Samstag, der 25. Oktober 1980

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Samstag, 25., und Sonntag, 26. Oktober 1980

Der Kautsky-Kreis hat, seiner jährlichen Tradition folgend, diesmal
seine Mitglieder und einige Industrievertreter, Fischer über die Sport-
artikel, Scheriau von der Fa. Andritz über Innovationen, zu einem
Seminar in das CA-Schulungsheim am Semmering eingeladen. Die Credit-
anstalt ist zu diesem Alpengasthof genauso gekommen wie zu manchen
Industriebetrieben. Die Besitzer sind pleite gegangen, die Bank hatte
finanziert und, um nicht alles abzuschreiben, haben sie dann diese Objek-
te erworben. Mich hatte der Vorsitzende GD Grünwald, ÖIAG, als uralter
Kautsky-Kreisianer, wie er mich bezeichnete, eingeladen, um über die
Industriepolitik der 80-er Jahre zu sprechen. Zuerst analysierte ich
die 70-er Jahre: Rückgang der Beschäftigten der Industrie, Rückgang
des Anteils der Industrieproduktion am Bruttoinlandsprodukt, keine
Ausdehnung der Industrie, sondern ein Zurückbleiben durch die besondere
verstärkte Aktivität von Gewerbe und insbes. Dienstleistungen. Ich hatte
gleich freimütig gestanden, daß ich in den 70-er Jahren überhaupt
keine Veranlassung sah, die Industrie besonders zu fördern. Erstens
hatte ich budgetmäßig gar keine Mittel, die 20 Mio. S, die Androsch hier,
ohne daß ich es verlangte, bei den ersten Budgets automatisch gegeben
hat, brauchte ich, um die notwendigen Aktionen für den Fremdenverkehr
und teils für die Bürges-Aktionen zu verwenden. Damals waren es Zwänge,
ich hätte gar nicht anders gekonnt, retrospektiv betrachtet war es
sogar richtig, denn gerade die Klein- und Mittelbetriebe haben sich
sehr gut entwickelt und tragen sowohl zur Stabilisierung der Wirtschafts-
politik, aber noch viel mehr durch ihren immer größer werdenden Anteil
auch zur Expansion des Bruttonationalproduktes sehr stark bei. Wenn
auch die AK, insbes. Dr. Wehsely der Meinung ist, daß der Input wesen-
tlich größer ist in diesen Klein- und Mittelbetrieben als der Output,
so stimmt dies sicherlich nicht. Ich konnte doch darauf verweisen, daß
man hier nicht nur ausschließlich die offiziellen Ziffern, die übrigens
auch nicht so schlecht sind, berücksichtigen darf. Gerade bei Klein-
und Mittelbetrieben spielt der Pfusch oder die außerhalb der offizi-
ellen Ziffern zu veranschlagende Tätigkeit eine bedeutende Rolle.

Das wirkliche Problem für die 80-er Jahre in der Industriepolitik
sehe ich in der Finanzierung. In dem vergangenen Jahrzehnt war die
Finanzierung der Investitionen für die Industrie teils durch Steuerbe-
günstigungen, teils aber durch Direktzuschüsse, siehe die Zinsenzuschuß-
aktion der Bundesregierung oder durch zusätzliche Zinsenzuschußaktionen


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auf der einen Seite verbilligte ERP-Mittel für strukturschwache Ge-
biete, Regionen oder Sparten wie z.B. Kohle und darüber hinaus noch
zusätzliche Aktionen für Papier, Bekleidung, Textil und Leder gekenn-
zeichnet.

Für die Finanzierung der notwendigen Investitionen gibt es den Taus-
Vorschlag, Errichtung einer Risikobeteiligungsgesellschaft. Diese
soll sich bei neuen Innovationsprojekten, aber auch bei Reorganisa-
tionen, Strukturverbesserungen an Kapital dieser Firmen bis zu 49 %
beteiligen. Geht die Sache gut, dann würde sich diese Kapitalbeteili-
gungsgesellschaft wieder zurückziehen, geht sie schief, hat der Bund
das Risiko eben mitgetragen.

Ich persönlich glaube, daß die Finanzierung der Industrie besser durch
die Nationalbank, Direkteskont, gewährleistet wäre. Jetzt kann die
Nationalbank entweder die Kredite restriktiv, aber generell aufmachen
oder, wenn es die Stabilitätssituation erfordert, entsprechende Geld-
mengen oder Kreditmengen reduzieren und dadurch einen Zustand herbei-
führen, den der GD charakterisiert hat, bremsen, bis es quietscht.
Dieser Zustand ist jetzt erreicht. Um nun den Industriefirmen für ent-
sprechende Investitionen Mittel zur Verfügung zu stellen, könnte durch
Änderung des OeNB-Gesetzes, eine Novelle, die allerdings diesen Punkt
nicht beinhaltet, liegt derzeit im Parlament, selektiv durch Direkt-
eskont einzelnen Projekten oder Firmen Investitionsmittel zur Verfü-
gung stellen. Natürlich wurde in der Diskussion sofort insbesondere
von den Vertretern der Investitionskredit AG gesagt, dies könnte die
OeNB ohne weiteres erreichen, indem sie eben nur der Investitionskre-
dit AG entsprechende Geldmittel zur Verfügung stellt. Das in diesem
Fall dann den Müttern der Invest AG, sprich den österreichischen Banken
und Kreditinstituten, die Möglichkeit gegeben wird, ihre jetzt doch
noch durchgeführten Investitionskredite dann sofort der Investkredit
AG zu übertragen und ihre dann frei werdenden Mittel für Konsumkredit
oder Auslandsveranlagung benützen kann, hat jeder eingesehen, nur na-
türlich die Institutsvertreter nicht.

Der Vertreter des ÖGB, Dr. Muhm, wollte von mir partout wissen, welches
Klein- und Mittelbetriebskonzept ich habe. Da wir ein solches ja tat-
sächlich erst jetzt für die 80-er Jahre ausarbeiten müssen, habe
ich als eine, glaube ich, ganz geschickte Ausrede darauf verwiesen, daß
darüber im nächsten Jahr eine Enquete abgehalten wird. Ich beabsichti-
ge nämlich tatsächlich die große Enquete des Parlamentes in Durchfüh-


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rung des sogenannten Mittelstandsgesetzinitiative der ÖVP dort einen
Rechenschaftsbericht abzulegen, was für die Klein- und Mittelbetriebe
bis jetzt geschehen ist und wie es in den 80-er Jahre weitergehen
soll.

ANMERKUNG FÜR BUCHAUER: Wir müssen jetzt schön langsam mit diesem
Programm beginnen.

Der Staatsfeiertag fiel diesmal auf einen Sonntag. Zum 25-jährigen
Staatsvertragsjubiläum änderte sich aber an den routinemäßigen Ablauf
sehr wenig. Im 10. Bezirk wurde der Fitmarsch im WIG-Gelände abgehalten,
wenig zu gehen, viel zu sehen war die Parole. Da ich den Ehrenschutz
dort übernommen hatte und Dr. Satzinger mir erzählt, in den Schulen
heißt es, ich gehe mit, bin ich dann um 8 Uhr dort bei der Eröffnung
tatsächlich erschienen. Der Bezirksvorsteher vom 10. Bezirk, Deutsch,
war über mein frühes Erscheinen sehr überrascht, denn man hatte ange-
nommen, ich komme um 9 Uhr, um dann die Ausstellung der Wiener Handels-
kammer mit 6 Bussen zu eröffnen. Ich besuchte diese Ausstellung und
entschuldigte mich, daß ich die offizielle Eröffnung nicht vornehmen
konnte. Beabsichtigt war das Aufmarschieren mit der Deutschmeister-
Kapelle, da ich zu diesem Zeitpunkt bei der Kranzniederlegung und im
Ministerrat sein mußte.

Im außerordentlichen Ministerrat hat Kreisky wichtige Punkte erwähnt,
wie Sauberkeit der Verwaltung, Aufrechterhaltung der Wirtschaftssitu-
ation und jedwede Unterstützung, um die Friedensbemühungen im Nahen
Osten zu einem Erfolg zu bringen. Daneben sagte er dann weniger be-
deutende Punkte und erwähnte, es sollte ein Zentralarchiv geschaffen
werden. Firnberg und Sinowatz tauschten vielsagende Blicke, sie hörten,
mit einem Wort, von dieser Idee auch das erstemal.

Vor dem Ministerrat hatte ich mit Dallinger eine längere Aussprache
über seine, wie ich glaube, berechtigte Forderung, noch in dieser Legis-
laturperiode 5 Wochen Urlaub durchzusetzen. Nach 25 Jahren soll es dann
6 Wochen Urlaub geben. Mit dieser Forderung gleicht Dallinger haupt-
sächlich die Arbeiterurlaubsbestimmung den defacto dem Angestellten-
und vor allem Beamtenbereich bereits gültigen Urlaubsbestimmungen wei-
testgehend an. Dallinger möchte also 2 große Probleme in dieser Legis-
laturperiode, wo, wie er sich ausdrückt, wir noch die absolute Mehrheit
haben, durchziehen: die paritätische Mitbestimmung und die Urlaubsre-
gelung. Ich fragte ihn, ob er bei dieser Gelegenheit nicht auch zumin-


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destens eine Verschiebung der Donnerstagfeiertage auf Freitag, wenn
nicht sogar die Abschaffung dieser Feiertage akzeptieren könnte.
Dallinger sagte im Prinzip, dies müßte die Forderung der HK sein, die
man gegen härtesten Widerstand dann letzten Endes als Kompensation
akzeptieren könnte. Daß die Gewerkschaften oder gar er selbst eine
solche Idee nicht bringen kann, ist selbstverständlich für jedermann
erklärlich. Wenn die HK nicht von allen Göttern verlassen ist, wird
sie diese Forderung aufstellen, vorausgesetzt, sie wird mit der katho-
lischen Kirche darüber einig. Da in Italien aber die katholischen Kir-
che einer Abschaffung von kirchlichen Feiertagen zugestimmt resp. die
Verschiebung auf den Sonntag akzeptierte, müßte es auch möglich sein
eine solche Regelung zu finden.

Zum Fitmarsch der Naturfreunde in Eichgraben, NÖ, habe ich auch den
Ehrenschutz übernommen. Der Start für die kleinere Runde, 7 km, aber
auch für die größere, 17 km, war bis 10 Uhr begrenzt. Ich konnte na-
türlich erst um 1/2 11 Uhr dort aufkreuzen. Der Bürgermeister und
der Vizebürgermeister erwarteten mich mit einer größeren Anzahl von
Marschierern, die sozusagen den Minister begleiten wollten. Während
des Fitmarsches, übrigens durch herrliche Wälder, konnte ich mit den
Leuten diskutierend feststellen, daß alle zu Österreich sehr positiv
eingestellt sind. Sicherlich ist jemand, der mit dem Minister gehen
will, nicht von vornherein ein Gegner, doch war ich über das positive
Echo angenehm überrascht. Hier wurde allerdings im einzelnen nur be-
stätigt, was eine Meinungsumfrage zum Staatsfeiertag ergeben hat: eine
ungeheuer positive Einstellung zu diesem neutralen Österreich, 80 %
bejahen diese Republik eindeutig und die anderen wahrscheinlich, bis
auf wenige Prozente, haben auch eine positive Formulierung für diesen
Staat gefunden. Nach 35 Jahre zweite Republik und 25 Jahre Staatsver-
trag kann man befriedigend feststellen, daß zum Unterschied von der
ersten Republik, wo diesem Staat niemand eine Lebenschance gegeben
hat, in der zweiten Republik niemand mehr an der Lebensfähigkeit
dieses Staates zweifelt.

Für mich war neu zu erfahren, daß dieses Eichgraben als Gemeinde in
der ersten Republik 1923 erst gegründet wurde. Bis zur Mitte des
vorigen Jahrhunderts gab es die Gemeinde gar nicht, zu diesem Zeit-
punkt waren unwirkliche Wälder dort, für den Westbahnbau und für Stein-
brüche für die Ringstraßenbauten wurden dort Arbeiterbaracken errich-
tet, diese Arbeiter haben dann mehr oder minder nach Abschluß dieser
Bauten die Baracken nicht mehr verlassen, sondern Familien gegründet.



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Die Gemeinde setzt sich also aus Zuwanderern, Arbeitern der ganzen
Monarchie, zusammen. Die Wälder, die damals noch nicht so genützt wur-
den so wie jetzt, gehörten dem Kaiserhaus, jetzt den Bundesforsten. In
der Gemeinde selbst gibt es nur 3 Bauern mehr. Auch im vorigen Jahr-
hundert waren es nicht viel mehr. Interessant für mich war, daß so-
wohl der sozialistische Bürgermeister als sein ÖVP-Vizebürgermeister
auf dem Standpunkt stehen, sie legen keinen Wert darauf, daß sich dort
eine Industrie ansiedelt. Sie sind fest davon überzeugt, daß sie als
Fremdenverkehrsgemeinde mehr Chancen für die Zukunft haben. Ein ganz
kleines Gasthaus aus den 50-er Jahren hat sich dort zu einem großen
Familienhotelbetrieb entwickelt. In der Nähe Wiens gelingt es dem
Besitzer mit holländischen Reisebüros feste Arrangements zu machen.
Mit 2 Besuchen, Wien und Budapest, drei Autobusse voll, ist das Haus
fast das ganze Jahr ständig belegt. Jahr für Jahr wird es erweitert,
jetzt wurde ein Hallenbad dazugebaut. Die Gemeinde hat einen kleinen
Zuschuß dazugegeben, damit die Schüler, Volks- und eine zweiklassige
Hauptschule, dort Schwimmunterricht nehmen können.

Der Fitmarsch war von der Europäischen Volkssportgemeinschaft EVG
organisiert. Dies ist ein Konkurrenzverein zum IVV, der in Trumau
damals für die Marschierer die Bestätigung der Teilnahme ausstellte. Der
IVV wird als Sportorganisation auch vom Unterrichtsministerium geför-
dert, EVG bekommt nichts. Ich habe mich nur bereit erklärt, mit Unter-
richtsminister Sinowatz darüber zu reden.

ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte mich bei nächstem Ministerrat daran er-
innern.

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Tagesprogramm, 25./26.10.1980

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Tagesprogramm, 26.10.1980, Forts.


Tätigkeit: ZS GPA, ab 1980 Sozialminister


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    Tätigkeit: AK


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      GND ID: 118756265


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            Tätigkeit: Beamter HM


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