Montag, 10. Jänner 1983
Beim Jour fixe in der Handelskammer erklärte ich Sallinger und Kehrer,
daß die letzte Aussprache mit den Videorekorderherstellern, d.h. der
Industrie und dem Handel bei einem Treffen mit der Zeitschrift A3,
ich den Eindruck habe, daß eine Verlängerung der Videorekordereinfuhr-
verordnung für Japan möglich und zweckmäßig ist. Sowohl Philips als
auch die Industriefirmen Grundig, ITT und Siemens haben mir über-
einstimmend mitgeteilt, daß sie unbedingt eine solche Verlängerung
wünschen, der Handel scheint damit einverstanden wenn die Portables und
zwar die echten aus dieser Verordnung ausgenommen bleiben. Kehrer
erklärte, es müsse nur geklärt werden, ob die Trennung bei jetzigen
sogenannten Portables, wo der Tuner und der Lautsprecher in verschiede-
nen Chassis geliefert werden, als portable gelten. Die Japaner trennen
die nämlich, damit sie unter 3-kg-Gewichtsgrenze für Portables kommen.
Die Entscheidung in der Bundeshandelskammer wird nicht diese Woche,
sondern erst Montag nächster Woche getroffen werden. Ich habe sofort
erklärt, man müsse unbedingt dann sofort die Verhandlungen mit meiner
Abteilung beginnen, da die Verordnung zeitgerecht verlängert werden
muß.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: MR Fischer soll sich entsprechend einschalten.
Die Handelskammer hat über das WIFI errechnen lassen, daß eine für
den Handel unerträgliche Gesetzesflut besteht, eine Broschüre hat
z.B. festgestellt, daß für den Lebensmittelhandel 129 Gesetze und
gesetzesvertretende Verordnungen, 39 Verordnungen aufgrund des Le-
bensmittelgesetzes neben den vielen finanzgesetzlichen und sonstigen
Bestimmungen existieren. Ich habe die Handelskammer aufgefordert uns
diese Broschüre offiziell zu schicken, ich könnte mir sehr gut vor-
stellen, daß wir gemeinsam versuchen diese Gesetzes– und Verord-
nungsflut einzudämmen, vor allem aber die alten Gesetze, die kein Mensch
wahrscheinlich mehr kennt und sicherlich auch kaum einhält, zu durch-
forsten.
ANMERKUNG FÜR JAGODA: Wie ist Deine Meinung dazu?
Ich habe Kehrer mitgeteilt, daß das WIFI 11.250.000 S im vergangenen
Jahr bekommen hat, und daß damit die Handelskammer zufrieden sein müßte,
eine Aufstockung kommt nicht in Frage. Kehrer bestätigte diesen Betrag.
Ich informierte Kehrer, daß meiner Meinung nach jetzt durch die Ver-
doppelung der Kleinstkreditansätze für das Gewerbe das die Anschluß-
kredite aufgrund der schon bestehenden Richtlinien in der Bürges auch
die einstimmige Entschließung des Nationalrates, daß das Finanzministerium
und ich Richtlinien für Betriebsmittelkreditgewährung ausarbeiten sollen ,
zumindestens teilweise erfüllt ist. Kehrer kennt die Situation natür-
lich genau und meinte, diese Möglichkeit hätte schon in der Vergangenheit
bestanden, auch dann wenn sie de facto nicht ausgenützt wurde. Ich
stellte eindeutig fest, daß jetzt aber die Betriebsmittelkredite für
diese beiden Möglichkeiten gewährt werden sollen.
ANMERKUNG FÜR JAGODA UND GROSSENDORFER: Bitte die entsprechenden Bud-
getmittel deutlich sichtbar zuweisen und sofortige Durchführung in
Angriff nehmen.
Ich informierte die Handelskammer, daß jetzt die OB mit SC Sterk
installiert wurde, womit die seinerzeitige Zusage, der 50er-Jahre,
als der Neuner-Posten für die OB verlustig wurde, erst jetzt von mir in
den 80er-Jahren entgegen dem ursprünglichen Standpunkt der Personal-
vertretung erfüllt wurde, da Kehrer dies nicht glauben wollte, habe
ich ihn ersucht, mit dem seinerzeitigen Geschäftsführer der Industrie-
fachgruppe Bergbau Dr. Denk, der jetzt natürlich schon in Pension ist
zu reden. Sallinger und letzten Endes dann auch Kehrer haben zur
größten Verwunderung von Staatssekretär Albrecht und mir trotzdem ge-
sagt, daß sie meine Personalpolitik nicht akzeptieren, obwohl Sterk
eindeutig ihrer Fraktion zuzurechnen ist, da ich ihren Personalwünschen,
die sie allerdings nie konkretisiert haben, sie erklären ganz einfach
nur, es müßten mehr Schwarze in leitende Positionen kommen, nicht ak-
zeptieren. Sallinger in seiner scheinbar überlegenen Art meint Kehrer
gegenüber, in der Personalpolitik kann man Staribacher nichts anhaben,
er macht dies zu geschickt, macht das was er will und spielt nur die
Personalvertreter zwischen Bauten- und Handelsministerium gegeneinander
aus, so daß nie ein einheitlicher Beschluß der ÖAAB-Vertreter zustande
kommt.
Kehrer frägt mich, ob der Außenhandelskammerbericht, der jetzt im
nächsten Ministerrat beschlossen werden soll, grundsätzlich geändert
wurde, ich gebe ihm sofort das Exemplar unserer Kurzfassung, wo ins-
besondere seinerzeit der Bundeskanzler Kreisky bezüglich der Aufwendun-
gen für Reisen, Autos usw. detailliert wollte, detailliert dargestellt
sind. Ich erlaube mir dann noch die hämische Bemerkung, daß die Han-
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delskammer immer erklärt hat mit dem Geld knapp auszukommen, dann
aber, als Bundeskanzler Kreisky von ihnen für den Forschungsförderungs-
fonds entsprechende Mittel verlangte, jeweils 100 Mio. durch 3 Jahre
hindurch sofort bekommen hat. Sallinger erklärt, daß er diese Zustim-
mung gegeben hat und geben mußte, weil damals Vizekanzler Finanzmini-
ster Androsch nur bereit war, den Handelskammerbeitrag um 0,4 % für die
Arbeiterabfertigung aufzustocken, während dann Kreisky bereit war 0,8 %
für die Arbeiterabfertigung, also den doppelten Betrag zu akzeptieren.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte versuche vorsichtigst als Grundsatzabtei-
lung zu recherchieren ob dies stimmt.
Natürlich gibt es eine Diskussion über die Feiertagspersonalspekula-
tionen, ich schrecke die Handelskammer einmal mehr, daß das Handels-
ministerium für sie durch mich verloren gehen würde, wenn die Sozia-
listen die absolute Mehrheit verlieren sollten, sicherlich aber nicht
dann ein von der Handelskammer vorgeschlagener Handelsminister kommen
würde. Sallinger ist natürlich fest davon überzeugt, daß er den näch-
sten Handelsminister, so wie dies in der ÖVP-Zeit immer der Fall war,
nominieren würde. In diesem Fall meinte er allerdings würde es nicht
wie im Profil gemeldet Dollinger , der zwar ein tüchtiger Beamter der
Handelskammer ist, werden. Albrecht macht die geschickte polemische
Bemerkung, sie erwartet sogar, daß in diesem Fall die Handelskammer mich
vorschlagen würde. Sallinger aber auch ich stellen mit Bedauern fest,
daß Albrecht erklärt hat, unter gar keinen Umständen mehr dann als
Staatssekretärin, weder bei einer sozialistischen absoluten Mehrheit
noch bei irgend einer anderen Konstitution zur Verfügung zu stehen.
Ohne daß ich, und dies wird von Kehrer besonders anerkannt, in der Öffent-
lichkeit jemals darüber gesprochen habe oder auch nur jetzt eine
Amtsmüdigkeit zu erkennen gebe, erwähne meine alte Argumentation, daß
so ca. nach 10 Jahren Ministertätigkeit eigentlich ein Wechsel erfolgen
sollte.
Albrecht appelliert neuerdings an die Handelskammer, für die Tirolerin
Eugenie Heidegger, eine 80-jährige Geschäftsfrau, die Frage des KR-Titels
endgültig zu klären. Heidegger war durch 2 Perioden Kommerzialrat des
Statistischen Beirates, angeblich kann man aber erst nach 3 Perioden
den Titel dann weiterführen, auch dann, wenn man nicht mehr in dieser
Funktion tätig ist. Für mich gilt aber das gute österreichische schlam-
pige Prinzip, wer jemals einen Titel besessen hat, behält ihn doch im
Prinzip bis zu seinem Ableben.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Stell bitte fest, ob man tatsächlich nach der
dritten Periode den Titel offiziell dann weiterführen darf.
Kehrer ersucht mich für den in Saudi-Arabien in Schuldhaft befindlichen
Ing. Bodner doch etwas zu unternehmen. Der Handelsdelegierte dürfte
ihm diesbezüglich einen Brief geschrieben haben. Ich erkläre Kehrer,
daß jetzt das Außenamt über die Feiertage endgültig und endlich ent-
schieden hat, daß ich sehr wohl an den Kronprinz ein diesbezügliches
Schreiben richten sollte. Ich glaube Kehrer teilt meine Meinung, daß
es zweckmäßiger gewesen wäre, ich hätte bei der Vorsprache beim Kron-
prinz dies persönlich getan, wenn mich der Botschafter Schmid darüber
informiert hätte.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte Schreiben jetzt sofort abfertigen.
Kehrer hat in Moskau mit dem Außenhandelsministerstellvertreter Schusch-
kow gesprochen. Dieser hat ihm angedeutet, daß mit der BRD jetzt ein
25-jähriger Wirtschaftsvertrag abgeschlossen wurde, und daß man auch
erwartet einen solchen mit Österreich in Angriff zu nehmen. Ich hatte
Kehrer seinerzeit schon gesagt, wenn die Sowjets einen diesbezüglichen
Wunsch äußern, bin ich natürlich sofort bereit die diesbezüglichen
Verhandlungen einzuleiten. Kehrer hat mir für MR Fälbl ein internes
Protokoll seines Besuches gegeben.
ANMERKUNG FÜR MEISL UND HAFFNER: Was sagt ihr zum sowjetischen Wunsch.
Kehrer erkundigte sich bei mir, ob tatsächlich der Präs. Sallinger und
er zur Veranstaltung am Mittwoch ins Handelsministerium zur Unter-
schrift über die VW-Investition von Wärmepumpen kommen sollten. Kehrer
befürchtet, daß wir mit VW im Handelsministerium eine ähnliche Rege-
lung anstreben, wie dies der Bundeskanzler bei GM, das heißt 1/3 der
Investitionen werden durch den österreichischen Staat subventioniert,
am Mittwoch sozusagen feierlichst abgesegnet wird. Ich erklärte ihm
rundweg, daß ich erstens dafür gar keine Mittel hätte, und daß zweitens
meine Methode eine wesentlich andere ist. VW und auch andere Firmen,
die autotive Teile jetzt importieren. Auf den anderen Sektoren, z.B.
Elektronik, IBM, und noch andere Firmen, arbeite ich überall mit wesent-
lich billigeren, ja dem Staat in Wirklichkeit gar keine Kosten ver-
ursachenden Methoden wie Vermittlung von Jagden, Auszeichnungen, ja so-
gar Staatsbürgerschaften. Subventionen hat das Handelsministerium
selbst gar keine gegeben, weil es dafür auch gar keine Budgetmittel
gibt. Unsere Funktion besteht ausschließlich darin, vermittelnd und
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helfend den Unternehmungen unseren Slogan Service für die Wirtschaft
in der Praxis zu dokumentieren. Ich bin sehr gespannt, ob Kehrer oder
Sallinger zu uns kommen werden.
Beim Journalistenfrühstück wurde die erste niederösterreichische AK-
Konsumentenwoche, an der auch Staatssekretär Albrecht mitwirken wird,
der Presse vorgestellt. Interessanterweise gab es dort keine Diskus-
sion, sondern nur die Frage, ob außer Niederösterreich noch andere
Kammern diese Idee verfolgen werden.
Über die Neugestaltung der Fremdenverkehrsförderung hat SC Jagoda die
Hausaktion und MR Würzl die Fremdenverkehrssonderaktionsrichtlinien
und auch die neuen FAG-Richtlinien für die Fremdenverkehrsgemeinden
vorgestellt. Da über diese sehr wichtigen und sehr schwierigen Pro-
bleme, insbesondere war die Qualitätsprämie von 15 % durch die AK sehr
bestritten, jetzt doch eine Einigung der Sozialpartner erreicht werden
konnte, wird auch für die restlichen Aktionen die Richtlinienbereini-
gung jetzt leichter erfolgen.
ANMERKUNG FÜR JAGODA UND GROSSENDORFER: Bitte so schnell als möglich
schon allein wegen des Wahlkampfes die anderen Richtlinien auch den
neuen Gegebenheiten anpassen.
In der Diskussion wurde die Frage der Winterfremdenverkehrssaison
angeschnitten, die besten Richtlinienveränderungen können leider den
mangelnden Schnee für die Wintersaison nicht ersetzen. Dazu kommt,
daß ja eine unglückliche Ballung zwischen den Energieferien in Öster-
reich, in Deutschland der Faschingswoche und in Niederlanden der Tulpen-
woche, alles Winterferien, die jetzt heuer leider zusammenfallen, nichts
ändern. Wichtiger aber noch als alles andere ist, daß jetzt endlich der
Schnee kommt, und wenn einer liegt, nicht noch jetzt durch das war
Wetter wegschmilzt.
Über die Vereinbarung zwischen Handelsministerium und Handelskammer,
KR Kindl und Frau Köck vom Fachhandel Spielzeug, berichtete Werner Kohl
von der ARGE Christen und Sozialismus und auch Frau Kramer vom Katholi-
schen Jugendwerk Österreichs. Diese Organisation hat 130.000 Mitglieder,
beide stellten mit Befriedigung fest, daß es heuer zu Weihnachten nur
unbedeutende Kriegsspielzeugkäufe gegeben hat. Der Handel hat tatsäch-
lich in den Auslagen die Kriegsspielzeuge nicht ausgestellt, die
katholische Jugend hat eine Umtauschaktion wieder durchgeführt, die
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sich bestens bewährt. Für Kriegsspielzeug werden besonders gerne
Stofftiere von den Kindern dafür verlangt. Auf die große Gefahr aber
wies von der AK Frau Brauner hin, die durch das neue elektronische
Spielzeug jetzt entsteht. Derzeit werden nur in der Galaxie oder
auf der Erde Kriegshandlungen damit elektronisch bekämpft, sie befürch-
tet aber mit Recht, daß in absehbarer Zeit menschliche Revolverhelden
bis in die Details den Abschuß der anderen Menschen elektronisch
darstellen wird. Auf Bildschirmen wird man dies aber wahrscheinlich
bald erleben.
ANMERKUNG FÜR ALBRECHT: Hier müßte man so schnell als möglich entspre-
chende Vorkehrungen durch die vorgesehene Absprache mit Elektronikfirmen
versuchen zu erreichen.
Beim Jour fixe mit GD Fremuth und SL Zluwa berichtete ich über die
Aussprache mit den Leuten von Maltakraftwerk. Ich betonte neuerdings,
daß natürlich die Mauerundichtheit und jetzt die Rohrundichtheit sehr
unangenehm ist, aber in der öffentlichen Meinung nicht annähernd so
viel Unwillen auslöst als die wirklich unerklärlichen Privilegien,
die in der Vergangenheit in manchen E-Unternehmungen eingerissen sind.
Fremuth versicherte mir, daß er eine volle Initiative entfaltet um
diese Fehlentwicklung zu bremsen, abzustellen und sogar so weit geht,
daß er Prozeßführungen dagegen überlegt, wie z.B. jetzt in der Ausei-
nandersetzung mit dem ehem. Vorstand bei den Illwerken. Fremuth macht
allerdings darauf aufmerksam, daß diese Prozeßführung ein großes
Risiko darstellt. Er wird außerdem versuchen neue Absprachen mit den
Zentralbetriebsorganisationen, sprich der ARGE der Betriebsräte zu
führen, um vertraglich zugesicherte Privilegien wenn irgendwie möglich
abzubauen. Dies gilt insbesondere für die wie er ausdrückt, mörderische
Valorisierung der Gehälter bis zum Prokuristen rauf. Alle erreichen da-
durch die maximale Kollektivvertragsregelung d.h. den höchsten Pro-
zentsatz, während der Vorstand sich mit den Minimumkollektivvertragsver-
einbarungen über die Istlöhne bescheiden muß.
Bezüglich der mit Finelectra jetzt und der Verbundgesellschaft ver-
einbarten Reduzierung des Aktienkapitals von 5,775 % auf 4,5 % erkläre
ich mich einverstanden, damit wird ohne die kapitalisierten Zinsen
allerdings berücksichtigen zu können ein Unrecht, das Jahrzehnte lang
die österreichische Seite belastet hat und die vom alten Vorstand
so vereinbart wurde, auf gütigem Wege beigelegt. Zluwa erklärt, daß
wir auf einen Widerspruch gegen diese Vereinbarung verzichten können,
nur Sicherheit hat aber MR Burian noch den Finanzministervertreter MR
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Roch darüber informiert und holt seine Zustimmung ein.
GD Fremuth und Streicher werden wegen der E-Preise für die Aluproduk-
tion, in Ranshofen derzeit 36 Groschen pro kWh, bei mir vorsprechen,
Fremuth wird sein Aufsichtsratsmandat bei den VMW zurücklegen, da er
sofort erkannt hat, daß er dort in eine unmögliche Situation kommt.
VMW will tiefe E-Preise, GD Fremuth, Verbund, muß womöglich kostendeckende
verlangen.
Fremuth wird jetzt nach Moskau reisen, um die Unterkommission der Ge-
mischten Kommission mit dem sowj. E-Vertreter Lopatin abzuwickeln.
Die Industrie hat ihn, sowohl was die elektrische als auch die Bauseite
betrifft, bis jetzt fast gar nicht unterstützt, Fremuth wird versuchen
die Verbundplan stärker einzuschalten.
Fremuth hat am Kautsky-Kreis teilgenommen und am Semmering festgestellt,
daß dort ausschließlich Vertreter jetzt sind, die die Grüne Linie über-
all offiziell propagieren, er fühlte sich dadurch von allen im Stich
gelassen.
ANMERKUNG FÜR GROSSENDORFER: Bitte informiere mich sofort welchen Ein-
druck du hattest.
Im Wiener Vorstand und im Ausschuß stand die Vorverlegung der Gemeinde-
ratswahl 1983 von Oktober auf den Nationalratswahltermin im April
nach einem Referat von Gratz zur Diskussion. Ich war sehr erstaunt,
als sich im Vorstand zwar einige Leute meldeten, im Ausschuß aber
nur der Vertreter der JG Häupl seine Bedenken gegen diese Vorverlegung
als einziger deponierte. Häupl vertritt den Standpunkt, daß durch die
Verkürzung des Wahlkampfes es nicht möglich sein wird, die Kommunal-
probleme stärker im Wahlkampf der Wiener Bevölkerung klarzumachen. Im
Vorstand wurde ihm von den anderen Diskussionsteilnehmern klargemacht,
daß diese Kommunalprobleme in Wirklichkeit die Leute viel weniger in-
teressieren als die Arbeitsplatzsituation und die weitere wirtschaft-
liche Entwicklung. Die Zusammenlegung der Wahlen wurde daher im Vor-
stand nicht besonders abgestimmt, aber übereinstimmend festgestellt, daß
es gut war, und im Ausschuß dann sehr konkret von Gratz vorgetragen und
dann abgestimmt und nur gegen die Stimme von Häupl, sonst einstimmig
beschlossen.
Für mich war dies wieder einmal eine Lehre, daß wenn ein Obmann einer
Organisation einen richtigen Beschluß herbeigeführt hat, vorher den,
weil Gratz wie er erklärte keine andere Möglichkeit bestanden hat, aber
in der Öffentlichkeit bereits vor Genehmigung der entsprechenden Gremien
ankündigt, gar keinen Widerstand zu erwarten hat. Da die übereinstimmende
Meinung ist, daß die diese Zusammenlegung aus den verschiedensten
Gründen zweckmäßig ist, hat es, wie ich noch einmal verwundert feststel-
len möchte, gar keine Diskussion darüber gegeben. Gratz hat im Wiener
Vorstand noch berichtet, daß aufgrund der Dezemberumfragen das Wähler-
potential für die ÖVP 27 % und für die SPÖ 52 % ist und dies dem
Wahlverhalten vor der letzten Gemeinderatswahl entspricht. Richtig
ist, daß bei den Gemeinderatswahlen ein geringerer Mobilisierungs-
effekt, ca. 5 % gegenüber den Nationalratswahlen geringer ist,, derzeit
liegt die SPÖ sogar noch unter diesem Mobilisierungseffekt in Wien.
Gratz hat diese Ziffern aber im Ausschuß nicht mehr gesagt, sondern
nur mehr angedeutet, daß jetzt die SPÖ knapp über 50 % liegt, und
daß daher alle Anstrengungen unternommen werden müssen damit wir
nicht nur die Nationalratswahlen sondern auch die Gemeinderatswahlen
entsprechend positiv gestalten können. Bezüglich der ihm von der Presse
in den Mund gelegten Behauptung, daß es dann eine Koalition geben
sollte, meinte Gratz, er hat vor 2 1/2 Jahren schon der Presse ein
Interview gegeben, das der Chefredakteur Chorherr nur falsch auslegt.
Gratz' Meinung ist, daß die Koalition keine Grundsatz- und keine Glau-
bensfrage ist, sondern daß sie aufgrund der gegebenen Verhältnisse ge-
prüft werden muß. Derzeit gibt es keine Koalition, was in der Zukunft
sein wird, wird sich nach den Wahlen zeigen. Vizebürgermeister Busek
möchte am liebsten, daß dies in der Verfassung verankert wird und er
sozusagen zu einer Koalition gezwungen wird. Dies wird sicherlich nicht
der Fall sein. Selbst über diese Aussage gab es weder im Vorstand noch
im Ausschuß eine Diskussion. Alles ist scheinbar jetzt darauf einge-
stellt, so schnell als möglich die Wahlvorbereitung und die Wahlpro-
paganda und den Wahlkampf einzuleiten und die Wahl positiv zu beenden.
Landesparteisekretär Sallaberger berichtete dann über die Wahlfondsent-
scheidungen, da vorher angenommen wurde, April Nationalrat 50 S pro Wähler,
12 Mio. S für die Wiener an die Zentrale abzuführen, Gemeinderatswahlen
im Oktober auch 50 S, die 12 Mio. S brauchen wir dann für den Wiener Wahl-
kampf, hat das Präsidium jetzt durch die Zusammenlegung vorgeschlagen,
sollte für die zweite Wiener Aktion nur 40 S Wahlfonds zu bezahlen
sein. Dagegen gab es die verschiedensten Bedenken. Im Ausschuß
meinte man dies sei nicht der schlüssige Beweise , daß man viel mit
der Zusammenlegung ersparen könnte. Sallaberger konnte dann nachweisen,
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daß die letzten Nationalratswahlen für Wien 19 Mio. S Einnahmen und
23 Mio. Ausgaben, die Gemeinderatswahlen 1978 aber 17,6 Mio. S Einnahmen,
aber 46,1 Mio. S Ausgaben gebracht haben. Seit dieser Zeit müssen Jahr
für Jahr 5 1/2 Mio. S ehem. Wahlschulden bezahlt werden. Diese Ziffern
waren dann ausschlaggebend, daß letzten Endes auch der Bericht Sallaber-
ger einstimmig genehmigt wurde.
Im Wiener Vorstand wurde dann noch berichtet, daß die Mietkosten in
den Häusern der Begegnung und der Volkshochschulen so erhöht werden,
daß durch eine weitere Subvention der Gemeinde Wien nur die Vereine
und die Parteien 10 % mehr zahlen, die Gemeinde Wien erhöht ihre
Subventionen in diese Häuser der Begegnung und Volkshochschulen.
Das Schiedsgerichtsverfahren gegen den ehem. Sekretär im Hatzl-Büro,
Derzali der Geld für Wohnungen genommen haben soll, wird fortgesetzt,
daß Derzli dies bestreitet, das Schiedsgerichtsverfahren gegen die
seinerzeitige Wahlliste der Sozialisten bei den Gemeinderatsgewerk-
schaftswahlen ist ebenfalls noch nicht abgeschlossen. Über beide
Probleme gab es keinerlei Diskussionen, alles steht jetzt im Zeichen
des Wahlkampfes. In so einer Situation ist interessant, könnte man
wahrscheinlich die unmöglichsten Beschlüsse vom Obmann und vom Präsi-
dium dem Vorstand und dem Ausschuß vorlegen, alles würde untergehen.
Hier zeigt sich doch in meinen Augen eine Stärke der SPÖ um die uns
sicherlich viele beneiden. Hätte Gratz in einer anderen Situation eine
solche Entscheidung, ohne mit den zuständigen Gremien vorher zu spr-
echen getroffen, hätte es sicherlich eine rege Diskussion darüber
gegeben, jetzt wird scheinbar oder besser gesagt Gott sei Dank alles
zurückgestellt, geschluckt, nur um die Einheitlichkeit der Auffassung
und der Partei zu dokumentieren. Daß die JG wieder einmal ausgesprun-
gen ist, ist vielleicht sogar sachlich zu begründen, aber optisch sehr
schlecht, dies wird ihr sicherlich keine zusätzlichen Freunde bringen,
ganz im Gegenteil.
Tagesprogramm, 10.1.1983
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)