Freitag, 9. Juni 1978
Gen.Dir. Fremuth, Girozentrale, und Dr. Denk, Geschäftsführer von
Verbundplan, die allerdings nur aus zwei weiteren Prokuristen,
zwei Sekretärinnen besteht, wünschen eine grössere Unterstützung
für Aktivitäten im Ausland. Die Verbundplan hat eine Reihe von
in- und ausländischen Projekten als Manager- resp. als Consulting-
büro organisiert. Weltweit verlangt man aber jetzt, wie das
schöne neudeutsche Wort heisst, turn-key-job, d.h. schlüsselfertige
Anlagen. Die Verbundplan möchte nun, dass die Verbundgesellschaft
und ihre Sondergesellschaften, die alle an dem 3-Mio-Gesellschafts-
kapital beteiligt sind, auch diese Funktion übernehmen. Dazu bedürften
sie meiner Unterstützung, die ich ihnen zusagte. Fremuth und Denk
stellen sich vor, dass jetzt eine Arbeitsgemeinschaft, von Porr
hat Dir. Pöchhaker die Organisation aller Lieferfirmen übernommen,
49 % des Gesellschaftskapitals bekommt. Die Girozentrale würde
eventuell 15 % übernehmen und dann als Treuhänder für die 29
Firmen der Arbeitsgemeinschaft auftreten. Die Idee ist sehr gut,
wenn es Fremuth gelingt, mit den anderen Kreditinstituten sich
darüber zu einigen. Ich misch mich in den zu erwartenden Streit
garantiert nicht hinein. Für mich ist es gar keine Frage, dass
es insbesondere die Creditanstalt, Länderbank, Bawag, Zentral-
sparkasse und die Erste Österreichische sich sicherlich auch
daran beteiligen wollen resp. sicherlich nicht bereit sind, die
Girozentrale dort allein zu lassen. Das Mindeste, was geschehen
wird, ist, dass die Firmen, wie z.B. Voith, Andritz, Porr, die alle
nicht Kommittenten der Girozentrale sind, von ihren Hausbanken
zurückgepfiffen werden.
ANMERKUNG FÜR BURIAN UND SATZINGER: Die Idee unterstützen, doch
nicht in den Bankenstreit einmischen, der sicherlich kommt.
Fremuth meint, der Verein zur Förderung der Kleinkraftwerke sollte
ebenfalls aktiver für Investitionsmittel der Kleinkraftwerke ein-
treten, denn hier gibt es noch hohe Energiereserven. Die Giro-
Zentrale wäre bereit, Kredite, Leasing usw. zu geben, wenn die
Tariffrage endlich geregelt wäre. Die Landesgesellschaften zahlen
für den zu übernehmenden Strom einen sehr schlechten Preis. Einmal
mehr habe ich bestätigt bekommen, wie gut es war, dass ich mich
entschlossen habe, den Landeshauptleuten diese Tarifgestaltung
zu delegieren. Voraussetzung, dass es dort zu einer entsprechenden
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Regelung kommt, ist allerdings, dass endlich die Landeselektrizitäts-
gesetze, wie sie Wien und ein zweites Bundesland hat, von den Ländern
verabschiedet werden.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Lass prüfen, woran diese Gesetzwerdung bis jetzt
gescheitert ist.
Beim Symposium "Soll Österreich Automobile bauen" war viel Prominenz
und eigentlich wenig Zuhörer. Prof. Lenz, der das Ganze organisiert,
hat mir beim Mittagessen dann erklärt, dass im Herbst mit der Kosten-
Nutzen-Rechnung sie fertig sein werden. Diese Arbeit wird angeblich
ein Unikat sein, nirgendwo in der Welt wurde bis jetzt eine solche
Analyse gemacht. Scheinbar wollte er damit besonders ausdrücken, dass
das Handelsministerium, welches ja diesen Studienauftrag gab, aber auch
finanzierte, Bedeutendes geleistet hat. Enttäuscht ist Lenz, dass
das Finanzministerium sein neues Steuerberechnungssystem für die
Kraftfahrzeugsteuer nicht akzeptieren will. Da der Finanzminister bei
der Tagung anwesend war, hätte er längst alle Möglichkeiten gehabt,
es mit ihm zu besprechen.
Interessant war von allen drei Vorträgen, Lenz, Fuhrmann und Grünwald,
nur der letztere. Fuhrmann hat, wie er mir vorher sagte, sich sehr vor-
sichtig ausgedrückt, um nicht entsprechend bei den Gegnern des Austro-
Porsche anzustossen und selbst die Formulierungen für den Befürworter
waren sehr vorsichtig. Grünwald hat das beste Referat gehalten und
wenige neue interessante Zahlen gebracht. 3 Zentren der Auto-Industrie
gibt es: in den Vereinigten Staaten, wo 485 Wagen auf 1.000 Einwohner
kommen, ist nur mehr der Ersatzbedarf und eventuell noch ein
Zweitwagen-Geschäft. Der Export ist gering, weil die amerikanischen
Firmen Niederlassungen in der Welt haben. In Japan gibt es noch eine
grosse inländische Marktausweitung, die Autoindustrie ist dort ein
Wachstumsfaktor. Der Import ist unbedeutend, 2 % des Marktanteils.
Der dritte grosse Produktionsbereich ist Europa. Weltweit werden von
ca. 2,960.000 im Vorjahr produzierten Autos 660.000 in Europa erzeugt.
Dort versuchen die Staaten ständig eine entsprechende Exportausweitung.
Die Exporttangente ist in Schweden von 63 auf 77 % gestiegen. In
Frankreich von 38 auf 52, in Italien von 28 auf 45 und von Grossbritan-
nien von 32 auf 36 %. Ein deutliches Zeichen dafür, dass auch hier
zurückbleibt. Explodiert ist es bei den Japanern von 16 auf 55 %.
Grosse Möglichkeiten sieht Grünwald in der Zulieferindustrie.
Allein im VW-Werk gibt es 7.000 Zulieferfirmen, bei Daimler-Benz
sogar 16.000. Die Zuliefermöglichkeiten müssen jetzt stärker aus-
genützt werden. Zweitens wäre es möglich, eine eigene Zuliefer-
industrie aufzubauen und in der dritten Phase käme erst eine
eigene PKW-Produktion in Frage, wenn sich herausstellt, dass nach
einer Anlaufzeit die Rentabilität gegeben ist. Voraussetzung
dafür war, dass es gelingt, eine internationale Vertriebs- und Service-
Firma als Partner mit finanzieller Beteiligung zu gewinnen. Nur
GD Geist meinte, selbst ohne eine solche sollte man dies riskieren.
Bezüglich der Autoproduktion in Österreich verglich er die Situation,
die die Vöest gehabt hat, als sie in das Anlagenbaugeschäft eingestiegen
ist. Damals hat man in Deutschland, wo er tätig war, gelächelt und
Grossbritannien und die Amerikaner haben dies auch sehr skeptisch
betrachtet. Nach einer Entwicklungszeit von 12–15 Jahren ist jetzt
die Vöest ganz gross auch in dieser Branche weltweit bekannt.
Den interessantesten Beitrag liefert Prof. List, er meint, dass
mit einem Abgas-Turbo-Gebläse mit Direkteinspritzung von 50–
100 PS ganz grosse Chancen hat. Wie er mir nachher beim Mittagessen
erzählte, hat seine Firma jetzt 50 Mio S investiert, um den Aufträgen,
die er jetzt hat, Rechnung tragen zu können. SGP hat für die Konstruk-
tion des sowjetisch gewünschten 180 PS-Diesel 18 Mio S Auftrag
an List vergeben. Malzacher von den Steyr-Daimler-Puch bekannte
sich auch zum PKW, meiner Meinung nach schon allein deshalb,
weil er ja ein spezifisches Produkt, ähnlich dem Landrover, jetzt
mit Mercedes-Benz gemeinsam baut. Betriebswirtschaftlich hat er
eine neue Kalkulation aufgestellt, er meinte, die fixen Kosten, worin
er nur die Investitionen, d.h. die Abschreibung und die Zinsen ver-
steht, müssten durch den Deckungsbeitrag pro PKW, was wieder die
Differenz aus Erlös minus der Grenzkosten ist, so sein, dass sich
ein Spezialfahrzeug daraus resultiert. Massenproduktion kommt nicht
in Frage. Was allerdings ein Spezialfahrzeug ist, kann nur der Kunde
bestimmen und nicht der Erzeuger. GD Daimer vom ÖAF verwies darauf,
dass bei Nutzfahrzeugen die österr. Produktion 40 % Marktanteil hat
und bei Bussen 30 %. Mit MAN die Partnerschaft hat sich gut bewährt
und Aggregate werden von MAN bezogen, wobei die österreichische
Wertschöpfung bei LKW 70 % und bei Bussen 85 % ausmacht. Niemand
hat sich eigentlich gegen das Austro-Porsche-Projekt ausgesprochen,
im Grunde genommen war es aber kein Ja und kein Nein, wie man so
schön sagt, ein Jein.
In der Fraktion des Handelsausschusses und dann im Handelsaus-
schuss selbst gab es im Grund genommen nichts anderes als wieder
das übliche Taktieren. Die ÖVP will sich distanzieren und
Klubobmann Fischer hofft noch immer, sie doch irgendwie einbinden
zu können. Diese Hoffnung habe ich aufgegeben, seitdem ich immer
mehr bemerkte, dass sich die Handelskammer-Leute so stark schon
distanzieren, dass sie nicht einmal mehr in den Handelsausschuss
kommen. Sallinger und Mussil fehlen demonstrativ. König und Wiesinger
und Hubinek führen das grosse Wort, deren einziges Ziel es ist, so schnell
wie möglich abzustimmen. Oft habe ich das Gefühl, dass sie Angst haben,
wenn es nicht bald zu einer endgültigen Entscheidung kommt, vielleicht
doch stärkere Kräfte innerhalb der ÖVP und ganz besonders Interessens-
organisationen wie z.B. Handelskammer, aber auch vor allem Industriellen-
vereinigung könnten noch einmal eine Wendung herbeiführen. Ich glaube
daran nicht mehr. Taktisch war es sehr klug, dass Heindl den Antrag
stellte, man sollte sich auch jetzt noch im Handelsausschuss mit
der Frage beschäftigen, was geschieht, wenn das Kernkraftwerk nicht
in Betrieb geht und welche Kosten entstehen dadurch. Zu diesem Zweck
hat er vorgeschlagen, die Geschäftsführung Nentwich und Staudinger,
aber auch gleichzeitig das Präsidium des Aufsichtsrates Erbacher und
GD Gruber von der NEWAG zu hören.
Ich habe mich bei Frank bedankt, dass er mir anstelle des Dr. Hirsch
den Dr. Satzinger für das Büro gibt. Er meinte, er sieht ja ein,
dass ich dringend einen guten Mann brauche, aber er kommt dadurch
in die grösste Verlegenheit. Gleichzeitig habe ich ihm sagen müssen,
dass ich nicht bereit bin, einen Brief an Kreisky zu schreiben, wo
ich diesem mitteile, dass infolge Personalmangel die Arbeiten jetzt
z.B. auf dem Energiesparsektor vollkommen eingestellt werden. Frank
meinte, so ist die Tatsache, ich empfahl ihm irgendeinen Beamten,
der halt nicht die Qualifikation hat, die er erwartet, mit dieser
Aufgabe zu betrauen. Schliesslich gibt es ja, von Kreisky aus gesehen,
noch den Weiser-Verein, der ja in Wirklichkeit mit viel Geld und
einigen Fachleuten für Energiesparen eingesetzt wurde. Satzinger
ist im Büro meiner Meinung nach ungeheuer wichtig und wie mir alle
versichern und ich selbst auch überzeugt bin, ein sehr guter Mann.
Da er Sekt.Chef Frank genau kennt, wird es zwar nicht weniger Reibungen
geben als bisher, doch wird er sie diplomatisch, da er Frank ja auch
schätzt, lösen können. Meine Unterstützung ist ihm sicher.
Frank, Zluwa und vom Gesundheitsministerium mehrere Beamte,
darunter Havlasek und Vychytil, besprachen nach dem Handelsaus-
schuss die weitere Vorgangsweise für die bescheidmässige Inbe-
triebnahme des Kernkraftwerkes. Frank hat eine interministerielle
Sitzung abgehalten und alle Schritte bis zur Inbetriebnahme des
Kernkraftwerkes festgelegt. Dagegen ist nichts einzuwenden.
Da die GKT erklärt, sie weiss nie, was man eigentlich von ihr
verlangt, hat Frank jetzt genau festgelegt, welche Unterlagen
sie noch beibringen müssen. Da Minister Leodolter derzeit bei einer
Kur in Montecatini ist und Montag erst zurückkommt, habe ich den
Beamten des Gesundheitsministeriums klipp und klar gesagt, sie
müssten die ganze Problematik erst mit ihrer Ministerin besprechen.
Ich bin ein Gegner davon, jemanden während der Abwesenheit zu
überfahren. Ich habe mit Leodolter nur die schachbrettartige Beladung
besprochen und da war sie vollkommen einverstanden, dass dieser
Bescheid so schnell wie möglich der GKT übermittelt wird. Weitere
Schritte aber, wie z.B. die Null-Leistung, von der Kreisky bis
jetzt leider zu meinem Leidwesen immer wieder sagt, das sei bereits
die Inbetriebnahme, kann nicht auch nur im Detail erörtert werden,
solange nicht Leodolter ihre Zustimmung dazu gibt. Die Beladung des
Kernkraftwerk-Reaktors hat noch nichts mit Entsorgungsfrage zu
tun, in meinen Augen auch nicht die Null-Leistung. Die Regierung
aber hat, nicht zuletzt auf entscheidendes Drängen Kreiskys, hier
anders entschieden.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte hier müssen wir vorsichtig vorgehen,
um nicht Leodolter zu diskreditieren.
Der iranische Botschafter Namdar hat, wie ich auch nicht anders
erwartete, angerufen, um zu fragen und indirekt sich sehr zu be-
schweren, dass aus den Zeitungen er erfahren musste, dass mit Ägypten
ein Vertrag abgeschlossen wurde. Ich erklärte ihm, dass ich
immer davon gesprochen habe und auch jetzt nur diese Information
den Zeitungen gebe, dass ich fast mit einem Dutzend Staaten Ver-
handlungen resp. Gespräche geführt habe. Diese Staaten waren in
Europa, Asien und Afrika. Mit dem asiatischen Staat Iran, so sagte
ich, sind wir ein schönes Stück weitergekommen, eine ähnliche Situation
gibt es mit einem afrikanischen Staat, nämlich Ägypten. Dort
gibt es, ähnlich wie mit Iran, einen Vertragsentwurf, der allerdings
erst durch die GKT, die der Vertragspartner sein wird, genauso
wie mit Iran, akzeptiert und vor allem aber erst bezüglich der
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finanziellen Belastungen genau geprüft werden muss. Frank gegen-
über erklärte ich, weil ich eine solche Demarche erwartete, dass
ich es nicht verstanden habe, dass er selbst auch die Presse sehr
detailliert informiert hat. Wäre diese Indiskretion, die auf alle
Fälle zu erwarten war, von der GKT gekommen, weil ja dieser Vertrags-
entwurf im einzelnen in einem grösseren Kreis, nämlich Aufsichtsrat
und Gesellschaft diskutiert wurde, dann wären wir ausser Obligo.
Ich glaube nämlich noch immer, wenn die Bevölkerung in Österreich
erfährt, dass wir für Good will allein eine Milliarde Schilling
zahlen sollen, dann wird sehr bald eine Gemeinde resp. Gemeinde-
verbände kommen und erklären, wenn man uns diese Milliarde gibt,
sind wir auch bereit, ein Zwischenlager, denn mehr wird es nirgends
sein, zu errichten. Ich persönlich kann mir nur nicht vorstellen,
dass die E-Wirtschaft tatsächlich 1 Mia S aufbringt, um im Ausland
Infrastrukturmassnahmen, die Ägypten möchten ein Spital, zu
finanzieren. Wenn man bedenkt, dass jetzt in Deutschland, in der
Schweiz, um nur zwei Beispiele zu sagen, ebenfalls inländische
Lager gesucht und sicherlich auch dann gebaut werden, erscheint mir
dies noch immer als die einzig mögliche Lösung. Ein Ingenieur-Bau
ober der Erde auf dem Gelände des Kernkraftwerkes Tullnerfeld für
abgebrannte Brennelemente oder gegebenenfalls, wenn wirklich
aufgearbeitet wird, auch für den Atommüll als langfristiges Zwischen-
lager, bis es internationale Regelung gibt, erscheint mir in
Grunde genommen als der einzige Weg, den nicht nur das Gesundheits-
ministerium, Vychytil, will, sondern den man auch gegenüber der
Milliardenbeträge, die im Ausland ausgegeben werden, verantworten kann.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte äusserst behutsam vorgehen, weil
sich daraus sicherlich ein grosses Politikum ergeben wird.
Tagesprogramm, 9.6.1978
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)