Dienstag, den 17. Oktober 1978
Die Besprechungen mit dem Komitee pro Zwentendorf zeigt, daß dort
wirklich eine ungeheure Aktivität entfaltet wird. Ich trage mich
allerdings, wie die Kampagne ansonsten gelaufen wäre, wenn nicht
Kienzl, Heindl und andere sich wirklich mit ihrer ganzen Kraft
dahinter gesetzt hätten. Jetzt ist es auch so, daß durch das
Einschwenken der ÖVP-Spitze mit Nein zu Zwentendorf die Industrie
schockiert ist. Wolfsberger von Siemens, der natürlich größtes
Interesse daran hat, daß diese Volksabstimmung positiv ausläuft,
hat jetzt Heindl gegenüber versichert, daß die Industrie bereit
ist, alle Kosten, die aus dieser Kampagne entstehen, zu übernehmen.
Das Schlimme dabei ist nur, daß jetzt verhältnismäßig wenig Zeit
mehr für wirklich systematische Aufklärungsarbeit verbleibt. Die
Atom-Gegner nützen die scheinbare Unterlegenheit, um sich überhaupt
alle fairen Wahlkampf-Methoden hinwegzusetzen. Dabei wird immer
wieder festgestellt, daß die eigenen Genossen die Plakate von
uns nur überkleben, daß sie mit allen ihnen zur Verfügung stehenden
unfairen Methoden gegen diese Aktivität für pro-Zwentendorf arbeiten.
Die wichtigste Frage scheint mir, daß ich die Sympathisanten
für Zwentendorf zumindestens Stimmkarten wählen, wenn sie, wie ich
annehme, zu den 5 schulfreien Tagen für die Pflichtschüler sich
außerhalb Wiens begeben. Das Kinderplakat für pro Zwentendorf
war graphisch sehr gut gelungen, doch wurde sofort von den Gegnern
in zweifacher Hinsicht unterlaufen, ein ebenfalls graphisch ge-
schicktes Kinderplakat, nur mit Angstimage hat, glaube ich, das
unsere mehr als kompensiert. Dazu wurde noch von den Atomgegnern
sofort auf das Ja Nein drübergeklebt. Von dem Plakat, das
jetzt 68 Universitätsprofessoren für pro Zwentendorf unter-
schrieben haben, erwarte ich mir bei den Leuten eine Ver-
stärkung des Gefühls, es sind nicht alle Wissenschaftler dagegen.
Auch über die Enquete über die Atomangst, welche in der nächsten
Woche durchgeführt wird, kann es für gewisse positive Impulse
geben, trotzdem spielt sich unser Atom-Wahlkampf noch verhältnis-
mäßig ruhig ab, wenn ich an die Schlachten der Atomgegner in
Deutschland denke. Der Pressereferent vom Bundeskanzler, Kunz,
ersuchte mich ausdrücklich, im Pressefoyer nach dem Ministerrat
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zu der Frage Umbau des Atomkraftwerkes auf ein kalorisches Stellung
zu nehmen.
Kreisky hat in diesem Pressefoyer, nachdem er über die Beamtenver-
handlungen gefragt wurde, auch sofort auf die Plakataktion der
ÖVP verwiesen. Dort hat er mit Recht festgestellt, dass die ÖVP
falsche Behauptungen über die Regierungspolitik skrupellos plakatiert.
Da gewisse Länder vielleicht diese Art das Kampagne nicht mitmachen,
hat sofort Frau Schmitz dieselben Plakattexte übernommen und nur
ÖVP-Signet weggelassen. Kreisky sieht darin zurecht eine Plakat-
aktion beider Gruppen, nur unter einem anderen Aspekt. Kreisky
hat auch vorgeschlagen, es sollte jetzt eine Diskussion im Fern-
sehen zwischen ihm, Benya und mir auf der einen Seite und Taus mit
einem von ihm noch zu nominierenden Fachmann oder einem Vertreter
der Wirtschaft stattfinden. Dazu könnte man noch ein oder zwei
Experten, wie er sich ausdrückte, auf die Seite setzen. Ich erörterte
der Presse die letzten Erkenntnis von Univ.Prof. Bauer von der
Technischen Hochschule Wien. Dieser hat eindeutig festgestellt,
dass eine Umrüstung des Kernkraftwerkes teurer käme, der Strom-
preis würde aus diesem Werk gegenüber dem Kernkraftwerksstrompreis um
50 % teurer sein. Die näheren Details habe ich für mein Pressefrüh-
stück kommenden Montag durch Prof. Bauer selbst angekündigt.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte die Preis- und Kostenansätze genau
detailliert vorlegen.
Im Bundesvorstand des ÖGB wurde in das Pressekommunique ein Satz
aufgenommen, dass der ÖGB sich positiv zur Kernenergie sich
stellt und dass er die Bevölkerung auffordert, zur Volksabstimmung
zu gehen. Ich hatte noch bei diesem Satz dazwischengerufen und mit
Ja zu stimmen. Dies ist deshalb aber nicht in die Resolution
gekommen, weil die christlichen Gewerkschafter ansonsten dieser
Resolution nicht zugestimmt haben. Gassner, der Sprecher dieser
Gewerkschafter, hat allerdings nach wie vor seine positive Einstellung
zu Kernkraft Zwentendorf ausgedrückt. Wenn man bedenkt, dass jetzt
der Parteiobmann der ÖVP, Taus, auf eine eindeutige "Nein"-Position
gegangen ist, dann hat Kienzl vollkommen recht, wenn er in seinem
Diskussionsbeitrag dies besonders hevorgestrichen hat. Eigentlich
waren expressis verbis nur die Vertreter der kommunistischen
Fraktion, Streiter, die Gewerkschaftliche Einheit, Zingler, dagegen.
Auch deren Gegenstimme war mehr so zu verstehen, dass sie im
Prinzip auch gegen ein Kernkraftwerk nicht einzuwenden haben, sondern
ganz allgemein gegen die Resolution stimmten, weil die Lohnsteuer-
frage und andere Probleme nicht in ihrem Sinne gelöst werden
konnten. Der freiheitliche Sprecher Kindl dagegen stimmte der
Resolution zu, so wie die christlichen Gewerkschafter. Der Obmann
der Chemiearbeiter Teschl ersuchte mich, man sollte eine Arbeit
vorlegen, wo die Strukturveränderung seit 1970 in der Industrie
dargelegt wird. Die Gewerkschafter, meint er, hätten von ihrer
Branche ein verhältnismässig gutes Bild über diesen Strukturwandel,
aber über die Gesamtindustrie und Gewerbe wären sie nur unzureichend
informiert. Ich habe ihm zwar keinerlei Zusagen gemacht, könnte mir
aber vorstellen, dass tatsächlich eine kleine Arbeit, vielleicht
5–10 Seiten von uns vorgelegt werden könnte.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte mit Wanke und mir die ganze Frage be-
sprechen.
Im Bundesparteivorstand hat Kreisky Ackermann zu seinem 80. Geburts-
tag die Viktor Adler-Plakette überreicht. Ackermann ist ein ver-
dienter Genosse aus der Ersten Republik, der bereit den Vater
Kreiskys beim Militär kennengelernt hat. Dieser hätte ihm durch
die Aufforderung, das Parteiprogramm der Sozialisten zu lesen,
zur Sozialdemokratischen Partei gebracht. Kreisky hat dann aus
seiner Erlebniszeit mit Ackermann berichtet. In der illegalen Zeit
sei er unmittelbar nach der Februar-Aufstand 1934 von der illegalen
Zentralkomitee-Sitzung, der auch Ackermann angehörte, nach Brünn
geschickt worden, um Bauer klarzumachen, dass die Parteiführung
jetzt in Wien ist und nicht vielleicht von ihm in Brünn geführt
werden kann. Bauer hat aber damals bereits klar und deutlich,
bevor Kreisky überhaupt sich äussern konnte, erklärt, dass
selbstverständlich jetzt die Hauptverantwortung und auch die ganze
Entscheidung bei den Genossen in Wien liegt. Ackermann hat dann
aus seinem Leben erzählt, wobei er anfangs so aufgeregt war, dass
er kaum sprechen konnte. Hier haben wirklich zwei alte Genossen
sozusagen aus der Schule geplaudert. Umso mehr hat mich in der
Nachtsendung Club 2 dann überrascht, wie Pauli Blau, als Anti-
atomsprecher hinlänglich bekannt, erklärte, er hätte eine viel
längere Zeit innerhalb der Soz. Partei verbracht als Kreisky.
Blau streicht dies wirklich penetrant immer wieder heraus, wenn
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er sagt, er sei der Parteigründer 1945 gewesen, davon weiss
ich nämlich wirklich auch nichts, oder er sei länger in der
Partei als Kreisky.
Kreisky selbst hat seinen politischen Bericht dann mit der
Feststellung eingeleitet, er soll vor dem Parteivorstand nicht
so umfangreich sein und man soll sich auf gewisse Fragen konzen-
trieren. Als Wichtigstes bezeichnete er die Volksabstimmung zum
Kernkraftwerk Zwentendorf. Nachdem er die Entwicklung, wie es zu
der Gesetzwerdung gekommen ist, welche lange Diskussion, für
die er sich mitverantwortlich fühlt, vorangegangen ist, wie es
dann letzten Endes geglückt ist, einstimmige Beschlüsse in der
Partei sowohl im Parteivorstand als auch letzten Endes sogar im
Parteiprogramm zu fassen, stellte er letzten Endes dann den
Antrag, ein eindeutiges "JA" für Zwentendorf diesmal zu beschliessen.
Die SJ und die Junge Generation erinnerte er an ihre Verantwortung.
Er habe den Verdacht, dass es einzelne Funktionäre dort gibt,
die auf dem Standpunkt stehen, es wäre besser, wenn die Sozia-
listen nicht die Regierung führen würden, dann könnten sie in der
Opposition wahrscheinlich eine bessere, radikalere Politik ver-
langen, als sie in der Regierung imstande sind durchzuführen.
Wenn nämlich von diesen Gruppen Beschlüsse nicht beachtet werden,
wenn diese Leute insbesondere selbst im Parteivorstand und
in sonstigen Gremien sitzen, dann ist es schon eine grosse
Anforderung an die Toleranz der Partei, dies zu akzeptieren.
In der Diskussion, wo sich über zwei Dutzend Genossinnen und
Genossen beteiligten, kam auch die Verbitterung über das
Verhalten der Sozialisten als Atomgegner zur Sprache. Nur der
Obmann der soz. Jugend Cap versuchte zu erklären, dass sie
mit dieser Antiaktion auch der Sozialistischen Partei nützen wollen.
Die Parteireform, die Ideologiediskussion, die offene Partei,
die Demokratisierung schaffe neue Akzente und man müsse daher
die sozusagen klare Linie weiter verfolgen. Sie wollten nicht
verunsichern, sondern nur die Reinheit sozusagen dieser Partei-
reform, anders ausgedrückt vielleicht sogar der Kreisky'schen
Idee weiter wahren. Der Vertreter der Jungen Generation Konecny
wieder verwies darauf, dass die so kritisierte Broschüre
der Wiener JG nicht aus Parteimitteln finanziert wurde, sondern
aus Spenden. Jetzt wird diese Broschüre entgegen den Intentionen
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der JG in Niederösterreich ausgesandt und zwar ausdrücklich
von Parteigegnern. Der Vertreter des Landes Vorarlberg, Heinz,
meinte wieder, sie könnten sich der Pro-Zwentendorf-Aktion nicht
anschliessen, sie hatten auch, als es in den Fünfzigerjahren gegen
den Mieterschutz Plakate gab, diese in Vorarlberg nicht affichiert.
Er kündigte aber gleichzeitig an, er wird bei der Abstimmung
den Sitzungssaal verlassen. Kreisky verwies in seinem Schlusswort
darauf, dass die Jugend weder von der SJ noch von der JG
erfasst wird. Neuerdings strich er lobend heraus, dass in
Wirklichkeit nur die Gewerkschaftsjugend stärkere Aktivitäten
entfaltet. Hier glaube ich, überschätzt er diese auch ein wenig.
Den jungen Freunden müsste es zu denken geben, wenn sie jetzt
in einer Kampffront sind, die von ganz rechts – Burger über
Schmitz, Götz und Taus bis zu den linkesten Kräften, Bund
der Kommunisten usw., eingereiht sind. Ich fürchte, dass es
die Kernkraftgegner auch in unserer Partei gar nicht allzu
sehr stört. Sie sind fest davon überzeugt, dass nur auf diese
Art und Weise die reine Linie der Partei gewahrt werden kann.
Bei der Abstimmung stimmte Cap dagegen und Konecny enthielt
sich der Stimme.
Der zweite Punkt war die Bestellung des Generalintendanten.
Kreisky meinte, hier wird ihm eine Führungsschwäche vorgeworfen.
Im Wirklichkeit hat er zwei Gruppen vorgefunden, die sich
nicht über den Generalintendanten einigen konnten. Es blieb
ihm daher gar nichts anderes übrig, als zu versuchen, eine Lösung
durch Vorschlag, man sollte Oberhammer provisorisch bestellen
und dann sich um einen neuen Mann umsehen, aus diesem Dilemma
herauszukommen. Alle 16 Kuratoriumsmitglieder hatten ihm und
allen anderen in der Sitzung zugesichert, so sollte man vorgehen,
man war sich daher vollkommen einig, dass Bacher nicht gewählt wird,
sondern dass man als Provisorium den Oberhammer weiter bestellt.
Drei hatten sich an diesen Vorschlag, dem alle einstimmig zuge-
stimmt hatten, nicht gehalten. Jetzt war es Aufgabe von Blecha,
der nach wie vor als Mediensprecher fungiert, mit Bacher das
neue Führungsteam auszuhandeln. Blecha, Benya, Kreisky wurden
in diesem Fall immer wieder kontaktiert. Bacher wollte zuerst
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für den Hörfunk anstelle Wolf in der Maur Emmerich aus Deutsch-
land, für das erste FS-Programm Skala, weil er Skala nämlich
von kaufmännischen Direktor wegbringen wollte für seinen Freund
Lenhardt. Fürs FS 2 war von ihm Marboe vorgesehen. Die Verhandlungen
mit Blecha ergaben dann, dass Wolf in der Maur, Hörfunk, bleibt,
das 1. FS Podgorski bekommt und Skala als kaufmännischer Direktor
bleibt. Über den weiteren Vorgang, insbesondere die Wahl Bachers
zum GI, wird der übernächste Parteivorstand, also knapp vor der
Kuratoriumssitzung, vornehmen. Dies erscheint Kreisky deshalb
notwendig, um den Gegner nicht jetzt schon wieder durch unsere
Diskussion Möglichkeiten zu geben, sich auf diese Wahl entsprechend
vorzubereiten. Über diesen Punkt gab es fast keine Diskussion.
Androsch bemerkte nur, dass jetzt die wirtschaftspolitischen In-
formationen im ORF verstärkt werden und dass man daher äusserst vor-
sichtig dieser Aktion gegenüber sich verhalten soll. Es darf nicht
so kommen, dass die Handelskammer und Industriellenvereinigung
diese monopolisiert. Ich glaube nicht, dass eine solche Gefahr
besteht, denn die erste grössere Sendung wurde im engsten Ein-
vernehmen mit allen Sozialpartnern gestaltet.
Eisenberg kam mit seinem ständigen Vertreter und einer Frau, die
ich nicht genau kannte, mit Haffner zu mir, um wegen der Ein-
ladung eines indischen Stahl- und Bergbauministers zu intervenieren.
Er hat mit diesem für Rumänien ein 5-Mia-$-Projekt abgeschlossen.
Er meint nun, man hätte, als dieser Minister geäussert hat, wahr-
scheinlich auf Intervention von Eisenberg sofort den Mann nach
Österreich einladen müssen. Eine solche Möglichkeit sah ich
persönlich nicht, denn nach Informationen der VÖEST war diese gar
nicht daran interessiert, Eisenberg als Vermittler zwischen
indischen Geschäften und sich einschalten zu lassen. Die VÖEST wird
den Minister zur gegebenen Zeit selbst einladen, ohne dass Eisen-
berg zwischengeschaltet wird. Haffner hat dann auch noch spezifisch
dargelegt, dass zu diesem Zeitpunkt ich keine Möglichkeit ge-
habt habe, den indischen Minister zu empfangen. Eisenberg hat einen
Briefentwurf vorbereitet, wo ich dem Minister erklären soll, warum
es diesmal nicht möglich war, den von Eisenberg vorgesehenen Be-
suchstermin abzuwickeln. Da er auch in diesem Schreiben immer
wieder als Firma und Vertreter erwähnt werden will, habe ich
erklärt, dass ich im Prinzip bereit bin, an den indischen Minister
zu schreiben, doch die endgültige Formulierung dem Sekt.Chef Meisl
übertragen werde.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte prüfe, wie weit man Eisenberg
in diesem Schreiben erwähnt und damit sicherlich unterstützt.
Die norwegische Ministerin für Konsumentenfragen Myklevoll
hat mit ihrem Staatssekretär und einigen anderen Vertretern
eine Studienreise nach Österreich unternommen. Sowohl die
Handelskammer als auch insbesondere unsere Ministerialvertreter
haben sie über alle Details informiert. Zuletzt hat noch
Dr. Rauter vom Konsumverband sie über die Aktivitäten in
Österreich und ganz besonders über das österr. Sozial- und Wirt-
schaftssystem aufgeklärt. Das Hauptproblem, glaube ich, besteht
aber darin, dass es sehr schwer war, über Englisch, sogar über
eine verhältnismässig schlechte Übersetzerin ins Norwegische
wirklich Details zu vermitteln. Es stellt sich für mich immer
mehr die Frage, dass die Hauptschwierigkeit in der Sprachenbarriere
liegt.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte für nächste ausländische Minister
dafür sorgen, dass doch Dolmetscher zur Verfügung stehen.
Der ausserordentliche Wiener Landesparteitag in der Stadthalle
war verhältnismässig gut besucht, die Delegierten waren zu meiner
grössten Überraschung zahlreicher erschienen, als ich erwartet
hatte. Da bereits in den Zeitungen und Rundfunk angekündigt wurde,
dass doch keine wesentliche Änderung in der Mannschaft der
Gemeinde bis Februar vorgenommen wird, hatte ich eigentlich
befürchtet, dass sich wenige Vertrauenspersonen für diesen
Landesparteitag interessieren. Gratz hielt ein verhältnis-
mässig sehr kurzes Referat, wo er die Gründe dieses Beschlusses
von ihm persönlich und dann vom Präsidium, Vorstand und Ausschuss
darlegte. Da Gratz 8 Tage vorher noch auf dem Standpunkt gestanden
ist, man müsse sehr schnell handeln, um dem Gegner nicht die Mög-
lichkeit zu geben, die Führungsschwäche zu behaupten, war es jetzt
umso überraschender, dass Gratz nach reiflicher Überlegung, und
das glaube ich ihm sogar, zu der Auffassung gekommen ist,
personell bis Februar nichts zu ändern. Seine Absicht ist, und
dies wurde ihm dann letzten Endes auch vom Landesparteitag be-
stätigt, dass es zweckmässiger ist, erst eine Sachdiskussion
zu führen, wie denn in den restlichen 4 1/2 Jahren der neu
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zusammenzusetzende Stadtsenat arbeiten soll. Die Bezirke werden
aufgefordert, unter Vorsitz des Bezirksobmannes Arbeitsgruppen
zu bilden und dort alle Kritiken und Vorschläge genau zu prüfen.
Gratz wird dann bis Jänner entsprechend auch eine solche Arbeitsgruppe
für Wien schaffen und unter seinem Vorsitz dann alle Vorschläge
durcharbeiten. Erst auf Grund dieses neuen Sachprogrammes soll
dann die personelle Besetzung der Stadträte erfolgen. Ich bin
nicht überzeugt, dass wir wirklich in Ruhe jetzt diese Diskussion
bis zum Februar abführen können. Ich glaube eher, dass die ÖVP
und insbesondere die Massenmedien ständig personelle Vorschläge
und Kritiken bringen werden. Ich bin auch gar nicht so überzeugt,
ob es Gratz dann noch im Februar gelingen wird, wenn der Schock
dieser Wahl vorüber ist, wirklich noch die grossen personellen
Veränderungen durchzuführen. Gratz ist davon fest überzeugt, weil
er meint, auch bei einem Sieg, d.h. bei Halten des Wahlresultates
hätte er personelle Änderungen vornehmen müssen. Die Erneuerung
des Stadtsenates verlangt dies. In der Diskussion, die diesmal
sehr umfangreich war und sich stundenlang hinzog, hat auch Kreisky
das Wort ergriffen. Dies war deshalb notwendig, um die sonst scheinbar
ausgeklammerte Volksabstimmung den Delegierten vor Augen zu führen.
Beifall bekamen die Redner, welche freimütig die Situation in
der Partei kritisierten, Hindels bezüglich der ORF-Bacher-Bestellung
und Bundesrätin Heinz über die Frage der Atomabstimmung und Verhalten
der Jungen Generation und SJ. Andererseits aber konnten auch Jugend-
vertreter mit Beifall rechen, wenn sie die Parteispitze, insbesondere
aber das Verhalten einzelner Genossen und zwar ihr persönliches
Verhalten und Lebensstil kritisierten. Erfreulich für mich war,
dass in der Konferenz 5 junge Leute das Wort ergriffen, dort verhält-
nismässig wenig demagogisierten, sondern sich sehr zurückhaltend mit
ihren Problemen und Verhältnis zur Partei beschäftigten. Ich hatte
schon befürchtet, dass es ähnlich wie im Parteivorstand ansonsten
zu harter Konfrontation gekommen wäre. Dies hilft in der jetzigen
Situation aber weder der Partei noch der Jugend. Ich glaube, dass
tatsächlich die Jugendfunktionäre jetzt selbst ein wenig geschockt
sind über die Entwicklung der KKW-Debatte. Anfangs mögen sie überzeugt
gewesen sein, hier wirklich im Interesse der Partei-Linie und der,
wie ich im Parteivorstand schon feststellen konnte, "Reinheit der
Demokratie-Reform, Parteireform usw." zu handeln, jetzt aber
dürften durch immer mehr grösseres Abrücken von der Sachfrage
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und der reinen politischen Äusserung selbst Zweifel ent-
stehen.
Die Club 2–Diskussion, die ich mir bis in den nächsten
Tag hinein anhörte, war für mich sehr überraschend gut. Die
drei Pro-Leute, Staudinger, KKW-Direktor in Zwentendorf und
gleichzeitig aber prononcierter ÖVP-ler, Binner, Österr.
Atomreaktorsicherheit, und Erich Schmidt, ÖGB, haben sich
wirklich gegen die drei anderen, Pauli Blau als Führer der
Kontragruppe, dann einem Pater als Biologe und einer Frau
"Mütter gegen die Atomkraft", sehr gut geschlagen. Wenn alle
Diskussionen im FS, die es in der nächsten Zeit sicherlich
noch geben wird, so gut ausgehen, dann müssten wir auf Grund der
Sachinformation besser abschneiden, als ich befürchte. Alle
Behauptungen, die die KKW-Gegner aufstellten und die sie aus
Unterlagen sich zusammengesucht hatten, die dann einfach von
den Fachleuten widerlegt wurden, werden nämlich immer wieder
kommen. Insbesondere erscheint es mir daher wichtig, jetzt
so schnell wie möglich die ziffernmässige Widerlegung aller
dieser Behauptungen unseren Funktionären in die Hand zu geben.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte mit Binner und Staudinger sofort
die ganzen Ziffern-Unterlagen, die sie vorgebracht haben, zusam-
menfassen.
Tagesprogramm, 17.10.1978
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)