Donnerstag, 29. Mai 1980
Der mazedonische Industrieminister, gleichzeitig auch Parteise-
kretär, ist mit einer größeren Delegation nach Österreich ge-
kommen, um den Wirtschaftsverkehr zwischen beiden Republiken zu
verbessern. Dem Handelsministerium ist nur bekannt, daß es eine
Kooperation derzeit gibt und das 1/2 Dutzend von Firmen über
Kooperationen verhandeln. Natürlich kam wieder das Problem der
Zollermäßigungen zur Sprache. Ich konnte ihn darauf verweisen,
daß ich der jugoslawischen Seite immer wieder vorschlage, enger
mit EFTA zu kooperieren. Jetzt wurde ein Vertrag mit Spanien ab-
geschlossen. Ein einzelner Staat kann bilateral als Mitglied der
Freihandelszone EFTA nicht einen Zollermäßigungsvertrag mit Jugo-
slawien schließen. Ich glaube, daß nach Titos Tod, der sich immer
den blockfreien Entwicklungsländern verpflichtet gefühlt hat,
früher oder später die Jugoslawen sehr wohl bei der EFTA einen
solchen Vertrag anstreben werden. Sollte dies gelingen, dann
wäre der erste Schritt auch für die anderen Oststaaten gemacht.
Voraussetzung dafür ist, daß für diese aber die Sowjetunion einem
solchen Projekt die Zustimmung gibt.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Was ist dann bei der Kommissionsbesprechung
herausgekommen?
Handelsrat Krüger, der immerhin 8 Jahre die DDR in Österreich ver-
treten hat, wird jetzt von einer DDR-Gesellschaft Vorstandsmit-
glied, welches mit Westberlin die Kontakte und Geschäfte abwickelt.
Damit hat er mit Österreich nichts mehr zu tun. Interessant
war nur bei diesem Abschiedsbesuch, daß natürlich sein Nachfolger
schon feststeht, dieser aber scheinbar formell noch immer nicht
von der DDR-Führung bestätigt, oder ich weiß nicht was sonst für
ein Grund vorliegt, weshalb er mir nicht einmal getraute den
Namen zu sagen. Dies wird eben der Botschafter der DDR protokoll-
mäßig durchführen.
Der sowjetische Gasminister Orudschew, der am Vortag bereits ein-
getroffen ist und von Staatssekretär Albrecht am Flughafen abge-
holt wurde und der eine Woche zur Eröffnung der Gaspipeline in
Österreich bleibt, wohnt im Hilton. Dort habe ich ihn abgeholt,
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um mit ihm gemeinsam nach Baumgarten zu fahren. Orudschew ist
für uns der wichtigste Minister, da es letzten Endes auch von ihm
abhängt, welche Gasmengen wir beziehen können. Ich hatte ihn beim
Empfang zur sowjetisch-österreichisch Gemischten Kommission in
Moskau in unserer Botschaft getroffen. Dort hatte er spaßhalber
erklärt, er weiß noch gar nicht, daß er nach Österreich fährt
und wenn er fährt, dann dürften wir aber nichts über Gas sprechen,
was ich ihm auch versprochen habe. Natürlich hat er jetzt aber
selbst mit der Gasfrage begonnen. Er meinte mit Recht, weder er
noch ich können 5 Minuten zusammen sein, ohne daß dann nicht
letzten Endes doch über Gas gesprochen wird. Offiziell will und
kann auch er noch nichts über den großen neuen Gasvertrag sagen.
Inoffiziell teilte er mir mit, daß die Sowjets 50 Mrd. m³ Gas aus
Sibirien nach Westeuropa leiten, 10 Mrd. für die sozialistischen
Länder und 40 Mrd. für den Westen. Dies wird ein neuer Röhrengas-
vertrag werden. Interessant für mich ist nur, daß dieses Projekt
ziemlich deutlich von der Zeitung Die Presse vor ein paar Tagen
beschrieben wurde. Die Gasversorgung in der Sowjetunion verur-
sacht nach wie vor große Schwierigkeiten. Da die Sowjets, wie
Orudschew sagt, den Fehler gemacht haben und die neuen Häuser
ohne Zähler ausgestattet haben, wird Gas im wahrsten Sinne des
Wortes, so behauptet er, verschwendet. Die Isolierungen in den
Häusern sind sehr gering, im Sommer ist es daher heiß, im Winter
strahlen die Fenster ungeheure Kälte ab, müssen daher durch über-
mäßiges Heizen bei schlechter Wärmeisolierung einigermaßen er-
trägliche Raumtemperaturen bei ungeheurem Gasverbrauch sichern.
Die sowjetische Familie zahlt 16 Kopeken im Monat für den Gasan-
schluß, wieviel sie verbraucht, wird weder gezählt noch geschätzt
und schon gar nicht danach bezahlt. 16 Rubel sagt Orudschew, ist
nichts, immerhin vom Durchschnittsverdienst 10 %, doch regt
dieses System sicherlich nicht zum Sparen an. Orudschew meinte
sogar, es hätten einzelne Familien sich alte Bügeleisen gekauft,
dies können auch Kohlenbügeleisen sein, die sie dann auf dem
Gas vorwärmen. Elektrischer Strom wird nämlich mit Zählern abge-
rechnet.
Nach der Revolution hat im Iran der Revolutionsrat die Gaslie-
ferung sofort eingestellt und bis jetzt waren alle Verhandlungen
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geführt wurden, ergebnislos. Die Umstellung muß für Orudschew
verheerend gewesen sein, da sich nach seinen Angaben 28 Mio m³
pro Tag aus Iran bezogen haben. Das sind rund 10 Mrd. m³ pro Jahr.
Jetzt verlangen die Iraner von ihnen 150 bis 175 $ pro 1.000 m³,
ein Irrsinnspreis, den die Sowjets nicht bereit sind zu bezahlen.
Eher sie es billiger geben, erklären sie, fackeln sie lieber das
Gas ab.
Die Ansprachen bei dieser feierlichen Eröffnung waren interessant,
Orudschew erwähnte einige Male meine Verdienste um die sowjetisch-
österreichische Zusammenarbeit und ganz besonders natürlich die
letzten Besprechungen in Moskau bei der Gemischten Kommission. Ich
konnte mit Recht darauf replizieren, daß ich ihm dafür sehr dank-
bar bin, hätte nämlich ich dies gesagt, hätten sicherlich die
Journalisten gemeint, der Happy Pepi stellt alles viel positiver
dar, als es ist. Für den deutschen Wirtschaftsminister Graf
Lambsdorff sprach sein Ministerialdirigent Engelmann, der einlei-
tend darauf verwies, daß wir in einer unruhigen Welt leben, die
gar nicht friedlich ist und die vor allem trotz dieser Gaspipeline
derzeit keine rosige Aussicht gibt. Der französische Regierungs-
vertreter sprach neutraler und verwies mehr auf die technische
Leistung. Ich selbst habe besonders die Drehscheibenfunktion
Österreichs und seine positive Neutralitätspolitik herausgestri-
chen. Zum feierlichen Knopfdruck habe ich dann alle Regierungs-
vertreter eingeladen, dies gemeinsam zu tun. Über die deutsche
Ansprache war der russische Gasminister gar nicht erfreut. Ich
habe während der ganzen Fahrt immer wieder feststellen können,
daß die Sowjets den Deutschen nicht vergessen, daß diese sich
jetzt an den Olympischen Spielen nicht beteiligen. Nachher hat
mich der deutsche Vertreter gefragt, ob er mit seiner Ansprache
zu weit gegangen ist. Abgesehen davon, daß ja schon gesprochen
wurde, erklärte ich selbstverständlich, das liegt doch ganz in
seinem Ermessen.
GD Bauer versicherte mir, daß er zwar mit den Ölmultis eine Vor-
sprache bei mir verlangen wird, die ÖMV wird aber keinen neuen
Preisantrag einbringen und auch keine Preisforderung jetzt mo-
mentan stellen.
Bei Tisch habe ich mit dem Ruhrgas-Vertreter Lingen über die
zukünftige Gaspreispolitik gesprochen, dieser meinte, das Wich-
tigste ist, daß sich Gaz de France, Ruhrgas und die ÖMV, die jetzt
diese Pipeline gemeinsam gebauten haben und auch gemeinsam be-
treiben werden, sich bei den Gaspreisverhandlungen nicht ausein-
anderdividieren lassen, sondern unbedingt geschlossen auftreten.
Dies gilt übrigens auch noch für den Vierten im Bunde, der aller-
dings bei dieser Gaspipeline nicht beteiligt ist, nämlich Snam.
Meinen Hinweis, daß die Italiener aber nicht die Solidarität in
jedem Punkt und bei jeder Gelegenheit wahren, hat der Ruhrgas-
Vertreter bestätigt, doch darauf verwiesen, daß es insbes. die
Konzernspitze Eni ist, die der Snam, also der italienischen
Öl- u.Gasgesellschaft, manchmal in den Rücken fällt. Dies läßt
sich dadurch erklären, daß Eni eben nicht nur allein die Gas-
frage berücksichtigt, sondern eben andere Interessen ebenfalls
ins Spiel bringt.
ANMERKUNG FÜR MARTIN: Der Ruhrgas-Vertreter wird mich Montag an-
rufen, falls ich nicht hier sein sollte, dann bitte Nummer auf-
schreiben, damit ich retour rufe.
Im Handelsausschuß bin ich zwar nur eine 1/4 Stunde zu spät ge-
kommen, weil ich eben nicht zeitgerecht vom Festakt weg konnte.
Dies war aber wieder einmal eine günstige Gelegenheit zu demon-
strieren, daß mich Frau Staatssekretär Albrecht bestens und über-
all vertritt. Da über die Novelle zum Mühlengesetz eine Einver-
nehmung bereits zwischen den Interessensvertretungen abgeschlos-
sen war, ging diese neue Fassung wahrscheinlich sehr schnell im
Handelsausschuß über die Bühne. Genau dasselbe galt für das
Schrottlenkungsgesetz. Ich kam zur Debatte über das Versorgungs-
sicherungsgesetz zurecht. Dort hatte Abg. König ein großes Lob
über diesen Entwurf, der mit den Ländern und Interessensvertretungen
gemeinsam erstellt wurde, ausgesprochen. Abg. Stix fragte mich,
wie es funktionieren wird, wenn im Krisenfall dann das Handels-
ministerium entsprechende Beschlagnahmen durchführen muß. Ich
habe ihm sofort gesagt, die Beschlagnahme würde nicht das Handels-
ministerium durchführen, sondern die Bezirksverwaltungsbehörde.
Das ganze System ist derartig von der Handelskammer abgesichert,
daß es meiner Meinung nach nicht funktionieren kann. Dr. Rief
als Experte wollte jetzt noch darüber hinaus, daß man bereits
richtlinienmäßig festlegt, wie diese Beschlagnahme und insbes.
die Entschädigung erfolgen sollte. Dazu war und bin ich natürlich
überhaupt nicht bereit. Im Versorgungssicherungsgesetz ist vor-
gesehen, daß wenn der Betreffende mit der Entschädigung nicht
einverstanden ist, und dies wird sicherlich nicht sein, kann er
sofort ein ordentliches Gericht ansprechen, in diesem Fall ist
der Bescheid, der die Entschädigungssumme festlegt, ausgesetzt.
König kannte diese Bestimmung nicht und meinte, ich hätte ja
mit der Beschlagnahmemöglichkeit sehr wohl ein sehr wirksames
Instrument. Dies stimmt insofern nicht, als natürlich der Beamte
sehr vorsichtig bei einer Beschlagnahme vorgehen muß, weil er,
insbes. weil der Preis nicht entsprechend hoch festgesetzt ist,
den er bereit ist zu bezahlen, wenn das Gericht dann dem Unter-
nehmer recht gibt, er immer womöglich mit einer Amtshaftung
rechnen muß. Ich erklärte daher dezidiert, dieses Gesetz wird in
diesem Punkt und wahrscheinlich in vielen anderen gar nicht funk-
tionieren, die Folgen davon aber wird letzten Endes die Handels-
kammer, sprich die Unternehmer selbst tragen müssen, die ja auf
Rohstoffe und Zulieferung dann angewiesen sein werden.
Eine längere Debatte gab es natürlich dann über das Preisrege-
lungsgesetz. Außer einigen legistischen Verbesserungen und klei-
neren Änderungen in der Preisauszeichnung hat die Handelskammer
und damit natürlich auch die ÖVP und teilweise auch die FPÖ alle
insbes. vom Gewerkschaftsbund und Arbeiterkammer geforderten Ver-
besserungen abgelehnt. Es gibt also keine gesetzliche Bestimmung,
daß die Unternehmer im Vorprüfungsverfahren die Preiskommission
in Betrieb lassen müssen, um dort die offenen Fragen zu klären,
es gibt keine amtliche Preisregelung für alle Importwaren usw.
Überall konnte trotz stundenlanger Diskussion dann letzten Endes
nur festgestellt werden, es besteht darüber keine Einigung.
Ähnlich, fürchte ich, wird es mit dem Energiesicherungsgesetz gehen,
für welches allerdings bereits vor Beginn der Tagesordnung fest-
gelegt wurde, daß es beim nächsten Mal erst verhandelt wird.
Bei den parallel laufenden Verhandlungen über die Marktordnung
im Landwirtschaftsausschuß geht es noch härter zu. Dort bringt
die ÖVP Dutzende von Abänderungsanträgen und besteht darauf, daß
diese auch vom Landwirtschaftsminister Haiden akzeptiert werden
müssen. Ich habe sowohl Klubobmann Fischer als auch allen auf
unserer Seite verhandelnden Genossen gesagt, daß wir nur Hilfe-
stellung für den Landwirtschaftsminister zu geben haben. Wir
stellen momentan nur die Nichteinigung fest, im gemeinsamen
Handels- und Landwirtschaftsausschuß wird dann endgültig zu for-
mulieren sein resp. festzustellen sein, ob wir dem Wirtschafts-
gesetzepaket zustimmen oder nicht. Dem ÖVP-Wunsch diese dann auf
5 Jahre zu verlängern, werden wir wahrscheinlich nicht beitreten.
Für die SPÖ ergibt sich nämlich in jedem 2-Jahres-Ablauf die Mög-
lichkeit dann einige kleine Verbesserungen durchzusetzen, die
ÖVP muß dann in sich immer wieder den Wünschen der Agrarier
Rechnung tragen und doch Zugeständnisse, wenn auch nur unbedeu-
tender Art, machen.
Tagesprogramm, 29.5.1980