Mittwoch, 12. November 1980
Honecker hat bei seinem Staatsbesuch, nicht zuletzt durch mein
Mitwirken, auch die Vöest in sein Programm miteinbezogen. Ich mußte
deshalb auf alle Fälle ihn zumindestens bis zur Vöest begleiten.
Zuerst wurde das Konzentrationslager Mauthausen besucht, dort sind
seit meinem letzten Besuch sehr schöne, teils sehr interessante
Denkmäler der einzelnen Nationen entstanden. Die Kranzniederlegung
war sehr gut organisiert, örtliche Militäreinheiten bildeten einen
wirklichen würdigen Rahmen. Das Wetter war fast dem Anlaß entspre-
chend nebelig kalt.
Bei der Vöest hatte GD Apfalter zuerst einen allgemeinen Überblick
über die Vöest-Aktivitäten gegeben. Am interessantesten war, als
der die vier Konsortialverträge der letzten 6 Jahre besprach. Alle
waren auf 10 Jahre berechnet, alle wesentlich kürzer, aber bereits
ausgenützt, der erste mit einer Mrd., der vierte jetzt mit 16 Mrd.,
der durch das Stahlwerk in Eisenhüttenstadt in paar Monaten ausge-
schöpft sein wird.
Bei der Betriebsbesichtigung nützte ich dann die Gelegenheit, um
mit Dir. Cempirek und vorallemal den jetzt in Pension gehenden
Wiener Vertreter Rohner über die mauretanische Raffinerie zu sprechen.
Die Vöest-Alpine hat dort über 50 %, die anderen Mitbeteiligten, u.a
auch die DDR, den Rest. Insgesamt sind 800 Mio. investiert worden.
Die Haftung erlöscht bereits mit Mai 1981. Die Mauretanier haben
jetzt endlich eine Zustimmung der Algerier für einen Kredit von
20 Mio. Dollar für den Anlauf der Raffinerie in Hassi Messaoud, das
Rohöl stellen die Algerier jetzt angeblich auch zur Verfügung. Die
Vöest verhandelt also jetzt gerade mit den Algeriern und den
Mauretaniern, um den Anlauf durchzuführen. Wenn man bedenkt, daß
die Investitionssumme 800 Mio. S betragen hat und jetzt für den An-
lauf 260 Mio., so kann man sich dies gar nicht erklären. Zumindestens
mir geht es so.
Beim Mittagessen eine sehr gepflegte Werksküche, mit dem obligaten
sehr guten Tafelspitz und den verschiedensten Gemüsen, hat dann
Apfalter sich dann bei Honecker bedankt für das große Vertrauen
der DDR und ganz besonders für den großen Stahlwerksabschluß. Für
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seinen Besuch hat die Vöest jetzt eigene Gedenkmünzen prägen lassen.
Honecker hat in seiner Erwiderung die Gründe dargelegt, warum ge-
rade die Vöest-Alpine diesen Zuschlag bekommen hat. Daraus war klar
und deutlich herauszuhören, ohne daß es natürlich wortwörtlich sagte,
daß es die gute Zusammenarbeit zw. der DDR und Österreich ist, die
letzten Endes den Ausschlag gegeben hat. Außerdem gibt es wirklich
jetzt sehr viele befriedigend arbeitende und zeitgerechte Anlagen
der Vöest in der DDR.
Bereits bei der Hinfahrt hat mit Dr. Mittag unter vier Augen gesagt,
daß Honecker, ja seine ganze Begleitung von diesem Staatsbesuch
begeistert sind. Diese Atmosphäre haben sie scheinbar nicht erwartet.
Da Mittag am Zustandekommen dieses Vertrages und ganz besonders auch
der Reise Honeckers, der ersten in das westliche Ausland, mitbeteiligt
war, kommt dieser Erfolg auch ihm sehr zugute. In Hinkunft, sagte er,
wird er nicht mehr allein nach wirtschaftl. Gesichtspunkten argu-
mentieren müssen, sondern er wird, durch den Österreich-Besuch ge-
stärkt, innerhalb der Spitzenführung in der DDR ein Leichtes haben,
Österreich noch mehr zu präferenzieren .
Auf der Heimfahrt hat mich Dr. Buchauer neuerdings auf den Lauda-
Artikel im Kurier aufmerksam gemacht. Lauda, der einen Flugschein
besitzt, wurde von der Musterungskommission in Salzburg als untauglich
freigestellt. Der Artikel-Schreiber hat, ohne auch nur zur recher-
chieren, in diesem Artikel erklärt, es können sich halt Prominente
richten, dann wurden die beiden Söhne Andy und Wolfgang Staribacher
in diesem Artikel erwähnt. Buchauer meinte mit Recht, er würde ge-
gebenenfalls dagegen etwas unternehmen. Nach längerer Überlegung
entschloß ich mich dann doch ein kurzes Telegramm dem Chefredakteur
zu schicken, darin stellte ich fest, daß es beschämend und empörend
sei, daß man ohne recherchieren meine Familie einbezieht.
Staribacher
Ich habe innerhalb meiner politischen Tätigkeit insbes. seit den
10 Jahre Ministerschaft etliche, wie ich glaube, auch teilweise sehr
unqualifizierte Angriffe auf meine Person ertragen müssen. Dafür
habe ich bis zu einem gewissen Grad auf alle Fälle Verständnis.
Manche Artikel waren sehr gehässig, polemisch, gar nicht sachlich.
Sie betrafen aber meine Person oder meine Politik und das muß, glaube
ich, ein Politiker auf alle Fälle ertragen. Was mich wirklich inner-
lich empört, ist, wenn man sozusagen seine eigene Familie mit in den
politischen Kampf einzieht und Fakten behauptet, die eben überhaupt
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nicht mehr stimmen. Eine Berichtigung hat gar keinen Sinn, selbst
wenn der Tatbestand dann richtig dargestellt wird, bleibt schon
irgend etwas hängen. In dem speziellen Fall wurde Andreas, mein
jüngerer Sohn, nach etlicher Musterung, ärztlicher Untersuchung wegen
seiner Nieren freigestellt. Wolfgang selbst hat als Student etliche
Aufschübe, die jedermann bekommt, erhalten. Dies geht bis zum 27. od.
29. Lebensjahr. Wolfgang hat von allem Anfang an die Absicht gehabt
als Zivildiener seine Militärzeit abzustatten. Jetzt hat sich im
Herbst gezeigt, daß es eine solche Möglichkeit gibt. Er hat deshalb
vor der Zivildienerkommission nach seinem Urlaub die Einberufung
mit 1. Juli nächsten Jahres erhalten. Da ich in keinem der Fälle
auch nur ein einziges Mal mit jemandem geredet habe, geschweige denn
interveniert habe, aus dem Artikel aber der Eindruck entstehen muß,
der Papa wird's schon richten, war ich über diese Vorgangsweise
wirklich sehr verärgert. Bei solchen Anlässen denke ich mir wirk-
lich, wozu ich mir dies Ganze antue.
Genauer Text des Fernschreibens:
Ich finde es beschämend und empörend, daß sie meine Familie ohne
zu recherchieren in ihre Berichterstattung einbeziehen.
Staribacher
Tagesprogramm, 12.11.1980
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)