Samstag, 27. Mai 1978
Um bei Hassan nicht den Eindruck entstehen zu lassen, es kümmert
sich niemand um ihn, begleitete ich ihn noch vom Hotel zum ORF-
Studio am Küniglberg. Es gab eine kleine Verspätung, weil Hassan mit
dem neuen schweizerischen Aussenminister, der auf Staatsbesuch
in Österreich ist, konferierte. Sekt.Chef Beroldingen vom BKA
und die anderen Ministerialräte waren schon sehr nervös, weil,
wie ich dann feststellen konnte, die ganze Strecke durch Polizei
abgesichert war. Freie Durchfahrt sozusagen ohne Aufenthalt
wie ich schon gestern erwähnte, ein Staatsbesuch, obwohl inoffiziell
ein Bruder eines doch verhältnismässig unbedeutenden Königreiches,
mit riesig viel Pomp. Ob er dies tatsächlich will, kann ich
nicht feststellen, fragte ihn auch gar nicht. Eines weiss ich nur,
wenn man dagegen im Vergleich den Besuch eines bedeutenden Wirt-
schaftsministers wie z.B. Patolitschew vergleicht, dann kann ich
nur sagen, verwende ich genauso viel, ja sogar noch mehr persönlichen
Einsatz, optisch aber kommt nicht annähernd ein solcher Eindruck
zustande wie bei Besuchen, die das Aussenministerium und das
BKA arrangieren. Wenn daher die anderen bedeutenderen Staaten
diese Protokollaufwendung vergleichen, dann wirkt sich dies
sicherlich nicht gut für uns aus.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte veranlasse, dass das nächste Mal
auch unsere Gäste besser betreut werden.
Das Kleinkraftwerk der ESG in Linz hat nur 10 Megawatt, 330 Mill.
Schilling gekostet, also ein irrsinnig hoher kWh-Aufwand von
über 30.000 S, sonst rechnet man 10–15.000. Trotzdem wird
sich dieses Kraftwerk bezahlt machen. Die ESG, wie mir Gen.Dir.
Seitlinger dann unter vier Augen sagte, will nicht stärker von
der OKA abhängig werden und nützte deshalb die Traun, wie er meinte,
optimal. Für mich war es eine Gelegenheit mehr zu unterstreichen,
dass nicht nur Grosskraftwerke, sondern auch Kleinkraftwerke die
notwendige Aufmerksamkeit verdienen und auch von mir ihnen gezollt
wird. Vom Handelsministerium war lustigerweise die Frau Min.Rat.
Brandl aus der Preisabteilung vertreten.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Nach welchem Gesichtspunkt werden Inlandsreisen
bei uns genehmigt?
In der Brauerei Eggenberg wurde das alkoholfreie Getränk Birell
sozusagen von mir aus der Taufe gehoben. Etliche Journalisten wurden
dazu eingeladen und sind tatsächlich gekommen. Mir schmeckt dieses
Getränk überhaupt nicht, in der Schweiz werden aber 120.000 hl
schon erzeugt, die grösstenteils nach Arabien exportiert werden.
Österreich erzeugt derzeit 1.500 hl und soll – wenn die Bestellungen
weiter so gut einlaufen – wesentlich erhöht werden. Ich wünsche dem
Getränk alles Gute, schon jetzt ersparen wir uns durch die
eigene Produktion und nicht durch den Import aus der Schweiz etliche
Devisen. Den Vertrieb hat die Fa. Underberg, Dr. Kowacs, übernommen
die ja auch bisher die Importe aus der Schweiz organisierte.
Der Kaffeehausbesitzer Wurm, Schwanenstadt, der bei der letzten Prüfung
für Gast- und Schankgewerbe durchgefallen war und diese wiederholen
muss, ersuchte mich, ich sollte ihn neuerdings besuchen. Erst war er
nicht da, seine Frau war ziemlich aufgeregt, als ich ein zweites Mal
dann nach einigen Stunden dann bei ihm vorüberkam, hatte er wieder
kein Gästebuch vorbereitet, wie er versprochen hatte und ersuchte
mich auf ein weisses Blatt Papier meinen Namen zu schreiben, da
ein Bild daraufgepickt wird. Zu guter Letzt, ich hielt mich keine
zwei Minuten im Lokal auf, meinte er dann noch, ich sollte ihm ein
Bild auch zuschicken.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte Entsprechendes veranlassen.
Die Firma Berger, ein Maschinenhändler, 1917 gegründet, hat sich, wie
er mitteilte und nachweisen konnte, zum grössten Lastkraftwagen-Kran-
aufhänger entwickelt. Er vertreibt schwedische Kranaufbauten. Angeblich
hat er dabei einen österreichischen Produktanteil von 50%. Trotzdem
wird vom Handelsministerium, vor allem aber vom Bautenministerium
immer wieder erklärt, es handelt sich hier um reine Importwaren.
weshalb er seiner Meinung nach auch von österreichischen Aufträgen
immer wieder ausgeschlossen wird. Ich versprach ihm, diese Frage
genau prüfen zu lassen. Wenn sich tatsächlich herausstellt, dass
er einen so hohen österreichischen Wertschöpfungsanteil vollbringt,
die Konkurrenz, die angeblich in Österreich erzeugt, kauft wesentlich
mehr Bestandteile dazu und hat einen geringeren Wertschöpfungsanteil,
dann müsste man diesen Betrieb wirklich stärker forcieren. Das
Staatswappen bekommt er meiner Meinung nach zurecht, weil es ihm
sogar gelungen ist, in Staatshandelsländer, insbesondere CSSR,
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aber auch Ungarn und Jugoslawien als Handelsfirma grössere
Exportlieferung durchzusetzen. Diese Leistung habe ich auch in
Anwesenheit eines tschechischen Handelsattaches besonders heraus-
gestrichen. Berger muss sehr tüchtig sein, muss gute Wege und Be-
ziehungen kennen und besitzen, damit er in Ländern, die an und
für sich handelsfeindlich sind, sich als Händler zwischenschalten
kann. Sein Erfolg ist, wie er auch ausdrücklich mir bestätigt,
die Service-Leistung.
Bei der Fa. Assmann, Ulbrichts Wwe.
produktion gezeigt. Dieses österr. Patent soll weltweit das beste
sein. Die Firma hat sich gespalten und Ulbrichts Wwe. erzeugt
die sprengenden Produkte, während die Plastikgesellschaft Stahlhelme,
Kochgeschirr, Feldflaschen usw. erzeugt. Ein ebenfalls anwesender
amerikanischer pensionierter Colonel Forst sieht grosse Möglichkeiten
mit der amerikanischen 7. Armee in Deutschland ins Geschäft zu kommen.
Die Amerikaner legen aber so wie wir jetzt Gott sei Dank, seitdem
das Handelsministerium sich hier stärker eingeschaltet hat, gröss-
ten Wert auf Kompensation. Colonel Forst wird mir eine Liste über
die Fa. Ulbrichts Wwe. zur Verfügung stellen, wo er diesbezüg-
liche Liefermöglichkeiten sieht. Ich werde dann sofort mit dem
Verteidigungsminister Rösch in Verbindung treten, damit die
österr. Militärverwaltung feststellt, was wir kaufen können, was
wir verkaufen wollen, um auf dieser Basis eine neue Möglichkeit
von Ex- und Importen auf dem Waffengeschäft mit Amerika eröffnen.
Ich war überrascht über die ungeheuren strengen Sicherheitsbestim-
mungen, die bei der Betriebsbewilligung vom Handelsministerium
resp. den nachgeordneten Dienststellen festgelegt werden.
Für die dort beschäftigten Frauen in dem Notstandsgebiet, einige
Textilunternehmungen im vorigen Jahrhundert sich schön langsam
alle zugrundegegangen, ist die Beschäftigung in dieser Branche
ungeheuer wichtig. Wenn ich noch ideologische Bedenken gegen
Waffenproduktion und vor allem Export dieser Güter hätte, bei der
näheren ökonomischen Analyse, warum wir dies und gerade weshalb
wir dies in diesen Gebieten erzeugen, hätte ich wahrscheinlich
meine Meinung geändert, ja sie ändern müssen. Manchmal, wenn ich
allerdings darüber nachdenke und meine Stellung zu diesem Problem
in meiner Jugend und jetzt vergleiche, so frage ich mich schon, ob
ich diesen Wandel auch wirklich mit meinem Gewissen vereinbaren
kann. Wo sind die Ideale meiner Jugend aus der Falkenzeit geblieben?
Tagesprogramm, 27.5.1978