Samstag, der 15. September 1979 bis Sonntag, der 16. September 1979

50-0997

Samstag, 15. September, bis 16. September 1979

Die Aussprache mit Aussenhandelsminister Veres verlief wie er-
wartet. Die Ungarn hoffen durch Kooperation mit entsprechender
Zollsenkung ihrer Produkte das riesige Aussenhandelsdefizit zu
decken. Im Vorjahr konnten sie 2 Mia. 650 Mio. nach Österreich ex-
portieren. Da wir 5 Mia. 428 Mio. exportierten hatten sie ein Handels-
bilanzdefizit von 2 Mia. 800 Mio., das höher war als ihre Ausfuhr.
In den ersten 7 Monaten war eine leichte Besserung, die Ausfuhr
Österreichs ging um 11,7% zurück. Ihre Ausfuhr stieg um 8,8%. Trotz-
dem haben wir noch immer 1 Mia. Schilling Handelsbilanzdefizit.
Dies ist auf die Dauer für die Ungarn vollkommen unerträglich.
Am liebsten hätten sie eine automatische §-6-Regelung, Zollgesetz,
wonach eben für Kooperationen die Zölle auf Null gesenkt werden.
Dies übrigens alles, für einen ersten Schritt für eine Freihandels-
regelung, wie sie hin mit Finnland haben. Diese Idee wurde dann ins-
besondere bei den erschienenen Vizeministerpräsidenten Marjai von
diesen neuerdings unterstrichen. Ich erwiderte dass dies beim besten
Willen nicht möglich ist, denn was die Finnen in der EFTA bekommen
haben, würde kein zweiter Staat genehmigt bekommen. Dies musste
ich bereits 1970 Minister Patolitschew, der ebenfalls damals schon
einen solchen Vorschlag gemacht hat erklären. Die Erwähnung des
Namens Patolitschew und der Russen war ein grosser Fehler von
mir, Marjai hatte sofort darauf repliziert, man soll die soziali-
stischen Staaten – ich spreche immer von Staatshandelsländern – nicht
in eine Schablone drücken. Die früheren Perioden, die es in Ungarn
gegeben hat, sind vorüber und man soll sie nicht in solche Perioden
wieder zurückzwingen. Es wäre verfehlt, nur Argumente zu suchen,
wie es nicht geht, es muss eine Lösung gefunden werden, damit der
Handel zwischen Ungarn und Österreich verstärkt werden kann. Nach
Meinung der Ungarn – und dies haben sie auch Bundeskanzler Schmidt
gesagt – haben die westlichen Länder jetzt mehr Staatshandelsme-
thoden als die Ungarn. Dies gilt allerdings nur für die letzten
10 Jahre. Ein grosses Problem spielte die Frage der Kohlelieferungen
aus Torony. Hier haben die Ungarn angeblich in der DDR schon Ab-
baumaschinen bestellt. Wenn diese jetzt nicht an der burgenländische
Grenze zum Einsatz kommen, dann entweder in Tatabanya oder in Miskolc,
Ostungarn. Ich versuchte klarzumachen, dass die Umweltschutzbestim-
mungen in Österreich eingehalten werden müssen und deshalb zu klären
ist, ob durch Beimischung von Polomyd in die Braunkohle eine ent-


50-0998
sprechende Reduzierung des Schwefelgehaltes im Abgas möglich ist.
Die Ungarn haben innerhalb ihrer Regierung darüber geteilte Mei-
nung und es kommt nach Auskunft des österreichischen Botschafters
in Budapest darauf an, dass wir jetzt den Flügel nicht im Stich
lassen, der sich für dieses Projekt eingesetzt hat.

Anstelle eines Ausfluges besuchte ich die Budapester Messe. Im
Frühjahr ist es eine Investitionsmesse, wo sich über 100 öster-
reichische Aussteller beteiligten, im Herbst jetzt eine Konsum-
gütermesse, wo nur 6 Aussteller, meistens Handelsvertretungen teil-
nehmen. Die Ungarn sind darüber sehr enttäuscht und ich wurde eini-
gemale nach den Grund gefragt. Die Erklärung ist sehr einfach –
in Ungarn werden eben weniger Devisen für Konsumgüter zugeteilt.
General Motors hat z.B. 4 Autos zum Ausstellen hinuntergebracht, hoff-
te eines der Nationalbank verkaufen zu können. Dafür gibt es nun
aber glaube ich auch keine Devisen. Mit Recht hat mir Minister Saghy,
verantwortlich für den Binnenhandel und Tourismus, erklärt, sie
könnten sich nicht eine Vielfalt von Autotypen leisten, weil dann
die Frage der Ersatzteile, der Services usw. eine gewichtige Rolle
spielt. Diese Konsumentenmesse war natürlich von vielen Leuten be-
sucht. Beeindruckt hat mich ein eigener Pavillon nur für Kinder
und Spielware. Die Messe hat 750 ständige Beschäftigte. Dazu kommen
1.300 Pensionisten bei der Ausstellung. Auf der Messe selbst kann
man nur einige Lebensmittel und sonstiges Zeug kaufen, u.a. ein
absolut sicheres Haarwuchsmittel, wo sich angeblich die Leute in
Schlangen anstellten. Bei den ausgestellten Waren war der Preis
nicht zu erfragen, denn es wird dort keine Preisauskunft gegeben.
Die dafür dort Verantwortlichen wissen oft gar nicht, wie die
Preise wirklich sind. Dies ist also eine richtige Schaumesse.

Der Binnenhandelsminister Saghy hat mir am nächsten Tag seine Pro-
bleme bezüglich der Bauten für den 300 Mio Dollarkredit und seinem
Tourismus, insbesondere Schwarzforintkurs, erklärt. Die beiden
neuen Hotels Hilton und Thermal, die ich auch im Detail besichtigte
sind sehr schön angelegt und herrlich gelegen. Im Thermal werden
bei 420 Betten, 950 Mio Forint aufgewendet. 1/3 für die ärztliche
Abteilung und Thermalabteilung. 3 Zahnärzte, 4 sonstige Ärzte, eine
richtiggehende Überbesetzung. In dieses Hotel Thermal kommen auch
von anderen Hotels zahlungskräftige, nur in ausländischen Devisen
akzeptierte Gäste. Vielleicht war der Zeitpunkt schlecht, aber wie


50-0999
dort waren, habe ich 4 Patienten gesehen. Das Hilton-Hotel hat
1.200 Mio. gekostet, davon 200 Mio für Denkmalschutz, da es hinter
die Fischerbastei äusserst schön und geschmackvoll hineingebaut
wurde. 650 Betten mit 600 Beschäftigte, nach Saghy selbst, ein sehr
starker Besatz. Die Grundsteinlegung für die beiden neuen Hotels
an der Donau, war für mich insofern interessant, als Saghy bei
seiner Ansprache erklärte, die Bundeshandelskammer hätte dieses Pro-
jekt ständig unterstützt. Ich antwortete dann in meiner Rede auf
diesem Punkt, gut dass dies in Ungarn gesagt wurde, denn in Öster-
reich ist die Fremdenverkehrssektion ganz entschieden gegen dieses
Projekt. Überhaupt habe ich ansonsten bei der Ansprache und dann
insbesondere nachher vielmehr die Gelegenheit benützt, mit den
Barabern, die jetzt bereits von der Porr und Universale dort arbeiten,
zu reden, als mit den anderen Festgästen. Überrascht war ich nur,
wie viele Leute von den Banken, Baufirmen, ja sogar von anderen
Ministerien in Budapest waren, nur um die Grundsteinlegung mitzu-
erleben. Mir soll keiner mehr erzählen, wie irrsinnig ausgelastet
die alle sind. Einschränken muss ich allerdings, dass es sich um
einen Sonntag gehandelt hat und man da mit Recht sagen kann, da hätte
man in Österreich auch nichts arbeiten können.

Da ich leider ja kaum Kontakt hatte mit dem ungarischen Leben in
Berührung zu kommen, kann ich auch nicht ermessen, wieweit die
Ungarn einen Fortschritt in ihrem Wirtschaftsaufbau, insbesondere
Verbesserung der Lebenshaltung ihrer Bevölkerung erreicht haben.
Sicherlich wird es auch dort aufwärts gehen. Insbesondere möchte
man jetzt doch mehr die Privatzimmervermieter zulassen. Von fördern
kann natürlich dort überhaupt keine Rede sein, um mehr Westeuropäer
nach Ungarn zu bringen. Noch immer trifft sie hart der schwarze Fo-
rintkurs, der durch noch so scharfe Kontrollen nicht zum Verschwin-
den gebracht werden kann. Die Idee des österreichischen Botschafters
eine ungarisch-österreichische Währung hier zu starten, habe ich
sofort versucht im Keime zu ersticken. Ich erklärte sowohl dem
Handelsrat Dr. Wagner, als auch den Botschafter, dass diese gemein-
same Währung auf grössten Widerstand der österreichischen Fremdenver-
kehrswirtschaft stösst. Da sie ausserdem sicherlich kaum etwas
bringt, weder für die Ungarn noch für Österreich, habe ich in dieser
Frage zum Unterschied von 300 Mio. Dollarkredit der Fremdenverkehrs-
wirtschaft sofort nachgegeben. Diese ganze Donauwerbung wurde auch
seinerzeit nicht von mir, sondern von Langer-Hansel, Chef der Öster-


50-1000
reichischen Fremdenverkehrswerbung, vor dem Jahre 1970 schon ge-
startet. Jetzt lassen wir sie einschlafen.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte informiere Zolles über die ungarische
Erfahrung.

Tätigkeit: Direktor ÖFVW


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: öst. Handelsdelegierter Budapest


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: MR HM


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: ung. Binnenhandelsminister


        Einträge mit Erwähnung:
          GND ID: 136291708


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: BK BRD, SPD


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: sowj. Außenhandelsminister


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: ung. stv. Ministerpräsident


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: ung. Außenhandelsminister


                  Einträge mit Erwähnung: