Samstag, 16. September und Sonntag, 17. September 1978
Die Messeeröffnung war wie erwartet von Ehrengästen gut besucht,
die Besucheranzahl aber, wie ich dann beim Durchgang feststellen
konnte, eher unterdurchschnittlich. Bei den Eröffnungsreden hat
Sallinger ein wenig die Regierungspolitik kritisiert. Ich sagte zu
Benya, neben dem ich sass, interessant ist, dass Sallinger immer
dann, wenn die ÖVP hart attackiert, er persönlich umso leiser
tritt. Sallinger stellte fest, dass die Prognosen international,
aber auch national ungünstig seien. Daran knüpfte ich sofort an
und meinte, die Prognosen des Wirtschaftsforschungsinstitutes für
Österreich konnten wesentlich unterschritten werden. Arbeitslosig-
keit 2.5%, jetzt wesentlich darunter, Preise 5%, im Jahresdurch-
schnitt wahrscheinlich 3.6%. Insbesondere unterstrich ich die
Leistungen der Wirtschaft im Export und vor allem in der Unterbrin-
gung der Lehrlinge besonders heraus, letzteres ganz besonderes als
Dank und Anerkennung auch für die gewerblichen Betriebe. Sallinger
behauptete zu Recht, 90% der Jugendlichen werden von diesen unter-
gebracht.
ANMERKUNG FÜR BURIAN, HAFFNER: Bitte dieselbe Art der Unterlagen
auch für die Innsbrucker Messe auf dem Fremdenverkehrgebiet.
Beim Durchgang mit dem bulgarischen Minister Christow und seinem
Gefolge und Vizeaussenhandelsminister Manschulo von der UdSSR
bevorzugte ich natürlich die sozialistischen Länder. Ich weiss nicht,
ob die beiden wirklich davon so begeistert waren. Da sie die
sozialistischen Länderausstellungen ja selbst in ihren eigenen
Messen ständig haben und besuchen müssen, hätten sie sich sicher-
lich mehr für österreichische Firmen und dort gewisse spezielle
Produkte mehr interessiert. In Hinkunft werde ich daher alle Minister,
die ich zur Messe einlade, fragen, was sie besichtigen wollen. Über-
haupt konnte ich dann feststellen, dass im Zuge der Programmabwick-
lung die Informationen, die wir, sei es von den Handelsräten, teils
aber von Botschaftern usw. bekommen, kaum mit den wirklichen Inter-
essen der Besucher übereinstimmen. Manschulo z.B. hatte einen ein-
zigen Wunsch, fischen zu gehen. Selbstverständlich habe ich alle an-
deren Veranstaltungen, die wir für ihn vorgesehen hatten, sofort
gestrichen. Ähnlich war es dann auch bei dem Minister Christow.
Dieser war gar nicht entzückt zu den Empfängen resp. Heurigen zu
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gehen und auch ich wurde daher befreit, ihn dorthin begleiten
zu müssen.
Ein grosser Erfolg für die Landstrasse war das Gemeindebaufest,
50 Jahre Rabenhof. Ich habe noch nie so viele Menschen in dem
Gemeindebau an allen Aktivitäten teilnehmen sehen. Da die Vor-
führungsgruppe aus Chile sich sehr stark verspätete, erklärte ich
mich sofort bereit, als Redner einzuspringen, als man mich darum
ersuchte. Endlich habe ich dort nicht eine politische Wahlrede
oder gar ein Referat gehalten, sondern meine Erfahrungen und
persönlichen Beziehungen zum Rabenhof geschildert. Ein wenig habe
ich geschwindelt, denn es ist richtig, dass mein Vater als Strassen-
bahner in Erdberg ein sehr bekannter Mann war und mich schon in
frühester Jugend zum Ablesen der Diensteinteilung auf den Bahnhof
mitgenommen hatte. Dies waren tatsächlich meine ersten Kontakte
zu Erdberg. Erinnern kann ich mich allerdings daran nicht mehr.
Trotzdem müssen die Gags und die persönlichen Bemerkungen nicht
schlecht gewesen sein, denn selbst die kritische Sozialistische
Jugend kam nachher zu mir und meinte, sie hätten gar kein Programm
gebraucht, man hätte mich nur als Conferencier einsetzen sollen.
Als Abschlussgag hat man sich vorgestellt, ich sollte, was ich
leichtfertig zusagte, mit dem Signalhorn in der Nacht von einem Balkon
im Rabenhof den Zapfenstreich blasen. Ich kann mich nicht erinnern,
dass ich jemals so aufgeregt war, wie bei dieser Nummer. Zuerst
wollte ich ihnen einreden, man sollte auf gar keinen Fall die
Scheinwerfer auf mich richten, vergebens. Zum Glück musste ich
noch vorher Dankes- und Abschiedsworte sprechen und habe bei dieser
Gelegenheit gleich darauf hingewiesen, dass wir bei den Falken
immer mit Signalhorn im Lager den Tag beschlossen haben. Vor Auf-
regung und wahrscheinlich mangels Training erwischte ich auch
einen Ton viel zu hoch und konnte dann nur bei der Wiederholung
so einigermassen den Zapfenstreich ohne einen Kickser rausbringen.
Trotzdem herrschte die übereinstimmende Meinung, wir müssten unbe-
dingt solche Feste öfters veranstalten. Die Junge Generation glaubt
aber, dass wir in den Gemeindebauten noch mehr Aktivität durch
Diskussionsabende und sonstige Veranstaltungen entwickeln sollten.
Hier fürchte ich, werden sie sehr bald wieder Schiffbruch erleiden.
Die ursprüngliche Konzeption in den Gemeindebauten, die ja in
Wirklichkeit ganze Blocks darstellen, war ja durch die Sektionsar-
beit gegeben. In unserer XV. Sektion haben wir ein sehr grosses
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Sektionslokal mit Festsaal. In der I. Republik war auch dort
tatsächlich die ganze Aktivität des Gemeindebaues konzentriert.
Jetzt kann die Partei diese Arbeit nicht mehr erfüllen. Das
Einzige, was die Bewohner – und wahrscheinlich sogar noch vielmehr
die Umliegenden akzeptieren – ist bei Schönwetter solche Gemeinde-
bauveranstaltungen. Ähnlich war es auch, als wir vor der letzten
Wahl unseren Landstrasser Kirtag am Fiakerplatz abgehalten haben.
Was die Leute wollen, insbesondere die Jungen, ist Unterhaltung
und keinesfalls Ideologiediskussion oder überhaupt Parteiarbeit.
Ich war überrascht, als der Vizeaussenhandelsminister Ginew dann
doch noch am Sonntag den Ausflug durch die Wachau mitmachte. Die
Erklärung war allerdings bald gefunden. Er überreichte Bukowski
als österreichischem Botschafter in Sofia einen Entwurf eines
Protokolls, welches 3 Seiten umfasste und von Christow und mir
unterzeichnet werden sollte. Darin schlugen die Bulgaren ganz
konkrete Projekte und vor allem Fremdenverkehrsaktivitäten
Österreichs in Bulgarien vor. Die Bulgaren sind der Meinung, wie ich
dann in einer langen Diskussion mit dem Präsidenten des bulgarischen
Fremdenverkehrsverbandes feststellen konnte, dass wir den Ungarn
tatsächlich nicht nur Kredite geben, sondern ihre Fremdenver-
kehrseinrichtungen, insbesondere Bäder, bezahlen und dann sogar
noch aus Leistungsgarantie von unseren Sozialversicherungs-
instituten gewähren. Dies war für die bulgarische Delegation wahr-
scheinlich eine schwere Enttäuschung, als ich ihnen auseinander-
setzte, dass sie in Wirklichkeit dieselbe Möglichkeit schon lange
haben. Jetzt hat die Österreichische Kontrollbank mit der unga-
rischen Aussenhandelsbank einen Kreditrahmen von 4,5 Mia Schilling
besprochen und gewährt, den Bulgaren wurde vor längerer Zeit schon
ein Kreditrahmen von 2 Mia Schilling eingeräumt, den sie aller-
dings – wahrscheinlich sind ihnen die Konditionen zu schlecht –
bis jetzt nicht beanspruchten. Bezüglich der konkreten Vorschläge
auf Errichtung neuer Schwerindustriebetriebe in Bulgarien verwies
ich darauf, dass ich vorerst mit den betroffenen Firmen sprechen
müsste. Da dies bis Montag Vormittag nicht möglich ist, habe ich
das Protokoll sofort an Fälbl weitergegeben. Dieser war sehr er-
schüttert, denn er hat fest angenommen, dass mit den beiden er-
gänzenden Sätzen in seinem Protokollentwurf die ganze Ange-
legenheit erledigt ist. Dies ist ein grosser Irrtum. Die Bulgaren
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drängen darauf im Gefolge des Schiwkow-Besuches eine konkretere
Zusage über künftige Aktivitäten zu erhalten. Christow meinte,
gegebenenfalls könnte er auf die namentliche Nennung von Firmen
verzichten. Er hätte, bevor er nach Österreich gefahren ist, noch
eine längere Aussprache mit Schiwkow gehabt und dieser erwartet
konkrete Aussagen von seinem Besuch. Andererseits hat mich Bukowski
verständigt, dass die Präsidentschaftskanzlei, angeblich der Bundes-
präsident selbst, jedwede konkrete Äusserung in dem Communique
von den Staatsbesuch unbedingt vermeiden will, ja wie Bukowski
sagte, ganz entschieden ablehnt. Ich erklärte deshalb sofort, wir
müssten sich unbedingt mit dem Präsidentschaftsprotokoll ins Einver-
nehmen setzen, bevor ich irgendwelche Zusagen machen könnten,
obwohl ich natürlich von der ablehnenden Haltung Kirchschlägers
keine Wort erwähnte. Ich erwarte und befürchte, dass bei dem Arbeits-
gespräch, sowohl beim Bundespräsidenten, als auch beim Bundes-
kanzler, insbesondere von letzteren, man doch konkretere Zusagen
über Projekte, zumindestens über deren Studien, gemacht werden. In
so einem Fall müsste dann sicherlich irgendein Papier erarbeitet
werden.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Stelle bitte fest, wer eigentlich aller zu
den Arbeitsgesprächen geladen ist.
Tagesprogramm, 16.9.1978
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)