Freitag, 9. September 1977
Frau Richfield, die in Amerika bei Radio-Anstalten für Österreich
insbesondere Musiksendungen-Propaganda machen, kommt immer mit
neuen Ideen und ich habe sie diesmal mit Dr. Oberländer, Fremden-
verkehrsabteilung, zusammengebracht. Verwundert hat mich, dass
sie auf dem Standpunkt steht, in Amerika ist alles in bester
Ordnung, denn die Amerikaner haben so viel Geld, es wird soviel
gekauft und ausgegeben, in ihren Augen gibt es gar kein Problem.
Ich kann mir vorstellen, dass dies auch die normale Reaktion
vieler Amerikaner ist, die gar nichts anderes kennen, als Geldver-
dienen, Geldausgeben, alles ist in schönster Ordnung, auch dann
wenn es Millionen Arbeitslose gibt. Ihre weitere amerikanische
Methode, mir bei jedem Besuch ein Geschenk mitzubringen, dies-
mal wäre es ein Tischrechner gewesen, wird für mich peinlich, weil
ich ihr jedesmal noch gesagt habe, dass ich dies nicht brauche und
nicht will. Von unserer Tombola-Einrichtung wollte ich auf der
anderen Seite auch nichts sagen, weil in Wirklichkeit ich nicht
ganz überzeugt, ob sie sich diese wenn auch nicht sehr wertvollen
Geschenke leisten kann.
Bei der Sektionsleitersitzung setze ich diesen neuerdings ausein-
ander, dass wir im nächsten Jahr 1 % unseres Personalstandes ein-
sparen müssen. Derzeit sind von unseren Dienstposten durch Pensio-
nierung noch 2 1/2 offen. Da im nächsten Jahr 9 eingespart werden
müssen, bleiben noch 6 1/2 zu decken.
Die Frage von Min.Rat Ottahal, wie in Hinkunft mit der Volksan-
waltschaft verkehrt werden soll, wird von mir eindeutig dahin-
gehend entschieden, dass alles über Dr. Wais von meinem Büro
zu laufen hat. Jedwede Vorsprache, jeder Akt muss über das Büro
gehen. Diese Entscheidung ist meiner Meinung nach deshalb auch
personell leicht zu begründen, weil Dr. Wais die Sekretärin des
uns zustehenden Volksanwaltes Zeillinger seit der Jugend kennt.
Die Methode, schriftlich schon die Aktivitäten der einzelnen Abtei-
lungen und Sektionen bei mir zu hinterlegen, erleichtert die
Sektionsleitersitzung und kürzt sie wesentlich ab. Der Nachteil
ist nur, dass ich selbstverständlich diese Berichte nicht lese
und daher dann doch darauf angewiesen bin, aus der guten Zusammen-
fassung der Tagesordnung und dann noch aus den ergänzenden mündlichen
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Berichten das Wichtigste mir zu merken. Die Sektionsleiter-
sitzung in dieser Art, wie wir sie jetzt handhaben, ist eigentlich
festgefahren. Sie hat nicht wie erwartet, das Diskussions-
forum gebracht, wo wirklich über die Sektion hinaus für das
Handelsministerium Probleme besprochen, diskutiert und letzten
Endes entschieden werden. Ich persönlich glaube, dass sich
hauptsächlich die noch immer im Sektionsbereich operierenden
Sektionschef, die zugegebenermassen ihre eigene Arbeit ihre ganze
Zeit aufwenden müssen, kaum über Probleme einer anderen Sektion
sich den Kopf zerbrechen. Viel schlimmer ist, dass ich noch
immer feststelle, dass zwischen den einzelnen Sektionen kaum
koordiniert, geschweige denn zusammengearbeitet wird. Auch
funktioniert die Zusammenarbeit mit dem Büro nicht mehr so, wie
dies früher der Fall war. Sekt.Chef Frank war nicht anwesend,
weshalb ich die Frage der Aktenvorlage an das Büro, bevor
wichtige Briefe in meinem Namen hinausgehen, im einzelnen nicht
besprechen konnte.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte den Fall "Lagerstättenuntersuchung
für Kernkraftwerk" mit Frank besprechen.
Die wichtigste Funktion dieser Art der Sektionsleiterbesprechung
liegt nach wie darin, eine gute Grundlage zu bilden, um ein
umfassendes Protokoll der Tätigkeit zusammenzustellen. Dies geht
dann in die Sektionen, wird dort vielleicht gelesen, geht aber,
was das Wichtigste ist, ins Bundeskanzleramt und erfüllt des-
halb die Aufgaben, die durch das neue Ministeriengesetz den einzelnen
Ministern in Informationspflicht des Bundeskanzlers auferlegt
wurde.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Versuche zu klären, ohne dass Du im BKA
etwas aufrührst, was mit diesen Berichten tatsächlich geschieht.
Die Sendung "Argumente" möchte eine neuerliche Fremdenverkehrs-
sendung machen. Herr Schiejok spricht deshalb mit jeder Seite
der Beteiligung und vor allem den Umfang der Diskussion ab. Schiejok
fürchtet, dass jetzt im Fernsehen Programm I, dem er auch angehört,
eine neue Fremdenverkehrssendung gebaut wird. Er hat davon gehört
und ersucht mich, bei Blecha diesbezüglich zu intervenieren,
dass nicht jemand kommt, der womöglich dann ausschliesslich von
der Unternehmerseite eine solche Serie starten kann.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Versuche zu klären, wie die Sache steht.
Bei der Einäscherung unseres Gen. Kerschbaum, Sekretär auf der
Landstrasse trifft man dann die alten guten Genossen, die man
sonst jahrelang nicht mehr sieht. Kerschbaum war, als ich vor
20 Jahren vom damaligen Parteiobmann Stadtrat Thaller aufgefordert
wurde, mich im dritten Bezirk zu betätigen, ein seit 1945 tätiger
Bezirkssekretär. Kerschbaum hat aber bereits in der ersten Repu-
blik seit seinem 18. Lebensjahr in der Landstrasser Organisation
mitgewirkt. Nach Auflösung der Partei war er sofort Mitglied der
revolutionären Sozialisten und nach der Verhaftung Mantlers auch
Bezirksleiter der revolutionären Sozialisten. Dafür wurde er
von den Austro-Faschisten 7 Monate in Untersuchungshaft und
4 Monate in Wöllersdorf inhaftiert. Er war ein nüchterner aber
doch sehr freundschaftlicher Genosse, der mir in jeder Beziehung wohl-
gesinnt war und mich auch jederzeit unterstützte. Wenn es oft
lange Diskussionen gab und er vielleicht auch schon ein wenig
nervös wurde, dann meinte er zu mir, dies ist halt bei einer
Vereinsmeierei nicht anders. Wenn man bedenkt, dass trotz seines
Wunsches von Kranzspenden abzusehen und den Betrag den Kinderfreun-
den zu geben, noch immer sehr viele Kränzen auch natürlich die
unserer Bezirksorganisation dort waren, so würde ich zum ersten
Mal äussere ich so etwas wünschen, dass man bei mir überhaupt
einen Kranz oder Blumenspende verbietet und den Betrag für
karitative Zwecke gibt. Ich glaube und fürchte aber, dass auch
bei solchen Begräbnisfeierlichkeiten das Inerscheinungtreten, wenn
nicht anders so durch einen Kranz von vielen bevorzugt wird,
statt den Betrag tatsächlich dem karitativen Zweck zuzuführen.
Beim Jour fixe mit ÖGB und AK vereinbarten wir, dass die Preis-
erhöhung von Mercedes im Preisunterausschuss überprüft werden soll.
Die Mercedes-Vertretung hat gegenüber Dritten schriftlich be-
hauptet, sie hätte die Preiserhöhung mit Genehmigung des Handels-
ministeriums durchgeführt. Davon kann natürlich überhaupt keine
Rede sein. Der ÖGB verlangt, dass jetzt endgültig über Transport-
beton-Preiserhöhung von mir die Firma vorgeladen wird. Diese
Kritik ist berechtigt, denn vor langer Zeit habe ich bereits
ersucht, man soll nach Rückkunft der Verantwortlichen Direktoren
der Firma eine Besprechung bei mir vereinbaren. In der Zwischen-
zeit sind Monate vergangen und nichts ist geschehen.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Wieso wurde dies so verschlampt?
Ursprünglich bestand die Absicht, im Pressegespräch am Montag
die Tariferhebung von 250 Fahrschulen der Öffentlichkeit mit-
zuteilen. Nicht zuletzt wegen der gespannten Situation der
Bundeskammer und der Regierung habe ich mich doch entschieden,
davon Abstand zu nehmen. Zweckmässig erscheint mir auch, vorerst
den Unterausschuss der Paritätischen mit diesem Problem zu be-
fassen, Dort kann die Handelskammer entsprechende Änderungen vor-
schlagen, in weiterer Folge werden wir dann sehen, ob die Fahr-
schulen sich an diese Empfehlungen halten und eine neue Erhebung
durchführen. Sollte sich dann herausstellen, dass noch immer bis
zu 90 % Preisunterschiede existieren, dann werde ich natür-
lich diese Ergebnisse verlautbaren. Da der Fachverband einen Preisantrag
jetzt beim Preisunterausschuss gestellt hat, kommt unsere Erhebung
gerade zum rechten Zeitpunkt.
Dr. Koppe vom VKI möchte eine fraktionelle Diskussion, wie wir
die Konsumentenbeiratsarbeit verbessern. Koppe und einige andere
fürchten, dass jetzt im Justizministerium durch das Konsumenten-
schutzgesetz eine wesentlich andere Form der Erstellung von Gesetz-
entwürfen und Vorschlägen eingeschlagen wird. Bis jetzt war es
bei uns im Handelsministerium üblich, dass wir mit der Handelskammer
und deren Organisationen weitestgehend einen Konsens erzielt haben.
Broda selbst macht dies höchstens im parlamentarischen Raum,
wodurch die Interessensvertretung der Arbeitnehmer doch mehr
ausgeschaltet ist als dies bei uns im Handelsministerium der Fall
ist. Koppe befürchtet ausserdem zurecht, dass jetzt schön langsam
in der Handelskammer immer stärker gegen diese Konsenspolitik im Han-
delsministerium polemisiert werden wird. Es ist anzunehmen, dass
man auch dort schön langsam auf harte Konfrontation schaltet.
Koppe wird ein Grundsatzpapier ausarbeiten und allen Interessierten
zustellen, damit wir dann darüber eine Diskussion abführen können.
Interessant war, dass bezüglich der Kennzeichnung von importierten
Waren. Lachs vom Konsum glaubt, dass wir hier keine Möglichkeit
haben, an der Grenze bereits die Kontrollen durchzuführen. Er
schlug deshalb vor, wir sollten das UWG-Gesetz ändern, resp.
eine andere gesetzliche Bestimmung zu schaffen. Genau dies wäre
aber gar nicht notwendig, denn ich könnte als Handelsministerium
selbst auf Grund des UWG-Gesetzes bei Inverkehrsetzen der Ware
eben bestimmen, dass dies bereits beim Grenzübergang der Fall ist
und nicht wie jetzt erst gehandhabt wird, wenn der Verbraucher oder
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der Kleinhändler diese Ware kauft resp. verkauft. Voraussetzung
dass ich eine solche Verordnung erlassen kann, ist, dass der
Finanzminister dem zustimmt. Bisher hat er sich strikte ge-
weigert, weil er zwar zugibt, dass die Kontrollmöglichkeiten
an der Grenze wesentlich leichter und besser zu handhaben sind,
dass aber er dafür keine Zollbeamten einsetzen kann. Diese sind
mir ihren bisherigen Aufgaben voll ausgelastet.
Der in den Fünfzigerjahren geschaffene Holzwirtschaftsrat auf
Grund eines Erlasses des Handelsministerium hat eine fragwürdige
juristische Basis. In der letzten Zeit waren unsererseits starke
Bemühungen, die Arbeiterkammer in den Holzwirtschaftsrat einzu-
bauen. Die Landwirtschaftskammer aber auch die Handelskammer
lehnten dies ganz entschieden ab. Ich habe deshalb Sekt.Chef
Wanke ersucht, er möge eine diesbezügliche Aussprache mit den
Interessensvertretungen beginnen. Dort sollte man jetzt nachdem
die gesetzliche Grundlage so fraglich ist, auf diesen Tatbestand
besonders hinweisen. Wenn dann noch immer die Landwirtschafts-
kammer und ganz besonders die Handelskammer dagegen Stellung nimmt,
dass der Erlass saniert wird und bei dieser Gelegenheit gleich-
zeitig die Arbeiterkammer eingebaut wird, dann werde ich ganz
einfach aus Rechtsgründen und vom Verfassungsdienst angeregt,
den Holzwirtschaftsrat auflösen. Dies würde für die Landwirtschaft
bedeuten, dass ihre Organisation, die sie sich aufgebaut haben,
selbst finanziert werden muss. Jetzt arbeiten sie auf Grund des
Erlasses mit einer Zwangsumlage.
ANMERKUNG FÜR PLESCH UND WANKE: Bitte vor der Sitzung schon infor-
mell und strengst vertraulich die Handelskammer davon informieren.
Sekt.Chef Wanke berichtet über die organisatorische Änderung
der Wirtschaftlichen Landesverteidigung. Ihm ist geglückt, aus
dem Verteidigungsministerium einen hohen Generalstabsoffizier
für den Vorsitz eines solchen Planungsstabes zu gewinnen. Ausserdem
wird er den ehemaligen Kammerangestellten Dr. Snahowicz, der
dann jahrelang wieder beim Militär als Wirtschaftsmann arbeitete,
und jetzt in Pension ist, zu Arbeiten heranziehen. Gleichzeitig
wird er versuchen, die Arbeiterkammer und den Gewerkschafts-
bund stärker in die wirtschaftliche Landesverteidigung einzu-
schalten. Mir erschien es nämlich vom Standpunkt der Interessen-
vertretung schon jetzt ungeheuer wichtig, einen gut informierten
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Vertreter nominiert zu bekommen, wenn auch jetzt zuerst einmal
ein theoretisches Planspiel beginnt, so muss man doch schon
die notwendigen für die Konsumenten und ganz besonders für die
Arbeiter wichtigen Gesichtspunkte berücksichtigen. Dafür ist
meiner Meinung nach ein entscheidungsfähiger und auch entsprechend
ermächtigter Vertreter dringendst notwendig.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Versuche, dass Dir der ÖGB und die AK nicht
nur einen reinen Theoretiker schicken.
Bei der Eröffnung des Bürogebäudes der Fa. Holzmann und der
gleichzeitigen Überreichung eines Staatswappens war ich schon
bei Beginn unangenehm überrascht. Zu meiner grössten Verwunderung
hat man die geladenen Gäste eine halbe Stunde vor meinem Eintreffen
eingeladen, alle sassen dort bereits und warteten auf mich.
Stadtrat Mayr, Präs. Igler, Gen.Sekr. Mussil, Präs. Dittrich
und viele andere.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Wieso war dies möglich?
Bei der Ansprache ist Mussil natürlich sofort auf die jetzige
kritische Situation zu sprechen gekommen und meinte, er hoffe,
dass das Handelsministerium resp. der Handelsminister die Wirtschaft
in jeder Beziehung unterstützt. Präs. Igler hat dann ganz besonders
gemeint, er weiss, der Handelsminister steht auf Seite der
Wirtschaft und er erwartet diesbezügliche Unterstützung. Natürlich
ging ich sofort auf alle Vorwürfe ein und stellte eindeutig klar,
dass solange man verhandelt, man nicht demonstrieren soll
und ich diese Politik auf gar keinen Fall unterstütze. Der Wirtschafts-
bund hat vielleicht politisch von seinem Standpunkt richtig ge-
handelt, taktisch war dies auf alle Fälle falsch. Ich habe es
jetzt verhältnismässig sehr leicht, mich von der ganze Materie
zu distanzieren, resp. keine Stellungnahme abzugeben, weil ich
eben rundweg erkläre, dass die Vorgangsweise und das Verhalten,
zuerst demonstrieren und zu erklären, was immer bei den gesetzlichen
Verhandlungen herauskommt, wird von vornherein abgelehnt, von
niemandem als richtig empfunden wird. Wirklich interessant
ist die Entstehungsgeschichte dieser Firma. Von kleinsten Ge-
schäften, allerdings vor 120 Jahren beginnend, nach dem zweiten
Weltkrieg aber wieder aus dem Nichts wurde ein Cash- and Carry-
Grosseinkaufszentrum für Wiederverkäufer für tausende Artikel
geschaffen. Der Firmeninhaber war sehr froh, dass ich in meiner
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Rede nicht den Umsatz, der über 500 Mill. S beträgt, erwähnt
habe. Ihm ist es gelungen, wie meine Vorredner auch heraus-
strichen, das Unternehmen ohne Fremdkapital aufzubauen und
auch jetzt noch immerzu führen. Schon daraus ergibt sich für
mich, welche grossen Handelsspannen und damit Kapitalbildungs-
vermögen in einem gut geführten Handelsbetrieb möglich ist,
zu erwirtschaften.
Tagesprogramm, 9.9.1977