Wie es Euch gefällt? Perspektiven wissenschaftsgeleiteter Organisationsformen des Datenmanagements für die Geisteswissenschaften
Ausgangslage
Durch die zunehmende Digitalität in den Geisteswissenschaften wird die Frage nach der Sicherung der langfristigen Verfügbarkeit digitaler Daten und Ergebnisse geisteswissenschaftlicher Forschung immer dringlicher. Inzwischen ist unter Beteiligung der wichtigsten Akteure (Wissenschaftler*innen, Wissenschaftseinrichtungen, Forschungsförderer) der Prozess der Einrichtung einer nationalen Forschungsdateninfrastruktur zur Sicherung der Nachhaltigkeit des Forschungsdatenmanagements im Sinne des Rats für Informationsinfrastrukturen (RfII) (RfII 2016) angegangen worden. Im Mittelpunkt des NFDI-Prozesses stehen Lösungsstrategien für grundlegende Probleme, wie die langfristige Förderung vielfach projektbasierter Infrastrukturen, die Stärkung der Koordination zwischen bestehenden Akteuren und die Sicherstellung der Interoperabilität durch gemeinsame Standards.
Die Geistes- und Kulturwissenschaften bilden momentan im NFDI-Prozess eine eigene Interessengemeinschaft. Im Rahmen verschiedener Workshops wurden Bedarfe und mögliche Organisationsformen der Infrastruktur für diese Community sondiert.1 Im Mittelpunkt des unter dem Leitbild des Aufbaus wissenschaftsgeleiteter Forschungsinfrastrukturen stehenden NFDI-Prozesses steht der Ausgleich zwischen den Bedarfen der Fachdisziplinen/Fachgesellschaften und bereits existierenden Angeboten bezüglich einer adäquaten Organisationsform (RfII 2017). Diese muss auch kleine Fachdisziplinen einbeziehen und mit entsprechenden Angeboten bedienen sowie interdisziplinäre Aspekte berücksichtigen.2 Beim dritten NFDI-Workshop im Oktober 2018 stand daher ein „Konzept einer forschungsdaten- & methodenbasierten Infrastruktur für die Geisteswissenschaften” im Fokus.3 Mit diesem Workshop ist der Konsortialbildungsprozess jedoch noch nicht abgeschlossen. Es werden weitere Möglichkeiten bestehen, die Bedarfe der Community zu signalisieren. Daher erscheint es zeitgemäß, aus Sicht der Praxis unter besonderer Berücksichtigung der digitalen Geisteswissenschaften, gemeinsam über wissenschaftsgeleitete Organisationsformen des Datenmanagements zu diskutieren.
Verortung der Thematik
Innerhalb der Geisteswissenschaften haben sich bereits verschiedene Organisationsformen des Forschungsdatenmanagements herausgebildet. Die AG Datenzentren hat in ihrem Grundsatzpapier (AG Datenzentren 2017, S. 20-22) drei idealtypische Formen geisteswissenschaftlicher Datenzentren typisiert: 1) Datenzentren innerhalb von Institutionen, 2) Datenzentren mit regionaler oder fachwissenschaftlicher Ausrichtung und 3) Datenzentren als Teil einer übergreifenden Infrastruktur mit internationaler Perspektive. An Institutionen angesiedelte Forschungsdatenzentren zeichnen sich häufig durch eine starke Nähe zur Wissenschaftspraxis der jeweiligen Hochschule aus und sind auf diese explizit ausgerichtet. Sie bieten häufig entsprechende Lösungsstrategien an oder finden diese in Verbünden. Fachwissenschaftliche Einrichtungen stellen übergreifende Anlaufstellen für Problemstellungen einzelner Fachcommunities dar, können dabei jedoch auch methodisch verwandte Wissenschaften bedienen. Verteilte Organisationsstrukturen mit problemorientierten Entwicklungen und Modellen verfolgen den Ansatz (teil)generische Services für eine breitere wissenschaftliche Öffentlichkeit zu schaffen.
Ziele des Panels
Die AG Datenzentren des DHd möchte im Rahmen der DHd 2019 ein Panel organisieren, in dem Herausforderungen und Lösungswege der Gestaltung einer wissenschaftsgeleiteten Organisationsform des geistes- und kulturwissenschaftlichen Datenmanagements aus verschiedenen Perspektiven näher beleuchtet werden. Die Zielstellung den Diskurs weiter zu fördern fügt sich organisch zu den strategischen Zielen der AG Datenzentren: Mit mittlerweile 25 Institutionen weist die AG eine hohe Diversität an unterschiedlichen Schwerpunkten und Strukturen auf. Seit ihrer Gründung gehört zu den Kernanliegen der AG Datenzentren der Diskurs um die Gestaltung und Herausforderungen fachbezogenen Datenmanagements. So hat die AG Datenzentren 2017 ein Grundsatzpapier veröffentlicht (AG Datenzentren 2017), gemeinsam mit dem DHd-Vorstand eine Stellungnahme zum NFDI-Prozess verfasst (DHd Verband und AG Datenzentren 2018), einen Vorschlag zur Konsortialbildung formuliert (AG Datenzentren 2018) und arbeitet seit einiger Zeit an einem Leistungskatalog der innerhalb der AG Datenzentren vertretenen Akteure (Moeller et al. 2017, Helling et. al. 2018). Durch den Austausch im Rahmen des Panels sollen Impulse für die Agenda für die koordinierte Einrichtung einer nationalen Forschungsdateninfrastruktur gegeben werden, die insbesondere die Bedarfe der digitalen Geistes- und Kulturwissenschaften wiedergibt.
Leitfragen
Im Mittelpunkt der Diskussion sollen die Vor- und Nachteile einer forschungsdaten- und methodenbasierten bzw. einer fachgetriebenen Organisation der Infrastruktur stehen:
- Welche Rollen spielen disziplinäre Grenzen und disziplinspezifische Fragestellungen für die Etablierung einer Forschungsdatenkultur und ihre Organisationsform in den Geistes- und Kulturwissenschaften?
- Welche Auswirkungen hat die jeweilige Organisationsform des Datenmanagements auf multimediale, interdisziplinäre Forschungsprojekte? Welche besonderen Herausforderungen und Bedarfe stellen sich hier?
- Wie können wir sicherstellen, dass auch kleinere Fachdisziplinen beteiligt und ihre Bedarfe adressiert werden?
- Wie erreichen wir, dass wir uns nicht zu weit vom Forschungsalltag der Wissenschaftler*innen entfernen?
- Wo sind spezifische Angebote notwendig, wo reichen generische Dienste?
- Was können wir von anderen Disziplinen lernen, in denen sich schon eine gemeinsame Forschungsdatenkultur etabliert hat?
Mittels kurzer Impulsvorträge werden die Panelisten ihre Sicht auf diesen komplexen Themenbereich bieten. Besonderer Wert soll darauf gelegt werden einen Raum dafür zu bieten, die Meinung der Community der digitalen Geistes- und Kulturwissenschaften einzufangen. Die AG Datenzentren plant im Vorfeld des Panels einen Diskussionsimpuls online zu stellen (DHd-Blog). Die eingegangenen Kommentare werden in die Eingangsmoderation und die Schärfung der Leitfragen für die gemeinsame Diskussion einfließen. Die Ergebnisse des Panels werden wiederum öffentlich gemacht.
Aufbau des Panels
Das Panel wird mit einer einleitenden Moderation und 5 Impulsvorträgen einen Überblick über bestehende Best Practices, Bedarfe und Herausforderungen geben. Die Referent*innen skizzieren aus ihren Erfahrungen Problemfelder und setzen Impulse zur Lösung der Fragestellungen, um immer wieder rasch in eine offene Diskussion mit dem Publikum überzugehen.
Ablauf (Gesamtdauer 90 Minuten)
- Teil 1: Einführung in das Thema, strategische Ziele der AG Datenzentren, Vorstellung
des Panels (5 Minuten) Ulrike Wuttke & Kai Wörner
- Kurzfassung Ziel und bisherige Ergebnisse Projekt „Dienstekatalog“ in Hinsicht auf das Panelthema (10 Minuten): Patrick Helling
- Teil 2: 5 Impulsreferate der Panelist*innen unter besonderer Berücksichtigung der oben formulierten Leitfragen jeweils gefolgt von einer kurzen Diskussion (50 Minuten, jeweils 4 Minuten Referat + 6 Minuten Diskussion)
- Teil 3: Moderierte Diskussion zum Themenkomplex unter besonderer Berücksichtigung von drei aus der vorhergehenden Diskussion und den aus der Community im Vorfeld der DHd eingegangenen Rückmeldungen zugespitzten Leitfragen (25 Minuten): Ulrike Wuttke & Kai Wörner
Zusammensetzung des Panels und Impulsreferate
Organisation, Eingangs- und Endmoderation
- Ulrike Wuttke (Fachhochschule Potsdam): Dr. Wuttke ist stellvertretende Sprecherin der AG Datenzentren und Akademische Mitarbeiterin der Fachhochschule Potsdam für das EU-Projekt PARTHENOS. Sie verfügt über Expertise im Bereich Forschungsdatenmanagement unter besonderer Berücksichtigung nationaler und internationaler Infrastrukturen und Community-Anforderungen. Sie wird das Panel aus der spezifischen Sicht der Geistes- und Kulturwissenschaften moderieren.
- Dr. Kai Wörner (Universität Hamburg): Kai Wörner ist Convenor der AG Datenzentren und stellvertretender Leiter des Zentrums für nachhaltiges Forschungsdatenmanagement an der Universität Hamburg. Dort erarbeitet er ein Portfolio an Diensten und Beratungsleistungen zum Forschungsdatenmanagement, die aus dem bereits länger arbeitenden gwin-Projekt aus den Geisteswissenschaften auf alle Fächer der Universität ausgeweitet werden.
Organisation, Präsentation Dienstekatalog der AG Datenzentren
- Patrick Helling (Universität zu Köln): Patrick Helling ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Data Center for the Humanities (DCH) und am Institut für Digital Humanities (IDH) an der Universität zu Köln. Am DCH berät er Forscher*innen bei Fragen des geisteswissenschaftlichen Forschungsdatenmanagements. Im Rahmen der AG Datenzentren ist er mit dem Dienstekatalog betraut und beteiligt sich an AG Aktivitäten bezüglich einer Nationalen Forschungsdateninfrastruktur.
Impulsreferate
- Alexander Czmiel (Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW), Leiter
Informationstechnologie und Digital Humanities) vertritt die Sicht einer außeruniversitären
Forschungseinrichtung, die seit über 15 Jahren in den Digital Humanities aktiv ist,
digitale
geisteswissenschaftliche Forschungsressourcen entwickelt und diese langfristig kuratiert. Das Impulsreferat berichtet über die Erfahrungen, die während dieser Zeit gesammelt wurden und wird versuchen die Bereiche Forschungsdatenmanagement und DH aus der Position einer Wissenschaftsakademie einzuordnen. Dabei wird erläutert, was der Begriff „wissenschaftsgeleitet“ für eine Einrichtung, die sowohl die Anbieterperspektive, als auch die Nutzerperspektive in sich vereint,
bedeuten kann. - Dr. Katrin Moeller (Leiterin des Historischen Datenzentrum Sachsen-Anhalt) vertritt die Perspektive eines Datenzentrums mit regionaler bzw. fachwissenschaftlicher Ausrichtung. Präsentiert wird die Notwendigkeit einer fachspezifischen Datenkuration in unmittelbarer Forschungsumgebung mit dem Ziel Wissenschaftler*innen dabei zu unterstützen, Forschungsvorhaben bzw. Fragestellungen in nachnutzbare Forschungsdatenstrukturen zu überführen und am Ende Daten in “Buchqualität” zu veröffentlichen, ohne dabei den Aufwand überbordend werden zu lassen.
- Peter Gietz (DAASI International, DARIAH-DE, DHd-Vorstand) vertritt die Perspektive eines Datenzentrums als Teil einer übergreifenden Infrastruktur mit internationaler Anbindung. Er versucht eine geisteswissenschaftliche NFDI so zu denken, dass sowohl die Interessen der Infrastrukturen DARIAH-DE und CLARIN-D, als auch die der im DHd-Verband organisierten Datenzentren und Fachwissenschaften berücksichtigt und gewahrt sind. Das Impulsreferat thematisiert die verschiedenen Ebenen von Knoten einer geisteswissenschaftlichen Forschungsdateninfrastruktur, die sich sowohl über geografische Zuständigkeiten als auch über Fachspezialisierung ausdifferenzieren, sowie mögliche Geschäftsmodelle. Über einen Brokerdienst könnten Forschungsprojekte oder Einzelwissenschaftler*innen forschungsrelevante generische und individuelle Dienste verschiedener Anbieter über einen einzigen Vertragspartner beziehen.
- Dr. Cosima Wagner (Universitätsbibliothek/Campusbibliothek der Freien Universität Berlin) vertritt exemplarisch fachwissenschaftliche Anforderungen an das Forschungsdatenmanagement aus der Perspektive eines Regionalstudienfaches (sogenannte “Kleine Fächer”). Basierend auf einem BMBF-Projekt zum Aufbau und zur Erprobung von Strategien zum Forschungsdatenmanagement mit dem Schwerpunkt Ostasien- und Orient- bzw. Altertumswissenschaften skizziert das Impulsreferat FDM-Herausforderungen und Bedarfe von Regionalstudienfächern, die in Forschung und Lehre stark international ausgerichtet sind und bei denen FD in nicht-lateinischen Schriften anfallen. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass im Zuge der digitalen Transformation des Wissenschaftssystems entstehende neue Infrastrukturen, Standards und Modelle nur in geringem Maße nicht-lateinische Schriften berücksichtigen, was zu einer Verschlechterung der Forschungsinfrastrukturen für diese Fächer führt.
- Dr. Barbara Ebert (Geschäftsstelle des Rats für Informationsinfrastrukturen, RfII) vertritt die wissenschaftspolitische Perspektive. Der RfII hat 2016 die Errichtung einer NFDI empfohlen, um damit einen neuartigen, effizienten Rahmen für das bisher zu kleinteilige und überwiegend befristet finanzierte Gefüge von Forschungsdatendiensten zu schaffen. Vorbereitend sind insbesondere die forschenden Communities bzw. Fachgemeinschaften gefordert, ihre Bedarfe zu definieren und mit aus ihrer Sicht geeigneten Infrastrukturpartnern Dienste-Portfolios mit längerer Perspektivplanung für ganze fachlich-thematische Domänen zu entwickeln. Vorgestellt werden Anforderungen diese Community-Infrastrukturpartnerschaften, die sog. Konsortien, sowie Eindrücke aus den vorbereitenden Diskursen verschiedener Akteure.
Fußnoten
Bibliographie
- DHd-AG Datenzentren (2017): Geisteswissenschaftliche Datenzentren im deutschsprachigen Raum. Grundsatzpapier zur Sicherung der langfristigen Verfügbarkeit von Forschungsdaten. Hamburg, Online: http://doi.org/10.5281/zenodo.1134760.
- DHd AG Datenzentren (2018): Vorschlag der AG Datenzentren im DHd zur Bildung und Strukturierung eines NFDI-Konsortiums für die Geisteswissenschaften. Online: http://doi.org/10.5281/zenodo.1442845.
- DHd Verband (2018): Stellungnahme des Verbandes Digital Humanities im deutschsprachigen Raum (DHd) zur Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI). Online: https://dig-hum.de/stellungnahme-dhd-nfdi [letzter Zugriff 15. Oktober 2018].
- Helling, Patrick / Moeller, Katrin / Mathiak, Brigitte (2018): Forschungsdatenmanagement in den Geisteswissenschaften - der Dienstekatalog der AG-Datenzentren des Verbands ‘Digital Humanities im deutschsprachigen Raum’ (DHd), in: ABI Technik, Band 38, Heft 3, 251 - 261. DOI: https://doi.org/10.1515/abitech-2018-3006 .
- Moeller, Katrin / Ďurčo, Matej / Ebert, Barbara / Lemaire, Marina / Rosenthaler, Lukas / Sahle, Patrick / Wuttke, Ulrike / Wettlaufer, Jörg (2018): Die Summe geisteswissenschaftlicher Methoden? Fachspezifisches Datenmanagement als Voraussetzung zukunftsorientierten Forschens, Jahrestagung Digital Humanities im deutschsprachigen Raum (DHd), Book of Abstracts. DOI: http://doi.org/10.18716/KUPS.8085 .
- RfII - Rat für Informationsinfrastrukturen (2016): Leistung aus Vielfalt. Empfehlungen zu Strukturen, Prozessen und Finanzierung des Forschungsdatenmanagements in Deutschland, Göttingen.
- RfII - Rat für Informationsinfrastrukturen (2017): Schritt für Schritt - oder: Was bringt wer mit? Ein Diskussionsimpuls für den Einstieg in die Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI), Göttingen.