Freitag, 30. Juni 1978
Bei der Beförderung und Ernennungsdekretüberreichung erwähnte
ich einleitend neben den üblichen Anerkennungsworten, dass ich
hoffe, das gute Einvernehmen mit der Personalvertretung, insbe-
sondere den neuen SChef Kazda wieder hergestellt zu haben. Die Ge-
legenheit dazu betrachtete ich als gegeben, weil ich sowohl das
weibliche Mitglied der Personalvertretung und als deren Obmann,
sich bei den Beförderungen befindet. Bei Ing. Engelmayer konnte
ich mir nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass er jetzt die
A-Laufbahn einschlägt. Natürlich meinte er sofort, dies hätte
damit nichts zu tun, was mich sofort veranlasste zu erklären aber,
dass diese Regierung eine solche Möglichkeit geschaffen hat, möchte
ich doch darauf verweisen. Natürlich erwähnte ich auch, dass es teil-
weise immer eine stärkere Belastung insbesonders für die guten und
fleissigen Beamten gibt, weil man sich immer wieder an diese wendet.
Ich hoffe, dass die Sektionschefs imstande sind, auch die anderen
zur Mitarbeit stärker zu motivieren, vor allem stärker heranzu-
ziehen. Trotzdem gab ich sofort zu, dass ich in Wirklichkeit genau
dieselbe Politik vertrete und mache. Der, der initiativ und fleissig
ist, der sich sein Geld wirklich verdient, wird immer mehr heran-
gezogen, bekommt dafür aber nicht mehr bezahlt, kann kaum schneller
befördert werden, ist der, den man am liebsten hinausschmeissen würde.
Ein sehr unbefriedigender Zustand, den weder ich, noch, glaube
ich, irgend jemand ändern kann.
Im Plenum des Nationalrates wurde die gestern Abend wegen des
Heurigen der Freiheitlichen unterbrochene Sitzung fortgesetzt.
Dies erschien deshalb notwendig, damit nicht mit der neuen Sitzung
und damit mit der Arbeiterkammerwahlordnungsänderung begonnen wird.
Stundenlang wurde über die Spitalsfinanzierung debattiert, weil
diese ja wirklich einen positiven Aspekt und letztlich auch Ab-
schluss ergeben hat. In der mittags begonnenen Diskussion über
die Mitbestimmung der Arbeitgeber in der Arbeiterkammer war
heftig und polemisch. Rein formell war die Ausschaltung der engsten
Familienangehörigen des Unternehmers im Betrieb leicht zu formu-
lieren, aber wahrscheinlich furchtbar schwer durchzustehen. Allgemein
wird befürchtet, dass der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung
aufheben wird. Angeblich wetten alle Anwälte, ob rot oder schwarz,
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um goldene Uhren, dass dies eintreten wird, obwohl natürlich niemand
eine solche Wette annimmt. Die Idee, nächste Verwandte von Unter-
nehmern nicht wählen zu lassen, genau wie dies jetzt bei den
leitenden Angestellten der Unternehmungen der Fall ist, mag poli-
tisch bestechend sein, weil sicherlich der Wirtschaftsbund hier
über diese Wahlgruppe, die angeblich 50.000 umfasst, einen starken
ÖVP-Einfluss in die Arbeiterkammer bringt, zum Beispiel, wo hohe
Handelskammerfunktionäre beim letzten Mal wählen gingen und ge-
liefert werden. Dieser Initiativantrag der Sozialisten muss auch
nicht die Stellungnahme des Verfassungsdienstes einholen. Initiativ-
anträge haben den Vorteil, dass man sozusagen alles im Parlament
verhandeln kann, ohne dass die anderen Ministerien und insbesondere
der Verfassungsdienst, Bundeskanzleramt, gefragt werden muss. VP-Abg.
Kohlmaier stellte deshalb den Antrag, der Justizminister wollte
bei der Debatte im Haus, d.h. auf der Regierungsbank anwesend sein.
Zuständig für die Materie ist der Sozialminister, der selbstver-
ständlich anwesend war, sich aber überhaupt nie äusserte, weil er
grosse Bedenken gegen diesen Initiativantrag hat. Klubobmann Fischer
reagierte ungeheuer schnell und geschickt. Er verlangte eine
Debatte über diesen Antrag, hatte dort zwar nur 5 Minuten Redezeit,
erörterte aber, dass die Sozialisten gegen diesen Antrag stimmen
werden. Der Justizminister war in der Zwischenzeit auf die Regierungs
bank gegangen und erklärte sich selbstverständlich bereit, an der
weiteren Debatte jetzt teilzunehmen. Fischer begründete, wenn die
ÖVP den Antrag nicht zurückzieht, müssten wir dagegen stimmen,
denn Zwingen des Ministers bei jeder Materie, für die er eigent-
lich gar nicht zuständig ist zu erscheinen und Rede und Antwort
zu stellen, würde das Interpellationsrecht des Parlaments wesent-
lich ändern. Heute hat der Minister durch die Möglichkeit bei
einer dringlichen Anfrage doch etliche Stunden sich auf diese vor-
zubereiten, einen gewissen Spielraum. Wenn er gezwungen wird, an
einer Debatte teilzunehmen, die gar nicht ursprünglich seine Kom-
petenz betrifft, dann müsste er sofort Rede und Antwort stehen.
Dies sah selbst die ÖVP ein, die den Antrag dann zurückzog, umso mehr
als Broda dann natürlich sich weiterhin zur Debatte stellte. Die
Sitzung dauerte daher wieder bis spät in die Nachtstunden und
viele versäumten ihre Züge.
Obwohl Haiden und ich die ganze Zeit zur Verfügung standen
und Präsident Minkowitsch immer erklärte, er möchte gerne noch
die Agrargespräche weiterführen, kam es zu keinen solchen. Der
Grund war sehr einfach, Minkowitsch hat sich dann letzten Endes,
was ich sowieso immer erwartete, an Kreisky gewendet. Dieser
erklärte erst nächsten Donnerstag abends Zeit zu haben, weil er
ja jetzt nach London zu einem Vortrag fliegt. Minkowitsch akzep-
tierte diesen Termin, den er mir dann auch spät abends mitteilte.
Damit ist das Verschulden, dass die Agrarpreise nicht wie vorgesehen
und auch von mir immer versprochen am 1. Juli inkraft treten können,
eindeutig auf Seiten der Agrarier.
Kreisky wurde scheinbar von Androsch berichtet, dass jetzt im
Finanzunterausschuss wegen der Ölabgabe es zu keinerlei Beschlüssen
kommen kann und soll. Kreisky war darüber sehr verärgert und meinte
dann mir gegenüber, da ich zufällig vorbeikam, wie geht es jetzt
mit der Ölmühle, die die Unilever verhindert. Ich erörterte ihm
einmal mehr meine Konzeption, die sehr wohl auf eine Kooperation
mit der Unilever aufbaut. Kreisky ist davon überzeugt und äußerte
dies auch gegenüber den Bauernvertretern, dass es ausschliesslich
die Unilever ist, die alles verhindert, zuerst in Österreich die
Verhandlungen torpedierte und jetzt sogar in Amerika sich hinter
ihre internationalen Verbindungen und Einfluss steckt, damit die
Amerikaner die Ölabgabe zu Fall bringen. Ich widersprach auf das
heftigste und stellte vor allem gegen die Behauptung, ich hätte
Kreisky wegen Ölabgabe nicht richtig informiert, dezidiert fest,
dass ich im Ministerrat, bevor er noch entschieden hat, dass unab-
hängig, was die Amerikaner einwenden, dieses Gesetz ins Parlament
gebracht wird, vor diesen Schritt eindringlichst warnte. Meine
konkrete Forderung damals war, bevor wir den Gesetzentwurf verab-
schieden, mit den Amerikanern Konsultaionen zu beginnen. Selbst
wenn es uns nicht gelingen sollte, die Amerikaner von der GATT-
Konformität zu überzeugen, so hätten wir formell beim GATT eine bes-
sere Ausgangsposition, wenn es dann zur Auseinandersetzung dort
kommen sollte. Ich erklärte ihm einmal mehr meine Konzeption, nicht
mit der Landwirtschaft und schon gar nicht mit den Vertretern der
Agrarindustrie, Wohlmeyer, grosse Lösungen anzustreben, die, sei es
aus finanziellen Gründen, sei es sogar aus GATT-rechtlichen Gründen,
äußerst schwierig durchzusetzen sind. Da in Wirklichkeit die Kon-
sumgenossenschaft aus den Olioprot-Modell aussteigen wird, was
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Kreisky scheinbar schon wusste, und Eisenberg nur seine Maschinen
verkaufen will, den Kreisky als grossen Geschäftemacher bezeichnet,
bleibt in Wirklichkeit nur meine ursprüngliche kleine Konzeption.
Die Ölindustrie soll Jahr für Jahr kleine Mengen von Ölfrüchten,
auf ein immer steigendes Ausmass kontrahieren, der Preis für Raps
nicht über Nacht gleich von unter 6 Schilling dann über 7 Schilling
festgesetzt werden, sondern sich eben aus der Diskussion der Raps-
gemeinschaft der Bauern und der Arbeitsgemeinschaft der Fettindustrie
entwickeln. Am Dienstag hätte ich sowieso eine Aussprache mit Präs.
Lehner, Haiden, den Vertretern der Fettindustrie, Gen.Dir. Seefranz
und Hirsch.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte ist die Einladung schon erfolgt.
NR Schlager teilt Haiden und mir mit, dass die Pölser Papierfabrik
jetzt in die Hände des italienischen grossen Konzerns von Fabbri
von Burgo, der 45% Anteil hat, gelangt ist. Ein gewisser Adler
von Burgo hat noch 7%. Wichtig wäre zu erfahren, war er mit GD Erndl
von der Länderbank besprochen hat.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mit Erndl verbinden.
NR Haas beschwert sich bei mir, dass die Betriebsräte der soziali-
stischen Fraktion in der Agrarindustrie in Gmünd von Wohlmeyer
einem immer stärkeren Druck ausgesetzt werden. Ich versprach ihm,
dass ich mit den Betriebsräten der sozialistischen Fraktion und den
Sekretär der Lebensmittelarbeiter Panis eine Aussprache durchführen
werde, wenn sie sich in Wien aufhalten.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte sprich mit Panis, wie wir dieses Probelm
am besten lösen.
Der Felixdorfer Bürgermeister und die Genossen der Fraktion kamen
wegen der Textilfusionierung mit ihren Abgeordneten Hessl und
Murowatz. Im Rahmen der Textilfusion und Sanierung Ost wurde für
42 Mio eine Halle gebaut, Färberei um 40 Mio ausgebaut und in der
Zwirnerei 48 Mio großzügig investiert. Jetzt dürfte der Grossteil
umsonst gewesen sein, d.h. leider nicht umsonst, weil es ein Heiden-
geld gekostet hat, aber sich um eine Fehlinvestition scheinbar
handelt. 350 Arbeiter sollen entlassen werden, davon 70 Angestellte.
Bei den Arbeitern handelt es sich grösstenteils um Gastarbeiter,
bei den Angestellten dagegen ausschließlich um Österreicher, die
oft jahrzehntelang in den Betrieb gearbeitet haben und kaum wo
anders unterkommen können. Im Wiener Neustädter Raum wird Ortmann
entlassen , Hauser, der Betrieb von Eggendorf, wird in die Steiermark
übersiedelt, mit einem Wort, das Betriebssterben in dieser Gegend
geht weiter. Das Hauptproblem, erklärte ich freimütig, liegt aber
darin, dass alle die Leute aus dem Wiener Neustädter Raum dann
letzten Endes in der Umgebung Wiens oder vielleicht sogar in Wien
leicht einen Arbeitsplatz finden können. Dies gilt insbesonders
für die Arbeiter, sicherlich weniger für die älteren Angestellten.
Trotzdem nämlich überall zu hören ist – und auch tatsächlich die
Unternehmer ständig ihre Betriebe rationalisieren und Arbeits-
kräfte freisetzen, haben wir noch eine äußerst günstige Arbeits-
marktsituation. Weissenberg teilte mir mit, dass mit Ende Juni
35.000 Arbeitslose, d.h. eine Arbeitslosenrate von 1,3% in Österreich
festgestellt wird. Bei einer Beschäftigung weit über 2,700.000 ist
diese Zahl 35.000 Arbeitslose unvermeidlich. Dies ergibt schon allein
der normale technische Arbeitsplatzwechsel und Arbeitsunwillige,
die man beim besten Willen gar nicht vermitteln könnte. Jedermann
prophezeit und prognostiziert, dass im Herbst eine große Arbeits-
losigkeit zu erwarten ist, da die Betriebe an schlechter Auftrags-
lage leiden. Die Investitionen insbesondere in der Industrie kommen
und kommen nicht, obwohl es jetzt sehr wohl günstige Kreditkondi-
tionen gibt. Wirklich investitionsfreudig ist nach wie vor das
Gewerbe und da insbesondere der Fremdenverkehr. Trotzdem ich
diese Situation auch kenne, glaube ich dennoch, brauche ich von
meiner optimistischen Grundhaltung nicht abrücken. Ich nehme nicht
an, dass es bei den wirtschaftlichen Gipfelgesprächen Deutschland
im nächsten Monat zu einer grossen durchschlagenden Lösung kommt.
Wohl aber hoffe ich, dass es doch zu einer Kurskorrektur in einzelnen
Ländern, insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland kommen
wird. Durch entsprechende Maßnahmen von Bonn könnte nämlich die
deutsche Konjunktur sich verbessern und dadurch eine gewisse Kon-
junkturbelebung in Österreich eintreten. Die Exportziffern nämlich
von Österreich waren wider Erwarten der Pessimisten in den letzten
Monaten doch noch einigermassen befriedigend. Die 6% Steigerung bis
jetzt hat niemand erwartet. Was auslässt ist die inländische Nach-
frage. Dies ist meiner Meinung nach nicht zuletzt auch darauf zurück-
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zuführen, weil durch das ewige Geschwätz, die kommende grosse
Krise, gerade beim Konsumenten den Effekt hat, dass er nicht
ausgibt, sondern spart. Im Herbst werden wir sehen, ob ich als
Optimist wieder einmal recht gehabt habe, wie in den letzten
Jahren, oder ob vielleicht diesmal tatsächlich die Pessimisten,
insbesondere Kreisky, Recht bekommen. Ich hoffe nicht.
Tagesprogramm, 30.6.1978