Dienstag, 8. Mai 1979
Im Ministerrat wurde dann doch vereinbart, dass die Regierung
sofort zurücktritt und Kreisky Kirchschläger dies morgen mitteilt.
Dieser wird dann die Regierung mit der Fortführung der Geschäfte
betrauen. Kreisky hat erklärt, jetzt macht er das schon Dutzend
Mal, seit er Staatssekretär, dann Aussenminister und jetzt Bundes-
kanzler ist und noch immer weiss er nicht genau, wie diese Zere-
monie funktioniert. Wichtig glaube ich, war nur, dass eben die
Regierung sofort demissioniert, weil ansonsten man gleich gesagt
hätte, da zeigt sich der Machtmissbrauch, jetzt wollen sie die
demokratische Spielregeln, dass nach jeder Neuwahl die alte
Regierung demissioniert, gar nicht mehr einhalten. Obwohl es ohne
weiteres möglich sein kann, dass lt. Verfassung theoretisch bis
zum Zusammentritt des Nationalrates die alte Regierung überhaupt
im Amt bleiben könnte.
Im Ministerrat selbst hat dann eine längere Diskussion stattge-
funden wegen der Zinszuschussaktion der Regierung. Androsch bean-
standete, dass zwei Anträge einer seit Mai vorigen Jahres, der
andere seit September erst jetzt zur Entscheidung kommt. Ganz
besonders aber wendete er sich dagegen, dass für eine Fleisch-
fabrik Buschek die Genossenschaftliche Zentralbank 9,62 % verlangt,
der Beschluss wurde gefasst, den Fall zurückzustellen, da alle
zukünftigen Anträge nur mehr genehmigt werden, wenn der Zins-
satz der Kreditinstitute, die es finanzieren, nicht mehr als
8,5 % ausmachen. Dass es auch unter diesem Prozentsatz geht,
wann die genehmigten ÖFA die Fa. Schilcher je 8 % und Stölzle
sogar mit 7,5 %. Kreisky hatte noch die Bemerkung zur Fa.
Buschek gemacht, dass dort keine gewerkschaftliche Organisation
existiert, gerade jetzt haben aber die Sozialpartner beschlossen,
weiter aktiv zu bleiben und in der Regierungserklärung wird er,
Kreisky, besonders wieder die Sozialpartnerschaft anerkennen.
Wenn dies aber der Fall ist, dann müssen die Sozialpartner
auch in dem Fall natürlich die Handelskammer dafür sorgen, dass
der andere nicht aus welch Gründen immer in Betrieben gar nicht
anerkannt wird. Da diese Äusserung nicht in der Regierungsvor-
besprechung erfolgt sondern in der Ministerratssitzung, wird
sie sofort in das Protokoll aufgenommen, welches zwar nicht
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publiziert, aber jetzt in der Urschrift zumindestens dem
Bundespräsidenten zugesendet wird. Falls wir im Handelsministerium
einmal Schwierigkeiten wegen Nichtverleihung des Dekretes
zur Führung des Staatswappens wegen Verhinderung der Gewerk-
schaftsorganisation in diesem Betrieb haben sollten, kann ich
mich theoretisch auf diese Regierungsäusserung berufen. Natür-
lich werde ich dies nur im äussersten Notfall tun.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Lass bitte ausnahmsweise von dieser Mini-
sterratssitzung das Wortprotokoll Dir geben.
Die Fa. Sugana wurde vom Staatssekretär Nussbaumer abgelehnt.
Die Begründung war, dass Sugana eine Investitionssumme von
20 Mio. S eingereicht hat, 5 Mio. davon waren ungefähr Eigenleistung,
sodass nur mehr 14,4 Mio. verblieben. Davon hat 10 Mio die nö.
Landesregierung bei einem Zinssatz von 9 % mit 2,52 % Zinsenzuschuss
abgestützt. Natürlich ist dies gegenüber dem Regierungskredit
Zinsenkonditionen um fast 1/2 % schlechter, doch kommt ein
zweifacher Zinsenzuschuss nicht in Frage. Ausserdem ist der
Prozentsatz von 9 % zu hoch und entspricht nicht mehr unserem
Grundsatzbeschluss nicht mehr als 8,5 % zu akzeptieren. Weil
die Regierung eben auf Einspruch der Gewerkschaft – diese wollte
unbedingt, dass dieses Projekt mitfinanziert wird, solange dauerte
bis die tatsächlichen Verhältnisse einwandfrei festgestellt wurden,
ist es zu einer so späten Vorlage aber dann zur Ablehnung, wie
wir letzten Endes beschlossen haben, gekommen. Das zweite Projekt
für Spar, eine Lagerhalle zu finanzieren, wurde auch abgelehnt.
Kreisky war sich vollkommen klar, dass damit ein Präjudiz ge-
schaffen wurde, dass der Handel kaum Chancen hat, in Hinkunft
berücksichtigt zu werden. Das gilt auch für ein Projekt, das
die Konsumgenossenschaft einreichen wird.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Ich möchte über diese beiden Projekte
mit Goldmann sprechen.
Nach der Ministerratssitzung wurde ich beim hinausgehen von
Journalisten neuerdings gefragt, ob ich die Absicht habe oder
dem Bundeskanzler erklärt habe, in der neuen Regierung nicht
mehr vertreten zu sein und ob ich dafür bin, dass Regierungs-
mitglieder ihr Nationalratsmandat zurücklegen sollen. Das
letztere habe ich im Prinzip bestätigt, zum ersteren sagte ich,
dass ich mich keineswegs amtsmüde fühle, obwohl Peter Rabl
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im Leitartikel des Kurier eine solche Bemerkung wieder einmal
gemacht hat. Die Zeitung Kurier macht bei mir auch Wechselbad-
Angriffe: Auf der einen Seite schreibt mir der Herausgeber
liebenswürdige Briefe, schickt mir von Angerer eine wirklich
sehr nette Karikatur, auf der anderen Seite stellt er auf
Grund irgendwelcher Informationen meine Tätigkeit als zu-
künftiger Minister in Frage. Wie ich erfahren habe, wird auch
Arbeiterkammer-Kreisen erklärt, dass nicht zuletzt wegen der
falschen Energiepolitik, die ich betreibe, ein Wechsel wünschens-
wert wäre. Da ich nicht beabsichtigte, von welcher Seite immer
die Angriffe kommen, die – wie ich glaube – richtige Energie-
politik zu ändern, kann es tatsächlich zu Schwierigkeiten
kommen. Aufpassen muss ich nur, dass nicht ein bedeutender
Fehler geschieht, denn schon einmal war bei der Ölkrise
1974 die Situation äusserst kritisch. Recht behalten, nützt
nämlich in der Politik nichts. Wenn Auswirkungen dann zur
Verärgerung der Konsumenten führen und dann selbstverständlich
trotz des Rechtshabens im Prinzip man natürlich dafür verant-
wortlich gemacht wird. Falls die Versorgung wirklich gefährdet
ist, fragt keiner, ob man richtig oder falsch entschieden hat,
sondern macht einem dafür verantwortlich.
Direktor Uthe von der grossen deutschen Bekleidungsfirma
Bleyle hat einen Betrieb im Pinggau mit 82 Beschäftigten er-
richtet. Sie werden bis 1981 150 Beschäftigte dort in der
Steiermark brauchen und auch bekommen. Die Firma wird nun
ihre Zentralverwaltung für diese Sparte nach Österreich ver-
legen. Dadurch werden ca. 200 Angestellte und teils auch Trans-
portarbeiter benötigt. Dir. Uthe, der österr. Repräsentant,
hat das plein pouvoir bekommen, sich irgendwo in Österreich,
sei es in eine alte Fabrik resp. Verwaltungsgebäude, einzu-
mieten, zu kaufen, mit einem Wort die günstigste Lösung selbst
zu suchen. Uthe hat daher sich an das Handelsministerium gewendet,
damit dies ihn entsprechend unterstützt. Sekt.Chef Wanke und
Krehlik haben ihm, wie wir vereinbarten, alle Unterlagen und
Informationen zu liefern, sobald er seine Wünsche mehr detailliert
nach Arbeitskräften, Infrastruktur und Kreditbedingungen vorgelegt
hat.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Lass Dich bitte auf dem Laufenden halten.
Ing. Gehmeier von der Verbundgesellschaft hat Satzinger und
mich über das Netzproblem informiert. Für mich war dies neu
und ich wundere mich nur, wieso ich nicht schon früher über
diese Probleme entsprechende Informationen bekommen habe.
Bis jetzt hat man mir immer nur gesagt, dass die Errichtung
von Kraftwerken, also die Erzeugung von Strom die schwierigste
und wichtigste Aufgabe sei. Dies trifft aber nur zum Teil zu.
Gerade unsere Netzpolitik der Vergangenheit hat uns jetzt ein
sehr schlechtes Erbe gebracht. Ab dem grossen Umspannwerk in
Westtirol, welches ich übrigens zum Teil voriges Jahr eröffnet
habe, hat das deutsche RWE dort das grosse Sagen. Die Leitungen
sind im Eigentum des RWE, werden von dessen Hauptlastverteiler
betrieben, d.h. auf Fach-Chinesisch die Zählung erfolgt von dort
und auch die Einschaltung von den Illwerken und Kaunertal geht
ausschliesslich nach den deutschen Bedürfnissen. Früher waren dort
nur Richtungsbetriebe von den österr. Kraftwerken nach dem
Ruhrgebiet. Jetzt ist es doch der Verbund gelungen, einen sogenannten
Ringbetrieb herzustellen. Der eine Ring über St. Peter in OÖ,
Haiming in Westtirol, der zweite über Haiming in Westtirol,
Arlberg, Bürs, Vorarlberg, der dritte über den SÜDEL-Ring, wodurch
theoretisch Österreich in eine bessere Verteilersituation gekommen
ist. Da aber über diese Ringe sogenannte Delta-B-Leitungen
fliessen können, bis zu 350 MW, die nicht beabsichtigt sind,
kann das RWE gegebenenfalls die Abschaltung dieser Ringleitungen
insbesondere SÜDEL über Italien und Jugoslawien verlangen und
hat dies auch im Vorjahr getan. Dies bedingt, dass Kärnten und
Osttirol dann nur mehr von einer Seite angespeist werden können und
darüber hinaus Stromlieferungen von der Schweiz über Italien
unterbleiben müssen. Jetzt verstand ich erst, warum Erbacher als
Bundeslastverteiler immer so grossen Wert darauf legte, dass
mit RWE ein gutes Verhältnis existiert. Die Deutschen haben es
in Wirklichkeit in der Hand, unsere Stromversorgung gegebenenfalls
zu gefährden, indem sie ihr eigenes, zugegebenermassen überlastetes
Netz in Süddeutschland schonen resp. für sich selbst brauchen.
Die Ringverträge, welche die Verbund mit RWE schliessen musste,
sehen für Deutschland all diese Möglichkeiten vor. Darüber hinaus
wurde mir zum ersten Mal deutlich demonstriert, wie RWE nicht
nur bei den Illwerken seit den Zwanzigerjahren der ersten Republik
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sondern auch jetzt in der Kaunertal-Errichtung mit der TIWAG
günstige Verträge schliessen konnte.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte die Verträge studieren lassen.
Sekt.Chef Frank, den ich anschliessend über diese Aussprache
informierte, meinte, wenn die Verbundgesellschaft einen entspre-
chenden Antrag stellt, kann das Ministerium auf Grund des
Starkstromwege-Gesetzes entsprechende Zwangsverfügungen treffen.
Ich erklärte ihm sofort, dass die Verbundgesellschaft von sich
aus kaum einen solchen Antrag stellen wird, weil damit nach
dem Schiedsgericht über RWE ein weiterer noch grösserer Streit-
fall zwischen den beiden Gesellschaften entstehen würde. Ich
könnte mir eher vorstellen, dass wenn es notwendig sein sollte,
wir von Amts wegen einen diesbezüglichen Bescheid zumindestens
androhen, um die Verhandlungsposition von der Verbund gegenüber RWE
zu verbessern.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte lass dies von Zluwa prüfen.
Die Delegiertenkonferenz der Fraktion soz. Gewerkschafter zum
Beschluss der Kandidaten zur Arbeiterkammer Wien war natürlich
gut besucht und der Eisenbahnerheim-Saal bummvoll. Kreisky
wurde mit frenetischem Beifall empfangen und hielt eine kurze
Begrüssungsansprache, die wie ich dann abends bei uns auch
im Bezirk mitteilte, ein gigantischer Erfolg war. Er versteht
es sehr geschickt, die Integration des ÖGB und der AK in
seine Politik darzustellen. Nach ihm hat Präs. Czettel die
Tätigkeit der Arbeiterkammer und die notwendigen Massnahmen
referiert, der Fraktionsobmann der soz. Gewerkschaftsfraktion
Abg. Sekanina dann noch einen Appell an alle gerichtet. Da
wir über 300 Kandidaten beschlossen haben, ich selbst wurde
von meiner Gewerkschaft auch vorgeschlagen, auf meinen aus-
drücklichen Wunsch aber an vorletzte Stelle gesetzt, und ins-
gesamt 300 zu bestellen waren, ergibt sich schon, dass dort
wirklich alle Gewerkschafter insbesondere auch die mittleren
Funktionäre anwesend waren.
Heinz Kienzl nützte die Gelegenheit, um mit Benya und mir
die weiteren Aktivitäten seiner Energiepolitischen Arbeits-
gruppe zu besprechen. Benya selbst vertrat dieselbe Meinung wie
ich, dass der Verein, den Kienzl geschaffen hatte, um die Bevölkerung
über die Energiesituation nach der Volksabstimmung über
Zwentendorf aufzuklären, weiter bestehen soll, sich aber sehr
moderierend jetzt verhalten müsste. Eine Studie, die mir Kienzl
zeigte, bestätigt auch, dass früher 60 % selbst nach der Volks-
abstimmung für Zwentendorf wieder waren, jetzt aber diese
auf 40 % zurückgegangen sind. Benya meinte mit Recht und ich
teile diese Meinung, dass man äusserst vorsichtig vorgehen
muss. Ich selbst bin der Meinung, dass solange wir nicht die
endgültigen Gutachten wegen er Umrüstung von Zwentendorf haben,
gar nichts in der Öffentlichkeit unternehmen sollten.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Achte bitte darauf, dass du ziemlich
als erster die endgültigen Gutachten wegen der Umrüstung be-
kommst.
Im Präsidium auf der Landstrasse besprachen wir insbesondere
die weitere Vorgangsweise bei der Absiedlung der Rennweger
Kaserne. Wie ich dem Präsidium berichten konnte, hat mir sowohl
Bautenminister Moser als auch Verkehrsminister Lausecker mitge-
teilt, dass ihre Beamten volles Verhandlungspouvoir haben.
Derzeit liegt es ausschliesslich bei der Gemeindeverwaltung
von dort bekommen sie nicht die notwendigen Informationen.
Das Verkehrsministerium muss wissen, wieviel Fläche die Gemeinde
braucht im Prinzip sind sie bereit, die Aspanggründe abzutreten.
Das Bautenministerium muss wissen, in welcher Höhe bei den
Aspanggründen und auch auf der Rennweger Kaserne gebaut werden
soll, damit es die endgültigen Pläne fixieren könnte. Da der
Bürgermeister Gratz unserem Präsidium bei einer Vorsprache ver-
sichert hat, die Gemeinde wird alles unternehmen, um so schnell
als möglich, die Rennweger Kaserne zu schleifen und ein Bezirks-
zentrum zu errichten, wird jetzt nach Recherchen neuerdings eine
Vorsprache bei ihm erfolgen.
Im Ausschuss konnte ich den Genossinnen und Genossen auch von
den befreundeten Organisationen für den Wahleinsatz herzlichst dan-
ken. Leider, für mich aber zum Glück, wurde vorher schon die
endgültige Mandatsverteilung bekannt. Im Ministerrat hat Vormittag
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noch Lanc berichtet, dass von den 270.000 Wahlkartenbesitzern
130.000 auswärts, ausserhalb ihres Wahlkreises gewählt haben.
Davon waren 106.000 ausgezählt und nach Meinung der Fachleute
im Innenministerium keine Mandatsverschiebung zu erwarten.
Überraschend für mich und wahrscheinlich für alle, die den
Bericht von Lanc gehört haben, wurde dann doch ein Mandat
von der SPÖ an die ÖVP übertragen, noch immer ist dies natürlich
ein gigantischer Erfolg, trotzdem konnte ich mit die Bemerkung
nicht verkneifen, dass es womöglich jetzt heisst, SPÖ verliert
Mandat an ÖVP.
Bei meinem politischen und Wirtschaftsbericht kam dann in der
Diskussion die Benzinpreisfrage zu einer ähnlichen kritischen
Bemerkung. Ein Sektionsleiter meinte, ich hätte in den
Zeitungen gesagt 8.50 S würde der Superbenzinpreis betragen.
Wenn dann der Benzinpreis nur 8.30 S sein wird, wird dies als
grosser Erfolg vielleicht hingestellt, obwohl ich bei allen
Benzinpreisauskünften sehr vorsichtig war, hat scheinbar doch
die Mitteilung 8.50 S sei ein Schockpreis, den ich mir auch
nicht vorstellen kann, bei der Bevölkerung den Eindruck erweckt,
aha, aber in dieser Höhe wird er doch annähernd dann bestimmt.
Natürlich konnte ich auf der Landstrasse die Situation
aufklären, wie mir dies aber in ganz Österreich gelingen wird,
weiss ich bis jetzt noch nicht. Trotz meiner Zurückhaltung
ist es notwendig, in Hinkunft noch vorsichtiger sich in
allen Energiefragen zu äussern.
Ein Wirtshaus, Schmitzberger, in der Nottendorfer Gasse, derzeit
Pächter in einem Gemeindehaus, was früher seiner Tante gehört
hat, weiss nicht, ob er abgesiedelt wird resp. was dort geschehen
soll.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte äusserst vorsichtig bei der Gemeinde
und nicht im Bezirk recherchieren, was geschieht, und mir berich-
ten.
Tagesprogramm, 8.5.1979
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 162. Ministerratssitzung, 8.5.1979
48_0534_03hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)