Freitag, den 3. März 1978
Bei der zweiten Besprechung mit der ungarischen Delegation stellte
sich heraus, daß alle bisherigen Gespräche mit der Österreichischen
Kontrollbank im Hauptverband der Sozialversicherungsträger sehr
positiv verlaufen sind. Die Österreichische Kontrollbank wird einen
Entwurf für den 300 Mio Dollarkredit, den Ungarn noch im Laufe des
Monats März zusenden und man rechnet mit einem baldigen Abschluß
dieser Vereinbarung. Selbst im Hauptverband für Sozialversicherungs-
träger wurde zu meiner größten Überraschung sehr positiv der Wunsch
der Ungarn auf Entsendung österreichischer Patienten in ihre Heil-
bäder behandelt. Bei Rheuma, Hals, Hals-Nasen-Ohren und Leber, so
wurde erklärt, besteht gute Möglichkeit österreichische Patienten
nach Ungarn zu schicken, weil angeblich die Kapazität unserer Heil-
bäder zu gering sei. Dies kann höchstens meiner Meinung nach so
lange gelten, als nicht der Hauptverband sein großes Kurzentrum in
Oberlaa selbst gebaut hat. Da aber Präsident Millendorfer gleich-
zeitig Bauarbeiter-Funktionär ist, kann ich mir sehr gut vorstellen
diese positive Aussprache, damit ja nicht das Baugeschäft in Ungarn
verloren geht. Die ungarische Seite legt größten Wert darauf, sehr
schnell zu den Abschlüssen zu kommen, die österreichische Seite hat,
glaube ich, auch jetzt die differenten Auffassungen weitestgehend
beigelegt. Die Bau-Industrie möchte natürlich die Hotels und
sonstige Fremdenverkehrseinrichtungen bauen, die österreichische
Fremdenverkehrswirtschaft, die sich anfänglich sehr dagegen sträubte,
hat jetzt mehr Verständnis. Die ungarische Seite kann sich vor-
stellen, daß nicht nur Hotels und Infrastruktureinrichtungen, sondern
auf meinen Vorschlag auch Kaufhäuser gebaut werden könnten. Wichtig
war aber für den Gästeverkehr nach Österreich, daß Minister Saghy
mir auf meinen Vorschlag zusagte, er wird mit ihrem Reisebüro IBUSZ,
aber auch andere verhandeln, damit Gruppenreisen nach Österreich
organisiert werden. Dies ist deshalb so wichtig, weil Gruppenreisen
auf die dreijährige Wartefrist für ein Visum in Westländer nicht
angerechnet werden. Derzeit veranstaltet IBUSZ nach Ägypten, Indien,
Ceylon, New York, letztere kostet 55.000 Forint. Ich schlug spaß-
halber vor, wenn die Ungarn Burgenländer in Amerika besuchen wollen,
dort gibt es nämlich mehr als in Burgenland, dann kommt das sehr
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teuer, da könne sie viel leichter nach Burgenland als ihr Nachbar-
land kommen mit wesentlich weniger Aufwand an West-Devisen. Das
Mittagessen der Bundeshandelskammer wurde von Kommerzialrat Weinberger,
wenn ich so sagen darf, dem Säcklwart oder Kassier, präsentiert. Als
höchster Beamter war nur Dr. Gleissner, der Außenhandelsmann, an-
wesend. Ich verstehe nicht, wie die Bundeskammer so gering besetzt
Minister empfängt. Ohne es zu wissen, war ich sehr glücklich, daß
ich mich hier um ihn wesentlich mehr gekümmert habe. Bei diesem
Tischgespräch hat mir Weinberger mitgeteilt, daß er mit einer
weiteren Funktionsperiode von Präsident Igler in der Industriellen-
vereinigung rechnet. Da die jetzige seine zweite ist und bevor
er Präsident wurde, man beschlossen hat, länger als zwei Perioden
dürfe keiner bleiben, müßten jetzt neuerdings die Statuten geändert
werden. Weinberger, der an und für sich die Arbeitsmethode Iglers
nicht liebt, dieser ist sehr gescheit, sehr fleißig, aber zu sprung-
haft, sieht allerdings keinen anderen für dieses Amt. Ein ähnliches
Problem gibt es mit Generalsekretär Mussil, der auch immer erklärt,
er geht jetzt in Pension und Sallinger sich nicht konkret für einen
Nachfolger entscheiden kann resp. will. Weinberger würde am liebsten
Gleissner machen, den er für äußerst fähig auch dafür hält. Wein-
berger bedauert, daß so wenig Vorschau in der Personalpolitik
in ihren Reihen gemacht wird. Ob ich dies als indirektes Lob, ohne
daß er es ausgesprochen hat, für die bewußte Personalpolitik im
Handelsministerium betrachten sollte, weiß ich nicht.
Im ÖGB-Bundesvorstand berichtete Benya über die Wirtschaftssituation
und hat einmal mehr eine schnelle Inbetriebnahme vom Kernkraftwerk
Zwentendorf verlangt. Da vorher immer schon das Presse-Kommunique
den Fraktionen zugesandt wird, können sie sich auf die Diskussion
mehr oder minder gut vorbereiten. Gassner, der Vorsitzende der
Christlichen Gewerkschafter, hat zwar natürlich zu all den Problemen
kritische Bemerkungen gemacht, teilweise sogar auch die Regierungs-
politik attackiert, sonst aber vollinhaltlich zugestimmt. Selbst
der Vertreter der Freiheitlichen Partei Kindl meinte, er könne
auch inklusive der Inbetriebnahme vom Kernkraftwerk Zwentendorf
der Resolution zustimmen. Nur die Fraktion Gewerkschaftliche Ein-
heit lehnte so wie stets die Resolution resp. das Presse-Kommunique ab.
Gassner hat zu meiner größten Verwunderung auch gegen die Ratifizierung
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des Europäischen Patentübereinkommens polemisiert. Da es aus seinen
Äußerungen nicht ganz klar war, wurde dann bei meinem Diskussions-
beitrag, wo ich mich immer melde, wenn Agenden meines Ressorts oder
auch allgemeine Wirtschaftsfragen von irgend jemand attackiert
werden, klargestellt, daß die Interessensvertretungen allesamt
für eine Ratifizierung so schnell als möglich eintreten. Polemisieren
mußte ich auch gegen ihn, als er wieder für die ÖVP die Erfolge im
Berufsausbildungsgesetz für sie reklamieren wollte. Insbesondere
hat der Obmann der Gewerkschafts-Jugend Kinigadner dann auch die
tatsächliche Erarbeitung der Novelle dargestellt und mich, was
fast peinlich war, über den grünen Klee gelobt. Dem Arbeitervertreter
der FPÖ Kindl hat er mit Recht vorgeworfen, daß er nicht ver-
stehen konnte, wieso Stix im Parlament Verschlechterungs-Anträge
stellen konnte. Kindl war sehr überrascht, als ich ihm die Details
erklärte. Kindl hat außerdem vorgeschlagen, es müßte jetzt mehr
geschehen, als nur daß man den Wunsch hat, es sollten österreichische
Waren gekauft werden. Die öffentlichen Ausschreibungen müßten hier
vielmehr nach österreichischen Anboten ausgerichtet werden und die
Zuschläge entsprechend ausfallen. Wenn die ÖNORM und andere Be-
stimmungen dagegen sind, wie ich ihm erklärte, so hofft er, daß
es gelingt, diese zu ändern. Diese Aussage des FPÖ-Manns war für
mich sehr wichtig, weil wir sie vielleicht einmal im Parlament,
wenn die FPÖ wider Erwarten wie z.B. auch bei dem Berufsausbildungs-
gesetz andere Vorschläge macht, ihr entgegenhalten können.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Bitte dieses Verhalten registrieren,
wir werden es sicherlich gegen Stix und andere verwenden müssen.
Beim Jour fixe mit AK und ÖGB wurde festgehalten, daß bevor Hafer-
flocken in die Marktordnung einbezogen werden könnten, die Firma
Knorr mit den Agrariern entsprechende Anbau-Verträge und Regelungen
für Erzeugung von Qualitätshafer aufgenommen haben müßten. Das
Versorgungssicherungsgesetz soll verlängert werden. Beim Schrott-
gesetz, das die Handelskammer will, muß klargestellt sein, daß
der überwältigende Einfluß von der Verstaatlichten unbedingt gewahrt
bleibt, mit der Durchführung ist der Schrottverband zu betrauen.
Bei Herkunfts- und Qualitätszeichengesetz soll versucht werden, ohne
das Bautenministerium, das eigentlich dafür kompetenzmäßig zuständig
ist, zu sehr zu verärgern, doch im Handelsministerium so schnell als
möglich einen Gesetzentwurf in die Begutachtung geschickt werden.
Im Vereinsstatut für Förderung des Absatzes für österreichische
Waren bleibt es bei der Parität Handelskammer – Arbeiterkammer, diese
Vereinsorgane können dann mit der Österreichischen Nationalbank
deren Subventionen, lebende , da Heinzi Kienzl eine Fachkraft, die
sehr gut sein soll, beschäftigen will und auch die Geld-Subvention
erst dann vereinbart wird.
Bei den Richtlinien für die neue Papierförderung, wo 3 Mrd S, die
Papier-Industrie erwartet, erklärt Schmidt dezidiert, daß eine
Sonderregelung im Rahmen des 10 Mrd S Investitions-Kredites, den
die Regierung beschlossen hat, nicht möglich ist. Zu den Aktivitäten
Richtlinien zur ÖNORM 20 50, Produktdeklaration Elektrowaren, Selbst-
beschränkungsabkommen für Einweggebinde, Rohölschrott- und Abgabe-
gesetz und Zusatzstoff-Kennzeichnungsverordnung des Gesundheits-
ministeriums ergibt sich keine besondere Diskussion und die Vor-
gangsweise von Wanke, so schnell als möglich zu Lösungen zu kommen,
wird akzeptiert.
Das Gesundheitsministerium müßte zur Eindämmung der großen Importe
an Agrarprodukten entsprechende Kontrollen, ob diese den österr.
Gesetzen und auch Auszeichnungsvorschriften entsprechen, baldigst
durchführen. Das GUSCH redet sich aufs Finanzministerium aus, welches
jetzt Schwerpunktgrenzämter errichten soll resp. die Prüfungen
der Grenze endlich in Angriff nehmen sollte. Da das GUSCH angeblich
nicht das entsprechende Zahlenmaterial hat, will es jetzt eine
Importmelde-Verordnung erlassen. Allgemein besteht der Eindruck,
daß man im Gesundheitsministerium nur immer bestrebt ist Kompetenzen
zu bekommen, dann aber bei der Durchführung von Maßnahmen überhaupt
nichts weiterbringt. Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund erklären
übereinstimmend, daß z.B. die Käseimporte zu 40 % von Landwirt-
schaftlichen Genossenschaften Agroserta, Schärdinger, Mauerkirchner
und hauptsächlich Oemolk durchgeführt werden. Wie weit das Gesund-
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heitsministerium hier wirklich aktiver werden soll und könnte, müßte
man für die Minister Leodolter zusammenstellen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte mit AK und ÖGB einen entsprechenden
Brief an Leodolter vorbereiten.
Bezüglich des Strompreises einigen wir uns, daß mit 1. April mit
einer Stillhaltefrist bis 1. Jänner 1980 ein gleichmäßiger 4,4 %
Zuschlag genehmigt werden sollte. Die Landwirtschaftskammer und
Handelskammer wäre ja sogar bereit gewesen, 4 1/2 % zu akzeptieren.
Dies allerdings nur wenn interne Umschichtungen zwischen den einzelnen
Gruppen vorgenommen wird, was die Arbeiterkammer strikte ablehnt.
Der Haushalt dürfte mit nicht mehr belastet werden als die Industrie,
Gewerbe, aber auch Landwirtschaft.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte mit Burian die weitere Vorgangsweise
vereinbaren.
Die Arbeiterkammer erwartet allen Ernstes, daß ich jetzt eine Mineral-
ölpreissenkung durch die Dollar-Abwertung durchsetze. Den ur-
sprünglichen Plan, den sie gehabt hat, daß der Finanzminister eine
neue Steuer einheben soll, resp. die Mineralölsteuer erhöhen sollte,
hat dieser ja ganz kategorisch abgelehnt. Ich verstehe ja nicht,
warum Androsch der Arbeiterkammer nicht wenigstens insoferne ent-
gegengekommen ist, als er gesagt hätte, er wird dies prüfen. Durch
solches Verhalten wird er im ÖGB und Arbeiterkammerbereich insbes.
mit der Bürokratie dort sich immer größere Widerstände schaffen.
Da diese Kollegen letzten Endes dann ihre Funktionäre auch entsprechend
beeinflussen, gilt er vielleicht dann als starker Minister, der
seine Politik mit Gewalt durchsetzt, erreicht aber natürlich damit
immer mehr Mißstimmung gegen sich.
Der Preisantrag der Konservenindustrie, den die AK- und ÖGB-Vertreter
wegen eines halben Prozent oft ablehnten und in die große Pari-
tätische Kommission bringen wollten, soll jetzt doch noch einmal
im Preisunterausschuß entschieden werden. Natürlich entstand sofort
wieder der Verdacht, obwohl Plesch dies vortrug und sehr sachliche
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Gründe hatte, daß ich als Obmann der Lebens- und Genußmittelar-
beiter dahinterstehe. Dies ist bei meiner Amtsführung mein größtes
Dilemma. Da ich auf die Preisgestaltung als Gewerkschafter und
auch alle meine Kollegen in der Lebensmittelarbeiter-Gewerkschaft
keinen Einfluß nehmen, niemals auch Lohnverhandlungen mit Preis-
zusagen koppeln lasse, vermutet man immer, daß ich indirekt doch
einen entsprechenden höheren Preis, wenn schon nicht vorschlage,
so doch bevorzuge. Dies entspricht nicht der Tatsache, weder als
Minister noch seinerzeit in der Arbeiterkammer habe ich mich zu
einer solchen Politik verstanden, geschweige denn hergegeben. Früher
oder später erleidet nämlich jede Gewerkschaft Schiffbruch, die
glaubt, Lohnbewegungen durch Preiszusagen sich erkaufen zu können.
Bürgermeister Gratz hat mich angerufen und ersucht, mit ihm die
Bohrstelle in Simmering zu besichtigen und die Leute dort zu be-
ruhigen. Vorher hatte ich mich schon maßlos geärgert, weil 12 Stun-
den nach dem Gas-Ausbruch erst eine Information von der Obersten
Bergbehörde in Angriff genommen wurde und dann noch von 11.00 Uhr
bis 3.00 Uhr dauerte, bis ich sie endlich in die Hand bekam. Min.
Rat Mayer wollte mir lang und breit erklären, etwas was er selber
aus eigener Anschauung gar nicht wissen konnte, sondern eben von
dem Berghauptmannschafts-Wien-Vertreter Widor bekam. Mit Dipl.Ing.
Widor habe ich dann sofort Kontakt aufgenommen und mir von ihm
die Situation erklären lassen. Zur Entschuldigung, warum er erst
jetzt mir berichtet, meinte er, er hätte den Dienstweg einhalten
müssen. Ich habe ihm dezidiert erklärt, in so einem Fall gibt es
keinen Dienstweg, da kann er mich sofort telefonisch jede Tages-
und Nachtzeit erreichen. Bei der Besichtigung konnte ich dann fest-
stellen, daß Bürgermeister Gratz im Fernsehen erklärte, er sei
dafür nicht zuständig, sondern die Oberste Bergbehörde, deren Ver-
treter Minister Staribacher ja anwesend ist. Stadtrat Schieder
wieder, mit dem ich eine längere Diskussion im Auto hatte, meinte,
man müßte überhaupt überlegen, ob man im Stadtbereich Bohrungen
zulassen sollte. Gratz und Schieder sagte ich vorher, wenn Wien
als die sicherste, schönste, am wenigsten von Umwelteinflüssen
belastete Stadt werden will, dann muß sie halt alle Fabriken und
sonstige Industrieprojekte schön langsam an die anderen Länder abgeben.
Natürlich will das niemand, da es das Ende der wirklichen Wirt-
schaftsmetropole Wiens wäre. Nur Bundeshauptstadt mit Verwaltung
und nur Schlafstadt zu werden, ist eine sehr schlechte Perspektive.
Die Aussprache, die Gratz und ich dann mit den Anrainern gehabt
habe, zeigte mir klar, daß sie natürlich in der Nacht durch das
Getöse und durch die ständigen, teilweise falschen aufgebauschten
Radiomeldungen sehr beunruhigt waren und sind. Natürlich hat die
Feuerwehr im Einvernehmen mit ÖMV sich auf den schlechtesten Fall
vorbereitet. Explosion und Gasbrand durch herausfliegende Steine,
welche solange genug Wasser mitgerissen wurde, von diesen und als
die Wasserförderung dann schwächer wurde durch zusätzliches Be-
spritzen des Turmes verhindert wurde. Eine echte Explosionsge-
fahr hatte es niemals gegeben. Im Radio habe ich einigemale aber
davon gehört.
Bei einer Sektionsversammlung wo gleichzeitig Mitglieder-Ehrung
auf der Landstraße verbunden war, wurde ich in der Diskussion
auch wegen der blau-schwarzen Koalition in Graz angesprochen. Ich
hatte Mühe unsere Genossen davon zu überzeugen, daß das ruhige
Verhalten Kreiskys auf die unqualifizierten Angriffe Götz' die
richtige Taktik ist. Ich habe das Gefühl, daß durch die Erklärung
Benyas, eine blau-schwarze Koalition gegen eine starke Arbeiter-
bewegung würde es schwer haben, jetzt bereits insofern Früchte
trägt, als natürlich unsere Genossen jetzt schon gegen die FPÖ-ler
härter vorgehen möchten.
Tagesprogramm, 3.3.1978
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)