Samstag, 30. April 1983 und Sonntag, 1. Mai 1983
Beim sogenannten traditionellen Frühstück im Weißen Saal der Grazer
Burg bei LH Krainer waren diesmal sehr viele Botschafter und Handels-
delegierte. Das Protokoll hat mich zwischen LH Krainer und den sowjet.
Botschafter Jefremow gesetzt. Dieser erklärte mir strengst vertraulich,
daß jetzt die UdSSR doch bereit wäre, die abgebrannten Brennelemente
gegebenenfalls zu übernehmen. Es müßte in der nächsten Zeit eine diesbe-
zügliche offizielle Mitteilung kommen. Da mir Jefremow schon des öfteren
solche Andeutungen einer positiven Erledigung machte, kann ich nicht be-
urteilen, ob tatsächlich eine solche Entscheidung jetzt in der sowjet.
Regierung fällt. Auf alle Fälle habe ich ihm aber erklärt, dies müßte
jetzt wirklich sehr schnell erfolgen, denn ich befürchte ansonsten, daß
die neue Bundesregierung Entscheidungen wegen des Kernkraftwerkes Zwen-
tendorf bezüglich Beendigung der Konservierung treffen könnte.
ANMERKUNG FÜR GROSSENDORFER: Bitte mit Fremuth verbinden.
LH Krainer kam dann ununterbrochen beim Frühstück und beim Mittagessen
und bei jeder sonstigen Gelegenheit auf die Koalitionsverhandlungen zu
sprechen. Nicht, daß er sich der Illusion hingibt, er könnte diese mit
seiner Idee große Koalition, eventuell sogar eine Konzentrationsregierung
durchdringen. Er wollte sich, deutlich sichtbar für mich, nur seinen Är-
ger von der Seele sprechen, daß er bei den Sozialisten insbesondere
wahrscheinlich dem Gewerkschaftsbund gar keinen Widerhall für diese
Idee findet, respektive wahrscheinlich auch gar nicht in seiner eigenen
Partei. Ich habe ihm zumindestens klar auseinandergesetzt, daß ja inner-
halb der Österr. Volkspartei, ich glaube insbesondere im jetzigen Präsi-
dium, wo der ÖAAB ja sehr viel zu sagen hat, besonders dieser an einer
großen Koalition nur sehr gering interessiert ist. In einer solchen
Koalition würde nämlich die soz. Arbeiterflügel das Sagen haben und der
ÖAAB, respektive der christl. Arbeiterflügel müßte sich dann als Seniorpartner wieder mit einem geringen Einfluß bescheiden. Derzeit hat aber
gerade der ÖAAB in der ÖVP größtenteils das Sagen. Auf der soz. Seite
wird ja derzeit nur von der soz. Jugend und Jungen Generation, dies aber
auch sogar öffentlich, die Forderung, die Sozialisten sollten überhaupt
keine Koalition eingehen, sondern in die Opposition gehen, befürwortet.
Krainer, der ja die alte Tradition in der ÖVP aufrechterhält, daß sozu-
sagen von der Steiermark die extremsten Denkanstöße kommen, in Wirklich-
keit aber von dort die große Politik der ÖVP gemacht werden sollte, kann
sich daher innerlich mit seinen geringeinflüssigen Rolle jetzt kaum ab-
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finden.
Bei der Eröffnung der Grazer Messe hat dann Krainer darauf verwiesen,
daß er es begrüßt, daß ich 25 Mal jetzt die Grazer Messe eröffnet habe
und ich ihm ja schon angedeutet habe, daß dies das letzte Mal der Fall
sein wird. Ich selbst erwiderte dann, ich habe nicht 25 Mal die Messe
eröffnet, weil ja einige Male Bundespräsidenten die Eröffnung vorgenom-
men haben, daß aber die Anzahl meiner Teilnahme stimmt. Schließlich war
ja meine erste offizielle Handlung unmittelbar nach der Bestellung zum
Minister 1970 die Teilnahme an der Grazer Messe. Damals wollte man mich
ja übrigens gar nicht reden lassen, sondern ich hätte nur als stiller
Teilnehmer auftreten sollen. Dies habe ich Gott sei Dank abgelehnt, ich
erinnere mich nämlich noch sehr gut, wie der alte LH Krainer, der Vater
des jetzigen, damals sofort erklärte, die Steirer müssen jetzt sehr auf-
passen, die politische Landschaft hätte sich geändert und die Häuselbauer
und die Kleinbauern müßten jetzt sozusagen um ihr Eigentum fürchten.
Wäre ich damals nicht zu Wort gekommen und mich sofort gegen diese Unter-
stellung mit aller Deutlichkeit gewehrt, hätte sicherlich der Bundesprä-
sident Jonas in seiner Eröffnungsansprache diesen ungeheuren Angriff
nicht repliziert. Solche Angriffe sind in der Zwischenzeit längst ver-
stummt und auf alle anderen ging ich ja immer ein, diesmal war es aber
fast eine Laudatio, die mir Krainer hielt, er meinte sogar, er hoffe, daß
ich noch recht oft zur Grazer Messe kommen werde. Darauf konnte ich aber
replizieren, weil man Minister ist, hat man viele Einladungen und keine
Zeit, wenn man kein Minister mehr ist, viel Zeit, aber sicher keine Ein-
ladungen.
Der Durchgang durch die Messe und dann auch die Pressekonferenz verlief
wie gewöhnlich auch sonst. Vecsei selbst hatte gemeint, es hätte Krainer
zu deutlich meine letzte Teilnahme herausgestrichen und man könnte leicht
heraushören, daß ich sozusagen kapituliere, da dies ja nicht der Fall
ist und auch bei der Presse nicht der Eindruck entstehen sollte, habe
ich meine Erklärung meiner Ministerbeendigung glaube ich plausibel dar-
gelegt. Welche Koalition auch immer kommen möge, sowohl die ÖVP als auch
die FPÖ verlangen mit aller Vehemenz das HGI. Da ich fest davon überzeugt
bin, daß die soz. Verhandlungspartner am ehesten dieses Ministerium ab-
treten können, bin ich überzeugt, daß daher meine Ministertätigkeit be-
endet ist. Bei dem Pressegespräch habe ich zwar auch im Einzelnen dann
noch erörtert und eben auf alle Fragen Rede und Antwort gegeben. Insbe-
sondere interessiert sich die Redakteure auch über alle meine Spitznamen,
die Vecsei jetzt sogar auf einem DIN-A4-Blatt zusammengeschrieben hatte
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und dort nach Abzug von ihm dort verteilt wurden. In Graz war die Presse-
konferenz von mir sozusagen eingeführt worden und die Journalisten hatten
mich immer sehr nobel behandelt, jetzt haben sie sich sogar herzlichst
verabschiedet.
Bei den fünf Maiveranstaltungen in der Obersteiermark hatte ich
nur deshalb geärgert, weil der zuständige Bezirkssekretär Wieland die
Zeiteinteilung falsch durchführte und dadurch die Abendfestkundgebungen
und Fackelzüge in verschiedenen Orten um eine halbe Stunde verspäteten.
Da ich Unpünktlichkeiten, insbesondere wenn dann doch ein paar Dutzend
Leute warten müssen, hasse, war ich über diese Organisationsfehler sehr
verärgert. Zwischendurch hatte ich andererseits so viel Zeit, daß ich nach
der verregneten Maikundgebung in Veitsch auch noch die Veitscher Magnesit-
werke besichtigen konnte. Da der Bergbau dort eingestellt ist, wird das
Magnesit und die anderen Bestandteile zugeführt. Dort verarbeitet und
dann weltweit exportiert. In die Fabrik wurde in der letzten Zeit nach
wie vor viel Geld für die moderne Magnesitziegelerzeugung investiert.
Der Betrieb arbeitet rationell und ich glaube auch gewinnbringend. Ein
solcher Magnesitstein über S 100,-- kostet, niemand würde dies vermuten,
kann dieser, trotzdem er keine eigene Sintermagnesiterzeugung mehr hat,
scheinbar existieren. Überrascht war ich aber am meisten, wie sauber der
Betrieb war, da ich mit Sicherheit annehmen konnte, niemand vermutete,
daß ich überhaupt bei einem nicht arbeitenden Betrieb, Samstag, Sonntag
ist ja nur der Trockenofen von einem Mann bewacht, kommen würde, war dies
also nicht ein für einen Ministerbesuch besonders gesäubertes Fabriksge-
lände. Natürlich wurden früher dreimal soviel Arbeiter und Arbeiterinnen
beschäftigt.
Die Funktionäre bei all diesen Veranstaltungen erklärten, daß die Partei-
mitglieder und natürlich die Funktionäre über das Wahlergebnis sehr zu-
sammengeschlagen sind. Ich habe sie natürlich ersucht, aufzurichten. Ein-
hellig wurde mir aber immer wieder versichert, man erwartet, daß die Soz.
nach wie vor in der Regierung bleiben und ihr Programm weitestgehend
durchsetzen. Dies konnte ich auch allen zusagen, obwohl ich ja eigentlich
gar nicht im Verhandlungsgremium bin und über den letzten Stand ja nicht
genau Auskunft geben könnte.
Beim Maiaufmarsch in Wien am Sonntag war meiner Meinung nach, was zumin-
dest unseren Bezirk betrifft und sicherlich auch die anderen, keine we-
sentlich stärkere Beteiligung festzustellen. Ich nützte die Gelegenheit,
um mit unserem Bezirksrat Bergen, der bei den Elektrizitätswerken be-
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schäftigt ist, unter vier Augen während des Aufmarsches die Frage der
Bezirksvorsteherlösung zu besprechen. Bergen, ein sehr kritischer Funk-
tionär, aber wahrscheinlich einer der seriösesten Arbeiter, wird sich
alles noch überlegen und mir Bescheid geben.
Bei einem Aufmarsch ist es Tradition, daß an der Spitze die soz. Jugend
des Bezirkes geht. Früher waren dies wirklich eine große Anzahl von
Fahnenträger, jetzt ist es ein jämmerliches Häufchen von nicht einmal
ein Dutzend Mitglieder. Um so überrascht waren wir, als dann beim Burg-
theater dieses Grüppchen ein Transparent über die soz. Opposition raus-
zauberte. Dies hatten sie sicherlich am Vortag am Fackelzug verwendet.
NR Heindl und vor allem der Organisationsleiter dieses Aufmarsches von
der Landstraße, GR Sevcik machten ihnen klar, daß sie dies bei unserem
Aufmarsch nicht zeugen könnten. Darauf meinte der SJ-Obmann, dann wird
er die ganze Gruppe herausziehen. Möbich??? kann ich nur sagen. Es ist
niemandem aufgefallen. Unfair wie er schon ist, hat er am Ende unseres
Bezirkszuges, wo ihn niemand mehr kontrollieren konnte, sich dann vor
dem Rathaus wieder hereingeschlichen und ist mir dem Transparent vorbei-
gezogen. Ich glaube es war die einzige Störaktion, die zu verzeichnen
war. Alle anderen soz. Jugendgruppen haben sich, sofern sie sich beteiligt
haben, in den Bezirken keine solche Demonstrationen veranstaltet. Na-
türlich wurde dann dies sofort im Fernsehen am Abend gezeigt.
ANMERKUNG FÜR NR HEINDL: Dies müssen wir im Vorstand und Ausschuß be-
sprechen.
Die Schlußkundgebung eröffnete dann Bgm. Gratz, der so wie Präs. Benya
ganz kurz nur gesprochen hat. Immer wenn der Name Kreisky aber fiel, wur-
de am Rathausplatz von einer großen Masse von Zusehern und -hörern stark
applaudiert. Als Kreisky dann selbst in seiner Rede die politische Situ-
ation und insbesondere seinen Entschluß erläuterte, konnte er wirklich
auf eine große Zustimmung und ein riesiges Gefühl der Dankbarkeit dieser
Leute sehen und hören.
Ich habe beim Weggehen dann mit Klubobmann Fischer noch die Niederlegung
meines NR-Mandates im Einzelnen besprochen. Fest steht, daß ich nach Be-
schluß des Bezirksvorstandes ein diesbezügliches Schreiben an die Partei
richten muß.
Tagesprogramm, 30.4.1983
hs. Notizen (Tagesprogramm 30.4. Rückseite)
Tagesprogramm, 1.5.1983