Donnerstag, 6. September 1979
In der ÖMV-Raffinerie hatte Bauer die wichtigsten Generaldirek-
toren der Internationalen Gesellschaften und, wie er sagte, an einem
Schreiben an mich, die Herren eingeladen. Damit meinte er hätte
ich die Möglichkeit gehabt nicht nur die Beamten meines Ressorts
sondern selbstverständlich auch die Interessensvertretungen einzu-
laden. Hätte er nur die Beamten meines Ressorts gemeint, die letzten
Endes dann auch nur gekommen sind, so hätte er nur von Mitarbeitern
geschrieben. Eine blödere Ausrede gibt es sicherlich nicht. Die
ganze Veranstaltung war also daher eigentlich daneben. Beabsichtigt
war über offene Probleme ernsthaft zu diskutieren, dies aber selbst-
verständlich zumindestens mit Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund,
wenn nicht sogar mit allen Interessensvertretungen und gegebenenfalls
den Ressortmitarbeitern. Beabsichtigt war – und wurde dann auch so
durchgeführt – dass alle Internationalen und insbesondere auch
Feichtinger für die ÖMV ihre Meinung, hauptsächlich zur Versorgungs-
lage und natürlich auch dem Preisproblem sagten. Neuere Gesichts-
punkte sind nicht gekommen. Bauer erwähnte einleitend den Antwort-
brief von mir und Kreisky, wonach er herausgelesen hat, die Regierung
weiss es besser und man könnte daher auf Informationen resp. auf Aus-
sprachen verzichten. In Wirklichkeit stellte sich dann heraus,
war dies unser Antwortschreiben auf das Memorandum des Fachverbandes,
wo dieser fast in erpresserischer Weise sagte, die Versorgung
kann nur aufrechterhalten werden, wenn alle Preiswünsche der Öl-
gesellschaften erfüllt werden. Noch weiter ging dann der Generaldirek-
tor von Mobil, Ebeling, der meinte, er hätte die Verhältnisse in Öster-
reich nicht gut gekannt. Vor den Wahlen hätten sie darauf verzich-
tet, die Benzin- und Ölpreiserhöhung einzubringen, in der Annahme
mach dem Wahlen wird alles prompt und voll genehmigt. Ich sagte
ihm, dass sei ein vollkommenes Missverständnis von Äusserungen ge-
wesen, die auch nicht von mir abgegeben wurden. Voll genehmigt wird
nämlich bei einer Preisbehörde, aber auch bei der Paritätischen
Kommission nie etwas. Mieling sprach über die internationale Si-
tuation. Die Nigerianer werden jetzt am l.August um 10% weniger
und am 1. Jänner um 20% weniger erzeugen, die Kuwaiter um 25%, die
Algerier um 20%, alles mit Beginn des nächsten Jahres. Der Iran hat
anstelle von 6,5 Mio. Barrel pro Tag auf 4 Mio. Barrel reduziert.
Dadurch gibt es die Knappheit und damit gibt es die hohen Spot-
preise. Die Spotpreise werden immer mehr. Früher war der Anteil
unbedeutend, jetzt ist er ungefähr 20%, in kürzester Zeit wird er
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auf 40% sein und im nächsten Jahr bald überhaupt 50:50. Dies
behauptete zumindestens Hirnigel, Generaldirektor von BP. Feichtinger
wieder erklärte, nur durch zusätzliche Importe von 800.000 Tonnen
Rohöl im I. Halbjahr 1978 konnten sie die Marktdeckung die bei Benzin
von 66 auf 73%, bei Diesel von 66 auf 90%, bei Heizöl leicht von
90 auf 93% und von Heizöl schwer von 78.5 auf 79% gestiegen ist,
in der Vergangenheit waren es nur 65%, decken. Den Vertretern der
Gesellschaften ist gar nicht aufgefallen, dass diese Prognosen
Jahr für Jahr von ihren Müttern und von ihnen selbst gegeben werden,
dass nach diesen Theorien ständig weniger Öl in der Welt produziert
wird und dass tatsächlich aber letzten Endes dann die ständige Be-
darfssteigerung doch gedeckt wird. Mit anderen Worten, mehr Öl pro-
duziert werden muss. Ich weiss natürlich nicht, wann der Zeitpunkt
kommt wo vielleicht tatsächlich die arabischen Ländern, sei es aus
politischen, sei es aus wirtschaftlichen, sei es vielleicht aber auch
nur aus preistaktischen Gründen eine Produktionseinstellung oder Re-
duzierung vornehmen. Jetzt momentan aber nützen sie stets nur die
Hysterie, natürlich ausgelöst durch eine ganz geringe Menge die ge-
legentlich weniger am Markt kommt um dann riesige Preissteigerungen
zu erreichen. Verdienen tun letzten Endes dann die Araber, aber auch,
wie ich klar und deutlich den Firmen sagte, ihre Bilanzen zeigen es
ja, auch die Internationalen und die ÖMV. Ich erklärte daher rund-
weg, weil letzten Endes all diese Informationen ja nur dazu dienten, um
die Fronten aufzuweichen bei den jetzigen Preisverhandlungen, dass
ich mich dabei überhaupt momentan nicht exponiere, sondern dass es
ihre Aufgabe wäre mit den entsprechenden Interessensvertretungen die
entsprechenden Gespräche zu führen, damit die Preisverhandlungen
lockerer geführt werden können. Dabei wird nach wie vor ihre Bi-
lanzsituation sicherlich eine grosse Rolle spielen.
GD Kaes hat dann über die Möglichkeit resp. Zweckmässigkeit der
Oktanerhöhung bei Normalbenzin referiert. Nach seiner Information
beträgt das ROZ nicht 86, sondern de facto bei uns in Österreich 88.
nur in der Schweiz, wo es 90 bis 92 und in Deutschland, wo es 91 bis
94 im Schnitt also 92 beträgt, liegt diese Oktanzahl höher. In
allen Ländern inkl. Italien 85–88, abgesehen von den Oststaaten liegt
er wesentlich tiefer. Eine Erhöhung sei unzweckmässig, teuer und vom
Standpunkt der Energieeinsparung sogar nachteilig. Meine Argumentation
ohne auf Details einzugehen, weil mich dies auch wirklich gar nicht
interessierte, war warum die Deutschen dann 92% haben und wir halt
nur wahrscheinlich im Schnitt 87. Darüber gab es dann eine Diskussion
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und Kaes wird die notwendigen Unterlagen nachreichen.
Die fruchtloseste Diskussion war dann, als Bauer dann nochmal
den ÖMV-Experten Ruttenstorfer zuzog, der über die Unzweckmässig-
keit von Ethanolbeimischung referierte. Der Benzinpreis müsste um
45 bis 62 Groschen erhöht werden, dem Autofahrer würde es 1,2 bis
1,7 Mia. Schilling kosten. Solange diese Debatte zwischen Goldmann,
Thalhammer und den anderen internationalen Vertretern, die alle
gegen dieses Projekt sind, dauerte, habe ich mir schnell die ÖMV-Neu-
bauten angesehen. Vor allem die neue Ethylenanlage und Bauer hat mir
dann mit grossem Stolz sein neues Elektrizitätswerk, 70 MW für
800 Mio. Schilling gezeigt. In diesem Werk werden alle Ölabfallprodukte
und Gasrückstände verheizt.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Versuche einmal herauszubringen, was die
Wiener dazu sagen.
Bei dieser Gelegenheit habe ich Bauer unter 4 Augen ausgefragt, wie
er nun eigentlich wirklich zu der Ethanolbeimischung steht. Ich
hatte den Eindruck, dass zwar Ruttenstorfer mit seiner Zustimmung
gegen dieses Projekt aus allen Rohren schiesst. Sein unmittelbarer
Vorgesetzter aber, Prof. Pass, bereits Überlegungen anstellt, wie es
tatsächlich in Zukunft sein könnte. Bauer hat mir zugegeben, dass
er unter einem ungeheuren Druck der Lobbies steht. Sowohl die Gemeinde-
vertretungen als auch insbesondere die Landwirtschaft, GD Lunacek,
verlangen von ihm, dass er unbedingt dieser Betriebsgesellschaft
beitreten soll. Er selbst weiss nicht wie er herauskommt, obwohl
er nach wie vor ganz entschieden gegen dieses Projekt ist. Ich habe
ihm nicht beeinflusst, sondern nur festgestellt – und dies tat ich
auch solange die Internationalen noch dabei waren – dass das Handels-
ministerium keine Lobby für dieses Projekt ist. Ich lehne ganz ent-
schieden ab, wenn man uns vielleicht unterstellt, dass wir der
Landwirtschaft oder gar der Gemeinde Wien aus diesem Projekt Vor-
teile zuschanzen wollen, auf Kosten der Konsumenten. Die Frage die
sich für mich nur ergibt ist, dass das Werk jetzt bereits gebaut wird
dass 240 GWh Abwärme hier sind, dass die Bauern nirgends irgendwelche
Anbaumöglichkeiten sehen und die Produkte dann auch garantiert abge-
nommen bekommen und dass letzten Endes zwar das Ganze vielleicht viel
kostet, aber eben dann dem Konsumenten angelastet wird. Dadurch kommt
es zu einer Entlastung des Finanz- und insbesondere Landwirtschafts-
budgets, sodass ich persönlich glaube früher oder später wird man
allein schon zur Wärmenutzung irgend etwas in dieser Richtung tun.
Ruttenstorfer meinte, neuere Überlegungen von ihm hätten klar
und deutlich ergeben, man müsste diese Wärme in Form von Elektrizität
nützen. Ich habe Frank sofort ersucht zu überprüfen, ob dieses
Projekt möglich ist und wie es sich rechnet.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte frage diesbezüglich auch bei den
EBS resp. bei den Elektrizitätswerken in Wien nach.
Da Bauer natürlich auch die Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund
einladen muss, hat er mich gefragt, ob ich etwas dagegen hätte.
Ganz im Gegenteil habe ich ihm sofort vorgeschlagen, er möge nicht
nur diese Institutionen, sondern auch die anderen Interessensver-
tretungen, die bei der Preisbehörde dann letzten Endes mitentscheiden
informieren resp. einladen und dieselbe Tagung noch einmal abspulen.
Herauskommen wird bei den anderen genau so wenig als bei uns.
Interessant war nur, dass es dann eine Diskussion zwischen den
Internationalen und den ÖMV Leuten gab wegen der Dringlichkeit
dieser nächsten Tagung. Die Internationalen wollen am liebsten noch
diese Woche, Bauer kann aber nicht und auch seine anderen Leute
meinten, es wird frühestens Ende September sein.
Im Parteivorstand haben zuerst Marsch und Blecha über die Organisations-
arbeit und insbesondere die zukünftige Herbstkampagne bezüglich
Aufklärung für die sozialistische Schulpolitik, Staatsbürgerver-
sammlungen über die notwendigen Arbeiten und zukünftigen Details
damit die Wirtschaft weiter floriert usw. berichtet. Kreisky selbst
hat dann über die politische Lage referiert, er meinte gleich ent-
schuldigend, er bittet um Verständnis, dass er jetzt zum weiss Gott
wie often Male immer wieder dasselbe sagen muss, da ja viele die Frage
schon einige Male von ihm gehört haben. Dies gilt noch vielmehr
für Präsidiumsmitglieder die gleichzeitig in der Regierung sind. Bei
mir ist dies immer wieder dann auch dupliziert durch meine In-
formationen, die ich von Kreisky in den Fraktionen des Gewerkschafts-
bundes höre. Neu war eigentlich daher wirklich nichts, ausser dass
er jetzt dezidiert erklärt hat, den Vorsitz im Aufsichtsrat der
Verbund Alpine wird Mussil bekommen. Die Volkspartei aber möchte
selbst darüber bestimmen wer Vorsitzender wird. Diese Einflussnahme
wird er aber der ÖVP nicht zugestehen, sondern wenn es auch ein ÖVP-
Posten ist, bestimmt er letzten Endes, welcher ÖVP-ler dort hinkommt.
In der ÖVP gibt es das einzig Reale, und das sind die Bünde. Dort
herrscht die Machtkonzentration insbesondere beim Bauernbund
durch die Genossenschaften, durch die Raiffeisenkassen, durch
die Landwirtschaftskammer. Im Österreichischen Wirtschaftsbund
zwar durch die Schwäche Sallingers weniger Machtkonzentration,
aber doch sehr viel Einfluss durch die Handelskammer und die
Sozialpartner. Beim ÖAAB dagegen, der ja vom Öffentlichen Dienst
dominiert wird, reine Sozialdemagogie. Wichtig ist, dass noch einmal
festgehalten wird, im Zuge der Kernatom-Debatte die Jungen nicht
abgeschreckt werden dürfen, weshalb es selbstverständlich ist, dass
eben der Klub einen solchen Beschluss fassen wird und die Klubobmän-
ner die 2/3-Bestimmung schriftlich vereinbaren. Die ÖVP möchte hier
unbedingt, dass die beiden Parteiobmänner dies machen, das lehnt
aber Kreisky entschieden ab. Die ÖVP möchte überhaupt, dass wo-
möglich viel im vorparlamentarischen Raum vereinbart wird, damit dies
ähnlich wie in der Koalitionszeit hier den Eindruck gibt, dass hier
paritätisch zwischen den beiden grossen Parteien immer verhandelt
wird. Dies kommt nicht in Frage. In der Regel muss im Nationalrat
alles abgehandelt werden. Dort gibt es natürlich auch keine Parität,
bei einem Abgeordnetenstand von 75 zu 67. Über die zukünftige Budget-
situation und Belastung meinte er, da könne man erst reden bis die
Details vorliegen. In Wirklichkeit ist natürlich dann längst alles
beschlossen. Interessant war nur eine Bemerkung von ihm, er meinte, neue
Belastungen könnte man nur der Bevölkerung zumuten, wenn es eine
gerechte Verteilung dabei gibt. Wahrscheinlich dürfte hier die In-
tervention des Gewerkschaftsbundes der sich, wie mir Schmidt vor
einiger Zeit mitteilte, vor allem gegen der Herausnahme des Abbaues
des Versicherungssparens aus dem Subventionsabbau, ganz entschieden
dagegen ausspricht.
Kreisky hat dann, da es eine sehr kurze Diskussion gegeben hat, mich
gerufen um mir mitzuteilen, dass er von Gerüchten hört, wonach ein
Staatssekretär für Fremdenverkehr oder für die Elektrizitätswirtschaft
zu mir kommen sollte. Er teilt mir ganz offiziell mit, dass so etwas
gar nicht beabsichtigt ist und ich auch überhaupt gar nicht brauche,
er ist mit meiner Arbeit absolut zufrieden, wenn es auch in der Frage
der Energieeinsparung sicherlich Differenzen gegeben hat. Dies
sei aber jetzt durch den Operationskalender eindeutig festgelegt
und damit für ihn auch erledigt. Ich selbst habe darauf verwiesen
ich gar nie bezweifelt habe, dass bevor er so etwas machen würde,
mit mir diesbezügliche Gespräche führen würde. Die genannten Per-
sonen hätte ich entschieden abgelehnt und er meinte, er hätte auch
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gar nicht die Absicht gehabt, diese mir vorzuschlagen. Ich
habe Kreisky angedeutet, dass ich es an und für sich für zweck-
mässig halte, wenn einmal eine Ablöse von mir beabsichtigt ist,
dass ich mir vorher einen Staatssekretär nehme, der dann gleich-
zeitig so wie im Landwirtschaftsministerium als Minister nach-
folgen kann. Die Idee, meinte Kreisky, ist ganz gut, aber darüber
bräuchte man jetzt überhaupt noch nicht reden.
Tagesprogramm, 6.9.1979