Donnerstag 9. Juli 1981
Die ganze Corona der Ölwirtschaft erschien bereits am Morgen, um mir mit-
zuteilen, daß sie die Benzinversorgung nicht mehr aufrechterhalten können.
Nach ihren Berechnungen brauchen sie für den Importbenzin 12,29 S. Ihre
Forderung war entsprechende Preisfreigabe oder gegebenenfalls einen so
hohen Benzininlandspreis, damit sie die Importe tätigen können. Ihnen
schwebte mindestens 70 Groschen Benzinpreiserhöhung vor. GD Bauer erklär-
te als Sprecher, sie hätten mich damit verständigt, ich hätte die Ver-
antwortung und sie würden in der Öffentlichkeit nichts mehr sagen. Ich
erklärte sofort, da müssen wir ein Kommunique rausgeben, das wir dann
sogar gemeinsam formulierten. Die Multis wollten, daß dieses Kommunique
sofort verlautbart wird. GD Bauer ersuchte, man sollte es zurückstellen,
bis eine endgültige Entscheidung auch in ihrem Kreis gefallen ist.
Während des ganzen Tages wurde dann über den Benzinpreis im Rahmen der
Paritätischen Kommission über die anderen Produkte intensivst verhandelt.
MR Kurzel war dann endlich bereit, ohne daß ich ihm eine Weisung geben
mußte, den Vorschlag der AK, 50 Groschen Normalbenzin und 50 Groschen
Superbenzinpreiserhöhung, auch zu akzeptieren. Er hatte ursprünglich vor-
gesehen höchstens 40 Groschen den Superbenzin raufzusetzen, Ofenheizöl
30 Groschen. Mit dieser Lösung waren dann alle einverstanden, die Öl-
industrie erklärte nur, sie müsse neuerdings zu einer weiteren Preiser-
höhung die entsprechenden Unterlagen wieder einreichen. Die Versorgung
sei mit dieser Preisregelung nicht sichergestellt. Wie mir Dr. Satzinger
mitteilte, hat der Sekretär des ÖGB, Tumpel, angenommen, dies sei alles
von mir ein abgekartetes Spiel, ich wolle, daß die Versorgung zusammen-
bricht, damit ich endlich die amtliche Preisregelung aufgeben könnte.
Dies liegt mir fern, obwohl ich auch dagegen nichts einzuwenden hätte.
Ich habe mich ausschließlich hier von den Wünschen der AK und des ÖGB
leiten lassen und sogar mehr oder minder, allerdings ohne irgendeine
Weisung auszusprechen, den MR Kurzel als Vorsitzenden der Preiskommission
für die Pläne der AK und des ÖGB gewonnen. Als ich dann nach Zeit im Bild
mit Satzinger die Ergebnisse besprach, betrachteten wir die Lösung als
ein faires Kompromiß und daß leider auch innerhalb unserer eigenen Reihen
sehr viel gestritten wurde.
Die Fa. Gärtner, Internationale Spedition aus St. Pölten, wollte ihr
Staatswappendekret so schnell als möglich. Bei der Verleihung, wo die
Familie nur anwesend war, lud man mich dann natürlich wieder in ihren Be-
trieb ein, angeblich waren von mir bereits 2 Termine abgesagt.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Versuchen wir doch die Termine mit den Betrieben
einigermaßen einzuhalten.
KR Hrabac erschien zu einer Aussprache mit SC Jagoda und mir. Ich erklärte
ihm die Schwierigkeit, warum wir einen Immobilienhändler auch dann, wenn
er so seriös ist und seine Person vollkommen außer Streit steht, sehr
schwer nur das Dekret zur Führung des Staatswappens geben können. Da
die Verwendung auf dem Briefpapier bei einem Kunden die Verwechslungsge-
fahr mit einer halbamtlichen Firma wie Notar, Ziviltechniker, Handels-
kammer, Arbeiterkammer gegeben ist, diese führen nämlich auch das
Staatswappen, so hat der Verein für Konsumenteninformation uns geschrie-
ben, daß wir doch genau untersuchen sollen, wie eine entsprechende Ab-
grenzung erfolgen könnte. Zur größten Überraschung von SC Jagoda und mir
erklärte sich Hrabac einverstanden und schlug es selbst vor, daß er auf
seinen Antrag verzichtet. Ursprünglich wollte er mir dies sogar schrift-
lich mitteilen, andererseits wollte er, daß dies strengst vertraulich be-
handelt wird. Wir einigten uns daher darauf, daß ich keinerlei schriftliche
Unterlage, weder durch einen Aktenvermerk von SC Jagoda noch durch einen
Brief von ihm festhalte, sondern daß wir eben die Materie weiter untersu-
chen. Sollte wider Erwarten einmal eine Auszeichnung dieser Berufsgruppen
erfolgen, dann wird Hrabac als erster, da er wirklich das führende Unter-
nehmen in der Branche wäre, das Dekret zur Führung des Staatswappens be-
kommen. Hrabac ließ durchblicken, daß er dafür eine andere Auszeichnung
für seine Tätigkeit erwartet. Nächstes Jahr wird er 70, er hat noch kei-
nerlei staatlichen Orden bekommen und ich versprach ihm, für einen ganz
großen Orden einzureichen. Er erklärte, daß er auch mit Präs. Sallinger
darüber sprechen wird.
Sallinger habe ich bei der Eröffnung des Zentrallagers der Fa. Böhm getrof-
fen und ihn sofort vom Ergebnis dieser Aussprache und meiner Absicht,
höchstmöglich zu dekorieren, informiert. Sallinger war sehr verärgert, daß
Hrabac jetzt, obwohl die AK und er ja zugestimmt hat, seinen Antrag zurück-
zieht, er meinte, der VKI hätte kein Recht gehabt diese Warnung über die
Verwechslung dem Handelsministerium mitzuteilen. Er hat sofort den LAbg.
und Vertreter der HK im VKI, Dr. ......., gerufen und inquisitorisch gefragt,
wieso der Verein so etwas beschließen konnte. Dieser erklärte, er wisse
von diesem Schreiben überhaupt nichts.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte Dr. Koppe davon verständigen.
Vor der Bundesparteivorstandssitzung haben Landwirtschaftsminister Haiden
und Präs. Benya und ich mit Salcher über die Getreidepreiserhöhung resp.
Übernahme Salchers der Zinserhöhung von 9 3/4 auf 12 3/4 % in der Ein-
lagerungsaktion verhandelt. Salcher erklärte, er könne dies unmöglich
akzeptieren, denn er rechnet damit, daß 200 Mio. S durch Abbau von Einla-
gerungsaktionen und Überwälzung auf den Konsumenten sein Budget im näch-
sten Jahr entlasten wird. Die 3 % Zinsenerhöhung würde nach seiner Be-
rechnung 7 Groschen Brot- und Mehlpreiserhöhung bedeuten. Rundweg erklärte
er, daß alle Minister mit Ausnahme von mir von ihm zusätzliche Budget-
mittel verlangen. Das nächstjährige Bruttodefizit würde jetzt bereits
69 Mrd. S sein, wobei noch 9 Mrd. offene Forderungen, die er im Minister-
gespräch zumindestens größtenteils wegbringen muß, gar nicht in diesem
Bruttodefizit enthalten sind. Zusagen, von denen er jetzt erfährt, wie
BMW-Investition für die Steyr-Daimler-Puch, BMW-Kooperation, die auf 15
% ähnlich wie die General-Motors-Zuschüsse angehoben werden sollen, 1 Mrd.,
Stölzle-Oberglas 200 Mio., VEW 3 Stufen, heuer noch 78 Mio., die zweite
und dritte dann natürlich bis 83 wesentlich höher. Haiden jetzt 250 Mio.
Budgetüberschreitung noch in diesem Jahr und im nächsten Jahr also Ein-
sparungen auch wieder wesentliche Erhöhungen. Benya flüsterte mir gegen-
über, ich sollte gegebenenfalls, wenn es gar nicht anders geht, halt die
Mehl- und Brotpreise ev. mehr als die 70 Groschen, die vorgesehen sind,
erhöhen. Von ihm hätte ich also theoretisch, ohne daß er bis jetzt mit der
AK oder seinen Leuten gesprochen hat, plein pouvoir. Wir einigten uns dar-
auf, daß wir Montag beim Landwirtschaftsminister mit dem Finanzminister und
den Interessensvertretungen weiter verhandeln werden. Salcher tut mir
wirklich leid. In seiner Verzweiflung hat er mein Verhalten sogar als
mustergültig hingestellt. Das hilft ihm nur herzlich wenig.
In der Parteivorstandsitzung wurde vorerst von Marsch und Blecha über die
Personaländerung berichtet. Das Präsidium hat beschlossen, als Nachfolger
des unvergleichlich guten Public-Relations-Mann Brantl, der ja freiwillig
aus dem Leben geschieden ist, jetzt den Öffentlichkeitsberater von Graz,
Mahr, ehem. Kronen-Zeitung-Redakteur, diese Arbeit zu übertragen. Rösch
machte mir gegenüber die Bemerkung, jetzt sind wir von Brantl auf den Mahr
gekommen. Ich bin wirklich sehr gespannt, wie er dieses Problem einiger-
maßen befriedigend wird lösen können.
Blecha berichtet dann über die große Herbstaktion, wo Mobilisierungskon-
ferenzen die jetzt gedrückte Stimmung innerhalb unserer Partei ändern
sollen. Die Teilnehmer in diesen 23 Großveranstaltungen in Österreich wer-
den mit Bussen zusammengeholt, Saalausstattung, Musikkapellen und dann
die bedeutenden Redner sollen die Teilnehmer gefangen nehmen, wie Blecha
euphorisch berichtete. Neben dem Slogan "Österreich muß vorne bleiben"
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wird im Herbst die bis jetzt vertrauliche Devise in Zeiten wie diesen
und dann kommen eben die Aussagen, braucht man, muß man, wird man, dieses
und jenes machen und sicherlich der Gipfel dann als Ergebnis, ohne daß
er es sagte, ich aber vermute, Kreisky soll bleiben. Die Wahlen werden
im Frühjahr 83 durchgeführt. Die Meinungsumfrage ergibt, daß wir in einer
ähnlichen Situation vor der 79-er Wahl 47 1/2 % gehabt haben, jetzt lie-
gen wir bei 48 1/2 %, wir haben uns also ganz schön erfangen, die ÖVP
ist schwächer als je, nur die Freiheitlichen haben zugenommen.
Kreisky ehrte zuerst Rosa Jochmann zu ihrem 80. Geburtstag, für mich
neu war die Bemerkung, daß Jochmann in der ersten Republik als Bauer-
Liebling bereits 1930 in den Parteivorstand gekommen ist, er, Kreisky,
hätte niemals diese Zuneigung von Bauer erreicht, hat aber mit den da-
maligen Sozialistische-Jugend-Funktionären immer dafür gekämpft, daß
Jochmann eben in den Parteivorstand kommt. Diese erwiderte dann, daß sie
sehr glücklich war, die paar Stunden jetzt im Parteivorstand anwesend
sein zu können und festzustellen, daß sich nichts geändert hat; während
die Referenten Marsch und Blecha referierten, wurde genauso getratscht,
als dies seit eh und je im Parteivorstand der Fall war. Dann, wie konnte
es anders sein, erzählte sie aus ihren schrecklichen Erlebnissen im Kon-
zentrationslager. Sie meinte, 45 hätte auch sie den großen Fehler begangen,
daß man, um die doch Millionen Wählerstimmen nicht zu verlieren, das
Nazi-Problem runterspielte resp. nicht genügend bekämpfte. Jetzt sei die
Gefahr eines Neofaschismuses auch wieder gegeben. Ich persönlich kann
mich noch auf die schweren Auseinandersetzungen innerhalb unserer Partei-
führungsgremien genau erinnern. Einmal war der Wiener Vorstand, dem ich
damals als Sozialistischer Jugendlicher angehörte, bei Staatskanzler Renner
in seine Privatvilla in die Wenzgasse eingeladen. Dort hatte er dem Wiener
Parteivorstand klar und deutlich auseinandergesetzt, daß in einer Demo-
kratie nicht hunderttausende Menschen global verurteilen kann, weil sie
Mitglied einer Partei waren, oder gar auf lange Sicht ihnen die demokra-
tischen Rechte verweigern könnte. Mir erschienen die Ansichten dieser
Rechten logisch, Gott sei Dank haben sie sich auch innerhalb unserer Par-
tei durchgesetzt, die Entwicklung in Österreich wäre sonst sicherlich an-
ders verlaufen, die Kommunisten hätten keinen Skrupel gehabt auch hier
alles entsprechend zu ihren Gunsten zu nützen, jetzt hat Österreich diese
Generation überlebt, wenn es einen Neofaschismus gibt, dann sicherlich
nicht, weil man diese Lösung damals getroffen hat, sondern trotzdem es die-
se Lösung gegeben hat. Faschistoide Züge in einer Gesellschaft wird es
immer geben, Unzulänglichkeiten der Demokratie werden immer dazu führen,
daß man nach einem starken Mann ruft, dies müssen sich die Demokraten vor
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Augen führen und danach handeln, indem sie ihr demokratisches Verhalten
durch Vorleben und durch weitestgehende Sauberkeit der Demokratie doku-
mentieren. Dies ist meine Ansicht zum Naziproblem immer gewesen, ich brauch-
te diese Meinung, glaube ich, nicht korrigieren, obwohl auch ich in einem
Konzentrationslager war. Ich gebe allerdings zu, daß wenn man so wie
Jochmann jahrelang dort gewesen ist, wahrscheinlich viel schlechtere Er-
fahrungen sammeln konnte als ich. Sie behauptet, und das glaube ich ihr
gerne, sie kann diese Zeit nicht nur nicht vergessen, sondern den Eindruck,
den sie dort gehabt hat, die Menschen, die sie alle sterben gesehen hat,
bleiben ihr immer in Erinnerung und sie kann dieses grauenhafte Erlebnis
nicht aus ihrem Gehirn verbannen.
Da ich zu der LUGA-Vorstandssitzung und -Fraktion fahren mußte, ersuchte
ich Staatssekretär Albrecht für mich einige Aufzeichnungen zu machen.
ANMERKUNG FÜR ALBRECHT: Vielen Dank für diese ausführliche Schilderung.
In der Fraktion berichtete ich über die Parteiaktivitäten im Herbst. Per-
sonell wurde von Blümel angedeutet, daß die nächste fraktionelle Gesamt-
vorstandssitzung dann als neuen Obmann den Koll. Simperl, BRO von Coca-
Cola und am letzten Verbandstag als erster Stellvertreter von mir gewählt,
zum neuen Fraktionsobmann machen wird.
In der Gesamtvorstandssitzung berichtete ich nicht nur über die Wirt-
schaftslage, sondern ganz besonders auch über die Probleme, die die LUGA
besonders interessieren, Getreide-, Mehl-, Brotpreiserhöhung, Rapsaufkauf,
für Fettindustrie besonders wichtig, bessere Wirtschaftssituation, alles
die Prognosen derzeit lauten usw. Koll. Simperl, leider der einzige Dis-
,kussionsredner meinte mit Recht, daß branchenspezifische Verschlechte-
rungen sicherlich festzustellen sind, andererseits es aber einzelnen Fir-
meninhabern immer wieder gelingt, öffentliche Mittel zu bekommen und dann
früher oder später zugrunde zu gehen und sich vorher aber noch persönlich
eine weitestgehende Absicherung durch Verschiebung von Millionen Schilling
ins Ausland oder durch Transferierung ihres Vermögens auf Familienange-
hörige persönlich aus der Schlinge zu ziehen. Unerklärlich ist ihm auch,
daß die Fa. Shell 15 % Dividende bezahlt, die Fa. Mobil 20 %, also Super-
ergebnisse von den Ölfirmen erwirtschaftet werden und gleichzeitig sie
erklären, wenn sie nicht entsprechende Preise bekommen, die Versorgung
einstellen zu müssen resp. jetzt mit einem Riesenverlust arbeiten zu
müssen.
Erfreulicher war dann, daß von den einzelnen Gruppen die Lohnabschlüsse
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mitgeteilt werden konnten. Bei den Fleischern wurde sowohl in der Industrie
als Gewerbe mit 7,4 % mit 1. August 12 Monate Laufzeit abgeschlossen, die
Frauenlöhne werden in drei Etappen an die Männerlöhne herangeführt. Jetzt
wurde einmal von der Differenz 1/3 gestrichen. Ab nächsten Jahr soll
dann auch bei der Fleischindustrie eine Dienstalterszulage eingeführt
werden.
Die Müller haben mit 7,2 % für Industrie und Gewerbe abgeschlossen, wozu
noch einige arbeitsrechtliche Besserstellungen kommen. Bei der Brotindu-
strie und Brotgewerbe finden noch immer sehr schwere Verhandlungen statt.
Die Brotindustrie erwartet allen Ernstes, daß wir mit ihr zu einem tie-
feren Prozentsatz abschließen, als das Gewerbe bereit wäre zuzugestehen.
Beim Gewerbe wieder hat man uns Zusagen gemacht bezüglich der Regelung
der Weihnachts- und Urlaubszuschüsse. Hier müßte die aliquote Bezahlung
auch im ersten Jahr von seiten der Gewerbebetriebe erfolgen, was aber
die Wiener Innung und auch andere Innungen bis jetzt ganz entschieden
abgelehnt haben.
Unser Jugendsekretär berichtete, daß die Chemiearbeiter zugestimmt haben,
daß die Lehrlingsentschädigung im dritten Lehrjahr, allerdings in der
chemischen Industrie 6.200 S sehr hoch, ab 1.7.81 um 1/3 gekürzt werden.
Nur so hofft die Industrie, aber auch die Chemiearbeitergewerkschaft, daß
überhaupt Lehrlinge von den Unternehmen aufgenommen werden. Für mich war
dies ein typischer Beweis, daß es früher oder später zu einer negativen
Reaktion kommt, wenn man allzu sehr den Bogen überspannt. Eine kleine Kon-
frontation hat es dann mit unserem Jugendsekretär gegeben, als dieser,
ohne daß er vorher mit mir geredet hat, obwohl ich ja tagtäglich in der
Gewerkschaft bin, eine Konzeption ihrer Stellungnahme zur Rüstungspro-
duktion und Berufsausbildung beim nächsten ÖGB-Jugendkonferenz vertreten
werden. Auch Zentralsekretär Blümel hat ihm dezidiert erklärt, die Jugend
hat bei uns, und dies wird ja gar nicht von ihr bestritten, große selbstän-
dige Bewegungs- und Diskussionsfreiheit, doch wollen wir schon in der Ge-
samtorganisation mit ihnen über diese Probleme auch diskutieren.
Die Ölsaatensitzung mit den beiden Vertretern der Rapsgemeinschaften,
Landwirtschaft, Präs. Lehner, Dkfm. Haupt, Ing. Altmann von der Präsidenten-
konferenz, Industrie, Konsul Hirsch, und Dr. Büttner, Unilever, brachte
wieder keine endgültige Einigung. Durch den gestiegenen Dollarkurs und
sogar durch ein Ansteigen der Rapsweltmarktpreise wäre unter Einbe-
ziehung der 25 Mio. S Stützung des Finanzministers und 5 Mio., die die
Fettindustrie bereit ist zu bezahlen, ein Rapspreis von 6,40 S heraus-
gekommen. Da im Vorjahr der Rapspreis 6,80 S gewesen ist, schlug ich
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vor, man sollte versuchen die Industrie dafür zu gewinnen, daß sie auf
diesen Preis akontiert. Da die Industrievertreter kein größeres pouvoir
hatten als 5 Mio. zuzugestehen, die Landwirtschaftsvertreter auch noch
mit ihren Herren reden wollten, sie können sich nicht vorstellen, daß sie
nicht die von ihnen angekündigten 7 S erreichen, wurde die Sitzung
neuerlich unterbrochen.
Bei der Eröffnung des Zentrallagers Böhm haben die ersten Redner, er
selbst und dann Dr. Desmapol von den Sattler Textilwerken, die Regierungs-
politik hart attackiert. Jener sprach von der Mittelstandspolitik, die
notwendig ist und dieser ganz besonders, daß die Wirtschaftspolitik in
dieser Regierung überhaupt nicht stattfindet. Vizebürgermeister Busek,
von allen Anwesenden mit frenetischem Beifall begrüßt, hat weniger die
Regierung angegriffen, als darauf verwiesen, daß die Firma mit geringsten
Subventionen, 1,7 Mio. aus der Strukturverbesserung, dieses 40-Mio.-Investi-
tionsprojekt hergestellt hat. Präs. Sallinger war wie immer sehr zahm
und hat nur gelegentlich auf die Mittelstandspolitik hingewiesen. Daß
ich trotz einer launigen Ansprache natürlich alle diese Angriffe zurück-
gewiesen habe, war selbstverständlich. Ursprünglich hatte ich angenommen,
daß der vor mir sprechende Staatssekretär Nußbaumer, der ja den Bundes-
kanzler vertrat, darauf eingehen würde, er hat aber nur, teilweise sogar
sehr professoral, auf die Bedeutung des Handels im allgemeinen und ganz
besonders, daß jetzt auch von der Vorarlberger Firma der Osten als Be-
tätigungsfeld gewählt wurde, hingewiesen. Böhm meinte dann abschließend
unter 4 Augen zu mir, er war ja nicht sehr glücklich, daß dann eine sol-
che politische Diskussion bei der Eröffnung entstanden ist, ich selbst
meinte, das stört mich gar nicht, ganz im Gegenteil, das machte eine
solche Feier erst lebendig.
PARTEIVORSTAND, Donnerstag den 9. Juli 1981 10.45 Uhr
Hubert Pfoch wird die Viktor-Adler-Plakette anläßlich
seines 60. überreicht.
Anschließend der Bundeskanzler zur Frage der Länderbank:
Kritisiert die falsche Politik des Vorstandes, weist
darauf hin, daß das Problem noch nicht bereinigt ist
(wird im Herbst mit einer Reihe anderer Probleme noch
eingehend besprochen).
Der Bundeskanzler erklärt, daß recht Unangenehmes passiert
hätte die Regierung nicht die Fragen Länderbank,
Eumig und Klimatechnik bewältigt. Schuld an der Situation
sei die Unzulänglichkeit von Menschen, die das Vertrauen
der Sozialisten hatten und sich zum Teil gröbliche Pflicht-
verletzungen, verbrecherische Machenschaften oder sträflichen
Leichtsinn zuschulde kommen ließen.
Der Bundeskanzler zu den steirischen Landtagswahlen:
Wichtig ist das Stimmverhalten, Bei schlechtem Stimmverhalten
nicht nur die Gefahr, einen Landesrat zu verlieren, sondern
auch die Mehrheit im Bundesrat, was ein halbes Jahr Ver-
zögerung bei Gesetzesbeschlüssen bedeuten kann.
Nach der Meinung des Bundeskanzlers hat Krainer die ehr-
geizige Absicht, die steirische Wahl schon deshalb erfolgreich
zu schlagen, damit er sich noch stärker innerhalb der ÖVP
profiliert und zum geeigneten Zeitpunkt für das Amt des
Bundeskanzlers in seiner Partei kandidieren kann.
Der Bundeskanzler berichtet darüber, daß er unausgesetzt
mit Telegrammen von Krainer bombardiert wird, so z.B.
in der Frage der Eumig. Der Bundeskanzler betont nicht
nur die Sanierung der Eumig, sondern auch die Rettung
von Fohnsdorf, die durch eine Ausgliederung garantiert
werden soll.
Als eine geheime Mitteilung berichtet der Kanzler dem
Parteivorstand, daß nach sozialistischer Ansicht der
Neudorfer Betrieb Vorrang vor dem Fürstenfelder haben
müßte.
Krainer hat auch über die Situation der Solo-Zündholzfabrik
dem Kanzler telegrafiert (Hauptsitz der schwedischen Firma
ist in der Schweiz). Kreisky hat bereits bei einem Besuch
in Stockholm interveniert, daß der österreichische Betrieb
so lange nicht geschlossen werden soll, bis Ersatzarbeits-
plätze gefunden werden. Sein Vorschlag an Krainer:
Der Betrieb sollte gemeinsam gerettet werden.
Krainers Kritik an Apfalter wird vom Bundeskanzler zwar
nicht geteilt, er ist aber doch verärgert über Apfalters
Aussage, daß "Arbeitsplätze aufgesogen werden", was zu
Skandalmeldungen gegnerischer Blätter, "3000 Arbeitsplätze
wären zuviel", geführt hat.
Kreisky betont ausdrücklich, daß er Krainer darüber informiert
hat, daß er über Diskussion und Kontakt zum steirischen
Landeshauptmann den Genossen Gross genau verständigt.
Der Bundeskanzler betont, daß er im übrigen nur dann
in den steirischen Wahlkampf eingreifen will, wenn er
persönlich angegriffen wird.
Nun vielleicht zum wichtigsten Thema des Parteivorstandes,
nämlich zur Frage: Soll Hirtenberg verstaatlicht werden
oder nicht? Das Unternehmen gehört bekanntlich der
Mandl-Witwe. Interessenten sind eine Reihe ausländischer
Gruppen, darunter auch arabische.
Auch aus diesen Überlegungen heraus spricht sich der
Kanzler dafür aus, daß man der VOEST ermöglichen soll,
Hirtenberg zu erstehen.
Kreisky erklärt sich auch bereit, im Herbst über die
Fragen der Rüstung im Parteivorstand zu diskutieren.
Er würde das Einleitungsreferat halten.
Kreisky hält dann auch historische Rückblicke über die
Zwitterstellung, für den Frieden zu sein und gegen
Bewaffnung und dann doch wieder zur Bekenntnis zu stehen,
sich gegen Aggressionen zu verteidigen. Kreisky ruft
in Erinnerung, daß 4 Stunden Widerstand 1938 genügt
hätten, um Österreich nach dem Krieg in eine andere
Situation zu bringen.
Kreisky warnt daher auch vor unbedingtem Pazifismus und
erklärt (auch darüber könnte man sicher diskutieren) daß,
"nicht Kriegsgerät Krieg erzeugt, sondern Politik".
Zu den Abfangjägern: Lösung gefällt ihm nicht, ist nicht
bindend, soll im September diskutiert werden.
Kreisky kritisiert sehr scharf die amerikanische Außen-
politik, die konzeptlos ist, aber dennoch so serviert wird,
daß ihr die Mehrheit in Amerika zustimmt.
Als geradezu katastrophal bezeichnet Kreisky die amerikanische
Finanzpolitik.
Als Eine besondere Hoffnung der Außenpolitik sieht der
Kanzler in der Tatsache, daß wir in Europa nicht nur einen
sozialdemokratischen deutschen Kanzler haben, sondern auch
einen Sozialisten als französischen Präsidenten. Hier gibt
es Chancen im Dialog Schmidt, Mitterrand, Reagan und Thatcher.
Kritisch dagegen ist die Situation der dreifach gespaltenen
britischen Arbeiterpartei.
Was in Israel geschehen ist, bezeichnet Kreisky als das
"Böseste, was passieren kann."
Obwohl einige Male darauf hingewiesen wird, daß die
Sozialisten den vorgesehenen Wahltermin korrekt einhalten
werden, wird doch auch schon Wahlmunition besprochen:
Kreisky sieht als eine Hauptaufgabe an, darauf hinzuweisen,
wie gut und fruchtbar für Österreich die Entwicklung der
letzten 10 Jahre gewesen ist, wie sehr sich neben der
Wirtschaft auch die Kunst, Wissenschaft und Kultur ent-
wickeln konnten. Der Vergleich mit anderen Ländern, vor
allem mit konservativen, die in der Bewältigung der Probleme
total versagen, muß immer wieder gezogen werden.
Im Zusammenhang mit der inneren Stabilität übt der Kanzler
scharfe Kritik an den Jungen, die sich vor allem anläßlich
der großen internationalen Kundgebung auf dem Rathausplatz
einigermaßen aggressiv verhielten (Pfeifkonzert).
Ein Vergattern der Partei: Wir haben selbstbewußt aufzu-
treten und keinesfalls darf in der Partei ein gewisser
Rand entstehen, wo man nicht weiß, was dort alles passiert.
(Anmerkung Albrecht: Wirtschaftsverein )
Zum Thema Hirtenberg meldet sich Hellwagner und bringt
den Vorschlag, daß die VOEST mit 3/4, Ranshofen aber mit
1/4 beteiligt werden sollte.
Der Bundeskanzler meint, daß dies alles noch besprochen
werden müsse.
Ileschitz erinnert an das "Stückerl Eisenerz", das nicht
übersehen werden sollte und sich auch noch in privaten
Händen befindet.
CAP bringt einen Bericht über das Festival der Jungen.
Es ist ein vermittelter Beitrag, in dem er sich von den
Zwischenfällen distanziert, für die er nicht verantwortlich
ist. Er überbringt den Dank der SI und begrüßt die
Diskussionen, die im Herbst stattfinden sollen. Zum Verkauf
der Hirtenberger behält er sich vor, erst dann zuzustimmen,
wenn Änderungen in Richtung Zivilproduktionen echt vorge-
sehen sind, also ein einschlägiges Konzept vorliegt.
Jedenfalls aber spricht er sich gegen private Konsortien
aus. Eine Europäisierung nuklearer Konflikte sei jedenfalls
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inakzeptabel.
In der Diskussion meldet sich Braun und warnt davor,
in Atom- und Rüstungsfragen einen einseitigen Eindruck
zu erwecken. Die Kritik und die Ablehnung dürfe nicht
nur den Westen, sondern auch den Osten betreffen. Braun
schlägt vor, der Parteivorstand solle sich eingehend mit
der Auswahl, Betreuung und Kontaktnahme jener Manager
befassen, die von der Partei eingesetzt werden.
In seinem Schlußwort tritt der Bundeskanzler neuerdings
für eine Hirtenberg-Entscheidung zu Gunsten der VOEST
ein, spricht sich gegen eine legere Haltung gegenüber
Ostbewaffnung aus und meint zu Managerproblemen, daß die
Manager genau ausgesucht worden sind und daß es weniger
darum geht, daß Manager Parteisteuer bezahlen, sondern
gute Arbeit leisten.
Wie erwartet fällt die Entscheidung Hirtenberg pro VOEST
aus. CAP enthält sich als einziger der Stimmer. Einige
Personaländerungen (Änderung Bundesfrauen, Peck im Bundesrat usw.) werden erwartungsgemäß einstimmig zur Kenntnis
genommen. Marsch setzt als nächstes Datum des Partei-
vorstandes den 8. September um 12.30 fest.
Blecha beeilt sich, sein Satellitenfernsehen schmackhaft
zu machen und teilt mit, daß sich eine Arbeitsgruppe mit
diesem Problem befassen wird.
Schluß des Parteivorstandes 14 Uhr
Tagesprogramm, 9.7.1981
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)