Montag, 23. Oktober 1978
Beim Jour fixe übergab ich Sallinger und Mussil einen neuen
Entwurf für eine Rhodesien-Aussenhandelsverkehrs-Verordnung.
NR Ettmayer vom ÖAAB hatte uns hart attackiert, dass wir die UNO-
Resolution nicht einhalten. Abgestellt kann der Warenverkehr mit
Rhodesien nur dann werden, wenn nicht – wie in der jetzigen Ver-
ordnung – nur der direkte Handelsverkehr, sondern auch der Verkehr
über Drittländer ausdrücklich verboten wird. Dieses Türl, hat seinerzeit
die Handelskammer verlangt, muss unbedingt offenbleiben. Mussil war
natürlich sofort erschüttert und meinte, dieser Entwurf dürfte unter
gar keinen Umständen Gesetz werden. Ich verlangte, dass er den jetzt
genau prüft und mir dann Bescheid gibt. Ebenso habe ich ihm den Artikel
von Dipl.Ing. Wohlmeyer, Österr. Agrarindustrie AG Gmünd, gegeben.
Dort wird von diesem in einem Leserbrief in der Raiffeisen-Zeitung
behauptet, ich möchte mit meiner Konsenspolitik nur die Importeure
schützen gegen die berechtigten Interessen der Agrarier. Mussil wird
als Waldviertler Abgeordneter diesbezüglich mit Wohlmeyer sprechen.
Seine Angriffe bezeichnet er wirklich als unqualifiziert.
Bezüglich des Antidumping- und Antimarktstörungsgesetzes ist die
Handelskammer bereit, jetzt auf die Frist, wo nach Feststellung
des Dumpings trotzdem noch verschiffte Waren eingeführt werden können,
zu verzichten. Voraussetzung dafür ist aber, dass bei den Textil-
einfuhren 4.000 S derzeit auf 10.000 S, wie die Handelskammer ursprüng-
lich vorgeschlagen hat, nun aber auf 20.000 S Freigrenze von mir
zugestimmt wird. Eine ähnliche Lösung sollte auch bei der Stahleinfuhr
kommen. Min.Rat Fischer, den ich sofort telefonisch kontaktierte,
hat mir erklärt, dass insbesondere für Stahl eine solche Regelung voll-
kommen unmöglich ist. Ich habe sie deshalb sofort Mussil abgelehnt.
Bei Textilien resp. Bekleidung meint Min.Rat Fischer, dass es sich
hier primär darum handelt, ob die Ländervertreter einer solchen Regelung
überhaupt zustimmen. Die bisherigen Verhandlungen mit den Ländern
haben ergeben, dass sie das derzeitige System nicht ändern wollen,
die Länderreferenten haben bei den letzten Besprechungen sich eindeutig
diesbezüglich ausgesprochen. Ihnen schwebt vor, dass eine finanzielle
Abgeltung der Länder für diese Mehrarbeit erfolgen müsste. Ich schlug
Mussil daraufhin vor, er möge mit den Ländern entsprechende Verhandlungen
führen. Wenn diese einverstanden sind, würde auch ich eine solche
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Regelung akzeptieren. Den Textil- und Bekleidungsimporteuren,
sprich also dem Handel, wurde auch von Seiten der Handelskammer
zugesichert, dass sie in die Vidierungsunterlagen Einblick be-
kommen. Dies ist eine kammerinterne Angelegenheit, von der ich,
wie ich Mussil ausdrücklich sagte, gar nichts wissen will, ebenso
die Zusage der Bundeskammer, keine kumulierenden Massnahmen gegen
den Handel zu setzen. Was er sich darunter vorstellt, hat man mir
nicht im Detail erklärt.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte lass diese Wunschliste der Handelskammer
prüfen.
Die Handelskammer wird nun den Veredlungsverkehr über das Aussen-
handelsstatistische Gesetz so gestalten, dass keine AHF-Gebühren
bezahlt werden müssen. Mussil meinte, ob wir diesbezüglich einen
Initiativantrag einbringen werden. Ich bevorzuge eigentlich eine
Regierungsvorlage, die Min.Rat Bachmayer jetzt ausarbeitet. Er
wird eine interministerielle Kommission damit befassen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte diesen Entwurf so schnell wie möglich
in die Begutachtung schicken.
Bezüglich Beitritt Österreichs zum Europa-Patent hat Staudinger jetzt
eine Enquete im ÖVP-Klub vorgesehen. Die Industrie und die Industriel-
lenvereinigung, aber auch die Handelskammer ist nach wie vor der
Meinung, dass wir unbedingt beitreten müssen. Ursprünglich war
vorgesehen, nach den Wahlen in Wien diesen Beitritt sofort zu voll-
ziehen. Jetzt wird von der Wiener Handelskammer, der Abg. Fiedler
handelt hier angeblich nur im Auftrag von Präs. Dittrich,
der Widerstand immer grösser. Die Bundeshandelskammer steht nach wie
vor zu ihrer Zusage. Da es sich hier um ein 2/3-Gesetz handelt,
muss die ÖVP zustimmen, ansonsten kann es nicht zu diesem Gesetz
kommen. Dies zwingt die ÖVP, sich endgültig zu entscheiden. Mussil
war sehr erfreut, von mir zu erfahren, dass die Dänen nicht endgültig
abgelehnt haben beizutreten, sondern nur den Beitritt bis jetzt
hinausgeschoben haben.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Der Präsident oder Vizepräsident des
Patentamtes soll die Handelskammer im Detail noch informieren.
Mussil hat grösste Bedenken, die Berghauptmannschaft Innsbruck
aufzulösen. Ich erklärte ihm, dass ein solches Verlangen, nämlich
die Konzentration der Berghauptmannschaften vom Rechnungshof
schon sehr, sehr lange verlangt resp. die mangelnde Auslastung
kritisiert wird.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Hat Sterk schon mit den Tirolern gesprochen?
Das Institut für Gewerbeforschung, welches 1,5 Mill. S von uns be-
kommen soll, hat nur 300.000 S bis jetzt erhalten. Die Handelskammer
ersucht um eine grössere Akkontierung.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Wie schaut dieser Fall aus?
Die Handelskammer kann sich bezüglich der OECD-Richtlinie Fragebogen-
beantwortung der multinationalen Unternehmungen nicht durchringen.
Mussil möchte allen Ernstes, dass das Handelsministerium eine
solche Vorgangsweise zur Kenntnis nimmt. Ich erklärte ihm, dies
ist ganz unmöglich und verlangte, dass Dr. Melis, der dafür
verantwortlich ist, mit unseren Herren Kontakt aufnimmt, um das
Problem zu lösen.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Bitte die diesbezüglichen Gespräche
sofort beginnen.
Die Milchpreiserhöhung soll in Hinkunft mehr Milch- und Molkerei-
produkte entweder freigeben oder die Handelsspannen erhöhen.
Der nächste Schritt ist, wie Mussil selbst zugegeben hat, dass
immer mehr jetzt Mindestpreise für sozial kalkulierte Artikel
verlangen. U.a. verlangt jetzt auch A&0 eine diesbezügliche
Lösung. Der Landwirtschaftsminister soll für Mais 17 Mio S für
Sperrlager endlich freigeben. Ich habe keinerlei Zusage gemacht
da Haiden ja ein Milch- und Getreidekonzept verlangt.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte lass beides prüfen.
Ich habe der Handelskammer mitgeteilt, dass ich für die
Wirtschaftstreuhänder den Tarif jetzt um 10 % erhöhen möchte,
nachdem der ÖGB 7 %, die AK 10 % und auch die Handelskammer
mit den 10 % einverstanden ist.
Bezüglich der Repräsentationskostenverrechnung und der Kritik
des Rechnungshofes habe ich auch die Beanstandung wegen der
Rechnung Dubrovnik und unserer Weihnachtsfeier im einzelnen
dargelegt. Mussil und Sallinger meinten, mit dieser Art der
Kritik werden wir alles zerschlagen. In der ÖVP sind es Leitner,
König und Ermacora, die die treibenden Faktoren sind. In Wirklichkeit
ist dies, glaube ich, nur der Ausfluss ihrer ÖVP-Politik, die sich
zu nichts durchringen kann. Ich erwähnte auch, ohne eine Frage zu
stellen, dass ich ja dem Minister Avram mitgeteilt habe, wenn
der ÖVP-Klub einem Paaring nicht zustimmt, ich dann nicht nach
Bukarest mit dem Bundespräsidenten fahren könne. Mussil erwähnte,
es sei halt sehr schwer, wenn nicht jemand gleichzeitig wegfährt.
Aus dieser Äusserung konnte ich entnehmen, dass sie sich im ÖVP-
Klub bezüglich des Wunsches, dass ich sehr wohl mit dem Bundes-
präsidenten mitfahren sollte, nicht durchgesetzt haben. Neuerdings
erwähnte Mussil, dass die Abteilung von Min.Rat Thun-Hohenstein
unbedingt mit einem Mann ihres politischen Vertrauens besetzt werden
muss. Dagegen habe ich ganz energisch Stellung genommen. Ich denke
nicht daran, einen anderen Beschluss zu fassen, als mir die Kommis-
sion vorschlägt. Mussil behauptete, alle Besetzungen im Handels-
ministerium waren nur durch Dirimierung möglich gewesen. Er war sehr
erstaunt von mir zu hören, dass dies nicht der Fall ist und dass
ich eine ganze Reihe von ihren Vertrauenspersonen in Positionen
gebracht habe, wie Fischer, ehemaliger Sekretär Bock's und Mitterer's,
als Abteilungsleiter am Rochusplatz, Fabrizii, ebenfalls Sekretär
als Abteilungsleiter, Gröger als Gruppenleiter, ebenso Steiger,
Zembsch als Abteilungsleiter und viele andere noch. Wenn die Handels-
kammer, wie sie ankündigt, bei der Besetzung der Abteilung Thun-
Hohenstein einen entsprechenden Krach machen wird, stört mich dies,
so behaupte ich zumindestens, gar nicht, da ich mich nur nach dem
Vorschlag der Kommission richten werde. Sallinger meinte zu
Mussil, gib auf, Staribacher ist viel zu raffiniert in seiner
Personalpolitik. Mit dieser Art spielt er sogar die Betriebsräte
des ÖAAB ständig aus.
Im Journalistenfrühstück konnte ich nur bei der Frage Umrüstung des
Kernkraftwerkes Zwentendorf bleiben. Prof. Bauer hat berichtet,
dass auf der Technischen Hochschule die Studenten mit ihnen
diskutierten und sofort den Univ.Prof. Tollmann verlangten, der
eigentlich gar nicht auf der Technik liest. Dieser hat dann u.a.
behauptet, die kWh des Kernkraftwerkes wird sich auf 3–7.– S
stellen. Natürlich musste man dem gleich mit aller Entschiedenheit
entgegentreten und ich habe dort die alten Ziffern, 40,5 g, wieder-
holt. Da die Entsorgung noch nicht endgültig ist, erklärte ich
meine seinerzeitige Aussage, dass bis zu 50 Groschen die Strom-
kosten steigen könnten.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Stelle bitte die Ziffern vom Erbacher-
Artikel Kronen-Zeitung auf ein Blatt zusammen.
Die Casino AG hat mit den spanischen Spielbanken einen Vertrag
ähnlich dem mit den Niederlanden abgeschlossen. Gen.Dir. Wallner
ersuchte mich und Präs. Sallinger nicht nur bei der Vertragsunter-
zeichnung anwesend zu sein, sondern dann auch in der anschliessenden
Pressekonferenz das Wort zu ergreifen. Ich habe wirklich gerne
diese weitere Leistung von Wallner und seinen Leuten bei der Presse-
konferenz entsprechend gewürdigt. Für den österr. Fremdenverkehr
hat nämlich Wallner sehr viel getan.
In der Ministerratsvorbesprechung hat Kreisky berichtet, dass
Götz sich bei ihm anmeldete und einige Termine vorschlägt.
Er steht nach wie vor auf dem Standpunkt, erst nach einer
Entschuldigung ihn überhaupt zu empfangen. Minkowitsch wieder
wollte wegen der Agrarpreis-Verhandlungen resp. dem Stützungs-
abbau im Fernsehen mit ihm diskutieren. Er hat ihn selbstverständlich
an Haiden verwiesen. Bezüglich der Kernkraftwerksdiskussion steht
Kreisky nach wie vor auf dem Standpunkt, dass sie nur zwischen ihm,
Benya und mir und entsprechenden ÖVP-Vorschlägen erfolgen könne.
Er ist nicht bereit, diese Diskussion als Parteiobmännerdiskussion
abzuführen. Darüber kann man zu einem späteren Zeitpunkt ohne weiteres
diskutieren, wo man auch alle anderen Themen berücksichtigen könne,
jetzt aber in der Atomfrage kann es nur auf diesem level eine ent-
sprechende TV-Diskussion geben. Im Ministerrat wurde dann die
Reaktorsicherheitskommission von Kreisky vorgeschlagen und ein-
stimmig gewählt. Bezüglich des Vorsitzes gab es eine Differenz
bereits in der Vorbesprechung. Kreisky, Androsch, Leodolter, aber auch
ich waren der Meinung, man sollte Prof. Paschke zum Vorsitzenden
machen. Dieser wurde von der Technischen Universität Wien nominiert
und gilt als der Vertrauensmann Taus', den er auch in ein zukünftiges
Kabinett als Fachminister nehmen möchte. Da sich Paschke bereits
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für die Kernkraft positiv ausgesprochen hat, wäre dies
vielleicht ein ganz guter Gag gewesen. Firnberg hat dagegen
heftigst protestiert und den ÖVP-Professor Pöckinger auf
Vorschlag der Akademie der Wissenschaften delegiert. Da sie
beide kennt, ich aber keinen, glaube ich, muss man ihr wirklich
die Entscheidung überlassen, vielleicht hat sie recht, wenn
sie meint, man würde Paschke viel zu sehr aufbauen. Die konsti-
tuierende Sitzung wird noch vor dem 5. November stattfinden.
Bei der Klubtagung hat Kery als Hausherr referiert, in Neusiedl
haben wir keinen Vize- oder Bürgermeister, weshalb Kery
als Landeshauptmann die Begrüssung sprach. Er unterstrich, dass
die Solidarität, die Parteidisziplin, die Entscheidungsfreude und
Klarheit die Partei gross machen. Schlechte Wahlausgänge lassen
sich korrigieren. 1964 haben sie 1.500 Stimmen mehr als die
ÖVP, 1966 10.000 Stimmen weniger, 1968 wieder um 6.004 Stimmen
mehr. Der Atomlagervorwurf gegen ihn hat ihnen bei den Wahlen
keine Stimmen gekostet. Kreisky hat in seinem Referat einmal
mehr die Wirtschaftskrise und seine pessimistische Auffassung
dargelegt. Er bestritt allerdings, dass die Industriebeschäftigung
zurückgeht, wie Taus behauptet. 1970 waren es 611.000, jetzt sind
es 621.000. in Deutschland allerdings sieht es anders aus,
8,3 Mio gegen 6,9 Mill., in der Schweiz 880.000 gegen 681.000,
dort sei überall ein Rückgang festzustellen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte die Industriezahlen-Entwicklung
im Detail vorlegen.
Die Meinungsumfragen seien derzeit positiv, seiner Meinung nach
zu positiv. die im Kurier aufgezeigte Meinungsumfrage, aber
auch eine interne, wie Kreisky sich ausdrückte, zeigt, dass
wir doch wesentlich besser stehen, als man allgemein annimmt.
die Unzufriedenheit aber wird immer grösser, er bezeichnet dies
als eine Malaise. Er kam dann auf die ORF-Situation und insbesondere
auf die Volksabstimmung, welche er als die wichtigste unmittelbare
Aufgabe bezeichnete, zu spreche. Die letzten zur Verfügung
stehenden Informationen und Umfragen ergeben für die Freiheitlichen
44 pro, 41 kontra. Kommunisten 47 pro 47 kontra. VP 35 pro 48
kontra, Sozialisten 74 pro 15 kontra. Diese Meinungsumfrage dürfte
aber nach seiner Auskunft dem jetzigen Stand nicht mehr entsprechen.
Eine Beteiligung über 50 % wird sehr schwer zu erreichen sein.
Auch in der Schweiz sind die ca. 40 Volksabstimmungen nur mit
3–4 über 50 % Beteiligung gewesen, die Ausländerbeschäftigung
mit 70 %, die Fristenlösung, Steuer knapp über 50. In Zukunft gilt
es die Vollbeschäftigung zu halten und dies wird sehr schwer
sein, weil der deutsche Boom bei uns nicht durchgreifend wirken
wird. Das Wirtschaftsprogramm müsste aktualisiert werden
und der Umweltschutz nicht durch einen Kampf gegen die Grünen
Listen, sondern durch bessere Vorschläge der SPÖ unterlaufen
werden. Die österr. Landschaft muss erhalten bleiben, soll der
Slogan sein. Die Bevölkerung müsste man mit Taus-Götz-Koalition
konfrontieren, die ja in Hinkunft zu erwarten ist, wenn wir
nicht die absolute Mehrheit bekommen. In der Diskussion meldeten
sich die verschiedensten Leute. Gut angekommen ist aber eigentlich
nur der Abg. Maier aus Salzburg, er hat diesmal so geredet, wie
ihm der Schnabel gewachsen ist und hat das wiedergegeben, was
die Vertrauenspersonen ihn in seinem Bezirk Pongau beauftragt
hatten zu sagen: mehr Parteidisziplin, mehr Solidarität und
einheitliches Auftreten der Partei in der Frage des Kernkraft-
werkes. Abg. Wille wieder beschwerte sich, dass man von den
Arbeitern ständig Verständnis für die Wirtschaftssituation
verlangt, während die Manager sich alles regeln, dies galt
ganz besonderes in der verstaatlichten Industrie. Kreisky ging
auf diese beiden Debattenredner besonders ein und ersuchte,
man sollte ihn immer entsprechend informieren, dass er diese
Tendenz, insbesondere die Verstaatlichten-Manager es sich unter
mehr oder minder seiner Kompetenz ständig regeln, bekämpfen zu
können. Interessant war dann für mich auch noch eine
Schlussbemerkung. Abg. Hatzl, ehemaliger Obmann der SJ, hat
versucht, die Stellungnahme der Jungen doch einigermassen
zu entschuldigen, obwohl auch er natürlich für die Partei-
disziplin plädierte. Kreisky erwiderte zu recht, dass die
Jugendvertreter ständig alle Massnahmen der soz. Regierung
kritisiert haben und als einziges dann halt immer zum Schluss
sagen, man soll trotzdem sozialistisch wählen. Ob man mit dieser
Politik bei den Jugendlichen überhaupt ankommt, bezweifelt er.
Die Bezirkskonferenz in Floridsdorf war so gut besucht wie noch
nie. Ich gebe mich allerdings keiner Illusion hin, dass dies
wegen meines Referates der Fall gewesen wäre. Die Bezirkskonferenz
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konnte eine halbe Stunde später erst beginnen, weil beim
Einlass eine ungeheuer genaue Kontrolle und Stimmzettel-
abgabe erfolgte. Der Bezirk musste nämlich seinen Bezirks-
vorsteher-Stellvertreter wählen. Das Präsidium, aber auch
der Vorstand, ja nicht einmal die Sektionsleiter hatten eine
Empfehlung geben können. Die Entscheidung zwischen den beiden
Kandidaten musste also durch die Bezirkskonferenz erfolgen.
Das Ergebnis war ein gesteckt voller Saal, ein aufmerksames
Publikum, ein nur einziger Diskussionsbeitrag, den dann auch
schnell Stadtrat Nittel mit einem politischen Beitrag unterstütze.
Alles war nur interessiert an dem Wahlergebnis. Nittel meinte
mir gegenüber, er ist nicht mehr im Präsidium vom 21. Bezirk,
dass man niemals eine vollkommen offene Entscheidung einem
Gremium übertragen darf. Das Präsidium oder der Vorstand hätte
sich für einen Kandidaten entscheiden müssen. Nittel plädiert,
wie er mir ausdrücklich sagte, stets für eine starke Führung
innerhalb der Partei. Dies gilt von der Sektion bis zur
Parteiführungsspitze. Im Prinzip hat er sicherlich recht.
Im konkreten Fall getraue ich mir allerdings kein Urteil
abzugeben.
Tagesprogramm, 23.10.1978
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
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