Donnerstag, 14. Dezember 1978
Beim Kapital Handel in der Budgetverhandlung im Nationalrat
den ganzen Tag auf der Regierungsbank sitzen ist auch ein
wenig ermüdend. Da Handel gleichzeitig mit Finanzen behandelt
und letzten Endes auch abgestimmt wird, ergab sich so wie im
vergangenen Jahr diese lange Zeitdauer der Verhandlungen.
Angefangen hat Sallinger als Hauptsprecher der ÖVP und hat sich
selbstverständlich auch mit dem Handelsministerium beschäftigt.
Die Angriffe richten sich aber – und das ist der Vorteil – bei
der Verquickung mit Finanzen stets in der Hauptsache gegen den
Finanzminister. So war es dann auch bei allen anderen Rednern.
Interessant war es für mich dann nur, dass der Abg. Stix von den
Freiheitlichen für das Wort Fremdenverkehr die Bezeichnung Gast-
wirtschaft setzen möchte. Er verpflichtete sich in Hinkunft wird
er einen Schilling mir bezahlen, so oft er noch das Wort Fremden-
verkehr verwendet. Während seines ganzen Beitrages ist ihm dies
kein einziges Mal passiert. Richtig ist, dass ich selbst auch vor
Jahren schon gegen das Wort Fremdenverkehr polemisiert habe. In
der Österreichischen Fremdenverkehrswerbung hatten wir sogar
eine Studie ausgearbeitet und durch Umfragen feststellen wollen,
welches bessere Wort ankommt. Wahrscheinlich gibt es gar kein
anderes als das englische Tourismus, obwohl gerade Fremdwörter,
wie ich immer sage, nicht das Ideal für einen deutschen Aus-
druck sind. Dabei mache ich immer noch den Gag, dass bei Fremd-
wörtern sowieso ein Glück ist, ob ich das richtige finde. Von
der Aussprache möchte ich erst gar nicht reden. Das Wort Gast-
wirtschaft würde sich sicherlich einbürgern, wenn es von allen
Stellen systematisch verwendet wird. Ich fürchte aber, dass dies
nicht der Fall sein wird. Bei dem viel jüngeren Begriff Fremd-
arbeiter, der für die Jugoslawen, Türken und Griechen vor nicht all-
zu langer Zeit geprägt wurde, als wir diese Arbeiter nach Öster-
reich eingeladen hatten, wurde sehr bald der Begriff Gastarbeiter
verwendet. Dieser ist jetzt so selbstverständlich – ich glaube, wir
sollten auf alle Fälle in der Österreichischen Fremdenverkehrs-
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werbung neuerdings das Problem aufnehmen und nach einen besseren
Begriff zumindestens suchen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte veranlasse das Entsprechende.
Attackiert wurde ich eigentlich bei den vielen Diskussionsrednern
nur von Abg. Zittmayr. Dieser hat seit eh und je als Agrarvertreter
immer kritische Bemerkungen zum Handelskapitel gemacht. Diesmal
aber glaubte er, mir die alten Vorwürfe ganz besonders hart
präsentieren zu müssen. Der erste und formell richtige war, dass
ich mich viel zu wenig in Brüssel umsehe. Nach Auffassung der
Landwirtschaft hätte ich seit dem Abschluss des EG-Vertrages wahr-
scheinlich zumindestens einige Male pro Jahr in Brüssel auftau-
chen sollen. Dass ich dort überhaupt nichts erreicht hätte, steht
auf einem anderen Blatt. Formell bin ich aber in einen wirklichen
Dilemma. Ich glaube daher, dass ich auf alle Fälle im nächsten Jahr
nach Brüssel fahren muss. Die diesbezüglichen Vorbereitungen sollte
der Botschafter Seyffertitz, den ich bei der EFTA-Tagung in Genf
schon beauftragt hatte, finden.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte mit Meisl bei der nächsten Sektions-
leitersitzung besprechen.
Unverständlich für mich war, dass er auch das Ölsaatenprojekt im
offenen Haus zur Sprache brachte. Im Ausschuss hatte er die ent-
sprechende Information verlangt, die ich ihm freimütigst gegeben
habe. Ich habe sogar dann, veranlasst durch seine Anfrage, den ge-
nauen Wortlaut der Briefe und die ganze Aktenlage schriftlich
zur Verfügung gestellt. Zittmayr war also daher sehr genau in-
formiert und hätte, wenn ihm an dem Ölsaatenprojekt wirklich so
viel gelegen ist, alles unternehmen müssen, damit in der Öffent-
lichkeit gegen die Amerikaner insbesondere keinerlei Detail-
informationen hinausgehen. Ich habe mich daher bei der Beantwortung
dieser Angriffe, dass ich schlecht verhandelt habe, zu spät be-
gonnen habe und gar nicht entsprechend mich einschaltete, nur
hindeutend geantwortet, dass wir eigentlich vereinbart haben, im
Hohen Haus darüber nicht zu sprechen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte vereinbare eine Sitzung mit den im
Handelsministerium betroffenen Beamten bei mir.
Zittmayr hat dann auch ganz besonders die GATT-Verhandlungen
kritisiert. Seiner Meinung nach müsste das Käsemindestpreis-
abkommen schon wieder ergänzt werden, weil neue Käsepreise in
Österreich im Juli in Kraft gesetzt wurden und jetzt im Jänner
ebenfalls wieder Preiserhöhungen zu erwarten sind. In diesem
Punkt hat er recht, wir müssen hier diese Mindestpreisver-
ordnung stets sofort ergänzen. Ich bin zwar überzeugt, dass dies
nicht so einfach gehen wird, als es sich Zittmayr vorstellt,
doch glaube ich, dass wir hier wirklich von unseren Beamten eine
schnellere Reaktion verlangen müssen. Die weitere Forderung von
ihm, dass wir nämlich bei GATT die entsprechenden schnellen Kündi-
gungen und Sicherungen der österreichischen Verarbeitungsindustrie
eben durch diese GATT-Kündigungen durchsetzen müssten, ist na-
türlich eine reine Propagandasache. Ich erwiderte ihm sofort, da
müsste die Landwirtschaft die entsprechenden Gegenpositionen mit-
teilen, die anstelle der gekündigten GATT-Positionen zu setzen
wären. Die Landwirtschaft war bis jetzt nicht imstande mir diesbe-
zügliche Vorschläge zu machen. Der Hinweis Zittmayr's, dass wir
eine Neutralitätspolitik-begründende Anträge stellen sollen, zeigt
mir, dass er von Wohlmeyer der Gmünder Kartoffelindustrie in-
formiert wird. Dieser hat nach wie vor die Meinung, er müsste als
Retter der Landwirtschaft, insbesondere gegen das Handelsministerium,
wie Don Quichotte kämpfen. Wohlmeyer beginnt also jetzt die Politi-
ker zu mobilisieren. Darauf muss ich mich einstellen.
Die für mich lustigste Beantwortung war die Frage des Bundes-
parteiobmanns Taus, was denn eigentlich die Branchenkommission
macht. Taus war einmal zu einer Sitzung der Industriekommission
zu Kreisky geladen und bezeichnete diese als einen netten Kaffee-
plausch. Ganz unrecht hat er insoferne nicht, als Kreisky, der ja
mit der Industriekommission nicht das Richtige anzufangen weiss.
Er hatte seinerzeit, als er den Austro-Porsche gefordert hat, gehofft
mit dieser Industriekommission eine breite Basis für dieses Projekt
zu bekommen. Als das Projekt danebengegangen ist, ist natürlich
auch die Industriekommission entsprechend angeschlagen von ihm
dann wieder vergessen worden. Taus hat gehofft, er kann dies auch
auf die Branchenkommission des Handelsministeriums ausdehnen. Hier
konnte ich ihm aber antworten, dass die Branchenreferate von der
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Wirtschaft selbst gefordert wurden und der Fachverband der In-
dustrie – Mussil korrigierte mich sofort – so etwas gibt es nicht,
also die Fachverbände der Industrie mit den Vertretern der Indu-
striesektion der Bundeshandelskammer sich stets lobend über unsere
Aktivitäten äussern. Sogar ein Bericht des Wirtschafts- und Sozial-
beirates, der ja diese Forderung 1970 erhoben hat, hat jetzt in
einer Studie bestätigt, dass wir nicht nur dieser Forderung
Rechnung getragen haben, sondern sich die Branchenreferate positiv
auswirken. Ich konnte dann darauf hinweisen, dass sowohl für
den Aussenhandel als auch für die Studienuntersuchungen als ganz
besonders für die Industrieförderung Papier, auch Öffentliche Aus-
schreibung, Ö-Norm A 2050, die für die Industrie und im Interesse
der Industrie geändert wurde, und die Studien für Email und Besteck
und dann ganz besonders die Kontakte, Investorenberatung und letzten
Endes dann eine Reihe von Betrieben, die sich in Österreich an-
siedelten, sehr anschaulich beweisen, wie positiv sich diese Re-
organisation im Handelsministerium ausgewirkt hatte. Da ich mit
meiner Gewohnheit sehr schnell – manche sagen ja, das Maschinengewehr
des Nationalrates – antwortete, hat unser Klubobmann Fischer da-
zwischengerufen, bitte langsamer, auf die Stenographen Rücksicht
nehmen. Genau diese schnellen, harten und doch sehr verbindlich
mit lächelndem Gesicht vorgebrachten Attacken verfehlen nie die
Wirkung. Die ÖVP nimmt sicherlich mit Unbehagen, insbesondere von
manchen Abgeordneten meine Antworten zur Kenntnis, die ÖVP randa-
liert eigentlich bei mir niemals, macht nur viele Zwischenrufe,
die ich wieder brauche, um sofort dagegen zu polemisieren, und
die sozialistische Seite unterhält sich köstlich und spendet mir
auch immer entsprechenden Applaus. Dass ich nur immer furchtbar
aufpassen muss, ist, dass ich mich in meinen Angriffen nicht so
sehr persönlich mit einzelnen Abgeordneten verscherze. Dies habe
ich in der Vergangenheit nicht getan und will es auch in Zukunft
nicht tun. Das typischste Beispiel dafür ist für mich General-
sekretär Mussil. Dieser polemisiert stets gegen mich, manchmal
auch sogar sehr hart und dennoch haben wir uns niemals persönlich
irgendwie beleidigt. Manchmal gebe ich zu, bewegt sich dies aber
schon an der Grenze. Ich muss immer versuchen, ihn ja nicht lächer-
lich zu machen. Er hat jetzt sowieso in unserer Fraktion schon
den Ruf, dass er eigentlich – wie Rösch dies sogar einmal ausdrückte –
ein Parlamentskasperl wird. Dies verdankt er seinen ständigen Zwi-
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schenrufen, die manchmal ganz gut sind, aber manchmal wirk-
lich sehr unpassend. Ich habe auf Grund meiner jahrzehntelangen
Erfahrung im Parlament die Überzeugung gewonnen, dass eine
lockere Art sehr gut ankommt, dass sie auch bei den Gegner
nicht allzu hart beurteilt wird, dass man aber dabei furchtbar
aufpassen muss, um ja nicht persönlich beleidigend zu wirken.
Weder Arroganz noch Beleidigung sind für das Parlament die richtige
Art des Polemisierens.
Tagesprogramm, 14.12.1978