Freitag, 30. April, bis Sonntag 2. Mai 1982
Die Eröffnung der Grazer Frühjahrsmesse verlief wie geplant. Erstmals
hat LH Krainer nicht eine vorbereitete Rede runtergelesen, sondern so
wie ich aus einigen Bemerkungen auf einem Zettel frei gesprochen. Bgm.
Götz hatte vorher für die Stadt Graz eine stärkere Berücksichtigung
beim Ausbau der steirischen Bundesstraße, insbesondere der Mur-Mürz-Furche
verlangt. Angeblich werden die Architekten und Ziviltechniker jetzt
durch die neue Gesellschaftskonstruktion mit Sitz in Wr. Neustadt ausge-
schaltet.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER : Bitte im Bautenministerium prüfen lassen und
dann einen Brief an Götz schreiben.
Krainer wieder kritisierte auch in seinen Bemerkungen aber dann auch
durch einen Zwischenruf die Benachteiligung der Steiermark. Selbstver-
ständlich bin ich darauf sofort eingegangen, was insbesondere dem LH-
Stv. Gross und die anderen Genossen sehr freute.
Zu dieser Frühjahrsmesse war erstmals auch der Bundesparteiobmann Mock
erschienen, überall wurde er von den offiziellen natürlich besonders be-
grüßt, die sind ja froh, daß jetzt feindlich ein Konterpart zusätzlich
zu mir erscheint. Am meisten erfreut war der Präs. der Grazer Messe,
Höller, als wir uns, nachdem ich am Mittagstisch zwischen ihm und Mock
gesessen bin, mich auch mit Mock sehr gut geredet habe. Daß wir dabei
hauptsächlich nur Vergangenheitserlebnisse austauschten, konnte er nicht
wissen. Mock erinnerte sich noch an die erste Begegnung, wo er als
Sekretär des damaligen Bundeskanzlers Klaus 1970 vor der Wahl am Rochus-
platz von der ÖVP eine große öffentliche Wahlveranstaltung im Freien
abgehalten wurde, dort mit den Leuten diskutierte und ich ganz einfach
und frech dort ebenfalls erschien bin. Mock meinte, ich sei der einzige
Minister, der sich überhaupt während meiner 12-jährigen Ministerschaft
in keiner Beziehung geändert hat. Ein größeres Kompliment hätte er mir
wirklich nicht machen können. Daß ich über die derzeitige politische
Lage weder innenpolitisch noch Beziehungen mit der Regierung oder mit
dem Handelsministerium mit ihm gesprochen habe, konnte Höller nicht
wissen, mein Prinzip ist nämlich auch gegenüber dem politisch anders Ge-
sinnten, und da kann er noch so hochgestellt sein, nichts über die inner-
parteilichen Verhältnisse zu diskutieren. Bei seinen eigenen bringe ich
ihn vielleicht in persönliche Schwierigkeiten und unsere gehen ihn nichts
an.
Auf der Grazer Messe ist eine riesige Abordnung von steirischen Gast-
häusern und kleinen Hotels erschienen die in einer Petition an den
Herrn Bundespräsidenten ersuchten, er solle sich dafür einsetzen, daß
die steirischen Beherbergungsbetriebe, die ca. 4.500 heimatlose Polen
aufgenommen haben, die sie auch weiterhin betreuen können. Die Flücht-
linge sollen nicht nach Niederösterreich oder Oberösterreich abgezogen
werden. Ich versprach diesbezüglich mit dem Innenministerium sofort
Kontakt aufzunehmen, dem Herrn Bundespräsidenten die Petition zu über-
reichen und sie über das Ergebnis zu informieren.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte Entsprechendes veranlassen.
Vor der traditionellen Pressekonferenz habe ich noch der Werkzeugfabrik
Gedore in Birkfeld das Staatswappen überreicht. Die Firmenvertreter waren
in die Messe gekommen, dieser große deutsche Werkzeugfabrikkonzern hat
mit seiner Gründung in Birkfeld, wo auch die Produktion von Zangen für
den ganzen Konzern aufgenommen werden, wesentlich zur Entspannung dieser
kritischen Zone beigetragen, ich habe dies natürlich besonders bemerkt
und mich auch bei den Deutschen Eigentümern herzlichst bedankt.
Bei der Pressekonferenz hat mich nachher auch der ORF durch ein direkt
auf Sendung gehendes Interview über diese Pressekonferenz auch gefragt.
Bei dieser Gelegenheit hat mich dann der Interviewer zu einer wie sie
es nennen grün-weißen Diskussion, d.h. auf Höreranfrage mit dem GD der
Grazer Stadtwerke Schachner-Blazizek und den Energiebeauftragten der
Landesregierung Märzendorfer eingeladen. Selbstverständlich habe ich
sofort angenommen, dadurch mußte ich die beiden Staatswappenverleihungen
an die Fa. Walch, Fenster und Fassadenbau, und an die Fa. Ankünder, einer
in Besitz der Grazer Gemeinde befindlichen Werbegesellschaft, wesentlich
verkürzen.
Die Maikundgebung in St. Margareten verlief bei einem gut besuchten vollen
Saal, der Fackelzug in Weiz dann bei einer großen freien abgehaltenen
Veranstaltung. Leider war die Einladung für 19:30 Uhr viel zu früh und
bei kaltem sternenklaren Himmel haben alle Teilnehmer sehr gefroren.
Ungeschickt war, daß man bereits so zeitig die Leute dort zum Sammeln
bestellte, denn bis dann die Kundgebung am Hauptplatz nach 9 Uhr statt-
fand, waren wir alle schon sehr durchgefroren. Ich habe mit den Betriebs-
räten von Elin während der Versammlung und vielen anderen gesprochen.
Das Weizer Werk ist für die jetzt 800 Jahre bestehende Stadt, seit 50
Jahren das Stadtrecht, alles wird heuer noch gefeiert, äußerst kritisch.
Mit Recht haben die Betriebsräte sich bei mir beschwert, daß wenn sie
vom Aufsichtsrat von den ehem. Elin-Vorständen entsprechende Informatio-
nen und Auskünfte verlangten, in ein oder dem anderen Falle eine kriti-
sche Bemerkung dazu machten, wurde sie als, das können sie ja nicht
wissen, abgefertigt. Jetzt stellt sich heraus, wie sehr sie recht
hatten.
Bei der Grazer Frühjahrsmesse hat mich auch der Botschafter der DDR,
Schramm, ersucht für einen Parteisekretär aus Thüringen, also nach dem
sowjetisch-deutschen System ein hoher Funktionär, der in der ersten
Juli-Dekade Österreich privat besuchen wird, durch ihn eine entsprechen-
de Informationsreise durch Niederösterreich zu organisieren. Thüringen
möchte jetzt von uns wissen, wie wir die Fremdenverkehrsprobleme lösen.
Ich habe ihm dies sofort zugesagt, und ihn an MR Würzl verwiesen.
ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte mit Würzl verbinden.
In Graz gibt es die Untersuchungs- und Forschungsanstalt für Motoren
AVL. Dir. Kolitsch hat sich bei mir bitter beschwert, daß auf seine
Intervention vor einem Monat, wo ich ihm entsprechende Zusagen machte,
daß man sich mit ihm ins Einvernehmen setzen wird, bis jetzt überhaupt
nichts gehört hat.
ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte mit Gröger verbinden.
Vor dem Maiaufmarsch in Wien hatten wir noch eine dringende Sitzung der
Bezirksräte und Sektionsleiter auf der Landstraße. Da die Bezirksver-
tretung am Montag von der ÖVP verlangte außerordentliche Sitzung abhal-
ten mußte, erschien es unserer Sekretärin Tischler notwendig, diese
Sitzung einzuberufen um über den Entschluß, einen neuen Bezirksvorsteher
im Laufe des Sommers auf der Landstraße zu wählen die Funktionäre zu
informieren. Die Unzufriedenheit fast aller Bezirksräte mit dem Bezirks-
vorsteher Berger hat in der letzten Zeit einen derartigen Höhepunkt er-
reicht, daß ein Wechsel dringendst notwendig wird. Berger, mit dem ich
darüber gesprochen habe, meinte, er hätte jetzt sowieso gesundheitlich
die größten Schwierigkeiten außer mit seiner Kriegsverletzung, schwer
kriegsbeschädigt, Bein amputiert, jetzt auch mit dem Kreislauf, sodaß
wir uns im Präsidium vor längerer Zeit schon über die Nachfolge den
Kopf zerbrochen haben. Nach Rücksprache mit etlichen, die dafür infrage
kommen und die aber ablehnten, blieb nur ein jetzt in die Sozialversiche-
rung der Selbständigen Abteilungsleiter. Da er von dort karenziert
werden muß, habe ich mit Handelskammerpräsident Sallinger darüber ver-
64-0497
handelt. Natürlich mußte ich ihm den Namen nennen und er hat dies dann
auch in der Sozialversicherung sofort durchgesetzt. Die große Gefahr
bestand nun, daß bevor alles endgültig formuliert, berichtet und dann
beschlossen wird, unsere Funktionäre über die ÖVP von diesem Mann er-
fahren. Eine Information auch zu ungewöhnlicher Zeit vor dem Maiauf-
marsch war daher dringendst notwendig. In der dann sehr hart geführten
Diskussion kritisierten unsere Bezirksräte und Sektionsleiter dieses
Vorgehen. Da die ganze Aktion sehr vertraulich behandelt werden mußte
und auch bisher vollkommen dicht, niemand etwas erfahren hat, waren sie
wirklich von dieser Mitteilung überrascht. Umso mehr meinten sie, hätte
man viel Zeit für eine Diskussion gebraucht und beschlossen, daß wir
am nächsten Dienstag darüber weiterverhandeln sollten. Gegen die Person
des Bezirksrates und Sektionsleiters Reviczky hatten die meisten keine
Einwände. Nur die Vorgangsweise wurde hart kritisiert, auch dann, wenn mal
wie ich während des ganzen Aufmarsches und sonstigen Zeit versuchte die
Beweggründe des Präsidiums über diese Vorgangsweise darzulegen und zu
erklären.
Nach dem bei scheußlich kaltem Wetter durchgeführten Maiaufmarsch an
dem aber verhältnismäßig mehr Leute teilnahmen als im Vorjahr wo der
Maiaufmarsch eigentlich abgesagt wurde und nur eine Kundgebung auf dem
Rathausplatz gegen die Ermordung des Stadtrats Nittel, die sicherlich alle
Genossen im Vorjahr schockierte und vielleicht sogar von einem Aufmarsch
und Teilnahme an der Trauerkundgebung am Rathausplatz abhielt, waren
diesmal mehr Teilnehmer zu verzeichnen.
Nachmittag wäre bei der Maikundgebung in Klingenbach bald bei sehr
scheußlichen regnerischen Wetter doch auch noch ein Festzug zustande-
gekommen. Die Burgenländer haben im Herbst Landtagswahlen und auch Ge-
meinderatswahl und dadurch wollte ein Teil von ihnen, trotzdem es regnete,
den Maiaufmarsch doch durchführen. Die größere Anzahl aber, fast würde
ich sagen die vernünftigen haben gesiegt und es wurde eine sehr feierli-
che Kundgebung im Gasthaussaal abgehalten. Dadurch hatte ich auch Ge-
legenheit ein längeres Referat zu halten, als ich sonst bei strömendem
Regen womöglich im Freien hätte abhalten können. Dieser erste Mai war
wirklich ins Wasser gefallen.
Von Freitag abends beginnend, hatte Ernst Gehmacher, der ein Buch über
den vor 150 Jahre in ganz Österreich wandernden Kyselak geschrieben hat,
eine sogenannte Kyselak-Tour, gleichzeitig Geisterbeschwörung, gleich-
zeitig Propagandafahrt für den Moldenverlag, gleichzeitig aber immer
64-0498
Dichterlesung von ihm mit einem Dutzend Leuten begonnen. Wie er mir
persönlich dann mitteilte, war am Anfang sogar, allerdings nur solange
der Asphalt reichte, von Rodaun aus Gesundheitsminister Steyrer mitge-
gangen. Ich selbst hatte Gehmacher versprochen, den letzten Teil seiner
Propagandaveranstaltung mitzumachen. Vom Biobauer Mosbacher in der
Nähe von St. Aegyd wanderten wir dann etliche Dutzend Kilometer bis in
die Walster vor Mariazell. Da in dieser Gegend noch viel Schnee gelegen
ist, war es eine sehr beschwerliche Wanderung. Überrascht war ich, daß
doch sehr viele, wenn auch nur zeitweise, immer wieder dazugestoßen sind.
Von den ungefähr 1 Dutzend bei Rodaun Gestarteten waren nur mehr Geh-
macher, sein Sohn und ein einziger Teilnehmer dabei, alle anderen waren
immer wieder später dazugekommen, am letzten Tag auch GD Kienzl. Wir
diskutierten mit Gehmacher gemeinsam die verschiedensten Probleme am
wichtigsten erscheint mir, daß Gehmacher bereit wäre, wenn Prof. Fritz
Klenner die Arbeit von dem leider zu früh verstorbenen KA-Dir. und ehem.
GD-Stv. der OeNB, Wirlandner, übernehmen würde, er ebenfalls mitwirken
würde. Ich habe noch immer die vage Hoffnung, daß es doch gelingt einen
Arbeitskreis zu gründen, der über die Sozialdemokratische Marktwirt-
schaft nachdenkt. Klenner hat mit seinem Buch Unbehagen, viele kritische
Bemerkungen, wo ich ihm zustimme, nicht nur schriftlich festgelegt,
sondern auch gezeigt, daß er trotz seines hohen Alters leicht imstande
wäre, sein ungeheures Wissen und seine theoretischen Kenntnisse der
Arbeiterbewegung und deren Probleme zur Verfügung zu stellen. Gehmacher
wieder erklärte sich sofort bereit, wenn Klenner diese Arbeit übernimmt,
mitzuwirken. Ich werde daher versuchen Fritz Klenner dafür zu gewinnen.
ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte mit Klenner verbinden.
Tagesprogramm, 30.4.1982
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesprogramm, 1./2.5.1982