich nur ein kleines Stück weiter. Dr. Schachter
der den ARBÖ im Abwerbungsprozess als auch im Prozess wegen des
Plagiates Inhaltsverzeichnis der Strassenverkehrsordnung vertritt,
versuchte von Gen.Sekr. Veith zu erreichen, dass beide Prozesse
ruhen sollten. Veith wieder verlangte, dass jetzt endlich eine
Lösung des Garagenproblems und der Abstellplätze, die in Wien
auschliesslich der ARBÖ bekommt, als Testfall zuerst geregelt wird.
Vizebürgermeister Pfoch, gleichzeitig ARBÖ-Präsident von Wien,
wäre zwar kompromissbereit, doch scheitert dies an technischen
Unmöglichkeiten innerhalb der Rathausbürokratie. Angeblich
erfährt von freiwerdenden unbebauten Grundstücken bevor sie wieder
neuerlich bebaut werden, nur der ARBÖ über seine politische Ver-
bindung mit den Bezirksräten bei Kommissionierungen. Der ÖAMTC
hat diese Organisation nicht, die ÖVP-Mandatare haben kein Inter-
esse, ihnen zu helfen, weshalb er zu spät, besser gesagt, nie
eine freie Fläche zum Abstellen bis jetzt bekommen hat und wahr-
scheinlich auch in Zukunft nie bekommen kann. Gen.Sekr. Veith
wird neuerdings mit seinem Bundesvorstand, d.h. auch allen Länder-
präsidenten telefonisch sofort reden, ob es eine Möglichkeit des
Ruhens der Prozesse gibt, um das Klima nicht zu verschärfen.
Noch viel schlimmer wäre, wenn wie Schachter sagte, die
Zeugeneinvernehmen von Gen.Sekr. Hofstetter des ÖGB und Abg. Sekanina
als Fraktionsobmann der soz. Gewerkschafter erfolgt, weil dann
in der Abwerbungsaktion seinerzeit zumindestens die soz. Gewerk-
schaftsfraktion in der Auto-Organisationen einbezogen wird.
Da im Herbst in der Wiener Organisation Pfoch zurücklegt und der
Obmann der Privatangestellten Dallinger neuer Wiener Obmann
wird, wäre es auch nicht gerade sehr günstig, diesen Rechtsstreit
auszutragen. Effenberger hat mich dann nachmittags neuerdings
angerufen und für die Vermittlung herzlichst gedankt und der
Hoffnung Ausdruck gegeben, dass ich doch eine Schritt weiter-
kommen werde, resp. schon gekommen bin. Für mich ist das eigent-
lich nichts mehr als eine traditionelle Tätigkeit zwischen den
beiden Verbänden zu vermitteln, seitdem ich 1970 bis 1974 die
Strassenverkehrskompetenz gehabt habe. Beide Verbände versicherten
mir, dass sie glücklich wären, wenn ich noch immer für diese Frage
zuständig wäre. Ich persönlich bin allerdings sehr froh, dass ich
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sie los bin, die Kompetenz, nicht meine Vermittlerrolle.
Komm.Rat Rosenstrauch der Fa. Polkarbon ist fest davon überzeugt,
dass eine Studiengesellschaft, die er gründen möchte, die
Zweckmässigkeit einer Kohle-Pipeline zwischen Kattowitz und
Linz erbringen würde. Die Italiener möchten jetzt den Projekt
von Kattowitz bis Triest. Darin sieht er keine wesentliche Er-
sparnis, denn die polnische Kohle kann auch über Seehäfen
verschifft werden. Nach Österreich aber beträgt die Bahnfracht
15 $ im nächsten Jahr, während die Pipeline höchstens auf
5 $ pro Tonne kommt. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass
1,2 Mill. Linz-Chemie, 1,5 Mill. die VÖEST, die derzeit nur
700.000 t übernimmt und 2 Mill. t die E-Wirtschaft, die ein
1.000-MW-Werk mit 6.000 Betriebsstunden errichten müssten.
Nach Berechnungen Polkarbons würde es wesentlich billiger sein,
Kohle mit der Pipeline nach Österreich zu transportieren und
hier zu verstromen, als gleich in Polen den Strom zu erzeugen
und nach Österreich zu verkaufen. Mein Argument, es gibt in Kattowitz
nicht genug Wasser, hat Rosenstrauch bestätigen müssen, meint
aber in diesem Fall würde eine eigene Wasserpipeline von der
Donau bis Kattowitz gelegt werden, um dann einen geschlossenen
Kreislauf zu haben. Ich bin sehr gespannt, was diese Studien-
gesellschaft für Berechnungen vorlegen wird. Momentan allerdings
ist sie noch nicht einmal gegründet. Ich würde sie sehr unter-
stützen.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte kläre mit Sekt.Chef Frank, wie es
um diese Studiengesellschaft steht und wie wir sie ideel fördern
können.
Sowohl der neue Landesobmann Knafl vom ÖAAB Kärnten, als auch
dann Präs. Weiss von der Verbundgesellschaft riefen mich an,
um noch einmal um meine Intervention bei der ÖDK zu bitten, damit
man wegen der Geschäftsordnungsänderung, Dirimierung von Hautzen-
berg spricht. Knafl befürchtet, dass in allen Gesellschaften die
Dirimierung kommen würde und das könne der ÖAAB auf keinen Fall
akzeptieren. Ich verwies sofort darauf, dass ich feststellen
muss, dass nur in der ÖDK derzeit ein so schlechtes Klima herrscht,
und nichts weitergeht, während in der TKW – Tauernkraftwerke –
die beiden Geschäftsführer in bestem Einvernehmen arbeiten.
Da die ÖVP angeblich jetzt kompromissbereit ist und einen Aus-
weg sucht, habe ich von diesen Interventionen Präs. Frühbauer
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sofort telefonisch verständigt. Er wird neuerdings Kontakt
mit den ÖVP-lern aufnehmen. Im Prinzip erklärte ich aber allen,
dass ich mich nicht in die Angelegenheit der Organe einschalten
werde. Vor allem liegt die Entscheidung ausschliesslich bei diesen.
Zur Ankunft des Ministers Patolitschew bin ich zu spät gekommen
weil die Aeroflot von Moskau wegfliegt, wenn sie komplett ist
und dann eben um eine halbe Stunde zu früh ankommt. Das nächste
Mal müssen wir Vorsorge treffen, vom Flughafen sofort verständigt zu
werden, wenn Maschinen mit Ministern, die ich abholen soll,
frühzeitig landen.
ANMERKUNG HAFFNER: Bitte dies mit der Flughafengesellschaft
klären.
RA Dr. Leon von der Fa. Schrack, gleichzeitig Aufsichtsrats-
präsident, wollte mir nur persönlich die Ansuchen wegen Aus-
zeichnungsverleihung von Betriebsräten und den Firmenchef über-
bringen. Interessant war seine Mitteilung, dass Min.Rat Beroldingen
vom BKA - Protokoll ihm erklärte, er solle auch für die Arbeitnehmer
bei mir einreichen und nicht im Sozialministerium, denn bei uns
gibt es höhere Ordensgrade als dort. Man sieht, dass scheinbar
die Bürokratie im Sozialministerium grössten Wert darauf legt, dass
nur sie die Beamten entsprechend hohe Orden bekommen, die Arbeit-
nehmern, sind sie der Meinung, tiefere sind gut genug. Auch 1970
musste ich feststellen, dass in unserem Ministerium die Beamten
die Richtlinien ausgesprochen streng, d.h. schlecht für die Unter-
nehmer, die ich auszuzeichnen hatte, auslegten. Seitdem ich durch-
gesetzt habe, dass Präs. Sallinger sogar in die Regierungsetage
der Ordenstreppe gekommen ist während der Arbeiterkammerpräsident
im Sozialministerium zwei Stufen tiefer nur eingestuft wurde,
macht es scheinbar den Beamten keinen Spass mehr, grösseren
Widerstand gegen höhere Auszeichnungen zu versuchen. Mich per-
sönlich hat es immer schon gewundert, dass AK-Präsident so
schwach dekoriert wurde. Da ich ja auf Orden keinen Wert lege,
habe ich mich daher auch über dieses Emblem nicht besonders aufge-
regt. Wäre ich allerdings noch Kammeramtsdirektor, so hätte ich
diese Diskriminierung nicht akzeptiert.
Gen.Dir. Bauer, ÖMV, hat scheinbar ein schlechtes Gefühl,
weshalb er die jetzt längere Zeit unterbrochene Information
über ÖMV-Aktivitäten wieder aufnahm. Genau wie früher erscheint
er mit einem Kas-Zetterl und teilt mir strengst vertraulich die
grössten uninteressantesten Neuigkeiten mit. Da er sich bei
dieser Gelegenheit gleich wieder über Sekt.Chef Frank beschwerte,
weil dieser sich so benimmt wie ein sowjetischer Vizeminister
Ossipow im Aussenhandelsministerium. Frank glaubt die ÖMV sei ein
Vollzugsorgan wie in der Sowjetunion die Aussenhandelsorganisationen.
Ich wies diesen Vergleich entschieden zurück, sagte aber, dass
eben eine wesentliche Änderung der Energiesektion und in der
Obersten Bergbehörde eingetreten ist und noch eintreten wird.
Wenn Gen.Dir. Bauer glaubt, die ÖMV mache ausschliesslich
Energiepolitik im Interesse der Österreicher und des österr.
Staates, so mag dies subjektiv stimmen, objektiv gibt es immer
Gegensätze zwischen den Geschäftsinteressen und den öffentlichen
Interessen. Diese decken sich weder in Amerika, weshalb es jetzt
ja den Krach zwischen den Energiebehörden und dem Firmen dort
gibt, als auch bei uns natürlich in Österreich. Natürlich gibt
es Interessen, Pipelines zu bauen und Bauer ist überzeugt, dass
er mit der Pipeline in der Steiermark auch andere Lagerprobleme lösen
kann, doch wird er zur Kenntnis nehmen müssen, dass wir eben nicht
nur gelegentlich von ihm irgendetwas erfahren, sondern er gewisse
Auskünfte zu geben hat. Bauer meint, die Shell wird den 20-gr.-
Selbstbedienungsrabatt auf 30 gr erhöhen. Scheinbar ist die
Aktion nicht so eingeschlagen wie sie erwartet hat. Bauer war
sehr erstaunt von mir zu erfahren, dass es in Italien Selbst-
bedienungstankstellen gibt, wo mit einer Art Münzapparaten
allerdings mit Papiergeld, eine nichtbesetzte Tankstelle Benzin
abgibt. Da ich selbst in Siena diese benutzt habe, konnte ich
dies um so mehr behaupten. Bauer war auch sehr erstaunt, als
er bemerkte, dass ich den Rückgang der Abnahme von inlandsprodu-
zierten Produkten den Internationalen ziffernmässig nachweisen
konnte und wesentliche Erhöhungen der Importe feststellte. Bauer
meinte, ja, ja, dieses Problem mache ihnen grosse Sorgen. Darüber
zu sprechen, ist er allerdings nicht gekommen.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Kläre mit Meszaros, wie er wirklich sich
vorstellt, ein besseres Klima zwischen Behörde und ÖMV herzustellen.
In der Paritätischen Kommission musste ich den Vorsitz führen
weshalb wir in kürzester Zeit alle Tagesordnungspunkte durch
hatten. Wirklich interessant war nur, dass man sich jetzt doch
auf Sozialpartnerebene geeinigt hatte, den Semmelpreis mit 1.8.
von 1.- auf S 1.10 zu erhöhen. Selbstverständlich machte ich die
Bemerkung, dass man bei entsprechender Disziplin der Bäcker ohne
Wiedereinführung der Preisregelung und Delegierung an den Landes-
hauptmann ausgekommen wäre. Die Handelskammer stellte an mich
aber gar nicht die Forderung, dass jetzt wieder die Preis-
regelung aufgehoben wird. Ich bin allerdings fest davon über-
zeugt und habe dies nachher auch im Radio.Interview festgehalten,
dass der Herr LH von Wien jetzt darauf verzichten wird, einen
Semmelpreis festzusetzen. Für die Wiener ergibt sich jetzt die
schlechtere Situation, dass wenn sie sich wieder einmal nicht
an die Spielregeln der Paritätischen Kommission halten sollten,
der Landeshauptmann von Wien sofort imstande ist, eine Preis-
regelung in Angriff zu nehmen.
Die über 1 1/2 Stunden dauernde Aussprache mit Patolitschew
und dem Handelsrat Nikolaenko verlief wie üblich. Patolitschew
ist wie immer sehr aufgekratzt, wenn er in Wien ist, weil es ihm
hier scheinbar wirklich gut gefällt. Ausserdem sagt er, wie er dies
dann auch bei der Tischrede abends feststellte, dass wir ein kolle-
giales Zusammenarbeiten haben, weil wir uns auch schon so lange
kennen. Die Tagung wird ablaufen wie die anderen sieben, die ich
bereits mitgemacht habe, ohne Dramatik. Dies erklärte ich auch
den beiden Korrespondenten der TASS und der Prawda, die vorher
von mir entsprechende Informationen wünschten, die ich ihnen
selbstverständlich gegeben habe. Interessant war dort nur und dies
habe ich dann auch Patolitschew mitgeteilt, dass der Prawda-
Korrespondent, der jahrelang schon in Wien ist, nie versteht, dass
in den Zeitungen so pessimistisch, ja sogar so schlecht berichtet
wird, obwohl es doch in Österreich wirklich so gut ist. Ich ver-
suchte ihnen zu erklären, dass die Journalisten wahrscheinlich
in der freien Welt überall aber bei uns in Österreich ganz be-
sonders, nach dem amerikanischen Motto gehen – bad news are
good news. Nut schlechte Nachrichten sind für die Zeitung gut
für die Auflagensteigerung. Sensation ist alles! Patolitschew
bemerkte bei dieser Gelegenheit sofort, er erinnert sich noch
an die Überschrift der Presse: Patolitschew mit den leeren Taschen.
Ich bin überzeugt, dies wird er nie vergessen. Übrigens hat
genau dieselbe Frage auch der Prawda-Korrespondent an mich ge-
richtet. Wirklich entscheidend für mich war bei dieser Aus-
sprache, dass ich Patolitschew klar machen konnte, dass
Österreich bei der Lagerung von Atommüll grosse Schwierigkeiten
hat und an einem Arrangement mit der SU sehr interessiert wäre.
Da Patolitschew ja mit diesen Energiefragen nicht befasst ist,
erklärte ich es ihm bis ins letzte Detail, um es schmackhaft zu
machen, habe ich darauf verwiesen, dass Österreich jetzt im
Reaktor Komponenten sehr gut im Geschäft mit den westlichen
Staaten ist. Da die SU hier Kooperationen auf Drittmärkten auch
auf diesem Gebiet will, könnte ich mir sehr gut vorstellen,
dass auch bei der Komponenten-Erzeugung mit sowjetischen Stellen
eine engere Zusammenarbeit erfolgt. Dies gelte insbesondere
auf Drittmärkten. Patolitschew fragte nur, ob beide Problem gekoppelt
werden, was ich natürlich sofort verneinte. Patolitschew meinte
und dies mit vollem Recht, dass es sich bei der Atommüll-Frage
um ein so prinzipielles Problem handelt, dass es auf Sowjet-
Seite auf höchster Ebene entschieden werden muss. Er wird, wenn
er nach Moskau zurückkommt, sofort berichten. Davon bin ich fest
überzeugt, weil sowohl er als auch Nikolaenko hier umfangreiche
Notizen gemacht haben. Sonst ist dies bei ihm nicht üblich. Beim
Abendessen habe ich dann Sallinger und Mussil im Detail infor-
miert, nicht zuletzt, um einmal sagen zu können, wenn die Angriffe
der ÖVP härter werden, was die Regierung gemacht hat, dass ich stets
die Handelskammer auf dem laufenden gehalten habe. In diesem Fall
war dies aber nicht mehr als eine Geste, weil ich ja alle Ver-
handlungen immer mit dem Handelsdelegierten Dr. Canisius führe.
Diesmal war sogar der österr. Botschafter aus Moskau dabei, der
sich für die Gemischte Kommission nach Wien einberufen liess.
Diese Entscheidung trifft allerdings das Aussenamt in Eigenregie,
ich selbst mische mich da nicht hinein. Wenn die Botschafter kommen
wollen, sollen sie sich das mit Pahr ausmachen. Mir persönlich ist
es wirklich ganz egal.
Tagesprogramm, 6.7.1977