Mittwoch, 12. Juli 1978
Die Firma Kriechbaum ist der grösste Industriebetrieb für
Schirmeerzeugung, übrigens auch der einzige, der überhaupt sich
aus kleinsten Anfängen, Schirmreparatur, zu dieser Grösse ent-
wickelt hat. 1945 gegründet, ein typischer Familienbetrieb,
jetzt schon in der dritten Generation die eigenen Familien-
angehörigen beschäftigend, immerhin 120 Beschäftigte, 1/3
davon Ausländer. Die Schirmgestelle werden in Österreich über-
haupt nicht mehr erzeugt und daher auch von Kriechbaum impor-
tiert. Die Qualitäts- und insbesondere modischen Garten- und Regen-
schirme kann er sogar bis Italien, Deutschland und in die Schweiz
exportieren. Aus Frankreich hat er von Cardin Lizenz und erzeugt
doppelt so teure und meiner Meinung nach gar nicht so elegante
Schirme. Der Name Cardin muss eben, wenn er am Schirm drauf ist,
entsprechend bezahlt werden. Die Familie, dessen Gründer übrigens
in der illegalen Zeit auch für die sozialdemokratische Partei
gearbeitet hat, war sichtbar erfreut, von mir persönlich das Staats-
wappen überreicht zu bekommen, der Freie Wirtschaftsverband, dass
ich ihm seinen Wunsch erfüllte, glücklich.
SChefCohen aus Tel Aviv kam mit dem israelischen Botschafter
Doron und dem israelischen Handelsattache, der allerdings in Zürich
sitzt, um mir eine Bitte vorzutragen. Die Israeli möchten bei der
EFTA denselben Status den jetzt Jugoslawien hat. Sie stellen sich
vor, dass eine Gemischte ad hoc Kommission von Experten zusammen-
gerufen wird, damit alle Fragen, die Israel und EFTA Staaten be-
treffen, freimütig besprochen werden können. Cohen hat sich an
mich gewendet, weil er weiss, dass ich seinerzeit bei der EFTA,
als über die Mittelmeerländer gesprochen wurde, versucht habe,
Israel in diese Verhandlungen so einzuziehen, wie eben Griechenland
und die Türkei, Spanien usw. Damals hatte ich aber keinen Erfolg,
sondern ganz im Gegenteil, die anderen Staaten haben dies entschieden
abgelehnt. Jetzt hofft Israel, dass es nach Rücksprache mit den
nordischen Staaten, insbesondere Norwegen und Schweden, mehr Unter-
stützung für diese ad hoc-Gruppe bekommen würde. Mit den Europäischen
Gemeinschaften wird Israel seine bisherige provisorische Regelung
um 2 Jahre verlängern und damit bis 1981 abgedeckt sein. Ich er-
44-0822
klärte selbstverständlich, dass ich diesen Wunsch Israels unter-
stützen werde, dass aber bereits der Vorsitz in der EFTA von
Österreich mit 1. Juli an die Finnen weitergegangen ist. Entschei-
dend ist aber, das Cohen mit Gen.Dir. Müller vom EFTA-Sekretariat
spricht, damit dieser die entsprechenden Vorbereitungen trifft.
Cohen, der in Genf Israel bei anderen internationalen Organi-
sationen vertritt, wird dies unverzüglich in Angriff nehmen. Bot-
schafter Doron teilte mir mit, dass ein eigener Handelsattache
nach Österreich jetzt endlich geschickt wird. Shamir hat mich
seinerzeit bei meinem Israel-Besuch begleitet und wird sehr bald
in Österreich eintreffen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte unverzüglich unsere Mission in Genf
durch Dr. Weiser verständigen lassen.
Der österr. Gesandte in Sofia, Bukowski, berichtet mir, dass er
hofft, vor dem Schiwkow-Besuch im September in Österreich doch
einige konkretere Geschäfte verhandeln zu können. Er glaubt, dass
insbesondere für die Seilbahnen, also auf dem touristischen Ge-
biet Möglichkeiten bestehen. Bulgarien und Rumänien werden ausser-
dem ein Donaukraftwerk errichten, wo vielleicht österreichische
Firmen als Lieferanten herangezogen werden. Ich gebe mich beim
Letzteren keiner Illusion hin, denn da die Finanzierung nur über
die UdSSR oder vielleicht die Weltbank erfolgt, wird im ersteren
Fall nur die sowjetische Lieferung in Frage kommen und im letzteren
eine internationale Ausschreibung erfolgen, wo wir sicherlich
durch die harte Konkurrenz kaum einen Zuschlag bekommen werden.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Verbundplan soll prüfen, ob es Möglichkeiten
gibt.
Der niederländische Botschafter hat traditionsmässig die deutsch-
sprechenden Botschafter und mich zu einem Mittagessen eingeladen.
Für mich gab es dabei die günstige Gelegenheit über Anfrage die
ägyptischen Lagermöglichkeiten von Atommüll zu besprechen. Da der
iranische Botschafter Namdar ebenfalls dabei war, konnte ich ihm
unverzüglich insoferne berichten, als ich nicht nur auf die ägyp-
tischen Bemühungen, sondern auch auf alle anderen Bemühungen für
die Atomlagerung hinwies. Der italienische Botschafter war sehr
skeptisch, ich habe natürlich nicht über den konkreten Ver-
tragsentwurf gesprochen, sondern über die Absichtserklärungen
44-0823
sowohl des Schah als auch Präsident Sadat. Der iranische Bot-
schafter Namdar meinte, es freue ihn, dass das erste Offert Iran's,
uns zu helfen, jetzt auch bei anderen Staaten auf fruchtbaren Boden
gefallen ist. Meine Erklärung gipfelte in der Aussage, dass der
zu schliessende Staatsvertrag zwischen Österreich und dem Land,
welches dann die Lagerung übernimmt, erst dann abgeschlossen werden
kann, bis die Gesellschaft, die ja letzten Endes die Lagerung
durchführt und daher alles bezahlen muss, ein finanzielles und
technisches Arrangement mit den betreffenden Staat abgeschlossen
hat oder erklärt, sie braucht ein solches Dachabkommen, ähnlich
wie wir auf anderem Gebiet mit Staatshandelsländern abschliessen.
Darüber werden und müssen noch konkrete Verhandlungen geführt wer-
den.
Alle anderen Fragen von Exportproblemen usw. waren für mich
furchtbar leicht zu beantworten und zu erklären. Der schweize-
rische Botschafter wollte von mir nur wissen, was Österreich über
die europäischen Währungsgespräche weiss und wie die Regierung
dazu steht, denn er selbst hat von Bern überhaupt keine Infor-
mation. Ich erklärte freiweg, dass auch ich keine besitze und
die Regierung offiziell nicht informiert wurde. Der deutsche Bot-
schafter hat mir nachher unter vier Augen erklärt, dass dies nicht
stimme, sondern er hätte Bundeskanzler und insbesondere Vizekanz-
ler und Finanzminister eine sehr genaue Information auch schrift-
lich übergeben. Meine Antwort an ihn war, da Währungsfragen ein
äusserst heikles Problem sind und strengst vertraulich immer be-
handelt werden, hat eben Kreisky und Androsch diese Information
ausschliesslich für sich behalten. In der letzten Regierungsvor-
besprechung hat nämlich Androsch nur darauf hingewiesen, dass
Nationalbankpräsident Koren bei der BIZ in Basel feststellen musste,
dass die Nationalbankdelegierten aus all diesen Staaten nichts
wussten resp. zu den Besprechungen überhaupt nicht zugezogen wurden.
Diesmal haben die Politiker, in dem Fall allerdings auch als
ehemalige Finanzminister Giscard und Schmidt, sich scheinbar von
allen Fachleuten freigespielt und selbst versucht ein politisches
Konzept für die Währungsfragen zu entwickeln und durchzusetzen.
Landwirtschaftsminister Haiden hat 3 Minister, 3 Präsidenten und
den GAF zu einer kleinen Sitzung eingeladen, um über die Getreide-
situation für die nächste Ernte zu beraten. Gekommen sind 2 Dutzend
44-0824
Vertreter aller möglichen Stellen. Dies war für Haiden sicher
die erste Enttäuschung. Die zweite folgte dann unmittelbar, als
die Landwirtschaftsvertreter, Präsident Lehner und Landesrat
Bierbaum erklärten, sie könnten zu der seinerzeitigen Zusage,
dass die Preisregelung für Futterweizen, d.h. eigentlich genau
für Normalweizen, der nicht vermahlen wird und daher nur für Futter-
zwecke verwendet werden kann, nicht zustimmen. Nach längeren Verhand-
lungen, wo ich dezidiert erklärte, ich werde im nächsten Jahr nur
mehr für den Mahl-Normalweizen Preise festsetzen, zeichnete sich
dann eine Kompromisslösung ab. Die Bauern sind sich vollkommen
klar darüber, dass nächstes Jahr nur 40.000 Tonnen Normalweizen
für die Vermahlung herangezogen wird. Der Rest ist Qualitätsweizen
und abklassifizierter Qualitätsweizen, der natürlich noch immer
besser ist, als der Normalweizen. Um den Überschuss aber wegzubringen,
schlugen die Bauern vor, man sollte jetzt schon festlegen, dass
200.000 Tonnen Normalweizen von bestimmten Sorten, die qualitäts-
mässig auch sehr gut sind, exportiert werden können. Dafür ist
aber die Zustimmung des Finanzministers notwendig. MR Schulteiss
vom Finanzministerium hat dann in einer kleinen Gesprächsrunde
bei Haiden erklärt, er könne dem Vizekanzler nur empfehlen, einem
solchen Arrangement zuzustimmen, wenn gleichzeitig eben eine Er-
sparnis auf anderen Gebieten möglich ist. Theoretisch wäre dies
gegeben, denn für die 200.000 Tonnen Export, die unmittelbar
nach der Ernte sofort erfolgen würden, müsste man nicht die Lager-
kosten sowie die Denaturierungsabstützung auf den Futtermittel-
weizen bezahlen. Die 230.000 Tonnen Weizenexport nach Polen mussten
mit 1.250 Schilling die Tonne gestützt werden. Das Landwirtschafts-
ministerium behauptet, dass die Lagerkosten ungefähr 1.000 Schilling
pro Tonne im Jahr sind.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte lass die 1.000 Schilling einmal genauer
aufgliedern.
Die ÖVP dreht jetzt in der Kernkraftfrage scheinbar durch. Gestern
hat der Wirtschaftssprecher, NR Keimel, über einen offenen Brief
von mir verlangt, ich soll sofort alle Informationen über die
Lagermöglichkeitsverhandlungen mit Ägypten darlegen, heute hat
der Gesundheitssprecher der ÖVP Wiesinger fast genau gleiche Fragen
an mich wiederholt. In beiden Fällen habe ich sofort repliziert,
44-0825
auf falsche Behauptungen, wie dass das Kernkraftwerk Zwenten-
dorf nur 2% anstelle der tatsächlichen 12%, wenn es im Normal-
betrieb ist, liefern wird, hingewiesen. Entscheidend für mich ist –
und dies habe ich GD Wolfsberger und von der KWU Barthelt erklärt –
dass, wenn jetzt die Kampagne auf diesem Weg geführt wird, ich
für alle weiteren Gespräche und sachliche Diskussionen keine
Basis mehr sehe. Wolfsberger, der gute Beziehungen zur ÖVP hat
und ständig mit ihnen in Kontakt ist, ist über die Entwicklung
entsetzt. Barthelt sagt, so etwas ist nicht einmal in Deutschland
geschehen. Beide haben mit Präsident Benya über die Inbetrieb-
nahme Kernkraftwerk Zwentendorf gesprochen und seine volle Unter-
stützung gehabt. Bezüglich der offenen Fragen wurden Wolfsberger
von mir die Wünsche des Gesundheitsministeriums mitgeteilt. Der
Bescheid für das Kompaktlager ist nach Mitteilung SChef Pindur
fertig und wird von ihm resp. von Frau Minister nur mehr zu
genehmigen sein. Für den Bescheid für die schachbrettartige Beladung
fehlen die Materialqualitätszertifikate für den Brennelemente-
kasten, die Dokumentation für das Reaktordruckgefäss und Arbeiten
noch am unteren Kerngitter und Speisewasserverteiler. Ich habe
Wolfsberger noch einmal ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht,
dass ich auch grössten Wert darauf legen muss, dass alle Unter-
lagen, die das Gesundheitsministerium braucht, so schnell als
möglich von der GKT beigestellt werden müssen. Die Ausrede oder
auch nur die Behauptung, dass gewisse Dokumente erst bei der
nächsten Teilbetriebsbewilligung notwendig sind, lasse ich nicht
gelten. Wenn auch scheinbar die Unterlagen für das Reaktordruck-
gefäss zu einem späteren Zeitpunkt endgültig notwendig sind, soll
man diese, wenn jetzt bereits das Gesundheitsministerium sie braucht,
zur Verfügung stellen. Früher oder später müssen sie ja auf alle
Fälle geliefert werden. Wolfsberger wird sich diesbezüglich bemühen.
Barthelt hat dies sofort eingesehen.
Als neuen politischen Hit hat in der Frage Inbetriebnahme des
Kernkraftwerkes Zwentendorf jetzt LH Haslauer, als Präsident des
Aufsichtsrates der SAFE, entgegen den Direktoren, ja sogar gegen
1/3 Beteiligung der OKA, also auch gegen diese entschieden, dass
unverzüglich die Zahlungen für das Kernkraftwerk eingestellt wer-
den. Er motiviert dies damit, dass die Volksabstimmung abgewartet
werden muss, dass man seiner Meinung nach den Bau sofort einstellen
44-0826
sollte. Dies richtet sich nicht nur gegen die Kernkraftgesellschaft,
sondern auch gegen die anderen ÖVP-Landeshauptleute, die scheinbar
diesen Husarenritt nicht mitmachen wollen. Das Fernsehen fragte
mich, was ich zu dieser Stellungnahme sage. SChef Frank hat mir
geraten, ich sollte erklären, dass die GKT resp. Verbundgesellschaft
sofort die Klage gegen die SAFE wegen Vertragsbruch und Bezahlung
einreichen wird, wie er auch der Verbundgesellschaft empfohlen hat.
Genau dies habe ich natürlich nicht gesagt, denn diese Fragen und
Entscheidungen liegen ausschliesslich bei der Gesellschaft. Ich
stehe auf dem Standpunkt, dass auch ein eventueller Baustopp oder
Bauverzögerung ausschliesslich in der Entscheidung der Gesellschaft
liegt. Das Ministerium baut nicht, das Ministerium hat auch nicht
die Verantwortung für den Baufortschritt oder den Bauabschluss zu
tragen. Frank lässt sich jetzt immer mehr von emotionellen Ent-
scheidungen leiten. Da er das letzte Mal im Verbundaufsichtsrat
einige Bedenken geäussert hat, die jetzt in der Wochenpresse wort-
wörtlich abgedruckt sind, hat er jetzt von Erbacher eine Unter-
suchung verlangt, wer die Aufsichtsratsberichte an die Presse
weitergegeben hat. Dass bei einem Gremium von 50 Personen und
wahrscheinlich ein Dutzend Leute, die in der Verbund damit zu
tun haben, kaum etwas herauskommen kann, ist mir klar. Interessant
für mich war, dass laut Auskunft der Verbundgesellschaft die SAFE
bis jetzt nur 132.000 Schilling schuldig ist, ein Millionenbetrag
für die GKT wird erst im August fällig. Die Gesellschaft muss sich
also jetzt klar werden, was sie letzten Endes unternimmt. Ich werde
mich hüten, als Minister oder Ministerium eine dezidierte Erklärung
abzugeben. Entscheidend für mich ist nur – und darauf habe ich
ganz besonders hingewiesen – dass ein eindeutiges Rechtsverhältnis
besteht, dass eindeutige Verträge bestehen und dass ich hoffe, dass
der ehemalige Kammeramtsdirektor Haslauer auch als Landeshaupt-
mann weiss, was es heisst, Verträge schliessen und sie letzten
Endes einzuhalten.
Der Botschafter von Polen, Karski, hat einen Abschiedsempfang
gegeben. Ich habe ihn ausnahmsweise besucht, weil er ja jetzt nicht
ins Aussenamt, wie er wünschte – zurückkehrt, sondern als erster
stellvertretender Vizeminister ins Aussenhandelsministerium. Da
ich mit ihm daher ständig Kontakt haben werde, habe ich mich sozusa-
gen von einem Kollegen verabschiedet. Bei diesem Empfang habe ich
auch den neuen nordkoreanischen Botschafter getroffen. Dieser
44-0827
hatte neuerdings darauf hingewiesen, dass ich seinerzeit schon
eingeladen wurde und jetzt doch endlich kommen möchte, den Ver-
trag zu unterfertigen. Ich habe ihm als Voraussetzung gesagt,
dass die finanziellen offenen Fragen zwischen Österreich und
Nordkorea geklärt werden müssen. Durch Zufall habe ich dann
Generaldirektor Haschek ebenfalls dort getroffen und ihn sofort
mit den Botschafter bekannt gemacht. Wenn, so erklärte ich,
die Österreichische Kontrollbank eine befriedigende Lösung der
Zahlungen und Schulden mir mitteilt, werde ich gerne bereit
sein, dann einen Besuch im nächsten Jahr abzustatten, um den Ver-
trag eben tatsächlich dann zu unterfertigen. Haschek und der
Botschafter haben dann eine lange Diskussion über die Möglich-
keiten und insbesondere über die zweckmässig Abwicklung allein
geführt.
Tagesprogramm, 12.7.1978
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)