Mittwoch, 2. November 1977
Handelsrat Nikolaenko hatte von Minister Patolitschew den
Auftrag unverzüglich mit mir über den Verkauf der 200.000 t
Weizen zu reden. Ich gab ihm sofort diesen Termin, damit er
sich wenigstens nicht darüber beschweren kann, vom Handelsmini-
sterium nicht jederzeit empfangen zu werden. Der Getreidehändler
Mauthner hatte mit ihm ein ausführliches Gespräch und bei dieser
Gelegenheit neuerdings festgestellt, dass die Sowjets nur bereit
wären, den Weltmarktpreis zu bezahlen. Ich erklärte Nikolaenko
dass unter diesen Umständen ein Kontrakt kaum zustande kommen
wird. Die Polen haben einen Tauschkauf abgeschlossen. Sie be-
kommen jetzt 200.000 t Getreide und liefern diese nach 3 Jahren
wieder nach Österreich zurück oder bezahlen ihn dann zu diesem
Zeitpunkt. Die Sowjets legen auf eine solche Konstruktion
überhaupt keinen Wert, dort ist es auch nicht notwendig, denn der
österr.-sowjetische Handel ist derzeit von österr. Seite gesehen
hochaktiv. Ich erklärte Nikolaenko, dass man bei 3.30 S Er-
zeugerpreis den Finanzminister höchstens dazu bringt, dass er
die 80 Groschen, welche die Lagerung im Jahr kostet, dazuzahlt,
das ergäbe einen Preis von 2.50 S. Wenn die Sowjets auf einen Welt-
marktpreis bestehen, der derzeit 1.70 S beträgt, so sind noch
immer 80 Groschen ungedeckt. Nikolaenko sagte, dafür sei er
nicht zuständig, doch möchte er von mir nur wissen, mit wem er
verhandeln kann. Angeblich wurde ihm mitgeteilt, dass ein Komitee
jetzt über die Frage der Stützungen endgültig entscheiden wird,
doch hat er bis jetzt noch immer nichts gehört. Ich versprach
mit Landwirtschaftsminister Haiden eine diesbezügliche Lösung
zu besprechen. Nikolaenko ersuchte, ihn von dem Gesprächsergeb-
nis telefonisch zu benachrichtigen. Für mich ist es gar keine
Frage, dass die Sowjets daran sehr interessiert sind, zu einem
Kauf zu kommen.
Haiden hat mir bei der Ministerratsvorbesprechung erklärt,
dass das Hauptproblem noch immer die Stützungsdifferenz ist.
Selbstverständlich war er sofort bereit, ein Komitee zu
nominieren. Wir einigten uns, dass Min.Rat Stühlinger von seinem
Ministerium und Dr. Tausch von seinem Büro, vom Handelsministerium
Min.Rat Fälbl und vor allem einmal die beiden Getreidehändler-
vertreter Lunacek vom Verband ländlicher Genossenschaft und
Mauthner Nikolaenko bekannt zu geben sind. Da mich Nikolaenko
39-1238
aufmerksam machte, als ich ihm erzählte, dass sie ja jetzt feiern und
ich zur 40-Jahr-Feier in der Sowjetunion vom Gewerkschaftsbund dele-
giert gewesen bin, dass ich diesmal sicherlich Herrn Minister
Patolitschew gratuliert habe, was ich aber nicht getan hatte,
habe ich an Patolitschew einen Brief gerichtet, worin ich ihn
über die Entwicklung der Verhandlungen über den Getreidekauf in-
formierte und gleichzeitig das Verhandlungskomitee schriftlich mit-
teilte.
Unser Personalvertreter Dr. Herold kam ein wenig aufgeregt, um mir
mitzuteilen, dass in ihrem Büro eingebrochen wurde und die Perso-
nalvertretungsakte seit 1972, welche die Überstellung und Umstellung
der einzelnen Kolleginnen und Kollegen betrifft, verschwunden sind.
Er teilte mir mit, er würde die Sicherheitsbehörde davon verständigen,
womit ich sehr einverstanden bin.
In der Ministerratsvorbesprechung hat Kreisky einen Brief des Bürger-
meisters Götz von Graz zur Sprache gebracht, wo dieser die Einnahmen
der Transitsteuer für die Gastarbeiterroute verlangt. Lausecker
versuchte ihm zu erklären, dass 7 Punkte, die die Steirer aufgestellt
hätten, 5 bereits von der Regierung realisiert sind und eine
Zweckbindung nicht vorgesehen ist. Kreisky war darüber sehr
ungehalten, denn er meint, es kommt nicht auf die sachliche Diskussion
ausschliesslich an, sondern Götz möchte nur eine Wahlplattform für
seine Gemeinderatswahlen, da er die letzte auch mit der Autobahn-
trassenführung gewonnen hat. Moser versuchte zu erklären, dass
die steirische Landesregierung im Verzug ist, denn er verlangte
einen Beweissicherungsstollen bevor der Tunnel gebaut werden kann
und die Landesregierung hat nichts gemacht. Auch diese Auskunft be-
friedigte Kreisky nicht, da er davon überzeugt ist, zuerst muss
den Steirern gezeigt werden und insbesondere den Grazern, wie
dieses Problem gelöst wird. Das Antwortschreiben an Götz muss so ge-
staltet werden, dass eben daraus nicht politisches Kapital gezogen
werden kann. Androsch erklärte, dass er jetzt mit den Steirern eine
Aussprache über die Finalisierung der Pyhrn-Autobahn führen wird
und damit war Kreisky nicht nur einverstanden sondern auch zufrieden.
Immer mehr zeigt sich für mich, dass Kreisky mit dem Finanzminister
doch den meisten Kontakt hat, ständig alles mit ihm bespricht, wes-
halb Androsch am besten weiss, was Kreisky hören will und welche
Lösung er anstrebt. Mit allen anderen Ministern hat er nicht annähernd
39-1239
einen ähnlichen Kontakt, meistens wie z.B. mit mir fast gar keinen,
was mir nur sehr recht ist, weshalb es aber äusserst schwierig
ist für diese Minister seine Absicht genau zu kennen.
Aus Bern hat ihm der österr. Botschafter einen Bericht über die
Entwicklung des Aussenhandels mit der Schweiz geschickt. Kreisky
ist davon überzeugt, dass bei unserer Aussenhandelsentwicklung die
Handelsdelegierten einen Grossteil der Schuld dieser Entwicklung
tragen. Die Chancen wurden nicht genützt, man hat die Schwierigkeiten
nicht erkannt und was in Wirklichkeit nur bleibt ist eben die Importe
nur entsprechend zu drosseln und eine protektionistische Politik
zu machen. In diesem Bericht soll auch der anmassende Ton der
Schweizer kritisiert werden.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte feststellen, ob wir den Bericht bekommen
haben.
Vom Finanzministerium, Sektion II, hat Kreisky ein Kommentar zum
Taus-Plan bekommen. Vom abwesenden Sozialminister wollte er eine
Aufstellung, was eigentlich schon alles vom Taus-Plan verwirklicht
wird. Vor allem aber sprach er sich ganz entschieden dagegen aus,
von einem Taus-Plan zu reden, damit nicht dieser zu stark propa-
gandistisch aufgewertet wird. Hier kommt ihm wieder einmal, ohne
dass er es sagte, der Umstand zugute, dass innerhalb der ÖVP
jetzt scheinbar wieder eine Diskussion entbrannt ist, ob es
sich hier um einen Alleingang des Parteiobmannes handelt, oder ob
nicht doch die ganze Partei erklären sollte, dass sie dahintersteht
und gemeinsam diesen Plan erarbeitet hat. Ich bin überzeugt davon,
wenn jetzt eine härtere Attacke gegen diesen Plan eingeleitet wird,
dann die ÖVP sofort in diesem Punkt wieder zerfallen wird und ein-
zelne erklären werden, sie haben damit nichts zu tun, resp. so und
so haben sie sich das vorgestellt. Kreisky meinte, die Jugend-
arbeitslosigkeit sei bei uns nicht vorhanden und im Bundesbudget ent-
sprechende Vorkehrungen getroffen, aus den AFM-Beträgen seien den
Unternehmern jetzt bereits Prämien bezahlt worden, wenn sie Arbeiter
weiter beschäftigen resp. neue Arbeitsplätze schaffen. Androsch
ergänzte, dass heute von der produktiven Arbeitsmarktfürsorge der
zehnfache Betrag gegenüber 1970 bereitgestellt wird. Wenn jetzt Taus
neue Prämien möchte und die Lohnsummensteuer dafür herangezogen würde,
dann gehen den Gemeinden 7 Mia. S verloren. Wenn eine Energiesteuer
eingeführt wird, würde dies nur die Industrie entsprechend belasten.
Die Verbesserung des Karenzgeldes würde die Arbeitslosenver-
sicherung und insbesondere den Familienfonds treffen. Diese analytischen
Ziffern des Taus-Planes stimmen auch nicht, denn er nimmt an, dass
die Arbeitslosigkeit der Frauen fünfmal so hoch ist als die
normale, in Wirklichkeit sind es nur doppelt so viele. Tatsache ist,
dass das Finanzministerium diesen Plan sofort bearbeitet hat und
entsprechende Informationen zusammenstellte. Im Handelsministerium
ist bis jetzt nichts geschehen.
ANMERKUNG AN ALLE: In so einer wichtigen Sache muss sofort der Plan
verschafft werden und innerhalb einer kürzesten Zeit die Analyse mir
vorgelegt werden.
Blecha wollte von Androsch eine Information, wie es jetzt mit
der Sanierung der Wien-Film steht, resp. wie diese jetzt bei den
Verhandlungen des ORF mit Filmverkäufern eingeschaltet werden soll.
Androsch erklärte, dass der ORF jetzt wieder für die nächsten Jahre
Filme einkauft und er auf dem Standpunkt steht, dass die Wien-Film
ebenfalls heranzuziehen ist. Die Studios stehen leer, haben jetzt fast
keine Aufträge und überall in Deutschland wird für den ORF produ-
ziert resp. zumindestens synchronisiert. Kreisky erklärt, dass
Dr. Kirch, der angeblich vor dem Bankrott steht, alles an sich
gerissen hat. Die Deutschen wehren sich bis jetzt sogar erfolgreich,
dass wo anders synchronisiert wird als eben in der BRD. Androsch
erklärte, dass Dr. Kirch alle Rechte besitzt sowohl was die
Staatstheater betrifft, Oper, Burg, Ballette, alle Sänger, alle
Schauspieler, alle Chöre ja sogar alle Orchester, Philharmoniker
usw. Aufgabe der Vertreter im ORF müsste es sein, dass dieser jetzt
auch in Österreich produzieren lässt. Die Wien-Film müsste mit
ihren Studios und Synchronisierstätten bei diesem Anschluss herangezogen
werden. Kreisky wollte wissen, wie der finanzielle Status der
Wien-Film ist, doch hat Androsch ausweichend geantwortet, dass man
natürlich theoretisch zusperren müsste aber noch nicht weiss,
wie die Filme, die produziert wurden, welches Einspielergebnis sie brin-
gen. Antel behauptete mir gegenüber, dass sie kaum zu verkaufen
sind, was eine riesige Pleite bedeuten würde. Verständlich, dass
Androsch jetzt versucht auf diesem Weg die Wien-Film einzuschalten.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Wie geht es mit unserem Filmförderungsgesetz-
Entwurf weiter, den werden wir jetzt dringendst brauchen.
Lanc berichtet, dass zur Kontrolle in Schwechat zwei Anlagen
wie sie in Zürich gehandhabt werden, ca. 1,5 Mill. S je Stück,
in Linz und in Graz je eine zur Durchleuchtung des Gepäcks
dringend gebraucht werden. Eine Finanzierung durch den Staat
kommt nicht in Frage sondern die Hafenbetriebsgesellschaften sollen
sie selbst kaufen. Da der Bund aber dort mit 50 % beteiligt ist,
entsteht indirekt für den Bund eine entsprechende Belastung.
Leodolter verwies darauf, dass die Behauptung, das Gesundheitsmini-
sterium verhindere eine solche Kontrolle, wie NR Prechtl gesagt
hatte, nicht stimmt. Tatsächlich liegt in Schwechat nur ein Unter-
suchungsgerät der El Al um 3 Mill. S, das heute aber bereits über-
holt ist, denn mit diesem Gerät konnte nur im Unterdruckverfahren
Sprengstoff im Reisegepäck festgestellt und zur Explosion gebracht
werden. Ein Verfahren, was man heute überhaupt nicht mehr anwendet,
wie Rösch sofort erklärte. Wieder einmal mehr war dies für mich der
Beweis, wie selbst Nationalräte von uns und Prechtl hätte sich schon
allein kraft seiner Funktion als Obmann der Eisenbahner und gleichzeitig
Obmann der Internationale der Transportarbeiter ohne weiteres genau
erkundigen können, wie die Situation in Schwechat wirklich ist.
Statt dessen hat er irgendeine Information, ohne sie zu prüfen,
die ihm irgendwer gegeben hat, weitererzählt, Informationsmangel, resp.
Teilinformationen, die meistens falsch sind, führen, das konnte
ich in der jetzt jahrelangen Funktion als Minister feststellen, meistens
zu den entsprechenden blamablen Aussagen. Dass mir dies bis jetzt
noch nicht passiert ist, führe ich einerseits auf meine vorsichtige
Vorgangsweise, aber grösstenteils doch auf Glück zurück.
Im Auftrag des Ministerpräsidenten Begin habe ich Kreisky seine
Grüsse ausgerichtet und ihn bei dieser Gelegenheit gleich über
die Aussprache mit Begin informiert. Kreisky meinte, ein Kauf von den
Kfir kommt jetzt überhaupt nicht in Frage und auch die Idee, diesen
bei uns zu assemblieren, sei momentan nicht spruchreif. Die beiden
Projekte: Kanal zum Toten Meer und Eisenbahn nach Eliat sollte
man weiter verfolgen, obwohl er diesen auch momentan keine grosse
Chance gibt. Wichtigste Voraussetzung, um mit Israel einen grösseren
Vertrag abschliessen zu können, ist, dass es gelingen möge, eine
wie immer geartete Friedensregelung zu erreichen. Minister Rösch habe
ich ebenfalls über die Besichtigung und Besprechungen im Detail in-
formiert und dieser meinte nur, friedlich und freundschaftlich wie
immer, er hätte dies sowieso schon aus den Zeitungen entnommen.
Wanke berichtete mir, dass eine Aussprache mit Ing. Riedl von
Manner, der gleichzeitig Geschäftsführer des Markenartikelverbandes
ist, ergeben hat, dass sich die österr. Industrie sehr benachteiligt
fühlt. Nachweisbar bekommen die Importeure von den ausländischen
Lieferanten Kredite zu 3 %, während österr. Produzenten für die Betriebs-
mittelkredite mindestens das dreifache bezahlen müssen. Eine Regelung
bei Handelsspannen bei Importwaren, wie sie jetzt der ÖGB und
die AK verlangen durch Einbeziehung in der Paritätische Kommission
wird kaum etwas bringen, da die Handelskammer erstens dem nicht zu-
stimmen wird und zweitens selbst, wenn es gelänge, dann entsprechende
Umgehungen ohne weiteres möglich sind. Eher scheint der Weg ziel-
führend, die inländischen Handelsspannen aus der Preisregelung
der Paritätischen herauszunehmen. Wir einigten uns, dieses Problem
beim nächsten Jour fixe mit AK und ÖGB zu besprechen.
Min.Rat Sterk urgierte neuerdings die Genehmigung der Überprüfung
der Bergbehörden in den Ländern durch ein Professorenkollegium.
Diese Überprüfung wird zwar eine schöne Stange Geld kosten, ist
von mir übrigens schon längere Zeit genehmigt, wieso Sterk es
nicht wusste, zeigt wieder einmal mehr, wie schlecht bei uns koordi-
niert wird. Sterk ist davon fest überzeugt, dass diese Untersuchung
zeigen wird, dass wir eine Reorganisation dringendst notwendig haben,
weshalb der finanzielle Aufwand gerechtfertigt erscheint. Eine
ähnliche Situation, erklärte ich Sterk, war als der Rechnungshof
die Tätigkeit der Obersten Bergbehörde stark kritisierte, was für
mich eine günstige Ausgangslage für weitere Reformen ist. Beim
Rechnungshof allerdings muss ich dafür nicht eine so grosse Summe
Geldes dafür bezahlen. Sterk erkundigte sich dann auch bei mir,
wie es um seine Bestellung zum Gruppenleiter aussieht. Ich ver-
sicherte ihm, dass das für mich eine entschiedene Angelegenheit ist,
und wir nur formell keinen Fehler machen dürfen, damit die Personal-
vertretung dann nicht dagegen remonstrieren kann. Ich bin fest davon
überzeugt, dass Engelmayer aber auch Herold versuchen werden, aus
der ganzen Sache ein Politikum zu machen. Zum Glück kann mir in
diesem Fall niemand vorwerfen, dass ich eine Sozialisten gefördert
habe. Zwischen den beiden Kandidaten Sterk von dem Teil der Kommission
mir vorgeschlagen und Pelzl, scheinbar von der Personalvertretung
forciert, fällt die sachliche Entscheidung eindeutig für Sterk aus.
Plesch und Sterk haben dann besprochen, dass bei der Aussprache mit
der Personalvertretung, die Plesch regelmässig hat, Sterk zugezogen
werden sollte. Die Verschleppungstaktik wird nämlich für Sterk mit
39-1243
der Zeit wirklich unerträglich. Engelmayer und Herold glauben
scheinbar, sie können in diesem Fall noch irgendein Geschäft mit
mir machen. Dazu habe ich aber diesmal wirklich gar keine Veran-
lassung.
Tagesprogramm, 2.11.1977
Tagesordnung 93. Ministerratssitzung, 2.11.1977