Donnerstag, der 6. November 1980

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Donnerstag, 6. November 1980

Die SPÖ Wien hat die Wiener aufgerufen, sie sollten von der Telefonak-
tion in den Bezirken Gebrauch machen. In allen 23 Bezirken war der
Spitzenfunktionär, meistens Obmann, von 9 bis 12 und von 3 bis 8 Uhr
telefonisch verfügbar. Die Aktion ist um 9 Uhr sehr schleppend angelau-
fen. Den ersten Anruf, den ich bekommen habe, war eine Frau, die mytho-
logischen Vergleich zwischen Uran und dem Stier, wenn er kastriert wird,
ist er ein Ochs, den der Landwirt dann entsprechend nützen kann usw., mir
die Zeit vertrieb oder, ich kann auch sagen, gestohlen hat. Nachmittag
um 3 Uhr hat sie dann noch einmal angerufen und mir ein soeben verfaßtes
Gedicht von 2 Seiten vorgelesen. Sie war 60, wollte in der Anonymität
bleiben, schickte mir aber dann sofort dieses Pamphlet. Für mich ist dies
ein deutliches Zeichen, daß nicht nur politische Fragen an Politiker he-
rangetragen werden, sondern es sehr viele Menschen gibt, die scheinbar
irgendwie Kontakt haben wollen. Wenn dies mit einem Minister möglich ist,
dann umso lieber. Die 44 Telefonanrufe, die dann in dieser Zeit zustan-
de kamen, waren verschiedenster Art, interessanterweise die wenigsten
auf den Bezirk Landstraße bezogen.

Am meisten empörte sich ein Landstraßer, daß es in seiner Gegend in
den Häusern nirgends ersichtlich ist, wo man das Pro-Zwentendorf-Volks-
begehren unterschreiben kann. Die Hausbesorger, die er fragte, erklärten,
sie hätten Zettel angeschlagen. Eine Kontrolle, die unser Bezirksvor-
steher-Stellvertreter dann durchführte, ergab auch in der Umgebung des
Sekretariates die selbe Situation. Die Anti-Atomgruppen haben scheinbar
still und leise die ganzen Anschläge entfernt. Da sie ja nicht wollen,
daß das Zwentendorf-Volksbegehren auf Umrüstung der Frau Schmitz unter-
schrieben wird, schon gar nicht aber wollen, daß das Pro Zwentendorf
ein Erfolg wird, haben sie auf diese Art und Weise sicherlich viele da-
von abgehalten zu ergründen, wo sie die Unterschrift leisten konnten. Ich
selbst stellte dies auch am Morgen, als ich endlich selbst unterschreiben
gibt, fest, wie schwierig es ist, wenn man nicht von vornherein weiß,
wo die Unterschrift zu leisten ist. Dies ist sicherlich nicht die Er-
klärung, daß jetzt erst in ganz Österreich 60.000 Unterschriften zusam-
mengekommen sind. In den Städten aber dürfte sich, neben der scheinbaren
Unwilligkeit der Bevölkerung sich hier aktiv einzusetzen, auch diese
technisch unzulängliche Ankündigung sehr negativ auswirken. Eine Rück-
frage bei Stadtrat Nekula ergab, daß er über den Rundfunk wird verlaut-
baren lassen, daß man die Unterschriftslokale in den Magistratischen
Bezirksämtern und Polizeikommissariaten erfragen kann. Wer wird sich


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dieser Mühe unterziehen. Wesentlich besser wäre es gewesen, hätten wir
in Wien und in den großen Städten, wo es eben mehrere Lokale gibt, durch
Computerausdruck den Haushalt verständigt, wo das Unterschriftslokal
liegt, wie dies auch bei den Wahlen geschieht.

ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Welser soll recherchieren, ob dies auch in
anderen Städten oder in Wien in anderen Bezirken so ist.

Überrascht war ich, daß verhältnismäßig wenige, ca. 10 % der Anfragen sich
mit Wohnungsproblemen beschäftigten. Bei ähnlichen Aktionen im früheren
Jahrzehnt war die Wohnung ein Hauptproblem und Hauptanfrage.

Die meisten der Anfrager aber haben zwar ihren Namen genannt, doch nicht
mehr die Adresse, sie wollten also auf der einen Seite nicht vollkommen
anonym bleiben, auf der anderen aber erwarteten sie wahrscheinlich gar
keine konkrete Erledigung ihrer Anfrage oder Kritik. Meistens war die-
se tatsächlich sehr allgemein gehalten. Eine gehässige Kritik erlebte ich
nur gelegentlich, insbes. was die Verdienste der Politiker betrifft. Mit
den meisten konnte man sehr sachlich über all die Probleme sprechen.

Ich halte trotzdem eine solche allgemein gestreute und in allen Bezirken
gleichzeitig durchgeführte Telefonaktion für optisch sehr gut, aber
materiell nicht besonders geeignet. Ich habe, als ich solche Telefonak-
tionen früher als Handelsminister in der SPÖ-Zentrale in Wien durchge-
führt habe, die Erfahrung gemacht, daß dort viel spezifischere Fragen,
die eben den Handelsminister betreffen, gestellt werden. Dort erwartete
man auch in den meisten Fällen entsprechende Erledigungen. Solche Tele-
fonaktionen bedeuteten wesentlich mehr nachfolgende Arbeit als die
heutige.

Am Abend hat Prof. Ernst Fuchs seine 4 Seiten Schallplatten "Von Jahwe",
Text, Musik und Gesang von ihm selbst, vorgestellt. Ich kam leider zu
spät, konnte aber noch einen sehr großen Teil seiner Erklärung und De-
monstration mit anhören. Interessant, wie ein so bedeutender Maler jetzt
eine neue Art des Kunstausdruckes findet und rundweg erklärt, dies ist
ihm wichtiger als die ganze Malerei. Er hat, wie er dann erzählte, ganz
klein begonnen. Unter anderen war dort ein Malerkollege, mit dem er im
kleinsten Atelier noch zusammenarbeitet, hat dann durch seine Druck-
graphiken viel Geld gemacht, meint allerdings, Geld sei für ihn ganz
unwichtig, was er damit will, ist ausschließlich Kultur schaffen.



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deshalb hat er auch die Wagner-Villa in Hütteldorf erworben. Sie wie
ich dann bei einer Besichtigung feststellen konnte, im Prinzip dem Wag-
ner
-Stil entsprechend, aber doch als Fuchs-Villa innen ausgestattet. Einer
Bemerkung entnahm ich, daß er sie letzten Endes als Fuchs-Museum dann
der Nachwelt überlassen will und wird. Die darin vorhandenen Gemälde,
welche er auch als Couvert für die Schallplatten verwendete, sind un-
verkäuflich und will auf diese Art und Weise als Ausstellung immer ver-
wendet wissen. Er arbeitet jetzt an weiteren zwei Platten "Via Dolorosa".
Begonnen hat er mit diesem Gesang 1956, als er in Amerika war und dort
mit jüdischen Kreisen engen Kontakt hatte. Fuchs ist gottesfürchtig und
gottessuchend und glaubt auf diese Art den besten Weg zu ihm gefunden
zu haben. Neben seiner Malerei, also primär jetzt der Gesang. Natürlich
hat sich dann sofort die Pressefotografen auf ihn und mich gestürzt,
denn es war überhaupt kein zu mindestens mir bekannter Politiker anwe-
send. An und für sich war auch durch das Schlechtwetter die Veranstal-
tung sehr schlecht besucht. Fuchs war daher sehr erfreut, daß er sozu-
sagen wenigstens einen Prominenten zur Verfügung hat. Ich erinnerte ihn
daran, daß er ja auch einmal bei einer Veranstaltung von mir, Auszeich-
nung der schönsten Bücher, anwesend war. Daran konnte er sich gar nicht
mehr erinnern. Unangenehm war einzig, daß ich jetzt damit rechnen muß,
wenn Leherb diese Bilder sehen wird, er vielleicht ein wenig verärgert
sein könnte.

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Tagesprogramm, 6.11.1980


Tätigkeit: Jugendstilarchitekt


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    Tätigkeit: Obfrau Katastrophenhilfe öst. Frauen, Anti-AKW-Aktivistin


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      Tätigkeit: Künstler


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            Tätigkeit: Büro Staribacher, HM; Pro-Zwentendorf-Kampagne


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              Tätigkeit: Büro des Bundesministers


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