Donnerstag, 17. November 1977
Im Klub berichtete Fischer, dass der Initiativantrag aller drei
Parteien, die von dem Staatsamt für soziale Verwaltung nach dem
ersten Weltkrieg erlassene Verordnung auf zusätzliche Abfertigung
entlassener Arbeiter aufgehoben werden soll. Damit wird der
Rechtsstreit in Vorarlberg, wo gegen die Fa. Kunert von der
Arbeiterkammer Vorarlberg gegen die Entlassung der Arbeiter
angekämpft wird, in Zukunft bereinigt sein. Die Notwendigkeit
besteht darin, dass vorgesorgt werden muss, die weiteren Investi-
tionen ausländischer Firmen in Österreich durch dieses veraltete
Gesetz nicht zu gefährden.
Fischer berichtet auch, dass das Klubpräsidium und der Klub-
vorstand sich mit dem Problem der Politikerbezüge beschäftigt hat.
Nur bei den Obersten Organen, d.h. Regierung, Landeshauptleute
und Oberste Gerichte soll die Kürzung, die Kreisky vorgesehen hat,
durchgeführt werden. Bezüglich der NR-Bezüge will man derzeit
nichts machen. Das letzte Wort, glaube ich, ist aber hier
noch nicht gesprochen, denn es kann noch immer von irgendeiner
Partei irgendwelche Initiative kommen.
Lanc berichtete über die Palmers-Entführung neu bei seiner Aussage
war nur, dass die Familie Palmers sich überhaupt nur auf Inter-
vention eines pensionierten Interpol-Leiters, einem Freund der
Familie, dazu entschlossen hat, mit der Polizei zu kooperieren.
In der Diskussion meldeten sich nur zwei, u.a. Sepp Wille, der
das Verhalten der Polizei, er sagt jetzt unter einem anderen Licht
sieht, seitdem er die Zeitungen genau verfolgt. Er vermutet,
genau wie wahrscheinlich die ganze Bevölkerung, entsprechende
mangelhafte Polizeiarbeit.
In der Fragestunde dauerte die Anfragebeantwortung Pahrs 3/4 Stunde,
so dass nicht einmal Androsch mit seinen Fragen zu Ende kam.
Meine Zeitschätzungen – und darauf beginne ich schön langsam stolz
zu werden – treffen immer mehr zu. Robert Fischer hat geglaubt,
dass das Parlament um 7 Uhr spätestens fertig sein wird. Mein
Tipp war 9 Uhr abends und auch hier hatte ich recht. In Summe
klagen Opposition und Regierungspartei über diese langwierigen
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Verhandlungen, in der Praxis aber ist der einzelne Abgeordnete
und auch Minister nicht bereit, sich kurz zu fassen. Viel-
leicht ist es aber bei den anderen Ressorts und Problemen
auch wirklich schwieriger, weil meistens kontroversielle Stand-
punkte vorliegen.
Die Aussprache mit Krebs, Zolles, Luczensky, Jagoda, Heindl
und mir sowie Haffner über Fremdenverkehr ergab, dass über-
einstimmend festgestellt wurde, das Kuratorium für den Fremden-
verkehr unter Vorsitz von Komm.Rat Scheiner sich zwar immer
mehr zum fremdenverkehrspolitischen Instrument hinarbeiten
möchte, doch von den nicht im Kuratorium sitzenden Teilnehmern
abgelehnt wird. Dies trifft ganz besonders für die Länderver-
treter zu. Alle neun Länder wollten Sitz und Stimme im Kurato-
rium, derzeit sind nur zwei. Die Kuratoriumsmitglieder aber
haben dies abgelehnt. Die Ländern stellen sich nun vor, es sollt
ein Staatsvertrag § 15 a gemacht werden, wonach ein Beirat
für Tourismus geschaffen wird. Krebs möchte dann noch das Finanz-
ministerium, Handelsministerium, Unterrichtsministerium und
Verkehrsministerium sowie den Städte- und Gemeindebund und
die Interessenvertretungen, Gast- und Schankgewerbe, Reise-
büroveranstalter, Beherbergungsverband, ÖAMTC und ARBÖ sowie
selbstverständlich Konsumentenvertretung. Politisch glaubt
er, würde das dann 13 : 12 für uns stehen. Da das Kuratorium
abgelehnt wird, will Zedek, der Syndikus vom Fremdenverkehr
mit mir darüber sprechen, bei der österr. Fremdenverkehrswer-
bung, ein diesbezügliches Organ einzurichten. Wichtig wäre
vor allem, wenn die Sekretariatsarbeiten dann von den ÖFVW
gemacht werden könnten. Da ich auf alle Fälle als ehrlicher
Makler, wenn es zu der Auseinandersetzung kommt, auftreten
müsste, werde ich jetzt einmal abwarten, bis Zedek bei mir
vorspricht und dann Jagoda und Zolles und Haffner beauftragen,
die diesbezüglichen Verhandlungen über den Wunsch Zedeks mit
diesem zu beginnen. Allgemein wird vom rechts und links jetzt
Beschwerde geführt, dass Min.Rat Würzl ständig weg ist, sich
über die grossen sogenannten politischen Probleme des Fremden-
verkehrs den Kopf zerbricht und einschaltet und seine wichtige
Arbeit als Ministerialrat nicht mehr durchführt oder sehr ver-
spätet erledigt. Dazu zählen nicht nur die Förderungen sondern
auch die Probleme wie z.B. die Charterflugzeug-Landegenehmigungen.
Jagoda wird mit Würzl eine ernste Aussprache darüber haben.
Lausecker wurde unserer Besprechung dann.zugezogen, um ihn über
die Beschwerden des Fremdenverkehrswesens restriktiver Lande-
genehmigung von Charter-Flugzeugen zu informieren. Lausecker
teilte mir mit, dass die Montana-Fluggesellschaft, welche heute
Charterflüge aus Amerika organisiert und an denen wir sehr
interessiert sind, nach Meinung der AUA für diese eine grosse
Konkurrenz bedeutet. Momentan fliegt die AUA nicht nach Amerika,
daher können auch Incoming-Flüge für die AUA keine Konkurrenz
darstellen. Wahrscheinlich vermutet diese aber, dass in stärkerem
Masse andere Gesellschaften sich dann bald auch um das Outgoing
Geschäft-Charterflüge genehmigen das Verkehrsministerium bemühen
wird. Deshalb die Bestrebung im Verkehrsministerium eine restriktive
Politik durchzusetzen. Lausecker veranlasste, dass eine kleine Ar-
beitsgruppe bei ihm mit Min.Rat Halbmayer, der dafür zuständig ist,
gebildet wird, um dieses Problem zu bereinigen.
Lausecker gab mir einen Entwurf des Strassenverkehrsbeitrags-
gesetzes 1978. In einem beigefügten flankierenden Verkehrs-
massnahmen vorgelegte Exposé wird von der Bahn zugesichert, dass
sie alle Vorkehrungen getroffen hat, um die Güterbeförderung zu
übernehmen. Auf dem Papier sieht dies alles gut aus. In der
Praxis habe ich grösste Bedenken, dass es funktionieren könnte.
Ich erinnere mich noch an die seinerzeitigen Vorschläge von Kreisky,
man soll gegen die rollenden Bomber – Öltransportautos – etwas
unternehmen und man müsste sie auf die Bahn zwingen. Der damalige
Verkehrsminister Frühbauer hat grosszügig gemeint, dies sei ohne
weiteres möglich. Zum Glück ist das Ganze dann wieder eingeschlafen
denn ich bin fest davon überzeugt, dass die Bahn diese Möglichkeit
des Transportes nicht gehabt hätte, In der Zwischenzeit wurden
entsprechende Pipelines gebaut, um diese Riesenmengen von Öltranspor-
ten zu bewältigen.
Präs. Leberl, Patentamt, und sein Vizepräsident, die ich wegen
ihrer Abwesenheit beim Handelsausschuss sehr rügte, erklärten
mir, dass sie nicht verstehen, wieso die ÖVP eine Absetzung dieses
Tagesordnungspunktes verlangte. Die Aufhebung, die im Gesetzentwurf
vorgesehen war hat mit der Ratifizierung des Europäischen Patent-
amtes nichts zu tun und wäre eine Schlechterstellung Österreichs
gegenüber allen anderen Ländern, die bereits aufgehoben haben.
Nur Dr. Kolin, ein Patentanwalt hat sich an Abg. Fiedler gewendet,
diesen falsch informiert und deshalb eine solche Stellungnahme
erreicht. Meine Rüge bestand insbesondere darin, ihnen zu sagen,
wenn sie dort gewesen wären, hätten sie vielleicht die ÖVP überzeugen
können. Ich selbst war nicht imstande und es entspricht der Tradi-
tion im Parlament, dass wenn eine Partei eine Rückstellung wünscht,
soweit es sich nicht um terminlich gebundene Gesetze handelt, dies
auch entsprechend genehmigt wird. Leberl teilte mir dann auch noch
mit, dass Auracher von der Inpadoc aus Genf angerufen hat und mit
Entsetzen mitteilt, dass IIP beabsichtigt, den Verkauf ihrer Daten
an die Industrie. Wenn dies eintritt, wird Inpadoc eine Defizit-
organisation überhaupt keinerlei Einnahmen mehr haben. Leberl stimmte
mir zu, dass aber niemand den Verkauf der Internationalen Organisa-
tion an die Industrie wirklich verbieten kann. Ich fühle mich für
die Errichtung dieser Inpadoc mitverantwortlich, nicht aber für die
Organisation, die dort von Auracher incl. seines Gehaltes und sonstiger
Privilegien aufgebaut wurde. Hier hat der Finanzminister immer
allein ohne Rücksprache entschieden. Ich soll mich aber keine
Illusion hingeben, wenn dieses Problem einmal, sei es durch
Rechnungshofprüfung oder sei es aus irgendwelchen anderen Gründen
im Parlament zur Sprache kommen wird, werde ich allein die volle
Last zu tragen haben.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte erkundige Dich, wie es dort weitergeht.
Gehart habe ich bereits informiert.
Die neue Arbeitsgruppe "Strukturprobleme des Handels" wurde von
mir begrüsst und der Vorsitz an Rauter dann übergeben. Einleitend
erklärte ich, warum ich dieser Arbeitsgruppe so grosse Bedeutung
beimesse. Es ist der Wunsch des Parlamentes bei Beschlussfassung
über das Nahversorgungsgesetz gewesen, eine solche Arbeitsgruppe
zu bilden und von dieser entsprechende Vorschläge zu bekommen. Zu
diesem Zweck hat das Wirtschaftsforschungsinstitut schon eine
Studie ausgearbeitet und diese wurde gleich verteilt. Darüber hinaus
wurde ich bei einem Interview für Mittagsjournal gefragt, was ich
zu der Entwicklung im Handel, Überfremdung usw. sage. Als Aufhänger
und Beispiel diente dem Redakteur die Eröffnung des neuen Gross-
kaufhauses ABM Abkürzung für , einem Schweizer
Konzern. Dieser hat angeblich nur 5 % österr. Waren angeboten.
Ich ersuchte den Ausschuss sofort, er möge auch dieses Problem
eingehend studieren und entsprechende Vorschläge unterbreiten.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Lass bitte von der Abteilung mit dem Kaufhaus
Kontakt aufnehmen und das Sortiment erklären.
Bei der Sekretärsbesprechung in der Lebensmittelarbeitergewerk-
schaft war auch bei der anschliessenden Aussprache mit dem Prä-
sidium der LUGA-Gewerkschaftsjugend wurde allgemeine geklagt,
dass die Politik und Entscheidungen immer von dem da oben gemacht
werden. Obwohl gerade in unserer Organisation ein weitgehendes
Mitsprache und Entscheidungsrecht der unteren, wenn ich so sagen
darf aufrechterhalten wird, kommt es dennoch immer mehr zu dem
optisch Eindruck, es entscheidet Benya oben in der ÖGB-Spitze
alles. Werden Richtsätze festgelegt, in Wirklichkeit ist es ein
wenig anders. Benya bemüht sich verzweifelt, eine einheitliche
Gewerkschaftspolitik zu erreichen, ohne daß er tatsächlich Richt-
sätze oder Lohnleitlinien festlegt. Aus der wirtschaftlichen
Situation ergibt sich aber, dass die Lohnabschlüsse im nächsten
Jahr 1 maximal 2 % über den Lebenshaltungskosten liegen werden.
Vielleicht wird vereinzelt in der Nahrungs- und Genussmittel-
industrie ein besserer Abschluss möglich sein. Die immer mehr
nach oben abgeschobene Entscheidung ist glaube ich primär auf die
Organisationsmüdigkeit zurückzuführen. Im Grunde genommen sagt die
grosse Masse, die oben sollen das machen, sie machen es ohnedies
ganz gut und die einzelnen Nörgler an diesem System haben kaum
Chance durchzudringen. Ein ähnliches Problem gibt es bei unserer
Gewerkschaftsjugend bezüglich des Einsatzes von Atomkraftwerken.
Dort will man die Jugend, ja wenn man so will, die ganze Bevölke-
rung davon überzeugen, dass der ständige Energiemehrverbrauch
aber auch das Wirtschaftswachstum nicht auf die Dauer wird haltbar
sein. Die Bevölkerung, ja selbst die Jugend aber möchte alle Annehm-
lichkeiten der Gegenwart und auch wenn möglich die der Zukunft
sofort haben. Dies bedingt höheren Lebensstandard und der bedingt
höheren Energieverbrauch. Ob die Jugendlichen wollen oder nicht,
sie müssen diese Entwicklung zur Kenntnis nehmen. Ob unsere stunden-
lange Aussprache dazu bereinigend gewirkt hat kann ich noch nicht
beurteilen. Sie sollen aber nicht sagen, dass wir uns nicht
stellen. Blümel und ich versuchten zumindestens sie zu verstehen,
aber auch unseren Standpunkt klar und deutlich auszudrücken.
Die Vertreter von Glanzstoff St. Pölten, Gen.D. Homan an der
Spitze und seine zwei Direktoren für Textil-Rayon und für techni-
schen Rayon waren mit Präs. Igler, Industriellenvereinigung, zu
Kreisky gekommen. Kreisky hat seinerzeit mitgewirkt, als diese
aus USIA-Beständen dann den Niederländern zurückgegeben wurde.
Jetzt appellierte er daran, nicht die Arbeiter zu entlassen,
und die Produktion von Textil-Rayon einzustellen. Das Management
erklärte, auf längere Sicht sei dies unmöglich zu halten, denn
die 4.000 t, die jetzt erzeugt werden, seien nicht nur nicht
absetzbar sondern nicht nur wegen der hohen Preise 50.- S/kg
sondern auch noch durch die schlechtere Qualität. Seinerzeit
konnte diese Produktion nur aufrechterhalten werden, weil in
den Niederlanden der Konzern Mutter, Arnheim stillgelegt wurde
und tausend Beschäftigte dort entlassen werden mussten.
Damit ist ein Teil der Produktion nach Österreich gebracht worden.
Als nächster schlechter qualitätserzeugender Betrieb wurde
St. Pölten bezüglich des Textil-Rayons beschlossen, dass er
stillgelegt werden muss. Im Jahre 1975 hat die Firma 60 Mill. S
Defizit, im Jahre 1976 nur 8 Mill. S Gewinn und heuer wieder
25 Mill. S Defizit. Der AKZO-Konzern in den Niederlanden hat
in diesen Jahren 300 Mill. Gulden Defizit 1975, 6 Mill. hfl.
Gewinn und 1977 bei einem Umsatz von ca. 10 Mia. 50 Mill. hfl.
Defizit. Der technische Rayon Cord für Reifen ist qualitäts-
mässig einwandfrei, wird jetzt nur immer mehr vom Stahl verdrängt.
Die technische Rayon-Produktion soll unbedingt aufrechterhalten
werden. Kreisky versprach der Firma eine Unterstützung aus den
Arbeitsmarktförderungsmitteln und sein Bemühen, wenn er in de
Sowjetunion fährt, mit Kosygin über entsprechende Abnahmemengen
zu verhandeln. Derzeit wird im Osten von den 4.000 t 1.300 verkauft.
In die SU aber nur 200 t, nach Ungarn 650 t. Der Textil-Rayon
wird hauptsächlich durch Acetat und Polyester verdrängt. Selbst
wenn, wie ich ankündigte, die Bekleidungsindustrie erklärt, dass
jetzt die Sex-Welle mit Jeans und ungefütterten Kleidern und
Anzügen vorüber ist, selbst wenn also die Bedürfnisse und der
Bedarf nach Futterstoff steigen wird, wird dieser hauptsächlich
aus Acetat und Polyester gedeckt werden. Kreisky meinte, man
sollte mit der Entlassung auf alle Fälle zuwarten, bis er aus
der SU zurückkommt, wo – wie er sich ausdrückte – mit dem Handels-
minister gemeinsam versucht werden soll, Kosygin dazu zu bringen,
das 3 Mia. Aktivum durch zusätzliche Käufe der SU abzubauen.
Zeitig früh war ich Leodolter im Spital besuchen und musste
feststellen, dass sie durch die Operation wesentlich mehr herge-
nommen war als bei der letzten vor etlichen Wochen. Wir sprachen
auch über die Probleme der Brennstäbe-Einfuhr, sie teilt meine
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Meinung, dass diese Einfuhr ein Politikum wird, deshalb auch
wahrscheinlich Kreisky sich einschalten wird, aber doch in
nächster Zeit entschieden werden müsste, damit nicht die Be-
hörde wegen Verzögerung des Betriebsbeginns von Zwentendorf schul-
dig wird. Jetzt liegt es ausschliesslich noch bei der KWU, dass
die Betriebsbeginntermine nicht eingehalten werden konnten. Erst-
malig ergäbe sich die Möglichkeit, die Behörde zur Verantwortung
zu ziehen, wenn es nicht gelingt, die Brennstäbe in absehbarer
Zeit nach Zwentendorf zu bringen. Sie wird mit ihrem Ministerial-
beamten Sekt.Rat Vychytil über dieses Problem sprechen. Da ich
aber annehmen muss, dass in absehbarer Zeit kaum in stärkerem
Masse wird aktionsfähig sein, jetzt einmal sicher auf längere Zeit
auf Urlaub fahren muss, besteht die dringende Notwendigkeit,
vom Büro resp. Sektion aus, dieses Problem weiterzutreiben und
möglichst zu lösen.
ANMERKUNG FÜR FRANK UND WAIS: Bitte endlich den Zeitplan mit
GUsch vereinbaren.
Tagesprogramm, 17.11.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)