Brücken bauen für Buddha Das Projekt „Digitalisierung Gandharischer Artefakte“ (DiGA) und die Pelagios Working Group „Linked Data Methodologies in Gandharan Buddhist Art and Texts“
https://zenodo.org/records/6327971
Das Projekt „Digitalisierung Gandharischer Artefakte“ (DiGA) digitalisiert und erschließt ein Korpus von 1.791 buddhistischen Skulpturen, die derzeit im Dir Museum in Chakdara und im Missionshaus der Missione Archeologica Italiana in Pakistan (MAIP) in Saidu Sharif (Provinz Khyber-Pakhtunkhwa, Pakistan) aufbewahrt werden.1 Dabei handelt es sich um Statuen des Buddha, der Bodhisattvas, der Schutzgottheiten und der Stifter sowie um narrative Reliefs, die Ereignisse aus den vorherigen und dem letzten Leben des Buddha Siddhārtha Gautama darstellen.
Diese Sammlungen sind außergewöhnlich, weil der archäologische Kontext der Objekte dokumentiert ist. Damit unterscheiden sie sich von vielen anderen Sammlungen buddhistischer Kunst aus Gandhara, deren Provenienz häufig unklar ist. Die in Chakdara und Saidu Sharif aufbewahrten Artefakte stammen von 13 alten buddhistischen Stätten, die sich im Gebiet des Flusses Swat befinden. Die Objekte, die DiGA digitalisiert, wurden bei wissenschaftlichen Ausgrabungen entdeckt, die von der pakistanischen Regierung, der Universität Peshawar und dem MAIP Ende der 1960er und in den 1990er Jahren durchgeführt wurden.
Die Objekte werden von allen Seiten mittels Digitalfotografie dokumentiert. Ausgewählte Objekte, die aufgrund ihrer Charakteristika oder ihrer Repräsentativität von einer räumlichen Erfassung besonders profitieren, werden zudem mittels Fotogrammetrie in 3D digitalisiert. Die Digitalisate und ihre Metadaten werden im Rahmen einer Kooperation mit dem FID Südasien in der Mediendatenbank heidICON der Universitätsbibliothek Heidelberg erfasst und für die Nachnutzung bereitgestellt. Das Metadatenschema von heidICON folgt dabei dem LIDO-Standard, was den Export und die Einspeisung in nationale und internationale Nachweisportale erleichtert.
Die Digitalisierung dieser Sammlungen ist nicht nur eine technische und logistische Herausforderung. Um sicherzustellen, dass die entstehende digitale Sammlung kein isoliertes Silo darstellt, betrachten wir das Vorhaben ebenso als soziale Herausforderung, die die Einbeziehung möglichst vieler relevanter Akteure schon in der Konzeptionsphase erfordert. Daher haben wir parallel zur Erstellung des Digitalisierungskonzeptes eine Working Group im Rahmen des Pelagios-Netzwerkes initiiert, die relevante Stakeholder aus der internationalen Forschungscommunity umfasst und gemeinsam Leitlinien erarbeitet hat, die eine zukünftige Vernetzung der heterogenen Bestände bestehender und geplanter Projekte erleichtern soll (Elwert/Pons 2020).
Das im Februar 2021 gestartete DiGA-Projekt folgt diesen Leitlinien und will mit der Digitalisierung und Erschließung der Sammlungen zugleich in mehrfacher Hinsicht Brücken bauen:
Brücken zwischen traditioneller Forschung und Digital Humanities
Inhaltlich ist das Projekt an der Schnittstelle von südasiatischer Kunstgeschichte, Buddhismuskunde und dem spezialisierten Feld der Gandhara-Studien angesiedelt. Im Vergleich zu den relevanten Feldern der Digital Humanities, insbesondere der digitalen Kunstgeschichte, fällt eine doppelte Leerstelle auf: Die fachwissenschaftliche Forschung hat zwar für ihre Zwecke extensive Systematiken zur Beschreibung Gandharischer Kunst entwickelt (etwa Faccenna/Filigenzi 2007), diese sind aber nicht als nachnutzbare digitale Ressourcen verfügbar. Auf der anderen Seite weisen digitale Ressourcen wie der Getty Arts and Architecture Thesaurus (AAT) oder IconClass eklatante Lücken im Bereich der außereuropäischen Kunst und Ikonografie auf. Das DiGA-Projekt setzt hier an, indem es die gewachsenen Fachstandards als Linked-Data-Ressourcen verfügbar macht und zugleich ihre Vernetzung mit den etablierten digitalen Ressourcen vorantreibt. Als erstes Ergebnis dieser Bemühungen wird ein digitaler Thesaurus zur Beschreibung buddhistischer Kunst im SKOS-Format sowie ein Gazetteer archäologischer Grabungsstätten der Gandhara-Region vorgestellt.
Brücken zwischen digitalen Sammlungen
Im Sinne der Linked-Open-Data-Vision vernetzter Datenbestände will das Projekt nicht bei der Erstellung digitaler Thesauri für den eigenen Gebrauch stehen bleiben. Die eigene Sammlung dient vielmehr als Experimentierfeld für die Etablierung von best-practice-Ansätzen, die einerseits bestehende Konzepte aufgreifen2 und andererseits als Leitbild für zukünftige Vorhaben dienen kann. Wir gehen dabei nicht davon aus, dass die Etablierung von Standards einseitig erfolgen kann. Vielmehr sehen wir dies als sozialen Prozess an. Die im Rahmen des Pelagios Networks gegründete Arbeitsgruppe „Linked Data Methodologies in Gandharan Buddhist Art and Texts“ dient dabei als Plattform für den Austausch zwischen verschiedenen Projekten mit dem Ziel, sich auf gemeinsame Beschreibungsstandards zu einigen und ihre Implementierung zu unterstützen.
Brücken zwischen Ländern und Kontinenten
Die Gandhara-Forschung ist ein internationales Feld, mit wichtigen Zentren in Italien, Frankreich, Großbritannien und Pakistan. Die Umsetzung des Digitalisierungsvorhabens kann sich daher nicht allein an deutschen Beschreibungsstandards (etwa GND) beschränken. Zugleich laufen Digitalisierungsprojekte unter europäischer Leitung Gefahr, Teil einer neo-kolonialen Wissensextraktion aus Ländern des globalen Südens zu werden, die lokale Ressourcen nur als Rohstoff für die (akademische wie finanzielle) Wertschöpfung in den Ländern des globalen Nordens begreifen (Rojas Castro 2020). Das DiGA-Projekt wird in enger Partnerschaft mit dem Direktorat für Archäologie und Museen der Provinz Khyber Pakhtunkhwa durchgeführt und berücksichtigt dabei auch die Rechte und Interessen der lokalen Akteure, etwa in Bezug auf die Speicherung der Digitalisate in lokalen Repositorien, die Wissensvermittlung und den Aufbau eigener Infrastrukturen.
Das Poster präsentiert das DiGA-Projekt, die Pelagios Working Group und die Ergebnisse der ersten Digitalisierungsphase: Die erstellten Vokabulare und Gazetteers sowie den Stand der Digitalisierungs- und Erschließungsarbeiten.
Fußnoten
Bibliographie
- Elwert, Frederik/Pons, Jessie (2020): Linked Data Methodologies in Gandhāran Buddhist Art and Texts: Pelagios Working Group Final Report. Bochum: Ruhr-Universität Bochum.
- Faccenna, Domenico/Filigenzi, Anna (2007): Repertorio terminologico per la schedatura delle sculture dell’arte gandharica – Sulla base dei materiali provenienti dagli scavi della Missione Archeologica Italiana dell’IsIAO nello Swat, Pakistan. Rome: IsIAO.
- Rojas Castro, Antonio (2020): „#FAIR enough? Building DH Resources in an Unequal World.“ In: Proyecto Humboldt Digital (ProHD). .
- Roux, Elie (2018): „The BUDA platform. LOD platform and model for Buddhist Studies: Bibliography, Prosopography, Geography.“ Präsentation auf der Linked Pasts IV, Mainz. .
- Zeppezauer-Wachauer, Katharina et al. (2021): „Needful Things. Die Relationen der Dinge in einer Ontologie mittelalterlicher Narrative.“ In: Medieval and Early Modern Material Culture Online 8.