Donnerstag, 28. September 1978
Die Fraktion der Gewerkschaft Privatangestellter, Sektion Handel,
beschwerte sich bei mir als Bezirksobmann, aber natürlich auch
als Handelsminister wegen der Offenhaltenmethode des Modezentrums.
Aus einem Protokoll der Mitgliederversammlung der Mieter des Mode-
zentrums, welches in ihre Hand gefallen ist, stellten sie fest,
dass dort beabsichtigt ist, mehrere Verkaufsausstellungen an
Sonntagen abzuhalten. Darüber herrschte Empörung bei Sekr. Freitag
der Privatangestellten, aber noch vielmehr bei Kollegin Dreisner,
KGW, Kulf, Herzmansky, und Straub, AEZ. Sie erklärten Dr. Heindl,
den sie als Repräsentanten auch dieser Mieter betrachteten, gege-
benenfalls mit gewerkschaftlichen Kampfmitteln wie Besetzung der
Firmen bei Offenhalten am Sonntag vorzugehen. Sie waren so wütend,
dass sie nicht einmal anfangs bereit waren, mit den Mietern resp.
deren Vertretern zu verhandeln. Letzten Endes haben sie aber dann
doch diesen Vorschlag Heindl's, der auch übrigens auch mein Kompromiss
gewesen wäre, unter der Bedingung angenommen, dass Heindl seinen
ganzen Einfluss geltend macht, damit diese Sonntagverkäufe einge-
stellt werden. Zwar handelt es sich bei diesen um Grosshandels-
firmen, weshalb das Ladenschlussgesetz nicht gilt, wohl aber das
Sonntagsruhegesetz. Jagoda hatte mir allerdings schon vorher und
auch bei dieser Sitzung klar und deutlich gesagt, dass die der-
zeitig gesetzliche Bestimmung unzulänglich ist. Abhilfe kann nur
das neue Sonntagsruhegesetz bringen, welches noch diesen Herbst
ins Parlament kommen soll.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Lass Dir von Freitag ebenfalls über den Lauf
der Verhandlungen berichten.
Im Gespräch mit Präsident Igler, Industriellenvereinigung, gleich-
zeitig aber auch Vorsitzender des Aufsichtsrates der Elin, und
GD Grünwald wegen der Herderzeuger in Österreich versuchte Igler seine
grosse Konzeption durchzusetzen. Ausgelöst wurde dieses Gespräch wegen
der Konkurseröffnung von Rieser. Igler möchte, dass Elin und Heiß,
Tirolia Herderzeugung, auch in Tirol zu einer langfristigen Kooperation
kommen. In diesem Fall würden die Firma Rieser und insbesondere die
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dort Beschäftigten sofort in diese Kooperation einbezogen werden.
Elin könnte ohne weiteres dieses Unternehmen mit aufkaufen resp.
mit Tirolia verbinden. Das wirkliche Problem liegt aber in der
dringend notwendigen Entscheidung. Unverzüglich müsste dem Masse-
verwalter mitgeteilt werden, dass man die Haftung für den Betrieb
mitübernimmt, erwartet wird dies von der AEG. Dann könnte die Bank
sofort weitere Betriebsmittel zur Verfügung stellen. Grünwald hat
versprochen mit ELIN darüber zu verhandeln.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte informiere auch den Vizebürgermeister
von Stumm, der die Staatsbürgerschaftsveranstaltung geleitet hat.
Grünwald fragte an, ob aus der Bergbauförderung für die WTK in
einem 3-Jahresplan ca 25 Mio Schilling für eine Pension, die jetzt
neu eingeführt werden soll, abdecken würde. Die WTK hat keinerlei
zusätzliche Pensionsregelung, während es z.B. bei der ÖMV sogar
eine 15. Pension gibt. Ich sehe keinerlei Möglichkeit im Finanz-
ministerium durchzusetzen, dass bei dieser budgetären schwierigen
Situation und schon bei dem hohen Aufwand von 216 Mio Schilling
Bergbauförderung hier noch zusätzlich ca 8 Mio Schilling pro Jahr
für eine Pensionsleistung übernommen werden wird.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Kläre vorsichtig, wie unsere Energiesektion
resp. das Finanzministerium dazu steht.
Der indische Botschafter Singh brachte nur ein offizielles Einla-
dungsschreiben für eine UNIDO-Veranstaltung, wo auch ein Minister-
treffen vorgesehen ist. Abgesehen davon, dass ich gar nicht kompetent
bin, ich glaubte der Staatssekretär Nussbaumer sei dafür zuständig,
Willenpart sagte zu Recht, nein, das Aussenministerium, habe ich gar
nicht die Absicht daran teilzunehmen. Da ich gleichzeitig den Aussen-
minister derzeit vertrete, nahm ich in dessen Namen auch den Brief,
der zwar an mich namentlich gerichtet war, in Empfang. Willenpart
wird ihn im Aussenministerium entsprechend bearbeiten lassen. Na-
türlich kam nun wieder meine Einladung nach Indien zur Sprache und
ich erklärte einmal mehr, dass ich derzeit dafür keine Möglichkeit
sehe.
Durch reinen Zufall traf ich den österreichischen Botschafter
in Peking, Gredler, der auch sofort wieder fragte, ob ich nächstes
Jahr doch nach China kommen würde. Auch dies habe ich sehr in Frage
gestellt und auf die zu erwartenden Wahlauseinandersetzungen im
nächsten Jahr verwiesen.
Bei der 10-Jahresfeier der israelisch-österreichischen Handels-
kammer hat der neue Wirtschaftsrat, wie er von Israel genannt wird,
über die Aussenhandelsbeziehung und Importmöglichkeiten Österreichs
gesprochen. Er verwies auch darauf, dass die jetzt mit einem EFTA-Land
eine Gemischte Kommission bilden und er hofft, dass Österreich auch
bald diesen Weg beschreiten wird. Gerade gegen diesen Wunsch – und
nur gegen diesen Wunsch – habe ich polemisiert. Ich verwies darauf,
dass Gemischte Kommissionen keine Geschäfte machen und sie auch mehr
oder minder nichts bringen. Wenn er den israelisch-österreichischen
Handel beleben will, dann muss er mit einzelnen Firmen Kontakt
halten, einzelne Firmen finden, die exportieren oder importieren
und sie mit den entsprechenden israelischen Firmen zusammenbringen.
Die Entscheidung der israelischen Regierung jetzt endlich einen
Handelsrat nach Österreich zu schicken und Österreich nicht von
Zürich aus bearbeiten zu lassen, kann nur dann erfolgreich sein,
wenn diese Firmenkontakte durch ihn hergestellt werden. Gemischte
Kommissionen freuen Beamte, schon allein wegen der Auslandsreisen,
bringen aber gar nichts. Der neue Präsident der Handelskammer, Elsner
von der BAWAG, hofft die Geschäfte auch für die BAWAG damit anregen zu
können und vor allem aber doch die einzelnen Firmen zur Mitgliedschaft
und noch viel mehr zu einem intensiven Handelsverkehr veranlassen
zu können. Der bisherige Präsident Kahane sagte zu recht, wenn es
jetzt zum Friedensvertrag mit Ägypten kommt, werden viele Firmen
aus ihrer Reserve herausgehen. Shamir erwähnte auch, dass in Israel
viele international renommierte Firmen trotz des Boykotts der
arabischen Staaten aktiv sind. Seine Hauptaufgabe würde es meiner
Meinung nach sein, österr. Firmen Mittel und Wege zu zeigen, wie
man diesen Boykott entweder ausweichen kann oder wie man trotz
dieses Boykotts durch gute Geschäfte mit Israel auf den arabischen
Markt, zumindestens in einzelnen Staaten, verzichtet.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Lass dieses Problem besonders prüfen.
In der Betriebsversammlung bei Ankerbrot wurde vom Betriebsrats-
obmann gewünscht, ich sollte auch auf die spezifischen Fragen der
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Vereinigten Nahrungsmittelindustrie eingehen, was ich selbst-
verständlich tat. In der Diskussion, die sich auf 4 Leute beschränkte,
wurde dann auch die Frage angeschnitten, was die Regierung zur Er-
haltung der Ankerbrotfabrik unternimmt, vor allem aber wie sie
in österreichischen Händen gehalten werden kann. Da mir nicht be-
kannt ist, dass ein ausländischer Konzern sich für dies Firma
interessiert, ja auch nicht einmal bekannt ist, ob das Haus
Schöller wirklich verkaufen will, konnte ich den Genossen keine be-
friedigende Antwort geben. Der wirklich interessanteste Beitrag
war aber, dass ein Arbeiter meinte, jetzt seien 8 Jahre sozialisti-
sche Regierung und noch immer seien die Arbeiter diskriminiert.
Über die wirtschaftliche Entwicklung ist man scheinbar zufrieden,
nicht aber, dass es noch immer die starke Differenz zwischen Arbeiter
und Angestellten gibt. Mein Hinweis, dass der Gewerkschaftsbund sogar
einen eigenen Fonds geschaffen hat, um die Benachteiligung der Arbeiter
oder, anders ausgedrückt, die Verbesserung des Images der Arbeiter
zu lösen, ist zwar eine Antwort, die aber sicherlich nicht befriedigt.
Ich glaube auch, dass schrittweise anpassen schneller erfolgen soll.
Ich sagte in meiner Beantwortung aber, dass dafür zuerst die Ge-
werkschaften in ihrer Kollektivvertragspolitik den Durchbruch z.B.
bei Abfertigung und sonstigen differenten Bestimmungen erzielen
muss. Die Lebensmittelarbeitergewerkschaft versucht hier zumin-
destens ihr Möglichstes.
Zu meiner grössten Überraschung stellte sich das Jubiläum für
25 Jahre Bandgerätewerk heraus als ein ausschliessliches Firmen-
jubiläum für den Betriebsleiter. Natürlich wurde dies auch nicht vor
einer Vollversammlung gefeiert, sondern in kleinerem Kreis, aller-
dings unter Anwesenheit von dem gesamten Philips-Vorstandes, wobei
sogar einige Leute aus Eindhoven gekommen waren. Am meisten über-
rascht war ich, dass auch Präsident Sallinger eingeladen war und
erschien. In der Rednerliste war er zwar nicht vorgesehen, doch
hat er sehr geschickt, auch ohne aufgefordert zu werden, das Wort
ergriffen und dem Jubilar gedankt. Anstelle des Essens und eines
Kabaretts habe ich sofort vorgeschlagen, ich möchte mir den Betrieb
ansehen. Die Bandproduktion geht so gut, dass jetzt sogar in Schicht
gearbeitet werden muss. Mit GD Koning besprach ich die weitere Vor-
gangsweise bezüglich der Videorecorderproduktionsaufnahme. Die
Philips haben jetzt auch die Öffentlichkeit über diese Grossinvesti-
tion in Liesing verständigt. Koning rechnet mit weiterer Unter-
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stützung von der Abwehr der japanischen Konkurrenz. Ich ver-
sprach ihm, dass wenn auch die Deutschen nicht bereit sind,
Österreich bei den GATT-Verhandlungen im Zuge der Tokio-Runde
den österreichischen Vorschlag auf Beibehaltung der Zölle zu
unterstützen, d.h. eine Ausnahme zu verlangen, wir diese Politik
unverändert weiterführen werden. Ich bin nämlich auch davon
überzeugt, dass man die Firma Philips, aber auch Grundig, die in
Österreich diese Produktion grosszügig aufbauen werden, nicht im
Stich lassen darf. Wenn wir jetzt eine Zollsenkung akzeptieren
würden, müssten wir dann sicherlich, ähnlich wie dies beim Farbfern-
seherröhrenwerk in der Steiermark der Fall war, dann wieder eine
GATT-Kündigung durchführen, um die entsprechenden Zollmassnahmen
zum Schutze der österreichischen Produktion wieder einzuführen.
Überraschend wurde für 8 Uhr abends der erweiterte Wiener Vorstand
einberufen. Durch die Wahl Bacher's zum provisorischen General-
intendanten hat es in den Bezirken eine so starke Unruhe gegeben,
dass Gratz sich veranlasst sah, über dieses Problem im Vorstand
Blecha berichten zu lassen. Viele der Vorstandsmitglieder wurden
zum ersten Mal mit dieser Materie konfrontiert. Die Situation ist
wirklich fatal. Von den 16 SPÖ- oder ihr nahestehenden Kuratoriums-
mitgliedern, wobei ich glaube, alle sind auch Parteimitglieder, müssen
2 für Bacher gestimmt haben. Man weiss nicht, wer es ist. Gawlik
rief sofort dazwischen, die müssen gekauft sein und Blecha konnte
dies nicht bestreiten. In diesem Fall wären es eigentlich nur die
sozialistischen Betriebsräte. Erschütternd für mich war aber die
Mitteilung, dass Parteiobmann Peter lange vor der Sitzung, vor
einigen Tagen schon, darauf verwiesen hat, dass Bacher ihm versicherte,
er hat bereits die Mehrheit mit 2 sozialistischen Stimmen. Die
sozialistischen Kuratoriumsmitglieder haben vorher bei einer Sitzung
Kreisky gegenüber einzeln versichert, dass sie zwar nicht für Oberham-
mer sind, eine diesbezügliche Abstimmung ging einmal 10 für Zilk und
5 für Oberhammer aus, dass sie aber selbstverständlich in der Ableh-
nung Bacher's einheitlich auftreten werden. Natürlich hat diese Mit-
teilung resp. Information und dann auch das Gefühl aller Anwesenden,
dass hier die sozialistische Führungsspitze gespalten ist, einen
ganz schlechten Eindruck und Stimmung erzeugt. Alles fürchtet auf
Rückwirkungen für die Wiener Gemeinderatswahlen. Unsere Funktionäre
in den Bezirken und insbesondere unsere Mitarbeiter sind über die
Situation empört. Einmal mehr wurde mir bestätigt, dass es eben not-
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wendig ist, dass die Partei eine klare Linie und eine klare
Weisung herausgibt. Die offene Partei und die ganze Konzeption
der Meinungsbildung, insbesondere aber die Disziplinlosigkeit wurde
von allen Debattenrednern bis spät in die Nacht hinein hart kriti-
siert. Einhellig wurde aber festgehalten, dass man jetzt nicht mit
Geschäftsordnungstricks, eine theoretische Möglichkeit wäre, keine
Intendanten für das Fernsehen und Rundfunk zu bestellen, wodurch
allerdings dann das Programm eingestellt werden müsste, die Leute
noch mehr zu reizen. Entweder man nimmt jetzt die Bestellung Bacher's
zur Kenntnis, weil man befürchtet, dass auch bei der Definitivbe-
stellung wieder Sozialisten für Bacher stimmen werden, oder man einigt
sich eben auf einen Kandidaten von der sozialistischen Seite, der
dann die Unterstützung aller tatsächlich findet. Bacher selbst –
davon bin ich überzeugt – wird jetzt beweisen wollen, dass er einen
objektiven ORF machen will und wird deshalb der sozialistischen Seite
sehr entgegenkommen. Verschlimmert wird die Situation insoferne noch,
als sowohl Benya, Parlamentsdelegation in Bulgarien, als auch Kreisky,
Sozialistische Internationale in Paris, nicht anwesend sind. Dadurch
können die beiden nicht unmittelbar die weitere Vorgangsweise nach
dieser Wahl festlegen. Wenn daher ein nicht zwischen beiden abgesproche-
ner Weg und Vorschlag jetzt in der Zwischenzeit sich herausstellt
oder heranreift, dann wird dies einen neuerlichen Streitpunkt geben.
Darin sehe ich die grösste Gefahr, wesentlich grösser als die Tat-
sache, wer immer im ORF letzten Endes, wie das schöne blöde neue
Wort "das Sagen hat", wirklich bestimmt. Zentralsekretär und
gleichzeitig Mediensprecher Blecha ist in einer sehr schlechten
Verfassung. Ich glaube, sein grösster Fehler war, dass er nicht zeit-
gerecht mit Benya kontaktierte und diesen über die Entwicklung im
Rundfunk informierte. Wieweit Kreisky dies unterlassen hat, kann
ich nicht feststellen. Dass es hier aber grosse Informationsmängel
gegeben hat, steht für mich ausser Zweifel. Vielleicht ist aber auch
wirklich die Kritik berechtigt, dass man im Kuratorium die einzelnen
Vertreter viel zu lange hat ihre Politik, manche sagen sogar ihre In-
trigen hat spielen lassen und dass dies eben jetzt die Folgen für
die Partei – und was für mich viel schlimmer ist – für die Zusammen-
arbeit an der Spitze sind.
Tagesprogramm, 28.9.1978
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)