Mittwoch, 24. Mai 1978
Gen.Dir. Freibauer, Universale, teilt mit, dass die Ungarn nicht
für 300 Mio Dollar, sondern sogar für 500 Mio Dollar von den
einzelnen Ministerien ihre Wünsche aufgelistet haben. Das Hotel
mit 50 Mio steht jetzt knapp vor dem Zuschlag und die Franzosen
haben eine grössere Chance als wir. Die Ungarn glauben vielleicht
sogar, dass wir ihnen den Kreditrahmen geben und sie können über die
Beträge frei verfügen. Freibauer muss sich deshalb sofort mit der
Kontrollbank ins Einvernehmen setzen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte kläre, wie dies weitergeht.
Der Rechnungshofbeamte, MR Kovinka, hat auf Ersuchen von Burian
über den Stand der derzeitigen Prüfung im Handelsministerium
informiert. Nach Meinung Kovinkas haben wir als einzig gesetzlich
einwandfreien Weg die Pflicht, die Budgetausgaben für Aufwendungen
auf Grund des Aussenhandelsförderungsbeitragsgesetzes über unser
Handelsministeriumsbudget einzuverleiben und dann wie jede andere
Budgetpost abzurechnen. Er wehrt sich nicht gegen die Höhe der
Ausgaben, sondern nur über den formell falschen Weg, dass die
Handelskammer sozusagen alles über ihr Budget bezahlt. Nach seiner
Meinung sollten wir 150 Mio Schilling pro Jahr von der Handels-
kammer überwiesen bekommen und damit alle Aufwendungen, die zu-
folge unserer Aussenhandelspolitik entstehen, bezahlen. Ich habe diese
Stellungnahme, die ich übrigens für vollkommen unzweckmässig halte,
sofort im Parlament Präs. Sallinger, der sich Dienstag mit ihm trifft,
und Mussil, der bereits Freitag eine erste Aussprache mit ihm hat,
mitgeteilt. Insbesondere Mussil machte ich klar, dass es ein grosser
Fehler war, meinen Vorschlag nicht anzunehmen, wonach das Handels-
ministerium niemals eine Rechnung der Handelskammer präsentiert
hätte. Die Aufwendungen für Wirtschaftsverhandlungen mit dem Ausland,
wie Kovinka jetzt diese Ausgabenpost definieren möchte, hätten
alle können direkt von der Handelskammer bezahlt werden. Die Auf-
enthaltskosten für ausländische Minister und deren Gefolge, die Gast-
geschenke usw. hätte man entweder direkt von der Handelskammer be-
zahlen sollen, oder mir in Form von Gastgeschenken, wenn die
Handelskammer ein solches für zweckmässig hält, in Natura zur
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Weitergabe übermitteln sollen. Dadurch wäre ich vollkommen aus
dem Dilemma heraussen, formell als Ausgeber überhaupt in den
Büchern der Handelskammer aufzuscheinen. Ich bin überzeugt,
dass MR Kovinka damit auch nicht zufrieden gewesen wäre, doch wäre
seine Kritik wesentlich schwieriger anzubringen gewesen.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte keine weiteren Gespräche mehr mit Kovinka
suchen. Selbstverständlich aber alles anhören, was er Dir selbst er-
zählt.
Bei den Autofahrern unterwegs hat der Moderator, Michael Schrenk,
ein Live-Interview mit mir über die Ferienstaffelung vorgeschlagen.
Schrenk ist, wie er mir selbst erzählte, Bildungsfunktionär der Be-
zirksorganisation Meidling. Er hat innerhalb des ORF grosse Schwie-
rigkeiten. Er selbst möchte eine Verkehrsredaktion, die für beide
Medien, Rundfunk und Fernsehen, arbeiten sollten und könnten. Bisher
ist er damit nur selbst bei den eigenen Leuten auf grössten Wider-
stand gestossen.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mit Blecha verbinden.
Beeindruckend für mich war, dass Schrenk, verhältnismässig jung
und ein noch viel jüngerer Techniker allein diese Sendung gemacht
haben. Das Musikprogramm stellt Schrenk auch zusammen. Der Techniker
selbst war bereits beim Ö3-Wecker und musste vom Mischpult die
Musik, die Werbespots, dann die Diskussionen und was weiss ich
noch alles allein bewältigen. Für mich war dies eine Bestätigung,
dass tatsächlich mein Plan seinerzeit gegangen wäre. Als das Rund-
funkmonopol in der ÖVP-Alleinregierungszeit zur Diskussion stand,
hatte ich die Idee mit Dr. Fritz Koppe, der damals die public relations-
Arbeit in meinem Stab der Kammerdirektion geleistet hat, einen eigenen
Sender sofort einzurichten, d.h. unser Studio so auszubauen, dass wir
mit maximal 10 Leuten eine rund um die Uhr-Sendung gemacht hätten.
Mit viel Musik und keiner offiziellen Politik, dafür aber so mehr
indirekte Hinweise hätte es möglich sein müssen, rund um die Uhr
für die Arbeiter insbesondere in den Betrieben eine für sie interes-
sante und daher für sie gute Sendung zu machen. Voraussetzung wäre
allerdings gewesen, dass man einen so guten Moderator gefunden hätte,
wie Schrenk sicherlich einer ist.
Der Obmann der Textilarbeitergewerkschaft kam mit den Betriebs-
räten der Feinstrumpferzeuger, vom Vorarlberg bis Waldviertel,
über die unmögliche Situation in dieser Branche zu sprechen. Die
Kollegen erwarten von mir, dass ich unbedingt etwas gegen die
Billigimporte von Frankreich, Italien und teils jetzt auch Israel
unternehme. Die 7.5 Mio Paar, die von Rumänien pro Jahr bis zum
Jahr 1981 noch übernommen werden sollen resp. von der Vöslauer
übernommen werden müssen, weil sie ansonst 50 Mio Pönale bei
Vertragsstornierung zahlen müssen, drücken interessanter Weise
nach Auskunft der Betriebsräte am wenigsten. Die Vöslauer kann
halt nur die Strümpfe kaum verkaufen, muss sie einlagern und
will andererseits das Lager auch nicht abschreiben. Durch die
Abverkäufe resp. Abschreibung des Lagers würde das Defizit der
Vöslauer noch grösser. Als seinerzeit die Vereinbarung getroffen
wurde, hat man angenommen, dass 2.70 Schilling der Strumpfhosen-
preis ist plus 1 Schilling, der der Vöslauer hätte sollen als
Zuschlag zufliessen, mit einem solchen Preis konkurrenzfähige Ware
hereingekommen wäre. Jetzt hat sich alles anders entwickelt. Der
Betriebsrat von Kunert, Vorarlberg, teilte mir mit, dass sie imstande
wären, den Englandexport von 8 auf 9 Mio Schilling heuer zu erhöhen,
wenn sie gleichzeitig auch Billigware mitliefern könnten. Um solche
Billigware aber erzeugen zu können, müssten sie jetzt ganz moderne
Strumpfhosenmaschinen aufstellen. Die Firma weiss nicht genau, ob
diese Investitionen überhaupt rentabel sind. Zum Glück hatte ich
vor längerer Zeit schon ersucht, es möge jetzt eine interministerielle
Besprechung stattfinden, damit wir abklären, wie die einzelnen Stellen
zu einer Regelung auf dem Strumpfhosensektor, sei es durch Selbstbe-
schränkungsabkommen oder Mindestpreisregelung oder ich sonst nicht
was für Möglichkeiten es noch gibt, man dieser Branche helfen soll
und muss. Zum Glück hat vorige Woche eine solche Sitzung stattgefunden,
allerdings auch noch kein Ergebnis gezeitigt.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte dränge auf weitere interministerielle Ver-
handlungen.
Der Rechtsvertreter der Firma Fairchild, Halbleiterproduzent und
grosse amerikanische Firma, Dr. Prettenhofer, ist mit dem technischen
Direktor Dr. Harry Sello, bei mir erschienen, um ein sehr interessantes
Angebot zu machen. Fairchild hat keinerlei europäische Produktions-
stätten. Vor Jahren war Sello ein Manager in einer von ihnen in
Italien errichteten Fabrik. Damit hat die Firma und insbesondere Sello
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die denkbar schlechtesten Erfahrungen gemacht. Fairchild möchte
deshalb sein know how, gegebenenfalls auch sogar mit Kredit-
unterstützung, dass eine grosse österreichische Firma, verstaatlicht
oder privat ist ihnen egal, eine Produktionsstätte in Österreich er-
richtet. Fairchild möchte keine Managementführung mehr selbst stellen,
sondern sich eines Management, eben einer grossen österreichischen
Firma durch joint venture oder Kooperation oder sonst irgendwie
verbinden. Da ja wenige private Firmen dafür in Frage kommen,
habe ich Staatssekretär Nussbaumer mit diesen Leuten bekannt gemacht.
Nussbaumer hat mir dann mitgeteilt, er sieht hier für die ÖMV
ein grosses Betätigungsfeld.
Im Plenum des Nationalrates gab es natürlich eine stundenlange
Diskussion über den Wirtschaftsbericht Kreisky-Androsch. Interessant
war dann nur am späteren Abend eine harte parlamentarische Ausein-
andersetzung zwischen Kreisky, Androsch von der Regierungsbank und
den Oppositionellen Taus, Mock und dann als Schlichter und Beruhiger
Graf auf der anderen Seite. Immer wieder kommt es zu Krawallszenen
nach einer tagelangen Diskussion. Irgendwie staut sich der manchmal bis
zum Hass ausartende Widerstand. Leider kommt es auch von unserer Seite
immer wieder zu Brüllszenen, besonders wenn eine Diskussion zu Ende
geht und dann kaum noch sachlich argumentiert wird. Erschütternd für
mich ist immer nur die oft wirklich geistlosen Zwischenrufe, wo sich dabei
meistens Abgeordnete beteiligen und auszeichnen, die man sonst am
Rednerpult fast nie hört, sei nur nebenbei bemerkt.
Gen.Dir. Seefranz und der Obmann der Raps-Gemeinschaft von der Ver-
einigten Fettindustrie, Hirsch, berichteten mir über die weitere
Vorgangsweise für das Ölmühlenprojekt resp. Aufkaufgesellschaft. Eine
Aussprache zwischen Seefranz, Hirsch, Bruck, als Obmann des Landes-
produktenhandels Friesacher, einer grossen Getreidefirma, Dr. Gleissner
und Rief, Beamte der Handelskammer, sowie auf der landwirtschaftlichen
Seite Rasser, Königswieser, Mayerhofer vom Verband und Strasser
als Bauernbund-Generalsekretär hat mit einem richtigehenden Eklat
geendet. Die Landwirtschaftsseite war nicht bereit für 1978 einen
Rapsvertrag wie für 1977 ähnlich zu schliessen. 1977 wurden bis
3.000 Tonnen vereinbart zu einem Preis von 5.76 Schilling. Dies hat
der Fettindustrie 7 Mio zusätzliche Stützung gekostet. Für 1978 ist
also ein vertragsloser Zustand, doch hat die Fettindustrie erklärt,
bis 2.900 Tonnen übernimmt sie. Durch höhere Preise, die noch nicht
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vereinbart sind, werden sie wahrscheinlich 10 Mio Stützung
brauchen. Für 1979 rechnen sie, dass maximal 20.000 Tonnen abgelie-
fert werden könnten und bei einem Verlust von 3.70 Schilling
70 Mio Schilling Stützung notwendig ist. Diese Stützung könnte
durch die neue Abgabe, selbst wenn sie nur paar Monate in Kraft
ist, hereingebracht werden. Die Landwirtschaftsseite hat sich
beschwert, dass die österreichische Bundesregierung, insbesondere
wahrscheinlich der Handelsminister, nicht bereit ist, für die
Übernahme dieser Stützungen aus dem Budget zu plädieren. Die
Landwirtschaft weiss nämlich ganz genau, dass 1968 den Amerikanern
gegenüber eine Verpflichtung von Klaus, Schleinzer, Mitterer
eingegangen wurde, keine wie immer geartete Abgabe auf Öle oder
Schrotte zu errichten. Die Verhandlungen werden deshalb jetzt mit
den Amerikanern gar nicht leicht sein. Die Landwirtschaftsseite hat
auch klar und deutlich zu erkennen gegeben, dass sie mit einer Auf-
kaufgesellschaft nicht einverstanden ist. Sie möchte am liebsten,
dass Olioprot die Machtposition, die sie dieser Firma zugeteilt haben,
auch womöglich durch Gesetz untermauert einnehmen kann. Das Bestreben
der Landwirtschaft ist es, klar und deutlich eine Fettwirtschaftsord-
nung mit eigenem Betrieb zu errichten. Bezüglich der Errichtung
einer Ölmühle glaubt Hirsch, dass es möglich wäre, wie in Kleve
von der Firma Holz und Williams errichtete neue Ölmühle von 150.000
Tonnen, die bei vollschichtigem Betrieb bis 300.000 Tonnen erzeugen
könnte und 100 Mio DM kostete, billig zu erwerben. Diese neueste
Lurgianlage ist für Unilever oder für einen anderen Produzenten
uninteressant, da sie für diese internationalen Konzerne viel zu
klein ist. Für die österreichische Produktionsmöglichkeit wäre sie
gerade richtig. Dir. Lesser von Holz und Williams der gleichzeitig
der Vertreter Estermanns in der Vereinigten Fettindustrie ist, wird
Hirsch mitteilen, wann die Ölmühle zur Verfügung wäre. In diesem
Fall könnte billiger ein entsprechendes Projekt in Österreich er-
richtet werden.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte äusserst vorsichtig und vertraulich die-
sen Vorschlag weiterprüfen.
Die Gewerkschaft hat im Rahmen des Berufsförderungsinstitutes einen
Fortbildungskurs für Konditor. Nachdem sie mich immer wieder ersuchen,
ich möge mich auch für die Berufsausbildung ein wenig interessieren,
heisst in diesem Fall, mich dort anschauen lassen, habe ich dann
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sehr spät abends nach dem Parlament, nachdem ausser dem Wirbel noch
ex Finanz- und Budgetgesetze beschlossen wurden, diesen Kurs besucht.
Ich war nicht überrascht, denn auch bei anderen Kursen konnte ich
immer wieder feststellen, dass junge Leute, wenn es sich um beruf-
liche Weiterbildung handelt, wo sie sich höhere Einkommen ver-
sprechen, sehr daran interessiert sind. Auch diesmal waren sehr junge
Kolleginnen und Kollegen bei dem sehr interessanten 14-tägigen Kurs.
Konditor lernen dort auch kalte Buffets herrichten, natürlich Spe-
zialmehlspeisen. Mit dem Vortragenden war ich sofort einer Meinung,
dass das grosse Interesse der deutschen Gäste – wenn sie nach Öster-
reich kommen – noch immer der guten Wiener Küche gilt. Ein Kollege,
ausgesprochener Fachmann und derzeit eben Unterrichtsleiter für
diesen Kurs, jetzt schon in Pension, erzählte mir, er hätte in seinen
Urlaub vor längerer Zeit in Kärnten, den Gastwirt, wo er wohnte, einmal
Milchrahmstrudel zu seinem Zeitvertreib gemacht. Das Ergebnis dieser
Tätigkeit wäre gewesen, dass er täglich hätte beste Mehlspeisen her-
stellen können, weil die Gäste sofort diesen ausgezeichneten Nach-
tisch ständig wollten. Bei einer Aussprache mit Dir. Wolf von einer
Volkshochschule Alsergrund, bestätigte mir dieser auch, dass auch
in ihrer Institution nur die Fortbildungskurse, die beruflich von
Interesse sind, gut besucht sind. Alle anderen Veranstaltungen
sind nicht nur Defizitbetriebe, sowie übrigens natürlich auch die
Fortbildungskurse, sondern haben auch kaum einen Besuch zu verzeich-
nen. Die Zeit, wo ich z.B. noch nach 1934 an der Volkshochschule
Ludo-Hartmann-Platz Geisteswissenschaften belegt hatte und wo damals
die Vorlesung voll sind, sind längst vorüber. Heute, wo man eben
freie Politik machen könnte, wo man frei alle wissenschaftliche
Richtungen hören könnte, wo man frei selbst wählen kann, was einen
interessiert, interessiert sich für diese Möglichkeit fast niemand.
Damals war es mit einem gewissen Risiko verbunden, weil die Polizei
zu recht dort immer wieder illegale Zirkel vermutete, wurde trotz der
Unfreiheit, die herrschte, versucht, die Freiheit der wissenschaftlichen
Erkenntnis zu studieren und als Ziel jedem Menschen in den Volksbil-
dungshäusern klar zu machen. So ändern sich die Zeiten, aber auch
die Menschen.
Tagesprogramm, 24.5.1978