Donnerstag, 26. April 1979
Bei der Kranzniederlegung der Bundesregierung im Burgtor, war
doch das Gardebataillon angetreten, da scheinbar der Bundespräsident
vorher auch einen Kranz niederlegte. Die Zuschauer werden immer
weniger, früher gab es noch vereinzelt Applaus, jetzt sind es wirk-
lich nur mehr ein paar Neugierige. Der Gedenktag, wo die Unab-
hängigkeitsproklamation von der Regierung Renner, eben am 26.4.45
gefeiert wird, ist auch kaum bekannt. Im Westen Österreichs wird
er überhaupt nicht beachtet. Ein junges Regierungsmitglied meinte
sogar – und fragte mich ganz verstohlen – ob es sich hier um die
Feier um Dolfuss handelt. Interessant wie wenig Geschichtsbe-
wusstsein die Österreicher eigentlich haben.
Beim Betriebsbesuch im Pauker-Werk hatte ich doch verhältnis-
mässig viel Zeit und konnte doch mit den Arbeitern reden und
nicht nur händeschüttelnd durch die Hallen rennen. Einige hatten
sich sogar einen guten Gag einfallen lassen. Auf der Rohrbiege-
maschine hatten sie gerade als ich dort auftauchte, die Rohr-
seite mit "wir grüssen Happy Pepi" auf einen riesigen Kessel
sicherlich an die 100 Tonnen, wurde in grosser weisser Schrift
draufgeschrieben, wir grüssen unseren Kollegen Staribacher. Das
letztere war sicher angeordnet, das erstere kam garantiert initiativ.
Überall konnte ich SPÖ-Pickerln auf den Maschinen sehen und die
Arbeiter sind dort wirklich zum allergrössten Teil Sozialisten.
Die letzten Betriebsratswahlen haben auch für die sozialistische
Liste einen vollen Erfolg gebracht. Alle Mandate für die Sozi.
ÖAAB oder christliche Gewerkschafter wurden weit abgeschlagen.
Was mich aber am meisten überraschte war, dass nach meinem Durch-
gang die ganzen Arbeiter im Speisesaal zusammengerufen wurden,
wo zuerst GD Kirchner einen Dank für die Unterstützung aussprach
und dann insbesondere der Betriebsratsobmann Schwarz die Situation
schilderte und meinte im Herbst würde ein grosses Loch in den
Pauker-Werken wegen der Nichtausschreibung des Öl-Gas-Kraftwerkes
in Zwentendorf kommen. Natürlich bin ich dann in meinem Referat,
denn ich konnte 1/2 Stunde fast sprechen, auf alle Details bezüg-
lich der zukünftigen Energiepolitik eingegangen. Da ich mit ruhi-
gem Gewissen den Arbeitern sagen konnte, es werden jetzt mehr
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Kohlekraftwerke gebaut und für diese hat das Pauker-Werk viel
mehr Arbeit, da die Kohlenkessel grösser sind als die Gas-
Öl-Kessel, habe ich ihnen indirekt auch mehr Arbeit versprochen.
Ich habe allerdings sofort gesagt, es liegt dann an der Direktion,
ob sie tatsächlich den Zuschlag für die zu erwartenden Kohle-
kraftwerke bekommen. Da ich – wie könnte ich anders auch – meine
Rede humorvoll mit meinen alten Schmähs ausgestattet habe, gab
es viel Beifall und eine verhältnismässig humorvolle Stimmung.
Einmal nur, als ich über die Energiesituation berichtete, wobei
ich herausstrich, dass Zwentendorf jetzt für die Regierung er-
ledigt ist, verwies ich trotzdem auf die Schwierigkeit die wir
auch jetzt mit den Umweltschützern und vor allem aber mit den Roman-
tikern in der Energiepolitik haben. Diese stellen sich nach wie vor
auf den Standpunkt, wir verbrauchen zu viel und man sollte ganz
einfach halt die Energie nicht zur Verfügung stellen. Bei dieser
Gelegenheit fiel von mir der Ausdruck "Hirnederln", was GD Grünwald
dann im Auto veranlasst, mir mit Recht zu sagen, ich sollte doch
konzilianter mit den Romantikern umgehen, denn diese gibt es auch
in der Partei und vor allem sind sie auch eine nicht zu unter-
schätzende Wählerschichte. Er hat allerdings selbst auch bemerkt,
im Pauker Werk wird es kaum jemand geben, bei Arbeitern gilt noch
immer die reale Situation mehr als die ideale Vorstellungswelt man-
cher Theoretiker.
Nach dieser Zusammenkunft habe ich dann noch mit den Lehrlingen
ein wenig gesprochen. Diese haben dort Jugendvertrauensmänner,
wobei mir interessanterweise mitgeteilt wurde, dass sich viele
jugendliche Lehrlinge nicht an diese Jugendvertrauensmänner zu
wenden getrauen. Ich bin zwar überzeugt, dass die Lehrlingsaus-
bildung im Pauker-Werk sehr gut ist. Von 1.300 sind 200 Lehr-
linge. In einigen Betrieben ist es so, dass die älteren Betriebs-
räte überhaupt keine Lehrlingsvertrauensmänner zulassen wollen,
weil sie auf dem Standpunkt stehen, sie selbst vertreten die Lehr-
linge sowieso am besten. Diese Schwierigkeit gibt es dort nicht.
Dass es aber die Lehrlinge selbst sind, die sich wenig an ihre selbst
gewählten Vertrauensmänner wenden, ist mir neu. Ich hoffe, es
handelt sich dabei eigentlich nur um Einzelfälle.
Mit der Direktion, aber vor allem mit den Betriebsräten und
GD Grünwald, ÖIAG, besprachen wir dann die weitere Beschäfti-
gungssituation der Simmering-Graz-Pauker. Im rollendem Material,
das ja letzten Endes von der Bundesbahn bestellt wird, lauft
es sehr gut. Dort können auch bereits Arbeiten begonnen werden,
bevor eigentlich der Zuschlag erteilt ist. Hier hat die Simmeringer
Halle eigentlich fast eine Monopolstellung. Bei den Pauker-
Werken sieht es halt anders aus. Dort kann gegebenenfalls ein
Kraftwerk auch an Waagner-Biro gehen, wie dies z.B. bei Voitsberg
III geschehen ist. Momentan sind in den Hallen noch ein grosser
Auftrag für Tunesien und einer für die Türkei in Auslieferung.
Bezüglich Türkei ist wirklich die Frage, wer ihm letzten Endes
bezahlen wird. Die Kontrollbank hängt ja bekanntlicherweise in
der Türkei sehr stark drinnen. In Tunesien hat mir bei der Kranz-
niederlegung Aussenminister Pahr erzählt, dass es jetzt wegen der
Airlines grosse Schwierigkeiten mit der AUA und Tunesien-Airlines
gibt. Die Tunesier sollen über das Verhalten der AUA sehr ver-
ärgert sein. Es ist in Tunesien dann immer zu erwarten, dass die
Regierung andere Repressionsmassnahmen setzt. Ich habe Pahr
versprochen, mich sofort um die Sache zu kümmern.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte was ist da los?
Der Präsident der Chase Manhattan, Rockefeller, ist zu irgend
einer Tagung in Österreich und der amerikanische Botschafter hat
ihm einen Lunch gegeben. Es ist schon eine komische Situation,
wenn man unmittelbar vor den Wahlen dann Kreisky mit Taus,
Androsch und ich als weitere Regierungsmitgliedern, mit vielen ÖVP-
lern, u.a. auch Sallinger, bei dem amerikanischen Botschafter
zusammentreffen. Mit Sallinger treffe ich mich ja alle Woche
und ist daher keine besondere kritische Situation. Aber Kreisky
und Taus sind wirklich nicht oft beisammen. Kreisky hat sich zwar
dann entschuldigt – weil er, so wie immer zu spät kam – doch
veranlasst mich dies zur Bemerkung, er hätte Androsch und mich ja
nur einmal überrascht, als er pünktlich gekommen ist und dann ge-
brummt hat, weil wir um 5 Minuten zu spät kamen. Ein demokra-
tischer Senator ist zwischen Sallinger und mir gesessen und hat
sich über die österreichische Situation, insbesondere Aussenhandel
usw. erkundigt. Für mich war dieses Treffen vollkommen uninteressant.
Da ich aber alle Einladungen fast von den Botschaften ablehne,
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suche ich immer nach einzelnen Möglichkeiten, wenn es eine
günstige Gelegenheit gibt, dieses Prinzip zu durchbrechen.
Damit kann ich dokumentieren, dass ich nichts gegen die Ameri-
kaner habe, aber andererseits nicht den ständigen Einladungen
folgen kann und will. Sallinger hat mir bei dieser Gelegenheit
mitgeteilt, dass er über den Kurier-Artikel wegen des jungen
Breschnew empört war. Er hat diesbezüglich – und das glaube
ich ihm ohne weiteres – mit Igler, den er ja für den Kurier
verantwortlich betrachtet, einen riesen Krach gehabt.
Die Wiener haben jetzt eine Reihe von Veranstaltungen, auch mit
Regierungsmitgliedern in den Bezirken vorgesehen. Im Grunde ge-
nommen ist es nichts anderes, wie meine Passagendiskussionen
auf der Landstrasse. Da das Wetter ganz schön war und die Sektionen
dort ihre Mitglieder hinsendeten, war es möglich, dass nicht nur
die vorübergehenden Passanten angesprochen wurden. Manche blieben
dann auch noch zusätzlich stehen, viele wollten anschliessend ein
Autogramm haben. Zum Glück gab es genug Postkarten mit meinem Konter-
fei. Sonstiges Werbematerial wird dort in Mengen verteilt. Für
mich ist dies ein klarer Beweis, dass die ansonsten von den Sek-
tionen zu verteilenden Werbemittel nicht tatsächlich an die Haus-
halte verteilt wurde. Bei dieser Gelegenheit versucht nun jede
Sektion oder jeder Einsatzbus soviel als möglich Material wegzu-
bringen. Die Kinder sammeln – wie bei allen Gelegenheiten – und
bei den älteren Leuten muss das einen furchtbaren Eindruck er-
wecken, wenn nicht dort nur die Konterfei der Politiker aufliegen
und en masse verteilt werden, sondern auch sonstige Broschüren
und Werbematerial sozusagen en bloc jeden in die Hand gedrückt
wird. Dass dies niemand liest, ist für mich eigentlich ziemlich
klar.
Tagesprogramm, 26.4.1979