Mittwoch, 18. Mai 1983
Im Landstraßer Präsidium besprechen wir mit Bezirksvorsteher Reviczky
seine weitere Mitarbeit im Rahmen der Bezirksvertretung nach der Wahl
des neuen Bezirksvorsteher Bergen. Dieser hat mit Recht geglaubt,
es wäre zweckmäßig, wenn Reviczky auch sein Bezirksratsmandat zurück-
legt. Da Reviczky aus wirklich freiwilligen Stücken und auf seinen
Wunsch nicht mehr als Bezirksvorsteher kandidiert, erscheint es auch
dem Präsidium für zweckmäßig sein Bezirksratsmandat an einen neuen
jungen Nachrücker abzugeben. Er selbst hat immer erklärt, daß zwei
Leute, die sich um den Bezirksentwicklungsplan besonders verdient ge-
macht haben, in den Bezirksrat reingehören. Voraussetzung dafür ist
eben, daß ein Mandat frei wird. Jetzt ist er allerdings der Meinung,
daß er als Sektionsleiter dafür auch entsprechend legitimiert unbe-
dingt im Bezirksrat bleiben müßte. Wir versuchten ihm alle klarzu-
machen, daß er dabei die große Schwierigkeit haben wird von der ÖVP-
Opposition eben als ehem. Bezirksvorsteher ständig personell hart
attackiert zu werden, wie dies ja auch schon im Wahlkampf geschehen ist.
Reviczky wohnt nicht auf der Landstraße, ihm wurde sogar unterstellt,
daß er von der ÖVP, ÖAAB, kommt und dort einmal Mitglied war und was
sonst alles noch an personellen unqualifizierten Angriffen gesagt
wurde. Letztlich empfahl ich ihm, er solle sich dies alles genau noch
überlegen und nach meinem alten guten Grundsatz mindestens einmal
überschlafen.
Im Bundesparteivorstand, der später begann, weil scheinbar im Präsidium
länger diskutiert wurde, gab es dann von Sinowatz, Kreisky war noch
nicht anwesend, die Bekanntgabe der Ministerliste. Sinowatz meinte,
die Kontinuität hätte man wahren müssen, weshalb eben jetzt schon
im Amt befindlichen Minister bleiben und daher auch die Erneuerung er-
folgen müßte von Leuten, die bereits in Verantwortungspositionen in
der Vergangenheit tätig waren. Keiner wird mehr der Regierung der er-
sten Stunde angehören.
Die Minister- und Staatssekretärsliste brachte überhaupt keine neuen
Erkenntnisse, alles war längst in den Zeitungen und im Fernsehen be-
reits angekündigt. Die einzige Überraschung war, daß die FPÖ nicht
Ofner als Verteidigungsminister und Frischenschlager als Justizmini-
ster, sondern eben umgekehrt, Frischenschlager, der ein Grüner und
Junger ist, als Verteidigungsminister und Ofner jetzt, dem man nachsagt,
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der ANR, Aktion neue Rechte, steht er sympatisch gegenüber, denn er
dient für diese Leute als Anlaufstelle, er hat auch als erster eine
Beugehaft, weil er bei Gericht nicht aussagen wollte, bekommen, als
Justizminister fungieren wird.
Das größte Problem dürfte auch im Präsidium gewesen sein die Berufung
der Nationalräte für die niedergelegten Mandate der Abgeordneten.
Für Lanc Fast, für Blecha Strache, für Fischer Konecny, für Sekanina
Pöder, für Dallinger Traxler, für Steyrer Jankowitsch, für Lausecker
Veleta, für Löschnak Rieder (Sekr. Broda), für Sinowatz Zipser aus dem
Burgenland. Fast, Traxler und Zipser sind drei Frauen, die zusätzlich
jetzt ins Parlament kommen. Dies war aus dem Wahlkreis I, aus dem
Wahlkreis II kam für Salcher Tieber, für Haiden Grabner, für Schmidt
Schober, für Karl die Sbg. Geschäftsfrau Wörndl und für Eypeltauer
die Kärntnerin Hieden.
Über diesen Vorschlag gab es dann eine harte Diskussion der Landes-
parteiobmann LH-Stv. Grünner aus Oberösterreich meinte, man hätte
loyal mit der Bundespartei verhandelt und hätte auch Konzessionen
gemacht und jetzt kommt anstelle der Oberösterreicherin Eypeltauer
eine Kärntnerin. Am härtesten argumentierte dann Bgm. Hillinger von
Linz, der darin überhaupt einen Bruch einer Vereinbarung mit der Bun-
despartei sah. LH-Stv. Moritz meinte wieder, in Salzburg hätte man
in der Landespartei beschlossen, nicht die Frau Wörndl, sondern den
LUGA-BRO Altmann einen Arbeiter anstelle der Geschäftsfrau.
Die Frauen, und dies haben auch Seidl und Offenbeck zum Ausdruck ge-
bracht, waren mit der Anzahl der Frauen, 5 werden nachnominiert, jetzt
sind es in Hinkunft um eine mehr im Nationalrat als bei der 79-er
Wahl, wo wir 95 Mandate haben und jetzt nur 90, mit der Anzahl zufrie-
den, verlangen nur, daß man in Hinkunft vorher entsprechende Vorkeh-
rungen trifft und nicht dann immer dieser Streit um Frauenmandate mit
anderen Organisationen passiert.
Gesundheitsminister Steyrer fragte nur, was er mit einem Staatssekre-
tär Ferrari-Brunnenfeld, dieser mußte nämlich letzten Endes dann doch
für die Kärntner FPÖ akzeptieren, daß sie nur einen Staatssekretär
bekommen und nicht, wie sie erwartet hätten oder gewünscht hätten, einen
Minister, anfangen soll. Es hat das Gesundheitsministerium jetzt schon
wenig Kompetenzen, was wird dann erst ein Staatssekretär dort machen.
Bei der Abstimmung ergab sich, wie ja gar nicht anders zu erwarten, dann
letzten Endes mit etlichen Gegenstimmen der Oberösterreicher die Be-
stätigung des Präsidiumsvorschlages.
Für den Klubobmann wurde der Metallarbeiter Geschäftsführende Obmann
Wille dem Klub empfohlen. Die Wahl des Klubobmanns , der unbedingt ein
Abgeordneter sein muß, der die volle Autorität hat, sollte ja ursprüng-
lich der Zentralsekretär der Privatangestellten und Obmann des 10.
Bez., NR Braun, kommen . Dieser wird jetzt neben Offenbeck und Marsch
der dritte Stellvertreter. Sepp Wille wird seine Funktion in der
Metallarbeitergewerkschaft aufgeben, wie dann Kreisky besonders er-
wähnte.
Über diese Bestellung gab es keine Diskussion mehr, ich kann mir aber
vorstellen, welche internen Kämpfe es dabei gegeben hat.
Kreisky meinte auch, diese Regierung sei mit einer optimalen Präsenz
der SPÖ ausgestattet, ohne daß er es sagte, meint er hier sicher, daß
alle führenden Leute jetzt in der Regierung sitzen. Fischer, Blecha
usw.
Im Parteivorstand wurde dann noch Schober als Obmann der Bauern,
Rösch als Obmann des Pensionistenverbandes und der Klubobmann Wille
kooptiert. Der nächste Parteivorstand wurde für 22.6., 12.30, einberufen.
ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte alle verständigen, daß alles über meine
Privatadresse oder die LUGA gehen muß.
Kreisky hat dann die Verabschiedung der Minister und Staatssekretäre
vorgenommen. Firnberg sei am Anfang schon mit der Mißgunst der großen
Oppositionspartei konfrontiert gewesen, sie hätte dann die größte
Zeit für die österreichische Wissenschaft eingeleitet und es verlange
rein schon der Respekt der SPÖ , was sie geleistet hat. In der ersten
Republik hieß es, den Sozialdemokraten sei die Waschfrau wichtiger
als die Professoren, diesen Vorwurf hätte sie jetzt entsprechend ent-
kräftet. Broda hätte ein gewaltiges Reformwerk begonnen und einen
Nachholbedarf, der bestanden hat, erfüllt und mit sozialistischer Ge-
sinnung durchgeführt. Er wäre auch bei Fachleuten anderer politischer
Parteien entsprechend anerkannt, was er hier geleistet hat. Österreich
ist moderner und menschlicher auf diesem Gebiet geworden. Rösch
hätte zuerst als Staatssekretär in der Landesverteidigung schon im
ÖVP-Regime verhindern müssen, daß dort eine entsprechende Personalpol-
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litik ausschließlich nach VP-Interessen durchgeführt wurde.
Im Innenministerium hätte er dann die Exekutive, die immer in einem
Spannungsverhältnis zur Partei früher gestanden ist, aus diesem Span-
nungsverhältnis herausgebracht. Er war dann der erste sozialistische
Landesverteidigungsminister, hätte diese ruhig gestellt und die
größte Akzeptanz innerhalb der Partei erreicht. Das Heer wird heute
so wie in der ersten Republik von den Sozialdemokraten bejaht. Bei
Staribacher müsse man die Vorgeschichte kennen, er sei ein Architekt
der Sozialpartnerschaft, schon bei den Lohn- und Preisabkommen 47 da-
bei gewesen. Aus der AK ist er dann ins Handelsministerium gekommen und
hat dieses populär gemacht. Mit der sozialpartnerschaftlichen Ein-
stellung und insbesondere mit entsprechender Kooperation mit der VP-
Seite dieser Sozialpartnerschaft sei sie friktionslos verlaufen. Die
Handelspolitik, die Kreisky ja immer mit größtem Interesse verfolgt
habe, hätte sich besonders gut entwickelt. Er hätte einen eigenen Stil
gehabt, nur persönliche Freunde , und zeichnet sich durch seinen Ideen-
reichtum aus. Staatssekretär Schober war Kammerrat in Kärnten, als
ihn die Kärntner Sozialisten auf ihn aufmerksam gemacht hatten und
sagten, Kreisky soll sich ihn anschauen. Allein die Wut und der Zorn,
die der Bauernbund, wenn sie über Schober sprechen, zu erkennen geben,
zeigen, wie er der ÖVP zusetzte. Staatssekretär Albrecht , die vor länge- Kreisky schon das Ausscheiden mitgeteilt
rer Zeithat, das er aber nicht
einsehen wollte. Frauen aber, wenn sie sich etwas in den Kopf setzen,
setzen dies durch. Sie hat im Handelsministerium einen großen Frei-
raum bekommen und hat die Konsumenteninteressen wahrgenommen. Dies
wird in der Zukunft besonders wichtig sein, denn die Gewerkschaften
können nur über die Lohnpolitik dem Arbeiter was bringen, über den
Preis darf er nicht ausgebeutet werden. Staatssekretär Fast hat Kreisky
besonders gerne, weil er sie entdeckt . Nach der Wahl Kreiskys zum
Parteiobmann hätten die Wiener Metallarbeiter ihn eingeladen und dort
hätte er mit Benya die echte menschliche Versöhnung stattgefunden,
die politisch schon lange erfolgt sei. Fast hätte er mit der Harmoni-
ka gespielt und Kreisky hat sogar etliche Heurigenlieder mitgesungen.
Sie sei eine Repräsentanz der Arbeiterinnen in dem Betrieb gewesen,
die diese nicht vergessen hat. Kreisky hat Benya gesagt, die muß man
in die Regierung nehmen, sie wird Respekt und Achtung für diese schwe-
ren Arbeiten der Arbeiterinnen erreichen. Wenn Kreisky Betriebe be-
sucht hat und festgestellt hat, daß Frauen 36.000-mal die gewaltigen
Hammerstöße hören müssen und dort arbeiten, dann weiß man, was Mang
in der Regierung geleistet hat, die dies immer wieder im Ohr hat, wenn
sie in der Regierung redete. Außenminister Pahr hat seine Aufgaben
gut erfüllt. Kreisky hat ihm nichts dreingeredet, es gibt einen begrenz
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ten Bereich, wo er sich dies vorbehalten hat, so sei es aber auf der
ganzen Welt, daß Ministerpräsidenten entsprechend Außenpolitik mitbe-
stimmen. Staatssekretär Seidel sei wegen seiner stillen effizienten
Leistung im Ausland gedankt. Man werde darüber nachdenken, wie man
ihn einsetzen könne als großen Österreicher und Ökonomen. Die beiden
letzten waren ja nicht anwesend und bei allen anderen gab es entspre-
chend langen Applaus. Rösch, der bei mir saß, meinte gleich am Anfang,
jetzt kommen die Grabreden.
Kreisky meinte dann noch, er wünscht Sinowatz und seiner Regierung
viel Glück, die Regierung muß ihre Reputation entsprechend noch aus-
bauen, dazu ist eine umgehende Arbeitsmethode Tag und Nacht notwen-
dig. In einem Großstaat kann ein Regierungsmitglied, das einen unge-
heuren Apparat hat, leichter largieren, in einem Kleinstaat muß der
Minister durch seinen Fleiß diesen großen Apparat ersetzen.
Sinowatz dankte dann noch einmal Kreisky. Im Parteivorstand konnte
man ja immer seine ungeheure Überlegenheit bei dem Regierungsbericht
oder über die Weltberichte Kreisky bewundern.
MR Würzl berichtet mir, daß die Länder nicht bereit sind das ÖFVW-
Budget mit 10 % aufzustocken, sondern wieder nur mit 6 %. Vorsitzender
dieser Länderarbeitsgruppe war Finanzlandesreferent Vogl, der gleich-
zeitig auch für den Fremdenverkehr scheinbar gesprochen hat. Mir ist
dieses Verhalten unerklärlich, denn Burgenland hätte anstelle 2,9
um 300.000 S mehr zahlen müssen, dafür wäre das Budget von 305 Mio.
auf 335 Mio. in Summe erhöht worden, also um ca. 30 Mio. mehr, der Vorteil,
den die Länder gehabt hätten, wäre 1 ‰ das Burgenland mehr geleistet
hätte, hätte es 100 % mehr optimalen Fremdenverkehrsausbau erreichen
können. Vogl konnte ich leider nicht erreichen, weil er wieder einmal
auf Kur gewesen ist.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Versuche über die soz. Landesfremdenverkehrs-
direktoren die Haltung der Länder zu ergründen.
Beim Jour fixe mit den Vorstandsdirektoren der Verbund, Fremuth und
Zach, verstärkt noch durch Dir. Kobilka, Do,KW sprachen wir ausschließ-
lich über die Notwendigkeit in der neuen Regierung sofort die Ent-
scheidung über das Kraftwerk Hainburg zu erreichen. Ich habe nämlich
mit AK-Präsident Hesoun im Parteivorstand schon vorbesprochen, daß
eine große Gefahr besteht, daß nicht zeitgerecht entschieden wird.
Die Idee, man könne die Bauarbeiter von Greifenstein dann beim Donau-
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Marchfeld-Kanal einsetzen, ist ein Unsinn, dieser Kanal ist weder vorbe-
reitet, noch gibt es eine konkretere Planung. Kobilka teilte uns mit,
daß die Sachverständigen, Boroviczeny für Erde, Vlögl, Bauaufsicht,
Mayrhofer von Land- und Forstwirtschaft, Weiss, Bodenkultur, Geologe,
in Greifenstein waren und erklärt haben, es gäbe nur den eingereichten
Standort der DoKW, wie er jetzt vorgeschlagen wird. Da die Donau ja
jetzt noch bei Deutsch-Altenburg, was immer geschieht, verlegt werden
muß, wird noch mehr Auwald dadurch herangezogen werden müssen. Wenn
dies aber nicht geschieht, wird früher oder später die Donau die
Quellen Deutsch-Altenburgs gefährden. Dies will niemand und traut
sich auch niemand zu verantworten.
ANMERKUNG FÜR ZLUWA UND GROSSENDORFER: Bitte diese Erklärung den
sozialistischen davon betroffenen Stellen endlich klarmachen.
Im Wiener Ausschuß gab es dann abends bis nach 12 Uhr eine Diskussion
über die Stadtsenatsbesetzung und insbesondere auch über die nachrük
kenden Gemeinderäte. Dasselbe, was sich im Parteivorstand abgespielt
hatte, war dann auch in Wiener Ausschuß festzustellen. Das Präsidium
tagte länger als vorgesehen, weil es sich auch über die Frage der
Nachrückung nicht einigen konnte. In der Gemeinde wurde aber nur
gleichzeitig in groben Umrissen auch die neue Kompetenzverteilung
vorgeschlagen, hier gab es Ungereimtheiten, die mich überraschten.
Noch mehr überraschte mich aber das verhältnismäßig schlechte Klima
der Stadträte untereinander; wenn sich dies nicht bessert, wird es mit
der Partei in der Gemeindepolitik weiter bergab gehen. In dieser
Diskussion wurde mir neuerdings nur bestätigt, daß eben der Teufel
im Detail steckt, diese Diskussion in der Bundesregierung kommt ja
erst, wenn es dann um die Aufteilung der Kompetenzen, z.B. des neuen
Familienministeriums, kommen wird.
Tagesprogramm, 18.5.1983
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung Sitzung Bundesparteivorstand, 18.5.1983
hs. Notizen (TO Parteivorstandssitzung Rückseite)
Tagesordnung Wiener Ausschuss, 18.5.1983
Typoskript "Vorschläge für eine neue Ressortaufteilung" betr. Wr. Magistrat mit hs. Notizen
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