Montag, 3. Juli 1978
In der Gewerkschaft hat die Gruppe Bäcker eine ausserordentliche
Sitzung abgehalten und der Leiter des Verhandlungskomitees
Serini, Betriebsratsobmann vom Konsum, sich bitter über die
Lohnverhandlungen beschwert. Die Gruppe hatte voriges Jahr
im September beschlossen, dass sie nach einem Jahr, also Jänner,
bereits ihre Lohnforderung stellen werden. Er behauptete, ich
hätte damals gesagt, ihr könnt beschliessen, was ihr wollt,
die Löhne werden erst im Juni geregelt. Sie hätten sich diesem
Diktat, ohne dass er das Wort nannte, fügen müssen. Sie erwarten
0,6 % Lohnerhöhung pro Monat, das wären jetzt über 9 %, jetzt
könnten sie nicht einmal die mit dem Gewerbe schon abgeschlossenen
fast 6 % erreichen, denn Industrie will unbedingt einen geringeren
Prozentsatz, um den Schillingbetrag der einzelnen Lohnkategorien
des Gewerbes schön langsam zu erreichen. Die Lage sei so kritisch,
dass einzelne Kollegen des Verhandlungskomitees, z.B., wie sich
in der Diskussion dann herausstellte, Jakubec, BRO von Anker,
ihre Funktion zurücklegen wollen. Ich stellte sofort klar, dass
ich noch niemals irgendeiner Gruppe irgendetwas diktiert habe.
Meine Funktion ist die, nämlich seit meine Tätigkeit in der
Lebensmittelarbeitergewerkschaft war, sie aufzuklären, ihnen den
Weg zu zeigen und mit ihnen gemeinsam die Taktik zu besprechen.
Für mich war es im Vorjahr schon klar, dass eine Lohnerhöhung
nur dann durchgesetzt werden könnte, wenn gleichzeitig auch eine
Preisregulierung erfolgt. Die Preisregulierung war aber erst mit
Festsetzung des Getreidepreises möglich. Nach einer langen Dis-
kussion erklärte ich ihnen, dass ich die gemischte Kommission
Ägypten-Österreich präsidieren muss, den Minister daher nicht
warten lassen kann, aber bereit bin, wenn sie heute vormittags kein
Ergebnis erzielen können, jederzeit zu ihnen zu kommen, um, wenn
sie es wünschen als Vermittler einzugreifen. ZS Blümel, der bei
der Aussprache nicht dabei war, teilte mir dann nach siebenstündiger
Verhandlung mit, dass sie sich auf 5,81 % ab 17. Juli geeinigt
hatten. Dieser Prozentsatz gilt auch für alle Zulagen.
Beim Jour fixe hat Sallinger gebeten, auch die Müller zuzuziehen.
Diese erklärten mir, die beste Lösung wäre, die vereinbarten Brot-
und Mehlpreise jetzt amtlich preiszuregeln und zu genehmigen und
nicht erwarten, ob am Donnerstag beim Agrargipfel Kreiskys
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auch für den Normalweizen eine Erhöhung festgelegt wird. Sie
könnten sich vorstellen, dass der Getreideausgleichsfonds die
Differenz für den Normalweizen bezahlt. 1 Groschen Normalweizenpreis
kostet 1,5 Mill. S, denn die GAF dort seine Liquidationsreserve
von 22 Mill. S. Für 5 Groschen wären also ca. 7 Mill. S notwendig.
Ich habe mit den Müllern, Dr. Köllerer, Industrievertreter, Bundes-
innungsmeister Mittermayer, Dr. Rief und Min.Rat Kurzel dieses
Problem durchbesprochen und verlangt, man sollte doch noch eine
Berechnung anstellen, was diese aber ganz systematisch ablehnen.
Die Lösung mit dem GAF bedeutet, dass dafür 140.000 Mahlweizen,
den wir dieses Jahr brauchen, der GAF aufkommt, nächstes Jahr
sind es ja nur mehr 70.000, den Rest muss aber der Finanzminister
direkt und indirekt durch Einlagerung, durch Exporte, durch
Denaturierung und Verbilligung auf Futtermittel aus dem Budget be-
zahlen. Verständlich, dass sich Androsch wahrscheinlich gegen diese
Regelung ganz entschieden wehrt.
Sallinger, der diesmal allein beim Jour fixe war, fragte an, ob
ich etwas dagegen habe, dass Bundesrat Pisec, der auch Obmann
des Wiener Handelskammer Sportausschusses ist, in die Delegation
nach Moskau aufgenommen wird. Ich erwiderte sofort, der Minister-
ratsvortrag über die Delegation sei fertig, könnte von mir nicht
geändert werden, weil bereits 3 Handelskammerleute nominiert
wurden. Wenn er nach Moskau fährt, ist es seine Angelegenheit
und dort könnte Gen.Sekr. Mussil selbst entscheiden, ob er ihn als
Experten zuzieht.
Sallinger beschwerte sich bitter und zog zu diesem Punkt sogar
Dr. Farnleitner bei, dass Rauter im letzten Pressefrühstück über
die Ergebnisse der Struktur des Handels berichtet hat, ohne dass
die Handelskammerseite ausdrücklich einer solchen Berichterstattung
zugestimmt hat. Komm.Rat Zach, der Obmann des Lebensmittelklein-
handels, beabsichtigt deshalb an den Sitzungen des gemeinsamen
Ausschusses gar nicht mehr teilzunehmen. Zum Glück hat der
Handelskammer-Pressevertreter in unserem Pressefrühstück auch
berichtet, dass ich ausdrücklich sagte, die neuen Erkenntnisse
dienen keinesfalls als Grundlage für die Zinsstützungsaktionen usw.
des Handelsministeriums. Rauter ist hier, glaube ich, tatsächlich
zu weit vorgeschossen. Ich versprach Sallinger eine Aussprache
zwischen Rauter, Zach, um diesen Streit beizulegen.
ANMERKUNG FÜR BURIAN Bitte eine solche Sitzung einzuberufen
und Farnleitner auch dazu einladen.
Sallinger gab seiner Verwunderung Ausdruck, dass die ÖFVW
jetzt ein Lager um 30 Mill. S bauen will, 5.000 m2 à 600.– S
Grund kauft und gleichzeitig jetzt ein Palais um 27 Mill. S
kauft, dessen Renovierung 30 Mill. S noch dazu kostet und für
die 3.700 m2 ein neues zentrales Gebäude anschaffen will. Ich
habe sofort den Gegenangriff gestartet, indem ich erklärte,
er hätte mich seinerzeit mit Benya in die Hohenstaufengasse geladen,
um dort zu demonstrieren, dass dieses Haus für eine Fremdenverkehrs-
werbestelle ungeeignet und unmöglich sei. Dies bestritt er nicht,
doch meint er, die Fremdenverkehrswerbung könnte nicht so viel
Geld aufbringen, um diese Investitionen zu tätigen. Ich verlangte
von ihm aber, nachdem er der Vater dieser Idee eines besseren
und schöneren Gebäudes war, auch zusätzliche Mittel leisten muss.
Wir vereinbarten, dass wir eine Finanzierungsbasis suchen werden.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte zwischen Handelskammer und Vertretern
der ÖFVW sowie Bundesländern und mir eine kleine Besprechung wegen
Finanzierung einberufen.
Zur 22. Sondertagung des Blei- und Zinkverbandes sind international
170 Delegierte zu erwarten und Ottahal hat der Handelskammer einen
Brief geschrieben, ob sie einen Empfang für diese Gruppe bezahlen
würde. Sallinger lehnt dies verständlicherweise ganz entschieden
ab. Ebenso war Sallinger empört, dass er jetzt für den Vizemini-
sterpräsidenten Sultan aus Ägypten und seine fünf Begleiter nicht
drei Nächte im Imperial, sondern sieben bezahlen muss. Sultan hat,
als er eine Reise nach Österreich vorgenommen hat, die Zimmer nicht
geräumt. Ich habe Ottahal diesbezüglich zur Rede gestellt und dieser
meinte, dagegen könne man gar nichts unternehmen. Wenn die Handels-
kammer es nicht bezahlt, muss es eben die AEG. Wie hier leichtfertig
mit Geld, das Ottahal nicht hat, über das er auch nicht verfügen kann,
umgegangen wird, verwundert mich sehr. Ich habe ihm daher klipp und
klar gesagt, dass Zimmer geräumt werden müssen. Die beste Begründung
dafür ist doch, dass man erklärt, die Zimmer werden dringendst benötigt.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte stelle dies ein für alle Mal bei uns ab.
Bei der Eröffnungssitzung der ägypt.-österr. Gemischten
Kommission wurde die Agenda gleich um einige Tagesordnungs-
punkte ergänzt. Die Ägypter erwarten auf den verschiedensten
Gebieten durch feasibility studies, durch spezifische Finan-
zierungsmethoden, durch entsprechende Entwicklungshilfe in
Wirklichkeit nichts anderes als zusätzliche grössere Geldbeträge.
Wir haben ihnen zwar eine ganze Liste und dazu einen Riesenstoss
von Detailinformationen von Firmen über Projekte, die man in
Ägypten in Angriff nehmen sollte, übergeben, doch fürchte ich,
dass sie dafür kaum Geld haben. Min.Rat Zuk, BKA, Entwicklungs-
hilfe, hatte mir zwar nachher gesagt, er hätte jetzt vom Bundes-
kanzler weitere Geldmittel für Ägypten frei bekommen, doch werden
diese sicherlich nicht ausreichen, um die Wünsche, die Ägypten
äusserten, zu erfüllen. Zuk ist auch in der guten Lage, über
ägyptische Konten verfügen zu können, denn die 6.500 t Zucker,
welche ca. 32 Mill. S Erlös in ägyptischen Pfund gebracht haben,
werden auf Sperrkonto, allerdings nach Abzug der Fracht und Ver-
sicherung, netto also ca. 23 Mill. S zur Verfügung stellen.
Beim Journalistenfrühstück hat Marsch über die Aussenhandels-
ziffern eine Analyse gegeben. Der Marktanteil an der OECD hat
sich seit 1970 um 5,3 % verbessert. Bei der EFTA allerdings haben
wir 15 % verloren. In der Summe ist die Wertänderung 118 %,
volumenmässig ein Zuwachs von 55 % festzustellen. Dr. Burian
berichtete über die Ergebnisse Studienreise ÖPWZ in die skandi-
navischen Länder. Dort kommt man von reinen Gruppen- oder
Einzelakkord Fliessband ab und kommt eher zu Arbeitsgruppen.
Ich erklärte sofort, dass dieses Problem in Österreich noch
nicht spruchreif sei, denn bei uns weder die Unternehmerseite
oder die Gewerkschaft Interesse an einer Änderung unseres
jetzigen Akkordsystems oder Fliessbandsystems haben.
Selbstverständlich kam dann in der Diskussion die Frage des
Ölsaatenprojektes, Getreide- und Milchpreis zur Sprache.
Mit Gen.Dir. Erndl, Länderbank, besprach ich die Verhandlungen
zwischen Pöls und den Italienern. Die bisherigen Besitzer
Burgo, eine grosse italienische Papiergruppe, hat an Fabbri
und Bonelli verkaufen müssen. Diese noch grössere Papiergruppe
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hat insbesondere in Mezzogiorno italienische Subventionen,
Papier und Zellulosefabriken errichtet. Jetzt haben sie eine
Grösse von über 1 Mill. t. Diese neue italienische Gruppe möchte
sich von Pöls trennen. Zu diesem Zweck möchten sie die Wald- und
Ländergutbetriebe verkaufen. Dagegen spricht sich die Länderbank
entschieden aus, weil diese alle zu ihren Gunsten verpfändet sind.
Ebenso liegen die Aktien bei der Länderbank verpfändet. Pöls
hat im Vorjahr einen Verlust von 50 Mill. S und wird heuer sogar
70 Mill. S erreichen. Die Umweltschutz-Investitionen würde 1 Mia
ausmachen. Deshalb ist die Idee von Sulfit auf Sulfat umzusteigen,
welche eine Investition von 1,5 Mia S erforderlich machen würde.
Die Italiener sind aber noch nicht dazu entschlossen. Der
Maestro Adler, ehemals in der Geschäftsführung, hat diesbezüglich
bei Gen.Dir. Erndl, Länderbank, vorgefühlt.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mich mit NR Schlager verbinden.
Der ORF macht eine Wirtschaftssendung über Krisenkartelle in der EG
und wollte natürlich auch meine Stellungnahme dazu wissen. Da
dieses Kartell sich auf die synthetischen Chemiefasern bezieht,
ist Österreich primär davon nicht besonders betroffen. Wir erzeugen
nur ca. 1 % von Acrylfasern-Anteil an der EG. Anders wäre die Frage,
wenn Zellwolle zur Debatte stünde. Hier hat Lenzing eine dominierende
Rolle in Europa, ja sogar weltweit. Die österreichische Industrie
ist sehr zurückhaltend und empfiehlt dies auch dem Handelsmini-
sterium.
Der Generalmanager d. arab. Potash Company kam mit den Ruthner-
Vertretern Gen.Dir. Schurk, Ladenbauer und Wurmbauer. Mr.
Khasawneh erklärte, das neuerliche Interesse der jordanischen
Regierung, ganz besonders aber des Kronprinzen Hassan, der in
Wirklichkeit dort die ökonomischen Geschäfte führt, an diesem
Projekt. Die feasibility study, welche Ruthner ausgearbeitet hat,
wird im August fertig. Die grosse Frage ist, ob es gelingt, eine
für die Jordanier akzeptable Finanzierung zu finden. Sie erwarten
eine soft loan bis 3 % und 20–24 Jahre Laufzeit. Dies ist un-
möglich für Ruthner zu organisieren. Mit der österr. Kontrollbank
haben sie einen Rahmen 2 Kredit ausgemacht, welcher 10 Jahre nach
Fertigstellung laufen würde, aber 6 % Verzinsung ergibt. Ruthner
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muss versuchen, mindestens noch 1 % Zinsverbilligung durchzusetzen.
Wahrscheinlich bleibt ihm nichts anderes übrig, als dies im
Preis einzukalkulieren oder auf seine Gewinnspanne für diesen
Teil zu verzichten. Der Österreich-Anteil beträgt 800 Mill. S,
eine beträchtliche Summe. Damit kann nur die Pottasche-Fabrik gebaut
werden. Eine zweite Stufe, eine Magnesium-Erzeugung und dann noch
die Magnesium-Steine, werden zwar in der feasibility study auch
untersucht, doch müsste die Finanzierung über die Weltbank erfolgen.
Wenn dies der Fall ist oder wenn Arabic Finance herangezogen werden,
dann verlangen diese eine internationale Ausschreibung, ob
dabei Ruthner resp. Andritz wird mitkonkurrieren können, be-
zweifle ich.
Tagesprogramm, 3.7.1978
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)