Dienstag, 11. April 1978
Der chilenische Finanzminister Castro sollte lt. Regierungsbe-
schluss nur von den beiden Nichtsozialisten – Aussenminister Pahr
und Staatssekretär Nussbaumer – empfangen werden. Pahr ist aber
jetzt bei der EFTA-Konsultativausschuss in Genf, sodass letzten
Endes, da ich ihn vertrete, er erst bei mir gelandet ist. Ich
hatte es allerdings insoferne leicht, als ich nur über die wirt-
schaftlichen Beziehungen, insbesondere die Exporte mit ihm besprach.
Österreichische Firmen haben besonderes Interesse an Elektrizitäts-
werke und Eisenbahnbau, resp. Materiallieferung. Chile hätte die
Möglichkeit, denn wir haben im Vorjahr für 375 Mio Schilling im-
portiert, hauptsächlich Erze, Kupfer, also Halbzeug, und nur für
67 Mio Schilling exportiert. Castro erklärte, das meiste finanzieren
sie über die Weltbankkredite, sodass es sich bei allen diesen
Projekten um internationale Ausschreibungen handelt. Chile erwartet
jetzt in Santiago die Eröffnung einer Aussenhandelsstelle, die die
Handelskammer bereits lange zugesagt hat. Der Aussenminister hat da-
gegen grosse Bedenken. Ebenso könnte ein Vertrag über die Einfuhr
von zollbefreiten handwerklich hergestellten Produkten zwischen
Botschafter unterzeichnet werden. Auch damit sollte man zuwarten.
Bei der jetzigen Aussenhandelssituation auch gar nicht unbedingt
notwendig.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte das Aussenministerium entsprechend
verständigen und fragen.
Im Ministerrat hat – nachdem ich vorher Androsch schon informieren
musste, dass er bezüglich der Kompetenzverteilung recht hatte – dann
doch das Kreditwesengesetz von ihm entsprechend ergänzt wurde. Dadurch
werden nach seiner Information und Mitteilung auch die Kreditvermittler
erfasst, die bis jetzt tun und lassen konnten was sie wollten. Für
mich habe ich daraus den Schluss gezogen, dass all diese Fragen
besser vorbereitet und mehr Information für mich notwendig ist,
damit ich nicht fast in einen Beweisnotstand mit Behauptungen,
die z.B. die Arbeiterkammer aufstellt, komme. Da niemand bei uns
im Büro bis jetzt ausdrücklich zugeteilt für Budget und Finanzfragen
ausserhalb unseres Ressorts zuständig ist, habe ich mit Burian verein-
bart, dass er, da er auch die Budgetfrage des Hauses bearbeitet,
sich dieser Materie annimmt.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte versuche entsprechenden Kontakt mit
Ministerbüro Androsch zu bekommen.
Leodolter berichtete, dass sie die Massenimpfungen gegen Zecken
einstellen musste, weil minutenlange Kollaps, Schüttelkrämpfe
usw. durch zu viel Eiweiss im Impfstoff aufgetreten sind. Die
Waldarbeiter werden weiter geimpft, da die Einzelimpfungen nicht
eingestellt sind. Davon am meisten Betroffenen übrigens diese
Impfungen viel besser vertragen. Nur die ständig im Wald sich
Aufhaltenden sind gefährdet, denn auf 1000 Zecken kommen 2 Er-
krankte. Mit Nachherimpfungen, wenn man den Zeck entdeckt hat,
genügt dies ihrer Meinung nach auch. Lanc berichtete über die
Zusammenkunft zwischen italienischem, Schweizer und deutschem
Innenminister wegen des grenzüberschreitenden Terrorismus, indem
er aber nur erwähnte, sie hätten sich in der Schweiz getroffen.
Niemand erwartete mehr, da ja auch in Wirklichkeit kaum etwas
Wirksames gegen diese Terroristen unternommen werden kann. Kreisky
machte einmal mehr darauf aufmerksam, dass die Auslandsreisen
nach wie vor viel zu wenig eingeschränkt werden.
ANMERKUNG AN ALLE: Bitte auch im Haus auf entsprechende Einschrän-
kung achten. Unsere Quoten sind reichlich überzogen.
Die Firma Vaillant hat ein neues Betriebsgebäude im Liesinger
Industriezentrum gebaut und ersuchte mich, es zu eröffnen. Bei der
Gelegenheit hatte ich die Möglichkeit mit dem deutschen Verkaufs-
direktor, das Mutterhaus ist in Remscheid, wegen eventueller Teil-
fertigungsverlagerung nach Österreich zu sprechen. Dies wird schwer
möglich sein, doch kauft die Firma von österreichischen Zulieferern,
was in Hinkunft noch ausgebaut werden soll. Die Organisation der
Feier war insoferne für mich eine Enttäuschung. Nicht einmal die
70 Beschäftigten wurden zusammengerufen zusammengerufen, sondern
nur ein ganz kleiner Kreis, wo nicht einmal die Betriebsräte dabei
waren, feierten sozusagen die Eröffnung. Stadtrat Mayr, der eben-
falls anwesend war, kam nicht einmal zu Wort.
ANMERKUNG AN ALLE: Ablauf der Betriebsbesuche auch mit mir in Hin-
kunft besprechen.
Bei der Auszeichnung von Beamten und Überreichung von Berufstiteln
muss ich trotz 8-jähriger Erfahrung immer wieder feststellen, dass
es scheinbar nicht möglich ist, persönliche Informationen über den
Ausgezeichneten zu bekommen, soferne ich ihn nicht persönlich kenne.
Wie man dann eine herzliche Ansprache an den Einzelnen halten soll,
ist mir ein Rätsel. Schmäh allein ist sicher gut, aber ein bisschen
Unterlage braucht man dazu auch.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte versuche selbst über die Ausgezeichneten
irgend etwas zu erfahren.
Mit GD Erbacher und Frank besprach ich die Entsendung einer Ex-
pertendelegation nächsten Montag nach Kairo. Wir einigten uns,
dass Prof. Fritsch oder Holzer und Janitschek mit Frank fahren
sollen.
Da Rechtsanwalt Dr. Schönherr auch den Illwerke-Vorstand Peter und
Reich mitgebracht haben, ersuchte ich auch Erbacher, der als
Vizepräsident des Aufsichtsrates der Illwerke davon betroffen ist,
bei der Aussprache anwesend zu sein. Schönherr erörterte dezidiert,
dass im jetzigen Schiedsgerichtsverfahren zwischen Illwerke und dem
deutschen Stromabnehmer RGW jedwede Handlung Österreichs im Zuge
eines Strafverfahrens katastrophale Folgen hätte. Berchtold hat
nach Aussage von Direktor Reich eine Schutzbehauptung bei einem
Presseprozess in Vorarlberg vor Jahren aufgestellt, die nicht ein-
deutig belegt werden kann. SChef Frank hat die Unterlagen, die mir
Reich seinerzeit gegeben hat, in meinem Auftrag untersucht und nun
von Reich entsprechende Detailinformationen verlangt oder dass er
die Anschuldigung zurückzieht. Reich erklärte, er hätte dies des-
halb noch nicht beantwortete, weil nicht nur für das Schiedsgericht
entsprechendes Risiko damit auf dem Spiel stand, sondern weil er
auch weitere Erhebungen gemacht hat, die neues Material zutage för-
derte. Frank der vorerst die feste Absicht hatte, die Staatsanwalt-
schaft sofort zu verständigen, hat auf Grund dieser Aussage und des
dringenden Wunsches von Rechtsanwalt Dr. Schönherr sich bereit er-
klärt, zur Klärung dieser neuen Tatbestände zuzuwarten. Ich ersuchte
ihn, die neuen Unterlagen zu studieren, aktmässig zu erfassen und mir
dann einen Brief unter gleichzeitiger Abtretung des Aktes zu ent-
werfen, wo ich Dr. Reich ausdrücklich um eine detaillierte Darstellung
des Ergebnisses seiner Untersuchungen verlange. Dr. Schönherr ist
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zwar überzeugt, dass mit 95iger Sicherheit das Strafverfahren,
welches Frank anstrengen will, vom Staatsanwalt nicht eingeleitet
wird. Darüber hat Frank aber mit Recht erklärt, hat ausschliess-
lich der Staatsanwalt resp. des Gericht zu entscheiden. Da aber
im Laufe der Aussprache wesentlich schwerwiegendere Fakten er-
wähnt wurde, habe ich sofort erklärt, dass ich darüber nach Ab-
schluss der Erhebungen in den Illwerken einen ausführlichen
detaillierten Bericht erwarte. Dies wurde mir vom Vorstand zuge-
sichert.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte die Sache weiterverfolgen.
Bandhauer, Nischkauer, Obmann des Betriebsrates der Verbund, und
Kasamas, Fraktionsführer, schlugen mir vor, anstelle des jetzt
abgelösten Vizepräsidenten Glück von den Metallarbeitern im Auf-
sichtsrat den Finanzreferenten der Burgenländischen Landes-
regierung, Aufsichtsratsmitglied Vogl, zum Vizepräsidenten zu wählen.
Im Zuge der Drittelparität soll dann Nischkauer als zweiter Vizeprä-
sident und für die Belegschaftsvertretung Kasamas als Dritter ins
Präsidium gewählt werden. Damit wären die 3 SPÖ-Leute komplett und
neu besetzt. Ich stimmte dem zu, da ich selbst auch keinen besseren
Vorschlag machen konnte, gleichzeitig habe ich im Klub den Gewerk-
schaftsobmann der Metallarbeiter Sekanina über die Auswechslung
und Ablöse Glücks informiert, der damit einverstanden ist. Im
Klub berichtete Broda über die Scheidungsreform, Weissenberg über
die sozialpolitischen Konsequenzen daraus. Für mich interessant war
nur der Bericht Haiden über die Marktordnungsgesetze. Haiden hat
auch dem Klub mitgeteilt, dass die Vereinbarung jetzt so lautet,
dass am 23. Mai der Nationalrat beschliessen kann. Klubobmann
Fischer erwähnte, dass die anderen Wirtschaftsgesetze durch
Zuvorkommen des Handelsministers möglich ist, ebenfalls zu diesem
Zeitpunkt bereits zu beschliessen. Er erwähnte nicht ausdrücklich,
dass es sich hier um Initiativanträge der Fraktion handeln wird.
ANMERKUNG FÜR PLESCH UND WAIS: Bitte die Entwürfe müssen spätestens
Ende der Woche geliefert werden.
Haiden berichtet, dass das Landwirtschaftsgesetz und Lebensmittel-
bewirtschaftungsgesetz keine Schwierigkeiten bereitet. Im Viehwirt-
schaftsgesetz möchte er die Unvereinbarkeitsklausel, wonach keine
Kommissionsmitglieder mehr gestellt werden dürfen, von Firmen die
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bei Importen beteiligt sind. Schafe sollen einbezogen werden
und er erwähnte, dass es Schwierigkeiten mit der GATT-Kündigung
geben kann. Die Viehwirtschaftsgesetzkommission soll dann gleich-
zeitig über die Exportkontingente verhandeln. Wirkliche Schwierig-
keiten macht die einfachgesetzliche Regelung des Absatzförderungs-
beitrages, weil die Landwirtschaftsvertreter, insb. der Bauernbund,
eine Kontingentierung unter allen Umständen vermeiden wollen. Die
Agrar- und Ernährungswirtschaftsordnung, wie sie der Bauernbund
vorgeschlagen hat, wird von sozialistischer Seite ganz entschieden
abgelehnt, weil dadurch allein im ersten Jahr 420 Mio Schilling
zusätzliche Belastung entstehen würden. Durch die Erstattungs-
regelung und automatische Preisfestsetzung usw. würden wir eine
ähnliche Regelung bekommen wie in der EG, teilweise aber noch dar-
über hinausgehen. In der Debatte haben sich doch einige gemeldet,
um auf die Auswirkung der Kontingentierung für ihren örtlichen
Milchablieferungsbereich hinzuweisen. Haiden sagte aber dezidiert,
einer Ausnahmeregelung für gewisse Gebiete könnte er nicht zustimmen.
Ich befürchte, dass Haiden hier noch einige Schwierigkeiten haben
wird.
Kreisky berichtete über die Umbesetzungen der ÖIAG, über die
Regierungsklausur und insbesondere über Götz. Er ist davon fest
überzeugt, dass Götz jetzt denselben traumhaften Aufstieg – zu-
mindestens bei den Medien – machen wird, wie Taus seinerzeit. Damit
müssen wir uns abfinden und ganz besonders darauf hinweisen, welche
Koalition Taus-Götz 1979 abgeben würde. Die Parole, die Kreisky fin-
det, sei jetzt nicht mehr die Vollbeschäftigung, sondern "wir halten
die Wirtschaft im Gang". Damit können wir auch Leute ansprechen, die
ansonsten Götz und Taus politisch näher stehen als uns. In der
Diskussion wurde Kreisky auch gefragt, was eigentlich in der DDR
für ein Ergebnis zu verzeichnen ist und in der Anfragebeantwortung
hat dann Kreisky sehr geschickt gemeint, er wolle natürlich den
Klub nicht allzu lange mit Details aufhalten, doch könne er, wenn
das gewünscht wird, natürlich genauer referieren. Selbstverständlich
war dies gewünscht, denn in Wirklichkeit stelle ich immer wieder
fest, sind die Abgeordneten brennendst daran interessiert, Details
insbesondere von Kreisky zu erfahren. Allein was die Propaganda
betrifft, er ist ja nach wie vor sein bester public relations Mann,
wie er referiert und was er sagt oder oftmals auch nicht sagt, gibt
ihm schon allein eine einsame Spitzenstellung, zumindestens jetzt
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innerhalb der Partei und auch der Öffentlichkeit. Dies muss auch
ich als Nicht-Kreisky-Fan neidlos anerkennen.
Im Präsidium auf der Landstrasse und dann auch im Vorstand
besprachen wir die Wahlkampagne. Durch Vorverlegung der Südost-
tangente-Eröffnung der Autobahn vom 18.7. auf den 14.5. ergibt es
für die 3 Bezirke Favoriten, Simmering und Landstrasse die Mög-
lichkeit eine Grossveranstaltung zu starten. Die beiden anderen
Bezirke haben davon Abstand genommen, sodass die Landstrasse
allein verbleibt. Mir unerklärlich ist, dass die Wiener Gemeinde-
verwaltung zuerst diesen späten Eröffnungstermin im Auge hatte,
dann wegen des Pfingstverkehrs auf Anstoss des Kuriers sich doch
dazu entschloss, vorzeitig zu eröffnen. Warum man dem Kurier eine
solche Möglichkeit gibt, ist mir immer unerklärlich. Da mit dieser
Eröffnung gleichzeitig auch jetzt der Wunsch der Landstrasse, in der
Schlachthausgasse ein Lastwagenverkehr-Nachtverbot erreicht werden
kann, glauben wir, dass wir einen grossen Zulauf zu dieser Eröff-
nung haben werden. Wir werden eine Besichtigungsfeier deshalb am
LAC-Platz am 7.5. durchführen.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte Termin Sonntag Nachmittag sperren.
Im Vorstand gab es dann sogar eine sehr harte Diskussion, weil sich
auch unser neuer Bildungsreferent Ludl mit seinem neuen Bildungs-
ausschuss den Kopf zerbrochen hat, was man alles für die Landtags-
wahlen machen sollte. In einem sogenannten brain storming haben sie
alles zusammengeschrieben, was gut und teuer ist. Natürlich werden
wir im Präsidium, wo wir uns seit Monaten den Kopf zerbrechen, mit
all diesen Wünschen beschäftigen. Das Problem ist nur, wo wir die not-
wendigen Geldmittel dafür hernehmen. Ob der Einsatz dann tatsächlich
der optimalste ist, muss auch erst geprüft werden. Die Alsergründler
haben den Neuner, die Leopoldstädter das Riesenrad, wir auf der
Landstrasse können und haben kein so einfaches Symbol. Unser Bezirks-
wappen ist viel zu kompliziert, um es auf Leiberln zu drücken, Ab-
zeichen zu erzeugen usw. Die Bildungsleute wollten unbedingt, dass
wir bereits am 1. Mai entsprechend in Erscheinung treten mit vor-
gezogenem Wahlpropagandamaterial. Dies wurde aber letzten Endes
deshalb als total unzweckmässig erkannt, weil wir diesmal der erste
Bezirk sind, um 7.30 Uhr schon marschieren und daher mit Sicherheit
annehmen können, überhaupt niemand auf der Landstrasse anzutreffen.
Heindl, der sich um diese Propagandafragen besonders annimmt, hat,
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glaube ich, vollkommen recht, dass wir unsere ganze Aktivität
jetzt auf die Besichtigungs- und vorgezogene Eröffnungsfeier
ausrichten sollen und müssen. Am meisten gefreut hat es mich
aber, als ich nach dieser Sitzung unsere neue Frauenvertreterin
Berger nach Hause bringen konnte und sie mir sagte – was sie sehr
beeindruckte, sie war das erste Mal im Vorstand – war die offene,
freizügige Diskussion. Trotz der manchmal natürlich auch ein wenig
persönlich gefärbten harten Aussprache, glaube ich schön langsam
wirklich, dass wir auf der Landstrasse ein verhältnismässig gutes
Arbeitsklima haben.
Tagesprogramm, 11.4.1978
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 113. Ministerratssitzung, 11.4.1978
42_0391_03hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)