Freitag, 23. Dezember 1977
Die Überreichung von Dekreten und Auszeichnungen an Angehörige
des Handelsministeriums war diesmal besonders umfangreich. Mit
der Zeit lerne ich so zumindestens theoretisch alle Angehörigen
kennen. 925 Beschäftigte müssen früher oder später, ausgenommen
die Vertragsbediensteten, irgendwann einmal ein Dekret bekommen.
Diesmal habe ich aber Schipper zuerst offiziell bei der grossen
Veranstaltung zu verabschieden und anschliessend daran nochmals
als die Präsidien vom Handelsministerium und Bautenministerium
den neuen Sektionschef Kazda präsentiert bekommen haben. Bei
solchen Gelegenheiten bleibt einem nichts anderes übrig, als
natürlich von den Betreffenden immer nur das Beste zu sagen.
Bei Schipper hatte ich aber gar nicht irgendwelche Besonderheiten
zu erfinden. Ich verwies nur darauf, dass er es gewesen ist, der
im Ministerium mir als erster im wahrsten Sinne des Wortes gegen-
übergetreten ist. Ich erinnerte nur daran, wie ich unbeleckt der
hierarchischen Möglichkeiten gekommen bin und geglaubt habe, ein
Minister kann z.B. ohne weiteres verfügen, wer in seinem Büro
arbeitet und wie dieser bezahlt wird, Schipper hätte mich damals
ohne weiteres können – wie man so schön sagt – aus Glatteis
führen. Als Präsidialist hätte er alle Möglichkeiten gehabt um
mir das Leben sauer zu machen. Objektiverweise und jetzt rück-.
blickend zu Dank verpflichtet, muss ich aber sagen, dass er damals
wie ein echter österreichischer Beamter gehandelt hat. Ich bin
nicht überzeugt, ob alle Handelsministeriumsangestellten so gehandelt
hätten oder haben. Dies strich ich besonders heraus. Dazu kommt,
dass er an derselben Krankheit wie mein Vater leidet und mit seinen
Augen wirklich grosse Schwierigkeiten hat. Mein Vater klagt auch,
dass er nur ganz kurze Zeit lesen kann, doch spielt dies bei ihm
als 86-jährigen Pensionisten kaum eine Rolle. Schipper dagegen
musste doch etliche Akten lesen. Natürlich ist er dadurch auch
gesundheitlich in seinen letzten Jahren sehr benachteiligt gewesen.
Diese beiden Fakten, loyales Verhalten als Beamter und trotz seiner
deutlich sichtbaren krankheitlichen Behinderung Pflichterfüllung
bis zu seiner Pensionierung haben vollkommen ausgereicht, um nicht
nur irgendwelche belanglose Worte zu finden, sondern tatsächlich
seine Verdienste auch den jüngeren Angehörigen klarzumachen. Über-
rascht bei der Aussprache mit den beiden Präsidien war ich, dass wir
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eigentlich nur mehr zwei Abteilungen noch gemeinsam haben. Das
Protokoll und die Budgetabteilung. Alle anderen sind bereits getrennt
und früher oder später glaube ich, wird es überhaupt dazukommen,
dass eine endgültige Trennung erfolgen wird. Derzeit liegt es aus-
schliesslich an den beiden Ministern – Moser und mir – dass wir
schon allein aus optischen Gründen dieses scheinbar gemeinsame
Präsidium aufrecht erhalten. Wie ich dann bei der kurzen Kaffeepause
mit allen Präsidialmitgliedern erfuhr, funktioniert es bei den an-
deren Ministerien, wo es gemeinsame Präsidien gibt, wie Soziales und
Gesundheit, Unterricht und Wissenschaft, auch nicht gerade zum
Besten. Bei uns funktioniert es deshalb am ehesten, weil sowohl
Moser als auch ich, gar keinen Wert darauflegen, das Präsidium in
seinem Ressort zu haben, ja ganz im Gegenteil, jeder versucht es
dem anderen zuzuschieben. Die Tatsache dass das Bautenministerium
6.500 Beschäftigte, allerdings mit sehr starken nachgeordneten
Dienststellen, das Handelsministerium nur 925 hat, müsste es theo-
retisch ständige Reibungen geben. In der Praxis aber hat Schipper
hier doch einigermassen den entsprechenden Zusammenhalt geboten
und ich hoffe dass dies auch Kazda gelingen wird.
Den beiden Dienststellenausschussmitgliedern Herold und Degischer
versicherte ich neuerdings, dass auch unter den neuen Präsidial-
chef meine Einstellung sich nicht ändern wird doch mit ihnen
alles zu besprechen, und wie ich hoffe, auch so wie in der Ver-
gangenheit einvernehmlich zu lösen. Beide waren gekommen, um
neuerdings festzustellen, wer eigentlich jetzt durch die Verschiebung
einiger Präsidialabteilungen in Sektionen davon betroffen wird
und ob dadurch nicht gewisse Benachteiligungen der dort Beschäftigten
entstehen. Dies gilt ganz besonders für den Abteilungsleiter I/9
Min.Rat Pschorn, der in die handelspolitische Abteilung versetzt
wird. Plesch hatte mit Pschorn Verhandlungen geführt und mitge-
teilt, dass er einverstanden ist. Herold nun meinte, er erwarte
aber, dass er jetzt schon schriftliche Zusagen bekommt, wie
seine Tätigkeit in der Aussenhandelspolitik und deren Statistik
abgegrenzt wird. Insbesondere legt Pschorn grössten Wert darauf,
dass er die Regionalabkommen, wie z.B. Accordino aber auch dann
einige Messeabkommen bearbeiten darf. Dagegen ist im Prinzip nichts
einzuwenden und deshalb hat auch tatsächlich der Dienststellen-
ausschuss eine solche Zusage von mir bekommen. Unerklärlicher Weise
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hatte Pschorn tatsächlich auch die Agenden Zahlungsbilanz und
internationale Währung bekommen wollen. Abgesehen davon, dass diese
Agenden bereits, wie ich dann aus der Geschäftsordnung mir schnell
heraussuchte, Willenpart schon hat und man ihn kaum etwas wegnehmen
kann, ist in meinen Augen Pschorn am allerwenigsten prädestiniert
diese schwierige und komplizierte Materie zu behandeln. Die Trans-
ferierung der Abteilung I/6, MR Gröger, in die Industriesektion
IV/9 macht überhaupt keine Schwierigkeiten. Das einzige Problem
ist, dass dort im Referat Umweltschutz, der jetzt vom Dienst frei-
gestellte Ing. Engelmayer verankert ist. Engelmayer wird früher
oder später vielleicht ganz ausscheiden und bei der Gewerkschaft
ausschliesslich nur Mehrdienst machen. In diesem Fall aber möchte
er sicherlich, wenn er wieder dann in das Ministerium einmal zurück
müsste, entsprechende Sicherung seines Fortkommens haben. Herold
bemühte sich mir klarzumachen, dass er A-Tätigkeit ausüben müsste,
um dann doch endlich einmal umgestuft zu werden. Ich selbst habe
dagegen gar nichts einzuwenden, ganz im Gegenteil, glaubte nur
sofort Herold nachweisen zu können, dass die Stärke seiner Arbeit
bei dem Personalwesen liegt, weshalb ich vorschlug er müsste in
dieser Beziehung eine entsprechende Zuteilung im Hause erhalten.
Vielleicht war ich mit dieser Idee zu vorschnell – um nicht zu
sagen vorlaut – denn anschliessend haben die Kollegen des Büros
mich gewarnt Engelmayer in eine starke Position in der Personal-
abteilung zu bringen, denn dieser würde alles daransetzen um dann
einen entsprechenden Einfluss in die tatsächliche Personalabwick-
lung zu haben. Jetzt kann, wenn er als Delegierter der Gewerkschaft
für Aufnahmen in irgendwelche Ausschreibungsausschüsse kommt, er
nur indirekt Einfluss nehmen. Plesch ist allerdings der Meinung,
es würde sich MR Böhm mit aller Vehemenz gegen eine solche Zuteilung
von Engelmayer in die Personalabteilung wehren. Bei der Verabschie-
dung habe ich SR Degischer mit aller Deutlichkeit erklärt, dass
ich grössten Wert darauf legen, dass er die Wirtschaftliche Landes-
verteidigung übernimmt. Degischer meinte, er könne dazu nicht
die Zustimmung geben, denn als Personalvertreter würde man ihm
dann sofort unterstellen, dass er sich bemüht hat diese Abteilung
gegen MR Winterleitner zu bekommen. Zwischen beiden steht aber
eindeutig fest, dass er der fähigere und dafür prädestinierte
Beamte ist. Ich schlug deshalb Degischer vor, er muss keinesfalls
der Lösung zustimmen, sondern wird, wenn die Ausschreibungskommission
mir einen diesbezüglichen Vorschlag machen sollte, von mir durch
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Dekret ernannt werden. In diesem Fall meinte Degischer bliebe ihm
ja gar nichts anderes übrig, als dieses Dekret anzunehmen, weil,
wie er sich ausdrückte, er darin sonst eine Dienstverweigerung
sehen würde. Ich habe Degischer nämlich mit aller Deutlichkeit
klargemacht, dass er diesmal beim Verwaltungsgerichtshof durchge-
fallen ist, weil die Beamten resp. Richter und insbesondere der
Vorsitzende Präsident Loebenstein nicht mit offenen Karten ihm gegenüber
gespielt haben. Ich bin fest davon überzeugt, wenn er aus einer Abtei-
lungsleiterposition kommen wird, er eher die Möglichkeit hat den so
von ihm gewünschten Richterposten zu bekommen. Dies ist ihm glaube
ich auch jetzt in der Zwischenzeit klargeworden.
Eine Aussprache mit dem Büro und Dr. Burian ergab, dass alle Be-
teiligten über die Verstärkung durch ihn sehr einverstanden sind.
Ich selbst hoffe, dass es gelingt durch eine zweckmässige Abgrenzung,
Burian interessiert sich ganz besonders für Gewerbe, aber auch für
die Erziehung- und Vortragstätigkeit, eine schlagkräftigere Orga-
nisation wieder aufzubauen. Das wichtigste dabei aber ist, dass
Burian von allen als politischer Mensch und vor allem als tüchtiger
Arbeiter anerkannt wird. Die Schlagkraft unseres Büros, insbesondere
die exakte Durchführung der von ihm gegebenen Dienstaufträge müssen
besser koordiniert und noch viel mehr besser überwacht werden.
Hier haben wir in der letzten Zeit eine grössere Schwäche gehabt.
Ich hoffe dass es durch die Aufteilung von den Agenden auf einen
mehr, dadurch jetzt besser wird. Darüber hinaus werden wir uns
in der nächsten Zeit umsehen, ob es nicht möglich noch einen zweiten
Mann wie Burian, in das Büro zu kooptieren.
Tagesprogramm, 23.12.1977