Samstag, 29. April 1978
Beim Frühstück auf der Grazer Burg hatte ich Gelegenheit,
mit LH Niederl natürlich wieder einmal über die politische
Situation zu sprechen. Niederl versuchte mir zu erklären,
dass es für die ÖVP Steiermark und ganz besonders Graz gar
keine andere Möglichkeit gegeben hat, als Götz wieder zum
Bürgermeister zu wählen. Sie hätten sich ansonsten den Hass der
Liberalen und Altnationalen Kreise zugezogen. Da Götz bei der
Eröffnungsrede darauf hinwies, dass bei der letzten Messe-
veranstaltung die Frage war, wer jetzt als Stadtoberhaupt
begrüssen würde, freut er sich, mitteilen zu können, dass er es
jetzt doch wieder ist. Den Beifall, den Götz bereits bei der
namentlichen Begrüssung und dann ganz besonders bei dieser
Passage bekommen hat, zeigt für mich, dass er sehr gut versteht,
die Leute für sich in Graz zu gewinnen. Dass die ÖVP darüber
nicht glücklich ist, konnte ich aus vielen Äusserungen entnehmen.
Niederl meint, es sei eine Vernunftehe, andere ÖVP-Mandatare
und Funktionäre bezeichneten sie noch anders. Glücklich ist
die ÖVP nicht und ich bin sehr gespannt, wie sie sich aus
dieser Umklammerung löst. Bis jetzt – und dies zeigen die
Meinungsumfragen eindeutig – geht der Erfolg und das Aufsteigen
der FPÖ ausschliesslich oder fast ausschliesslich auf Kosten der
ÖVP. In der Eröffnungsrede hatte Götz zum Unterschied von seinen
bisherigen das erste Mal festgehalten, dass die Wirtschafts-
politik, ganz besonders aber die Massnahmen der letzten Re-
gierungsklausur deutlich zeigen, dass auf die Klein- und
Mittelbetriebe vergessen wurde. Ausserdem haben wir eine Jugend-
arbeitslosigkeit, dies könnte er alles feststellen, auf Grund
von Vorsprachen Grazer Bürger bei ihm. Selbstverständlich habe
ich sofort auf diese Anschuldigung reagiert. Richtig ist,
dass bei dieser Regierungsklausur die Finanzfragen für die Gross-
betriebe, also für über 5 Mio S geregelt wurde, dass aber bereits
bei der Jänner-Klausur für die Klein- und Mittelbetriebe durch
Aufstockung der Bürges-Aktionen und vor allem durch die entsprechen-
de Zurverfügungstellung der finanziellen Mitteln vorgesorgt
wurde. Die Wirtschaft kennt dies auch und wir haben ein Ansteigen
der Anträge festzustellen. Was die Jugendarbeitslosigkeit be-
trifft, so bedankte ich mich bei den Unternehmern, dass sie
184.000 Lehrlinge jetzt beschäftigen und dass beim besten
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Willen niemand feststellen könnte, dass wir in Österreich
nicht nur eine gute Beschäftigung haben, auch im Vergleich zur BRD,
dass gegenüber Westeuropa, wo es 40 % Jugendarbeitslosigkeit
gibt, wir diese Geissel bei uns in Österreich nicht kennen.
Alle haben mir nachher versichert, dass sie sehr glücklich waren,
dass ich den Götz gleich so niedergesetzt habe. Im Presse-
forum wurde ich dann gefragt, ob dies eine neue Politik sei,
dass ich mich nicht nur mit dem Landeshauptmann Krainer und
Niederl auseinandersetze, sondern auch jetzt mit Götz. Meine
Erklärung war wirklich zutreffend und ehrlich, Götz hat bis
jetzt ja nur bei seinen Eröffnungsansprachen immer Gemeinplätze
und Grüsse gesagt und ist niemals auf ein konkretes, spezifisch
die Bundesregierung betreffendes Problem eingegangen. Diesmal
hat er es für notwendig erachtet, Kritik, die sogar nicht
zutreffend ist, zu üben, was mich natürlich sofort veranlasste,
darauf zu replizieren, wie ich dies auch bei Krainer und
Niederl stets getan habe. LH Niederl hat in seinen Ausführungen
auf die Zusammenarbeit des Bundes mit dem Land für einzelne
Regionen, als Beispiel führte er Aichfeld-Murboden an, hingewiesen
und ganz besonders weitere Nebengebiete aufgezählt. Ich dankte
ihm dafür, denn damit hat auch Steiermark anerkannt, was in
Aichfeld-Murboden alles vom Bund geschehen ist. Ich verwies
natürlich dann darauf, welche Aktivitäten insbesondere auch
das Handelsministerium in der Steiermark entfaltet hat und
noch entfalten wird. In der Bergbauförderung für die GKB
mit 728 Mill. S seit 1970, für kleine Elektrizitätsbetriebe
mit über 8 Mill. S und mit dem jetzt zur Durchführung gelangenden
Versorgungskonzept und damit Rohstoffaufsuchungsabsichten der
OB. Niederl hat mir versichert, dass sich die Steiermark selbst-
verständlich mit einem 50:50 Verhältnis beteiligen wird.
Da die Messe diesmal von einer Jäger-Gruppe sozusagen eingeblasen
wurde, meint der Landeshauptmann, dies sei ein Gruss Steiermarks
an die Regierung gewesen, obwohl gar keine Bundeswahlen jetzt
bevorstehen. Als Gag antwortete ich, vielleicht wollten die,
die nicht uns zum Halali blasen, sondern vom Landeshauptmann
herauskitzeln, wann die Steiermärker wählen werden. Niederl
hat mir nämlich vorher noch mitgeteilt, dass die Steiermark
auf alle Fälle einen anderen Termin wählen wird als der Bund,
doch zweifeln sie scheinbar noch immer an der Aussage Kreiskys,
es wird am 1. Sonntag im Oktober 1979 gewählt.
Die Presseaussprache auf der Messe ist schon eine so eingeführte
gute Tradition, dass die Messe-Leitung automatisch die Organi-
sation dafür übernimmt. Ich nämlich nicht überzeugt, ob wir von
Wien aus die einzelnen Redaktionen verständigt haben. Mir ist
an und für sich unerklärlich, wieso es in Graz gelingt, die dortigen
Journalisten für so eine Presseaussprache zu interessieren,
währenddem wir in Innsbruck ein einziges Mal eine grössere Gruppe
zusammengebracht haben und dann es immer gescheitert ist. Für
mich ist es aber gar keine Frage, dass daran die Organisation
schuld ist. Mit entsprechender Vorbereitung müsste es auch gelingen,
dass, bevor das Essen von der Messeleitung gegeben wird, im selben
Gebäude eine Presseaussprache möglich sein müsste.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte sprich mit Tieber, welche Möglich-
keiten er sieht.
Da neben Bautenminister Moser auch noch Landwirtschaftsminister Hai-
den bei der Messe-Eröffnung und an dem Mittagessen anwesend war,
konnte ich diesen gleich unsere letzte Aussprache über die Öl-
mühle und insbesondere das Aufkaufkonzept von Seefranz und
Mussil, Errichtung einer Verwertungsgesellschaft, erklären.
Haiden ist mit dieser Vorgangsweise einverstanden. Haiden hofft
allerdings noch immer, dass es sehr bald zu einer Anbauprämien-
regelung kommen kann. Ich erklärte ihm, ich glaube nicht daran,
dass die Arbeiterkammer und der ÖGB bereit sind, jetzt ihre
seinerzeitige 8 %-ige Verteuerung der Margarine und Fette zu
akzeptieren, nachdem der Bauernbund immer weitere Forderungen
stellt.
Nach dem Mittagessen hat Komm.Rat Goess, gleichzeitig auch in
der Industriellenvereinigung Steiermarks eine grosse Rolle
spielt, mich ersucht um eine Aussprache wegen der nachverarbeitende
Abnehmer der Ölmühlprodukte. Der Vertreter von Vianova setzte
mir auseinander, dass er, wenn die Vorstellungen der Landwirt-
schaft, aber auch von Haiden Platz greifen, früher oder später
konkurrenzunfähig wird. Einen Umsatz von 560 Mill. S würde eine
5–8 %-ige Verteuerung seiner Produkte entstehen, wenn er nicht
durch Freischeine so wie jetzt das Öl zu entsprechenden Weltmarkt-
preisen zur Verfügung gestellt bekommt. Die Freischein-Lösung
ist ihm auch viel lieber als die Vergällung. Die Vergällung würde
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er mit Xenol, wenn auch nur 2 % zugesetzt, in eine neue Flamm-
schutzgruppe kommen, müsste daher für die ganze Manipulation
ungeheure Aufwendungen machen. Für die Lackerzeugung und
insbesondere auch für Kunstharze braucht man einwandfreieste
und beste Ölqualität. Ähnlich geht es den beiden grossen anderen
Firmen Reichhold und Krems-Chemie. Für die Seifenerzeugung
hat Lettner darauf verwiesen, dass doch immerhin 2.500 t z.B.
auch Palmolive-Seife bei uns in Österreich produziert wird.
Hier brauchen sie Kokos-Fett von 20–40 %. Wenn nicht auch
sie zu Weltmarktpreisen diese Öle beziehen können, würde
Italien und Deutschland dann sofort den österr. Markt erobern
resp. Palmolive und andere internationale Firmen woanders
arbeiten lassen. In versicherte den Vertretern, dass ich alles
unternehmen werde, um nachverarbeitenden Industrie, egal ob
Lebensmittel oder technische Produkte, entsprechende Mengen
preisgerecht zur Verfügung stellen werden. Ich habe mich ganz ent-
schieden gegen die Meinung des Bauernbundes gewendet, dass
dieser zwar erklärt, sie würden auch dafür vorsorgen, in Wirk-
lichkeit aber eine Fettmarktordnung direkt oder indirekt errichten
wollen. Interessant für mich war die Mitteilung, dass Dr. Wohl-
meyer von der Gmünder Industrie, die 100 % der Raiffeisen-Kasse
gehört, erklärt haben soll bei einer Aussprache, er würde dafür
vorsorgen, dass die nachverarbeitende Industrie nicht von den
Multis, in dem Fall meinte er natürlich Unilever, ausgebeutet
wird. Ich erklärte sofort dezidiert, Herr Wohlmeyer soll
es ruhig der Handelskammer oder gegebenenfalls dem Handelsmini-
sterium überlassen, dass nicht Multis die Industrie und das
Gewerbe ausbeuten. Die brauchen wahrlich nicht den Schutz
von der landwirtschaftlichen Seite. Diese meine Auffassung
fand auch die ungeteilte Zustimmung.
Der Bürgermeister von Pöttsching, Moser, hatte ganz offiziell
mich zum Besuch seiner Gemeinde eingeladen. Er zeigte mir
das Bad, welches sie mit 9,7 Mill. S errichtet haben. In
der Pöttschinger Gemeinde gibt es nämlich eine aufgelassene
Kohlengrube, die jetzt mit Wasser ersoffen ist und wo sich
sofort rundherum entsprechende Wiener angesiedelt haben.
Wenn nun nicht genug Grundwasser nachfliesst und das ist im
Sommer meistens der Fall, gibt es keinen Abfluss und das
Wasser verschmutzt sein stark. Kinder sollen schon Ekzeme
bekommen haben. Die Gemeinde hofft deshalb mit Recht,
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dass dieses Bad auch von Sommerfrischlern stark frequentiert
wird, dies umso mehr, als das Bad vorgewärmt wird. Moser
braucht nun dringendst einen Kredit für die Endfinanzierung
und hat diesen auch im Handelsministerium eingereicht. Da
die Gemeinde selbst das Bad gebaut hat, gibt es dafür die
Möglichkeit der FAZ-Mittel.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte sofort den Fall, der angeblich
positiv von uns schon begutachtet ist, einreichen.
Die Gemeinde ist natürlich jetzt durch die Kanalisation, durch
einen Kindergarten und durch sonstige Aktivitäten stark verschuldet.
Zwei Gemeindearbeiter haben dort wirklich die Grünflächen sehr
schön in Ordnung gehalten. Stolz zeigte mir der Bürgermeister auch
ihren Friedhof, den sie nicht voll belegen wollen, sondern
trachten, ihn sehr locker zu gestalten. Aufgefallen ist mir
und neu für mich war es, dass es in burgenländischen Gemeinden
üblich ist, dass Kinder, die bis zum 6. Lebensjahr sterben,
auf einem eigenen Fleckerl begraben werden. Abgesondert von
den Alten gibt es da einen fast sehr elegisch wirkenden Kinder-
friedhof.
Die Mai-Veranstaltung in Pöttsching und dann aber vor allem einmal
in Neudörfl wird nach burgenländischer Tradition stets im
Saale abgehalten und erst nachher wird ein Fackelzug oder vorher
ist ein Fackelzug üblich. Dies hat für den Referenten einen
grossen Vorteil. Man sieht die Teilnehmer, man kann viel mehr in
die Details gehen und kann beobachten, wie die Gags ankommen,
die mir zwar schon zum Halse herausstehen, aber bei den Teil-
nehmern immer noch grossen Beifall auslösen. Diese Mai-Feiern
haben mehr typischen Charakter als die anderen.
Tagesprogramm, 29.4.1978