Samstag, der 22. Oktober 1977

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Samstag, 22. Oktober 1977

Die Eröffnung der Ausstellung gutes Design und die Überreichung
der Preise erfolgte diesmal in der Fussgängerzone im 10. Bezirk
im Freien bei sehr schlechtem Wetter, was mich am meisten beeindruck-
te war, dass dort fast für 1 Mill. Ausstellungsobjekte sehr primitiv
in Plastikbehältern Tag und Nacht stehen sollen. Natürlich wird es
von der Wach- und Schliessgesellschaft bewacht, wenn dort aber
nichts gestohlen wird, dann muss ich sagen, ist es wirklich ein
österreichisches Phänomen. Ich habe die Veranstalter ersucht, sie
sollen mich verständigen, wenn irgendetwas vorkommt.

Anschliessend habe ich ausser Programm den Österreich-Zug über
"Kauft österr. Qualität" am Südbahnhof der zur selben Zeit eröffnet
wurde, besucht. Die Handelskammer-Leute haben mich dazu aufgefordert.
Ich nützte die Gelegenheit, mit allen Funktionären der Handelskammer
über das Problem Kauft österr. Qualität ähnlich "buy British" zu be-
sprechen. Überall bin ich auf positive Zustimmung gestossen.
Mein Vorschlag, dafür den Verein für Konsumenteninformation einzu-
schalten wurde von diesen kleineren und mittleren Funktionären
begrüsst. Ich hoffe, dass es mir gelingt, mit der Handelskammer-
Spitze auch ein Arrangement zu finden.

Die Aussprache mit den Fett- und Fleisch-Arbeitern im Hueberhaus war
insofern sehr einseitig, als man weniger auf die wirtschaftliche
Situation zu sprechen kommt, das interessiert die Leute doch
noch noch immer viel zu wenig, sondern ausschliesslich über ihre
Lohnpolitik diskutiert wurde. Die Kolleginnen und Kollegen sind
glaube ich nach wie vor der Meinung, wie wir es machen, ist es gut,
das grösste Problem für sie ist, wie können sie doch zu besserem
Lebensstandard, d.h. zu höherem Lohn kommen. Da in dieser Gruppe
unser christlicher Sekretär Hacker arbeitet, hat er sehr geschickt
und gar nicht gehässig mir immer wieder gesagt, bei den Betriebs-
besuchen kann er feststellen, dass ihn Kollegen fragen, wann
kommt die nächste Lohnsteuersenkung, wie wird es mit der Wirtschaft
im Staatshaushalt weitergehen usw., mit anderen Worten, alles
was die ÖVP heute ebenfalls an aktuellen Problemen aufzeigt. Dadurch
hatte ich Gelegenheit, freimütiger über die ÖAAB-Forderungen zu
referieren und dann natürlich entsprechend zu antworten. Einmal
mehr konnte ich – und Hacker ist sogar damit innerlich einverstanden –


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wie er durch einzelne Bemerkungen immer wieder bestätigt –
meine These vertreten, ÖAAB schlecht, christliche Gewerkschafter
gut. Nach dem Slogan von Animal Farm: two legs bad, four legs
good.

Die 100-Jahrfeier der Fa. Morawa zeichnete sich nur dadurch aus,
dass wirklich von fast ganz Europa Verleger resp. Verteiler
gekommen sind, um diese grösste österreichische Firma entsprechend
zu ehren. Thomas Chorherr von der Presse hielt ein sehr geschicktes
Referat und nachher sagte er zu mir, er hätte ja kaum eine wirkliche
Laudatio für die 100-Jahrfeier anders halten können. Er befasste
sich primär mit dem Journalismus und den Zeitungen. Viele sind
nachher zu ihm gekommen und haben ihm gratuliert, ich selbst muss
auch gestehen, dass dies ein sehr geistreicher Referat war, gut
vorgetragen, dem ich streckenweise ohne weiteres auch zustimmen
konnte. Insbesondere beschwerte sich Chorherr über den Verfall
der österr. Journalistik durch die Journalisten selbst. Bei dieser
Veranstaltung lernte ich auch den Direktor Fritz kennen, der
entweder bei der Presse oder bei irgendeiner sonstigen ÖVP-Organisa-
tion tätig sein muss. Dieser beschwerte sich bei mir, dass er sich
bemüht hat, für die österr. Managementschulung entsprechende
Inserate zu bekommen, das Handelsministerium auch schon für eine
Publikation, welche die österr. Managementinstitute herausgeben
wollten, zuerst zustimmte, einen finanziellen Zuschuss zu geben
und jetzt ein Ministerialrat erklärt hat, es gibt dafür kein Geld.
Ich habe selbstverständlich auch nichts zugesagt, sondern mir nur
demonstrativ aufgeschrieben, dass ich die ganze Angelegenheit mir
vorlegen lasse.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Wer ist Fritz und um was für ein Projekt
handelt es sich hier.

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Tagesprogramm, 22.10.1977


GND ID: 1017902909


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    Tätigkeit: christl. Lebensmittelarbeitersekr.


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      Tätigkeit: Chefredakteur "Die Presse"


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