Mittwoch, 31. Mai 1978
In der Fraktion für den Unterausschuss Kernenergie versuchten
wir unsere Verhandlungstaktik festzulegen. Die Schwierigkeit
bestand darin, ob es gelingt, mit Abg. Stix von der FPÖ einen
Entschliessungsantrag zu finden. Der Abg. König von der ÖVP,
wie überhaupt dann die ganze ÖVP, wollte einer Entschliessung
nur dann die Zustimmung geben, wenn es zu einem Drei-Parteien-
Antrag kommen sollte. Die FPÖ mit ihrer grundsätzlichen Ablehnung
zumindestens von Stix war damit das Zünglein an der Waage.
Fischer's Konzept war, dass der Regierungsbericht in die Entschlies-
sung eingepackt wird, wobei festgehalten wird, dass die ÖVP
und die FPÖ diesen Regierungsbericht ablehnen, während die SPÖ
ihn als wertvolle Information betrachtet, der sicherlich noch er-
gänzt werden müsste. Die Bestimmung in der Entschliessung, dass
die Verantwortung selbstverständlich bei der Regierung liegt für
die Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes, dass aber grundsätzlich das
Plenum sich für die Kernkraft ausspricht. In allen anderen Punkten
wäre man der ÖVP optisch der Versuch von Heindl, die Handelsministeri-
umstätigkeit auf diesem Gebiet besonders in den Vordergrund zu stel-
len und damit den Entschliessungsantrag Königs abzuwerten, könnte
ohne weiteres aufgegeben werden. Zur Novelle des Sicherheitskon-
trollgesetzes könnte man ebenso die Zustimmung in der Entschliessung
bereits aussagen wie einen Alarmplan, der überregional noch ge-
schaffen werden muss, auch im Wohnungsverbesserungsgesetz, das der-
zeit im Parlament behandelt wird, könnten die entsprechenden Be-
stimmungen eingebaut werden. Der Bautenminister wäre einverstanden,
dass man die Verordnungsermächtigung für ihn für alle diese Fragen
festlegt. Bezüglich der steuerlichen Wünsche könnte man über die AfA
und über die Bewertungsgrundsätze prinzipielle Aussagen machen und sie
sofort im Herbst im Unterausschuss, der sich mit Wünschen zum
Energiesicherungsgesetz beschäftigt, verhandeln. Das wirkliche Problem
war vielleicht noch der Cogema-Vertrag. Die ÖVP sieht in der Zu-
stimmung zu diesem Vertrag indirekt eine Genehmigung des Betriebes
vom Kernkraftwerk Tullnerfeld und lehnt deshalb dies ganz ent-
schieden ab. Formell, meint die ÖVP, sei das Parlament gar nicht zu-
ständig, Fischer bezweifelt dies genauso, ich selbst muss zugeben,
dass in den Verträgen mit den anderen Staaten von den Franzosen
nicht das Parlament und das Staatsoberhaupt in den Vertrag einbezogen
wurden. Dies ist eine österreichische Spezialität, wahrscheinlich
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darin begründet, dass die österreichischen Verfassungs-
dienst- und Verfassungsjuristen eben auf dem Standpunkt stehen,
nach Art. 15 unserer Verfassung müsste dies vom Nationalrat ge-
nehmigt werden. In der Fraktion war Abg. Wille der Meinung, dass
das Entsorgungsproblem niemals von der GKT, also der Gesellschaft
gelöst werden könnte, weshalb er die Verstaatlichtung der Ent-
sorgung vorgeschlagen hat. Richtig ist, dass natürlich eine so
eminent wichtige Frage vom Staat wahrscheinlich am ehesten theore-
tisch gelöst werden kann. In der Praxis und ganz besonders aber
in der politischen Verantwortung würde ein solcher Vorschlag für
die weiteren Verhandlungen verheerend sein.
Im Unterausschuss kam es dann zu keiner einvernehmlichen Auffassung,
ausser dass der Obmann des Unterausschusses und gleichzeitig
Obmann des Handelsausschusses Staudinger einen formellen Bericht
über die Tätigkeit der 10 Unterausschuss-Sitzungen geben sollte.
Ein gemeinsamer Entschliessungsantrag konnte nicht gefunden werden,
obwohl Stix erklärte, er hätte eine Formulierung über die Nacht
erarbeitet, auf deren Basis man sich finden könnte. Den grössten
Teil der Sitzung nahm die Geschäftsordnungsdiskussion ein, welche
Möglichkeiten die Geschäftsordnung der Enderledigung der Anträge
und insbesondere der Entschliessungen finden könnte. Immer wieder
konnte ich feststellen, dass Wiesinger, Hubinek, aber auch König
kompliziertere Lösungen gar nicht wollten, weil sie scheinbar
der Meinung sind, ihre Partei wird sich in ihren Gremien sowieso
dagegen aussprechen. Der Parteivorstand der ÖVP, der nämlich
vormittags ebenfalls tagte, hatte den Vorstellungen des Klubob-
mannes Mock, aber auch des Wirtschaftsbundpräsidenten Sallinger nicht
zugestimmt, sondern scheinbar, um es nicht zu einer abrupten Ableh-
nungen kommen zu lassen, sich auf den nächsten Tag vertagt, wo
noch die Landeshauptleute zugezogen werden. Dieses höchste Gremium
der ÖVP wird dann endgültig entscheiden. Die Hauptschwierigkeit
für Heindl als Formulierer, aber letzten Endes auch natürlich für
die gesamte Fraktion der SPÖ, besteht darin, dass über ein Problem,
welches grundsätzlich verschiedene Auffassungen bestehen, eine ein-
stimmige Entschliessung gefasst werden soll. Für mich in meinen
Augen und Überlegungen ein unlösbares Problem, weshalb ich mich
im Unterausschuss auch gar nicht daran beteiligte. Nicht aus Überheb-
lichkeit, sondern weil ich eben keine Möglichkeit einer ehrlichen
Lösung sehe. Heindl versuchte nach der Sitzung noch einmal mit
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Stix und König zu einer einvernehmlichen Formulierung zu kommen,
unter allen nur denkbaren Vorbehalten in der Entschliessung würde
dann zum Schluss von Seiten der FPÖ und auch eventuell der ÖVP
zugestimmt werden, dass der Nationalrat daher der Nutzung der
Kernenergie grundsätzlich nicht negativ gegenübersteht und die
Regierung aufgefordert wird, den obigen Darlegungen entsprechend
ihre Energiepolitik auszurichten. Fischer hat sich dann bei dieser
Formulierung wieder daran gestossen, dass die ÖVP und ganz besonders
die FPÖ doch jetzt wieder Detailforderungen wie vor Nutzung der
Kernenergie die offenen Fragen insbesondere hinsichtlich Verwahrung
der abgebrannten Brennelemente, ihre Zwischenlagerung, allfällige
Wiederaufbereitung und schliesslich die Endlagerung sowie andere
Sicherheitsfragen befriedigend geklärt sein müssen. Wenn es letzten
Endes nur zu einer solchen Formulierung kommt, hat Fischer recht,
wird man ständig mit der ÖVP und FPÖ dann streiten müssen, ob
die Regierungspolitik der Entschliessung des einstimmig gefassten
Nationalratsbeschlusses entspricht. Dem wird man allerdings sowieso
nicht entgehen. Ich verlasse mich in Zukunft eigentlich viel
mehr darauf, dass der Zwang des Faktischen, wie er bereits
seit Baubeschluss 1971 besteht, auch weiterhin so stark sein wird,
dass er sich letzten Endes über alle Schwierigkeiten hinwegsetzt.
Nachvollzug für das Parlament ist furchtbar schwierig und meiner
Meinung nach auch nicht sehr zielführend. Der ausserparlamentarische
Druck von der Industriellenvereinigung auf die FPÖ, von den Kernkraft-
werksbauern, insbesondere Siemens, auf die ÖVP reicht nur so weit,
dass sie irgendwelchen formellen Zugeständnissen bereit sind, ohne
ihre grundsätzliche Ablehnung aufzugeben. Wenn man die Regierung
nämlich schuldig werden lassen möchte, dann könnte man jedwede
Formulierung akzeptieren, denn in der Detaildurchführung wird es
sowieso ungelöste Fragen geben wie z.B. die Lagerung, die die
Regierung auf alle Fälle verantworten muss, ohne eine endgültige
Lösung abwarten zu können.
Sekt.Chef Frank hat mit Präs. Igler über das Ergebnis des Unteraus-
schusses eine Aussprache gehabt und Igler versicherte ihm, die
Industrie wird sich sowohl bei der ÖVP als auch insbesondere bei
den Freiheitlichen einsetzen.
Ich hatte mit Präs. Sallinger und getrennt dann bei der OeNB-
Tagung mit Gen.Sekr. Mussil über dieses Problem gesprochen. Sallinger
fühlte sich hundeelend, kämpfte, wie er mir versicherte, mit Minko-
witsch in der Parteivorstandssitzung verzweifelt, konnte sich
aber nicht durchsetzen. Mussil selbst meint, er sei eben nicht
im Unterausschuss, obwohl er dies angeblich wollte, dafür aber keinen
Platz bekommen hat und meint, die Unterausschussmitglieder der ÖVP
hätten eben die Linie des Wirtschaftsbundes niemals akzeptiert.
Für mich sieht die Sache so aus, dass die Beteuerungen aller zwar
wichtig sind, der Einfluss aber scheinbar sehr gering.
Bei der Doppelconference, wie ich es bezeichnete, mit Mussil über
die praktischen Auswirkungen der österreichischen Prognosen auf
die Wirtschaftspolitik hatte Mussil eine schriftliche Rede, wo
er sich auch theoretisch mit dem österr. Modell- und Prognose-
taktik auseinandersetzte. Ich weiss nicht, wer ihm die Zusammen-
stellung gemacht hat, sie war sehr interessant und mit entsprechenden
Seitenhieben auf die Regierung. Darauf konnte ich natürlich sofort
replizieren, wodurch sich eine ganz interessante Diskussion ergab.
Mussil sprach von den selbstheilenden Marktkräften, ich von der
sozialdemokratischen Marktwirtschaft mit gewisser Planung, am Bei-
spiel der Energie demonstriert. Ein weiterer Diskussionspunkt
war, ob Branchenprognosen notwendig sind, wobei Koren und
letzten Endes dann alle bestätigten, dass sie einen Informations-
wert haben, weil ich eine solche natürlich verteidigte. Die Frage
war nur für ihn, was damit geschieht, nur Graber von der Presse
war gegen Branchenprognosen, deren Wert er als ausschliesslich für
Dissertationen von Studenten abqualifizierte. Während alle befürch-
teten, mit Hilfe der Branchenprognosen und der Branchenpolitik würden
wir dann Wachstumsbranchen bestimmen, diese unterstützen und die
anderen sozusagen vernachlässigen, konnte ich erklären, dass dies
in Österreich sowieso nicht geschieht und auch gar nicht möglich
wäre. Ausserdem gibt es nicht nur Wachstumsbranchen, sondern es
gibt in jeder Branche Wachstumsbetriebe mit tüchtigem Management
besonderer guter Produktherstellung, so dass man auch oft schon
dann vom Wachstum Produkte in einzelnen Branchen sprechen kann.
Der wirklich interessanteste Teil war aber, dass ich mich als
erster und nicht zum ersten Mal als Raab-Böhm-Schüler zur Sozial-
partnerschaft bekannte, die auch die Politik des Handelsministeriums
bestimmt. Auch Mussil bestätigte, dass ich mit dieser Politik
Erfolge habe und dass auch er nach wie vor auf dem Standpunkt der
Sozialpartnerschaft besteht. Auf besondere Anfrage der Presse nach
der Sitzung hat Mussil bestätigt, dass die Auseinandersetzung für ihn,
die sich im Gefolge der Parteitagsprogrammdiskussion ergeben hat,
insoferne erledigt ist, als er die Erklärung des Handelsministers
voll akzeptiert. Der Leiter der Diskussion, Gen.Dir. Kienzl, nämlich
hat nach der Sitzung scheinbar ganz dezidiert der Presse
mitgeteilt, für ihn gibt es überhaupt keinen Zweifel, dass nach
wie vor die Sozialpartnerschaft in jeder Beziehung ausserhalb der
Diskussion der Parteien, Programm und was weiss ich sonst noch
was stehen sollte. Aus einer zuerst theoretisch konzipierten Dis-
kussion war dann eine in der Praxis, glaube ich, bedeutende Erklärung
aller herausgekommen. Für beide hätte ich mir das Honorar von
7.000.– S nicht verdient. Darüber war ich übrigens sehr überrascht
genauso wie das letzte Mal bei den Metallarbeitern – Rohstoff-Symposium,
wo derselbe Betrag für alle Referenten vorgesehen war. Da ich sie
mir nicht verdient habe, ausserdem aber kein Honorar nehme, habe
ich ersucht, sie der Volkshilfe Landstrasse zu überweisen.
Die Bezirksdiskussion mit Mandataren bei der Bezirksvorstehung auf
der Landstrasse wurde vom Bezirksjournal einberufen und auch or-
ganisiert. Der Redakteur Zierschütz war sicherlich sehr erfreut,
nicht nur den Bezirksvorsteher Berger von der SPÖ und den neuen
ÖVP-Gegenkandidaten Schindler begrüssen zu können, sondern auch
den Landtagsabgeordneten Krenn von der FPÖ, den NR-Abg. der ÖVP Frühwirth
und sogar einen Minister. Da es sich um Bezirksfragen handelte,
die zur Debatte standen, habe ich in meinem Betrag nur nachgewiesen,
dass die meisten Fragen wie z.B. Schlachthausgasse-Entlastung durch
Autobahnast, Schulwegsicherung der Polizei durch mehr Aufnahmen von
Polizisten, Rennweger Kaserne und Aspanggründe-Verbauung durch
den Bautenminister usw., d.h. ohne Regierungsmassnahmen es
auch in einem Bezirk gar nicht geht. Ich habe mich daher sehr
strikt an die gewünschten Bezirksfragen und Diskussionen gehalten.
Demgegenüber versuchte NR Frühwirth reine Wahlreden, allgemein gehalten
ohne Bezug auf Bezirksprobleme, die er scheinbar noch weniger kennt
als ich, die Bezirksdiskussion umzufunktionieren. Ob er damit
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gut angekommen ist, weiss ich nicht. Bei seinen Mitgliedern,
die diesmal weit in der Überzahl waren, sicher. Er hatte aus
der ÖVP-Propaganda manchmal gedankenlos die Argumente über-
nommen, z.B. behauptet er, die Arbeitslosigkeit sei verheerend und
und die Inflation drückend. Er sprach von einem 50 Mia S Budget-
defizit und insbesondere, dass die Sozialisten nur von Speck der
ÖVP-Regierung noch leben und gelebt haben. Ein einziges Mal
konnte ich ihm schon auf Grund der wirklichen Fakten beweisen,
dass diese Argumente nicht stimmen. Arbeitslosenrate unter 2 %,
Inflationsrate ausser der Schweiz und Deutschland die drittbeste
in Österreich, niemals ein 50 Mia S Budgetdefizit, obwohl Taus
dies ständig auch prognostiziert und was den Speck betrifft, die
Tatsache, dass die Bürges von meinem Amtsvorgänger 1970 geschlos-
sen werden musste. Der freiheitliche Landtagsabgeordnete appellierte
nur an mich, ich sollte mich bei Lanc einsetzen, dass das Wachzimmer
bei der Schnellbahn Wien-Mitte, welches angeblich ein finanzielles
Problem ist, eröffnet wird.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Besprich bitte mit Bezirksvorsteher Berger
einen Brief, den ich an Lanc schreiben soll.
Die Diskussion zeigte mir eines sehr deutlich: Die ÖVP auf der
Landstrasse tritt mit einer jungen Mannschaft an, ist sehr aggressiv,
aber auch sehr aktiv. Die Bürger der Landstrasse sind, was ich
sowieso immer behauptet hatte, primär an scheinbar Kleinigkeiten
brennendst interessiert: Geruchsbelästigungen, Verschmutzung von
Höfen insbesondere durch Gastarbeiter, Verschmutzung der Parks durch
Hunde, zu wenig Grünflächen, Verkehrsverbindungen insbesondere
Auflassung der Linie 78 für die Weissgerber, Belästigung durch
Lärm bei der Flaschensammlung, wenn die Container noch leer
sind, um nur einige zu nennen. Bei den Containern sollte man tat-
sächlich irgendeine Lösung mit Lärmschutz suchen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Lass prüfen, ob man hier Abhilfe schaffen
kann, damit ich die Bezirkszeitung dann verständige.
Der Juwelier Haban hat Design-Preise ausgeschrieben und mich ersucht,
sie zu überreichen. Wenn Schmuck ausgestellt wird, kann man damit
rechnen, dass diese Partys tatsächlich sehr gut besucht sind.
Am Golde hängt, zum Golde drängt sich alles, im wahrsten Sinne des
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Wortes. Dass ich dabei sehr deplaziert war, konnte ich dann
auch bei einem Rundfunk-Interview mit Ö3 feststellen. Natürlich
wurde ich gefragt, ob ich Schmuck trage, was ich sofort beweisen
konnte, dass ich nie tat, nicht einmal eine Uhr konnte er an
meinem Arm feststellen. Haban hat sich diese Idee leicht über
100.000 S kosten lassen. Für mich war es die Gelegenheit, dem
Initiator zu danken und den Goldschmieden alles Gute zu wünschen.
Dass sie im internationalen Rahmen sich behaupten können, steht
für mich ausser Frage, dass einzige Problem ist, dass verhält-
nismässig die Italiener, aber auch die Deutschen wesentlich billiger
produzieren können. Da Haban dies fortsetzt, möchte ich für die
nächste Auszeichnung, wenn ich dazu wieder eingeladen werde,
eine Analyse, wieso andere Staaten so billig sein können.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte die Untersuchungen einleiten.
Tagesprogramm, 31.5.1978
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)